Das Psyche-Darm-Paradox - Dr. med. Matthias Riedl - E-Book + Hörbuch

Das Psyche-Darm-Paradox Hörbuch

Dr. med. Matthias Riedl

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Beschreibung

Angst auf dem Teller, Depression auf der Gabel? Was wie ein Albtraum klingt, ist bittere Realität: Falsche einseitige Ernährung erhöht das Risiko für Depressionen, Angststörungen und ADHS dramatisch. Doch es gibt Hoffnung: Ernährungs-Doc Dr. Matthias Riedl zeigt, wie wir mit den richtigen Essensentscheidungen unsere Psyche wirksam schützen können – und zugleich der gesellschaftlichen Mental-Health-Misere entkommen. Basierend auf neuesten Studien und der Arbeit mit Tausenden Patienten enthüllt er, warum Nutella, Pizza und Co. uns immer nervöser, trauriger und erschöpfter werden lassen und auf welche Lebensmittel es wirklich ankommt wie z. B. Haferflocken, Brokkoli und Kurkuma. Denn ab sofort gilt: Darm gesund, Psyche gesund!

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Zeit:7 Std. 20 min

Veröffentlichungsjahr: 2025

Sprecher:Olaf Pessler

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IMPRESSUM

 

eBook: © 2025 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Grillparzerstraße 8, 81675 München

 

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Ohne die ausschließlichen Rechte des Autors und des Verlags einzuschränken, ist die Nutzung dieser Publikation zum Training generativer KI-Technologien ohne ausdrückliche Genehmigung untersagt. HarperCollins behält sich zudem gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2019/790 über den digitalen Binnenmarkt das Recht vor, diese Publikation von der Text- und Data-Mining-Ausnahme auszuschließen.

 

myFoodDoctor Die erste deutsche Ernährungstherapie-App, entwickelt von Dr. Matthias Riedl, abrufbar hier:

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Android

 

www.gu.de/kontakt | [email protected]

 

ISBN 978-3-8338-9929-4

1. Auflage 2025

 

GuU 8-9929 11_2025_01

 

DIE BÜCHERMENSCHEN HINTER DIESEM PROJEKT

Verlagsleitung: Eva Dotterweich

Texte: Matthias Riedl, Bettina Snowden

Projektleitung: Franziska Mohrfeldt

Lektorat: Annette Gillich-Beltz

Bildredaktion: Simone Hoffmann

Covergestaltung: ki36 Editorial Design, München, Anika Neudert

eBook-Herstellung: Klara Wimmer

 

BILDNACHWEIS

Coverabbildung: Sylvie Pablon Martin/AdobeStock.com

Illustrationen: GU/Pia Bublies

 

Syndication: Bildagentur Image Professionals GmbH, Tumblingerstr. 32, 80337 München, www.imageprofessionals.com

 

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WARUM UNS DAS BUCH BEGEISTERT

Keiner bringt es besser auf den Punkt: Der Weg zu einer starken Psyche führt über echte Lebensmittel – nicht über Schokoriegel, Pizza und Süßkram.

Eva Dotterweich, Verlagsleitung

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

 

wie wunderbar, dass du dich für ein Buch von GU entschieden hast! In unserem Verlag dreht sich alles darum, dir mit gutem Rat dein Leben schöner, erfüllter und einfacher zu machen. Unsere Autorinnen und Autoren sind echte Expertinnen und Experten auf ihren Gebieten, die ihr Wissen mit viel Leidenschaft mit dir teilen. Und unsere erfahrenen Redakteurinnen und Redakteure stecken viel Liebe und Sorgfalt in jedes Buch, um dir ein Leseerlebnis zu bieten, das wirklich besonders ist. Qualität steht bei uns schon seit jeher an erster Stelle – jedes Buch ist von Büchermenschen für Buchbegeisterte gemacht, mit dem Ziel, dein neues Lieblingsbuch zu werden. Deine Meinung ist uns wichtig, und wir freuen uns sehr über dein Feedback und deine Empfehlungen – sei es im Freundeskreis oder online. Viel Spaß beim Lesen und Entdecken! P.S. Hier noch mehr GU-Bücher entdecken: www.gu.de

ZUM AUTOR

Dr. med Matthias Riedl ist Ernährungsmediziner, Diabetologe sowie Gründer und ärztlicher Direktor des »medicum Hamburg«, Europas größtem interdisziplinärem Zentrum für Diabetologie, Ernährungsmedizin und angrenzende Fachgebiete. Bekannt ist der Autor zudem als TV-ERNÄHRUNGSDOC des NDR, als Host eines Podcasts und als Bestsellerautor.

Matthias Riedl ist überzeugt, dass man die dramatischen Folgen hochverarbeiteter Lebensmittel nicht überbetonen kann - denn sie gefährden nicht nur unsere körperliche, sondern auch unsere psychische Gesundheit. Die aktuelle Studienlage gibt ihm recht.

 

Weitere Bücher des Autors:

Iss deine Psyche gesundDie 28-Tage-Power-NährstoffkurArtgerechte Ernährung

 

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WICHTIGER HINWEIS

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in ­diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung des Verfassers dar. Sie wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizi­nischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autor noch Verlag ­können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

VORWORT

Wir müssen reden. Über Depressionen und Angsterkrankungen. Über Überforderung, Stress und Burn-out. Und das nicht zuallererst mit unserem Psychiater – sondern mit einem Ernährungsmediziner. Klingt paradox? Keineswegs ist das ein Widerspruch! Paradox erscheint mir vielmehr, dass die Medizin sich beim Thema Depressionen, Angsterkrankungen und Burn-out einen riesigen blinden Fleck leistet: Wenn Patienten über Niedergeschlagenheit, schwere Einschlafprobleme, unbestimmte und permanente Nervosität oder Panikattacken klagen, verschreiben Ärzte in der Regel flugs Antidepressiva, Beruhigungsmittel oder Einschlafpillen. Ihr Fokus bei der Therapie: unser Kopf bzw. unser Gehirn. Dabei würde es sich lohnen, ein Stockwerk tiefer zu schauen, auf unseren Darm. Denn er hat einen immensen Einfluss auf unsere psychische Gesundheit.

Tatsächlich ist die Darm-Hirn-Achse eine der engsten wechselseitigen Beziehungen in unserem Körper. Dass der Darm dabei sogar eine Führungsrolle übernimmt und nicht etwa unser Gehirn, ist der Kern des Psyche-Darm-Paradoxes: Unser Bauch und seine vielen Mikrobewohner haben ein gewaltiges Wörtchen mitzureden, wenn es um unsere psychische Gesundheit geht. Zeit, dass wir ihnen zuhören bzw. auf sie hören.

Wir sind unserem Darm nicht hilflos ausgeliefert. Denn was uns da steuert, das sind Hunderte Millionen winzigster Darmbewohner, größtenteils Bakterien. Es nennt sich Mikrobiom. Wie sich das zusammensetzt, wird zu einem großen Teil davon bestimmt, was wir essen. Wenn wir unser Gehirn einschalten und uns so ernähren, dass wir die uns wohlgesonnenen Bakterienarten füttern, dann bekommt unser Gehirn auch die richtigen Signale vom Darm gemeldet und es geht uns gut.

Das tun wir aber meistens nicht. Wir essen, als wäre das alles egal. Mit Fast Food, massig Zucker und schlechten Fetten füttern wir ein einseitiges, ungesundes Mikrobiom an, das unserem Gehirn verhängnisvolle Signale sendet, die uns körperlich und psychisch krank machen. Kaum verwunderlich, dass nahezu 40 Prozent aller Deutschen dann auch eine psychische Erkrankung attestiert bekommen.

Depressionen, Angststörungen, AD(H)S etc. haben viel mit einem gestörten Mikrobiom zu tun. Leider wird das auch in Expertenkreisen längst noch nicht genug anerkannt. Psychiater und Psychotherapeuten verschreiben lieber Pillen mit gravierenden Nebenwirkungen, als ihren Patienten einen Ernährungsberater zu empfehlen. Wir essen weiter das ganze ungesunde Zeug, das uns kurzfristig glücklich macht, aber auf Dauer schadet. Statt für ein gesundes Mikrobiom zu sorgen, schädigen wir es mit Medikamenten meist sogar. Das ist paradox.

Wir haben es selbst in der Hand, wie es uns geht. Ja, auch gerade dann, wenn wir schon mit depressiven Episoden oder mit Ängsten kämpfen. Der Schlüssel ist unsere Ernährung. Und ganz wichtig: Die Ernährung muss zu uns und unserem Leben passen. Am Ende freut sich das Mikrobiom, unser Darm und schließlich unsere Psyche.

WIR ESSEN UNSERE PSYCHE KRANK!

Der einfache Soldat Woyzeck kommt kaum über die Runden, als er sich für zwei Groschen am Tag als Versuchskaninchen für den Ernährungsversuch des strengen Doktors hergibt. Drei Monate lang muss der Bedauernswerte aus Georg Büchners gleichnamigem Dramenfragment ausschließlich Erbsenbrei essen – drei Monate lang nur Erbsenbrei! Die Folgen sind schlimm: Im Laufe der Zeit bekommt er Halluzinationen, hört Stimmen und ersticht zum Schluss im Wahn seine Freundin Marie. Er verliert die Kontrolle über seine Muskeln, sein Herz schlägt unregelmäßig, schließlich kann er seinen Harn nicht mehr halten. Er verliert in jeder Hinsicht die Kontrolle über sich selbst – und ist als Opfer ex­trem einseitiger Ernährung in die Literatur und damit auch in den Deutschunterricht von Millionen eingegangen.

Das Buch hat eine reale Vorlage. Büchner studierte im Jahr 1833 an der Gießener Universität, als der Chemiker und Forscher Justus Liebig dort Ernährungsexperimente im Auftrag der hessischen Obrigkeit durchführt. Liebig soll untersuchen, ob sich teures Fleisch durch eine billigere Eiweißquelle ersetzen lässt. Für die Verköstigung von Armee und Proletariat wäre das von entscheidender Bedeutung. Liebig, heute als Pionier der ernährungswissenschaftlichen Forschung gesehen, hielt Hülsenfrüchte für aussichtsreiche Kandidaten und Büchner wird Zeuge seines Experiments. Es war eine Zeit, zu der Menschenversuche völlig normal waren und Probanden ließen sich leicht finden, sie wurden einfach zwangsverpflichtet. Die 300 Versuchsteilnehmer, wie Woyzeck arme Soldaten, mussten drei Monate lang »Erbsbrei« essen und auch sie entwickelten gravierende Mangelsymptome wie geistige Verwirrtheit, Halluzinationen, Inkontinenz und Verlust der Muskelkontrolle. Es war vermutlich der erste wissenschaftlich Beweis, dass falsches, einseitiges Essen die Psyche krank macht.

Für Woyzeck und auch für Liebigs Probanden geht das Experiment übel aus. Die körperlichen Auswirkungen des Mangels durch Erbsendiät kann man heute bis ins Detail erklären. Aber was die negativen Folgen von falscher Ernährung auf unsere Psyche betrifft, da ist auch die Fachwelt noch immer erschreckend unbedarft.

Warum ich das alles erzähle? Schließlich wird heute niemand mehr drei Monate lang nur Erbsenbrei essen. Aber wir machen es nicht viel besser. Wir essen vom einen zu viel, vom anderen zu wenig. Und dafür bekommen wir noch nicht einmal einen einzigen Groschen. Im Gegenteil, wir ernähren uns völlig freiwillig falsch – und sind womöglich sogar noch davon überzeugt, dass das gesund ist, siehe fragwürdige Ernährungshypes wie Paleo oder Carnivore. In Wirklichkeit lassen wir unseren Körper und unsere Psyche aushungern. Wen wundertʼs, dass psychische Erkrankungen bei uns schon fast zur Normalität gehören. Houston, wir haben ein Problem!

Wie viele Menschen vor 50, 100, 500 oder mehr Jahren unter psychischen Störungen wie Depressionen, Angst- und Aufmerksamkeitsdefizitstörungen, Psychosen, Phobien etc. litten, ist nicht bekannt, gegeben hat es sie aber schon immer. Im Altertum wurden in der Regel psychische Erkrankungen mit Nervenstörungen in einen Topf geworfen und – egal ob Epilepsie, Psychose, Schizophrenie oder Depression – als »Wahnsinn« bezeichnet. Man wusste es nicht besser. Als echte Krankheit erkannt und anerkannt wurden psychische Erkrankungen vermutlich erst seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert, mit der auch die Psychiatriegeschichte ihren Anfang nahm. Die Gründe dafür, warum Menschen psychisch krank werden, waren lange Zeit unbekannt und sind es nicht selten noch immer.

Seitdem ist viel passiert in der Erforschung psychischer Erkrankungen. Sigmund Freud erfand die Psychotherapie und heute versuchen viele weitere Behandlungsmethoden, die psychische Qual von Patienten zu lindern. Es werden immer neue Medikamente entwickelt und verschrieben. Kurz: Man könnte meinen, es würde alles getan, um unsere Psyche gesünder zu machen. Hat es geholfen? Wohl eher nicht, wenn man sich heute den Anteil Betroffener in der Gesamtbevölkerung ansieht.

ERSCHÖPFTE PSYCHE: WIR STECKEN IN EINER MENTAL-HEALTH-KRISE

Vierzig Prozent aller Erwachsenen in Deutschland erhielten im Jahr 2023 die Diagnose einer psychischen Störung.1 Vierzig Prozent! Das ist deutlich mehr als jeder Dritte. Oder anders ausgedrückt: Vier von zehn Deutschen leiden heute, ärztlich diagnostiziert, unter einem psychischen Ungleichgewicht, das ihr Leben beeinträchtigt, bis hin zu schweren, ja sogar lebensbedrohenden psychischen Erkrankungen. Führen Sie sich diese Zahl einfach einmal vor Augen, wenn Sie in der Schlange an der Supermarktkasse oder beim Bäcker stehen, und zählen Sie mal durch – so wird das dramatische Ausmaß überdeutlich.

Den neuesten Zahlen der WHO zufolge sind weltweit über eine Milliarde Menschen von psychischen Erkrankungen betroffen.2 Beeinträchtigungen wie Angstzustände und Depressionen sind demnach in allen Ländern und Gesellschaften weit verbreitet.

Es ist erschreckend, wie viele Menschen an psychischen Erkrankungen leiden. Ja, sicher gibt es viele Anlässe, die uns Angst und Bange machen. Die Zeiten werden schwerer. Was lange selbstverständlich war, droht auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Der Klimawandel gefährdet unsere Existenzgrundlage. Kriege rücken näher und machen das Leben auf diesem Planeten unsicherer. Unser demokratisches System gerät ins Wanken. Der Umgangston wird rauer, das menschliche Miteinander roher.

Aber: Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Bedrohungen deutlich massiver und unmittelbarer waren, denken wir nur an den letzten Weltkrieg, den unsere Großeltern- oder Elterngeneration noch am eigenen Leib erlebt hat. Krieg, Vertreibung, Verfolgung, Hunger – das alles müssen wir hier und heute nicht ertragen. Verglichen damit leben wir wie die Mäuse im Speck. Wir sind sozial abgesichert und haben keine akuten Existenznöte. Warum werden wir bloß immer dünnhäutiger? Was ist es, was uns psychisch so verletzlich macht? Wo ist unsere Resilienz geblieben, die frühere Generationen offensichtlich noch besaß? Und warum ist unserer Gesellschaft bloß derartig krank? Die Antwort finden wir unter anderem in dem, was wir essen.

Zahlen, Daten, Fakten: Fehlernährung und Zivilisationserkrankungen

Nackte Zahlen und nüchterne Fakten rücken so manche Sachverhalte ins rechte Licht, deshalb wage ich im Folgenden einmal einen Blick auf die Statistik und den gegenwärtigen Forschungsstand zum Themenkomplex Krankheiten und Todesursachen – und was das mit falscher Ernährung zu tun hat. Denn um falsches Essen soll es hier gehen. Es ist nicht nur Auslöser von körperlichen, sondern auch von psychischen Leiden. Der Blick auf diese Zahlen und Fakten kann helfen, die Folgen von Fehlernährung für unsere Gesundheit und dann auch insbesondere für die Psyche besser einzuordnen.

Da wären die allgemeinen Todesursachen. Die Nummer eins bei uns in Deutschland steht seit Jahren unverrückbar ganz oben. Es ist der Komplex der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, im Jahr 2023 mit knapp 350 000 Todesfällen (einem Drittel aller Todesfälle), gefolgt von gut 230 000 Todesfällen aufgrund von Krebserkrankungen. Atemwegserkrankungen lagen mit gut 72 500 weit abgeschlagen auf Platz drei.3 Und zumindest bei den beiden Spitzenreitern Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs ist unumstritten und allseits bekannt, dass eine ungesunde Ernährung ein erheblicher Einflussfaktor, wenn nicht sogar der Auslöser ist.

Unser Essen macht uns krank. Den Beweis tritt unter anderem eine große Metaanalyse der Universitäten Jena und Halle an. Diese Studie, die die Ergebnisse aus 54 Ländern der europäischen Region der WHO in den Jahren 1990 bis 2019 ana­lysierte, führt ein Drittel bis die Hälfte allein der kardiovas­kulären (durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten) Todesfälle auf falsche Ernährung zurück.4 Etwa jeder sechste Todesfall überhaupt in Europa ist Fehlernährung geschuldet. Eine frühere US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2017 bewertete 195 Länder auf der ganze Welt hinsichtlich ernährungsbedingter Todesfälle und kommt sogar zu dem Schluss: Weltweit lässt sich rund ein Fünftel aller Todesfälle mit schlechter oder falscher Ernährung erklären.5

In absoluten Zahlen ausgedrückt: Jedes Jahr sterben rund 1,55 Millionen Menschen in Europa und in Vorder- und Zentralasien durch Fehlernährung. Allein in Deutschland sind seit dem Jahr 1990 insgesamt ca. 900 000 Menschen an den Folgen schlechter Ernährung gestorben. Deutlicher kann man das Ausmaß von schlechter Ernährung und ihren Folgen kaum darstellen als mit diesen nüchternen Zahlen. Im Klartext: Jeder fünfte Todesfall weltweit wäre vermeidbar. Und zwar vergleichsweise einfach – durch eine bessere Ernährung.

Die Zahlen belegen es: Schlechte Ernährung verkürzt das Leben, da sie das Risiko für schwere Erkrankungen wie Herzinfarkt, Diabetes und Krebs deutlich erhöht.

»Es sind leider immer wieder die gleichen Lebensmittel, von denen wir entweder zu wenig oder zu viel essen«, sagt Theresa Pörschmann, eine der Studienleiterinnen der genannten Studie aus Halle und Jena und Lehrstuhlinhaberin für Biochemie und Physiologie der Ernährung an der Uni Jena. Mit dieser Aussage bringt sie es auf den Punkt und legt gleichzeitig den Finger in die Wunde: Wir haben unser Schicksal zu einem nicht unerheblichen Teil selbst in der Hand!

Nachdem wir die allgemeinen Todesursachen betrachtet haben, wenden wir uns den psychischen Erkrankungen zu.

Psychische Erkrankungen konsequent auf dem Vormarsch

Erstmals seit dem Jahr 2019 ist im Jahr 2023 die Anzahl der Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs wieder rückläufig. Bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind es immerhin 2,7 Prozent. Ob sich das so weiterentwickelt, muss beobachtet werden. Es wäre natürlich schön, ließe sich das auf ein verbessertes Ernährungsverhalten zurückführen. Doch in Wirklichkeit sind wahrscheinlich eher die Entwicklungen in der Medizin, die immer wirksamere Medikamente produziert, und eine verbesserte Diagnostik dafür verantwortlich. Die Hälfte der Kosten in der Pharmaindustrie ist mittlerweile auf Neuentwicklung von Medikamenten zurückzuführen. Hier wird nicht gespart, denn es winken hohe Profite. Die Auswirkungen sind auch an den zunehmenden Milliardendefiziten der Krankenkassen ablesbar. Wir essen uns krank und lassen uns dann in Vollkaskomentalität vom Gesundheitswesen »reparieren«.

Auf der Negativseite steht eine gestiegene Zahl an Suiziden. Mehr als 10 300 Menschen beendeten im Jahr 2023 durch einen Suizid ihr Leben. Das waren 6,6 Prozent mehr als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Sicherlich sind nicht alle Suizide Folge einer psychische Störung … aber fast: Für etwa 90 Prozent der Selbstmorde in der westlichen Gesellschaft werden diagnostizierbare psychische Erkrankungen als Ursache angesehen.6

Die Suizidstatistik ist wohl ein deutlicher Hinweis entweder darauf, dass die Zahl psychischer Erkrankungen steigt oder aber, dass die Schwere der Erkrankungen zunimmt. Statistiken, die regelmäßig von Krankenkassen durchgeführt werden, sprechen für beide Vermutungen. Sie verzeichneten im Jahr 2022 ein Plus von 16 bis 18 Prozent bei Krankschreibungen und Fehltagen wegen seelischer Erkrankungen und führen das auf die Folgen der Coronapandemie und des Ukrainekriegs zurück. Schaut man sich jedoch ältere Zahlen an, dann wird deutlich, dass dieser Trend schon länger anhält. Die beiden einschneidenden Ereignisse können jedenfalls nicht die (alleinige) Ursache sein: Dem Gesundheitsatlas der Betriebskrankenkassen zufolge haben sich die Krankentage wegen psychischer Erkrankungen bereits im Jahr 2015 gegenüber 2003 mehr als verdoppelt, also lange vor Corona und Ukrainekrieg. Die Falldauer bei Krankschreibungen stieg von 2003 bis zum Jahr 2013 um 25 Prozent, was ein Hinweis auf die gestiegene Schwere der Erkrankungen sein könnte.7 Der Zehn-Jahres-Vergleich bringt es sehr deutlich auf den Punkt: Die Krankheitstage aufgrund von mentalen Krankheiten stiegen bis zum Jahr 2024 um 45 Prozent an, so der DAK-Psychreport aus dem Jahr 2025. Allein die Diagnose Depressionen hat im Jahr 2024 zu 50 Prozent mehr Krankschreibungen geführt als noch ein Jahr zuvor.8

45 Prozent mehr Krankschreibungen aufgrund von psychischen Erkrankungen in gut zehn Jahren sprechen Bände. Sicherlich verändert sich unser Umgang mit psychischen Erkrankungen und es gilt weniger als Tabu, darüber zu sprechen, so auch die Erklärung der DAK. Über psychische Erkrankungen wird heute offener geredet und eine Depression oder Angststörung »zuzugeben«, erfordert nicht mehr so viel Überwindung. Eine Depression gilt heute nicht mehr unbedingt als »sich hängenlassen«, eine Angststörung nicht mehr als »sich nicht zusammenreißen können«. Ein Teil dieses Anstiegs ist bestimmt diesem veränderten Umgang mit solchen Erkrankungen zuzuschreiben. Das neue gesellschaftliche Bewusstsein ist aber bestimmt nicht die einzige Erklärung dafür, dass der Anstieg derart stark ist.

Wir müssen also davon ausgehen, dass mehr hinter der gestiegenen Zahl psychisch Erkrankter steckt als ein veränderter Umgang bzw. eine neue Offenheit. Und der Fakt, dass unsere Lebensumstände in eine unschöne Richtung gehen, die uns das Leben schwerer machen … Nein, mit dieser Erklärung sollte sich niemand zufriedengeben. Unser Problem ist hausgemacht und es heißt schlechte Ernährung. Tag für Tag futtern wir uns immer tiefer in die Misere.

Was dieser Anstieg an psychischen Erkrankungen für die Wirtschaftsleistung eines Landes heißt, ist selbstverständlich auch schon berechnet worden: Die volkswirtschaftlichen Kosten der

Arbeitsausfälle lagen beispielsweise im Jahr 2023 bei geschätzten gut 142 Millionen Euro.9

DAS UNERKANNTE ERNÄHRUNGSDRAMA: WIE WIR UNTER DEN FOLGEN FALSCHER ERNÄHRUNG LEIDEN

Noch einmal: 40 Prozent. So viele Erwachsene sind von einer psychischen Störung betroffen. Äußere Gründe, um depressiv zu werden, eine Angst- oder Aufmerksamkeitsdefizitstörung oder andere psychische Erkrankungen zu entwickeln, gibt es genug. Und jedes Gehirn reagiert anders auf äußere Einflüsse: Vielleicht hält es dem negativen Druck nicht stand und entwickelt eine Depression, vielleicht erwächst in ihm aufgrund äußerer Bedrohungen eine Angststörung oder es wird angesichts viel zu vieler Eindrücke und Einflüsse hypernervös.

Aber – ich kann es nicht oft genug wiederholen – das ist nicht die ganze Erklärung. Unsere äußeren Lebensumstände mögen wir nicht ändern können. Doch wir haben es ganz allein in der Hand, was wir essen. Je mehr Wissen über unsere Nahrung, über unseren Körper und unsere Psyche vorhanden ist, desto deutlicher wird der Fakt, wie eng Psyche und Darm verbunden sind.

Unser Essen wirkt auf unsere Psyche. Die Wirkung bestimmter Lebensmittel – oder passender »Suchtmittel« – auf unser psychisches Befinden lieben wir sehr, kommt sie doch unmittelbar und zuverlässig. Einen miesen Arbeitstag gehabt, der Chef hat sich mal wieder wie ein Idiot aufgeführt? Das tröstende Versprechen zartschmelzender Vollmilchschokolade wartet schon in der Schublade. Der Computer ist schon wieder abgestürzt und hat seltsamerweise nichts gespeichert? Der Teller Milchreis mit heißen Kirschen wie bei Oma beruhigt unsere Nerven. Und beim Bingewatching auf dem Sofa fehlt ohne die Tüte Chips einfach etwas. Willkommen im Club! Solche zuverlässigen Seelenschmeichler begleiten uns von Kindheit an und haben uns allen schon so manche schwere Stunde versüßt. Wie schnell werden daraus Gewohnheitssüchte. Wir glauben, wir bräuchten diese Seelenmanipulation, sie gehöre unumstößlich zu uns.

Aber da ist eben auch die Kehrseite, die krank machende Wirkung von Essen auf Psyche und Gehirn. Weil diese Wirkung weniger direkt ist, spielt sie sich eher außerhalb unserer Wahrnehmung ab. Und doch gibt es sie – und sie ist schwerwiegender, als es sich vielleicht anhört, denn hier geht es nicht um eine kleine Übellaunigkeit oder Missstimmung, weil etwas nicht schmeckt oder bekommt. Es geht darum, dass die falsche Wahl der Nahrungsmittel über den direkten Draht vom Darm zum Hirn wirkt. Es geht auch viel um das, was uns die Ernährungsindustrie als Essen verkauft.

Die Art, wie wir uns ernähren, macht auf Dauer auch unser Hirn krank. Und, jetzt kommtʼs, das gilt auch für die tröstende Schokolade, den beruhigenden Milchreis und die unwiderstehlichen Chips. Auf Dauer wenden sich genau diese süßen oder hochverarbeiteten Nahrungsmittel gegen uns und unsere psychische Gesundheit.

Dick, depressiv, dumm: mehr Ernährungswissen – und trotzdem immer kränker

Spätestens jetzt drängt sich die Frage auf: Wie kann es sein, dass wir durch unser Essen immer dicker, immer kränker und sogar immer dümmer werden, obwohl wir andererseits immer mehr über unser Essen wissen? Denn eigentlich sollte das Ziel wissenschaftlicher Forschung doch sein, uns ein besseres, längeres, angenehmeres und vor allem gesünderes Leben zu ermöglichen.

Die Forschung sowohl im Bereich unserer Lebensmittel als auch darüber, wie unser Essen verdaut und verwertet wird, arbeitet tatsächlich auf Hochtouren. Es geht um Fragestellungen zur Verstoffwechselung unserer Nahrung bis in die letzte Darmzotte und um die Wirkung isolierter Nährstoffe und Nahrungsbestandteile auf unseren Körper. Es geht darum, welche Bakterien, Mikroben, Parasiten in unserem Darm leben – zu unserem Schaden oder Nutzen – und was diese mit unseren Stoffwechsel machen. Es geht um das relativ neue Forschungsgebiet der personalisierten Ernährung und die Frage, wie das, was auf unserem Teller liegt, individuell so angepasst werden kann, dass wir optimal vor Krankheiten geschützt sind und vor Gesundheit strotzen. Und es geht darum, welchen Einfluss Ernährung eigentlich auf die vielen chronischen Erkrankungen hat und was wir essen sollten, um möglichst lange gesund zu bleiben. Mein Eindruck: Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass wir vom allerneuesten Ernährungshack lesen oder hören, der uns garantieren soll, möglichst lange zu leben – aus meiner Sicht häufig durchaus fragwürdig.

Grundsätzlich klingt das alles nach sinnvoller Forschung ganz im Sinne unseres Wohlbefindens. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Die Forschung bedient noch einen anderen, unterm Strich sogar gegensätzlichen Interessensbereich. Dieser befasst sich zum Beispiel im Positiven damit, wie und mit welcher Art von Lebensmitteln wir eine wachsende Weltbevölkerung ernähren können. Auf der anderen, negativen Seite liegt der Schwerpunkt aber auf reinen Geschäftsinteressen. Dann geht es darum, wie Lebensmittel noch ökonomischer produziert werden können, also mit noch weniger Arbeitseinsatz und noch billigeren Zutaten. Wie sie noch schneller und einfacher zu verarbeiten, noch länger haltbar und noch besser zu transportieren sind. Das geht nicht ohne jede Menge Zusatzstoffe und minderwertige Grundstoffe. Die Lebensmittelindustrie hat in erster Linie wirtschaftliche Interessen im Fokus und nicht etwa das Wohl der Verbraucher, sprich unsere gesunde Ernährung. Bei diesem Wettlauf zweier gegensätzlicher Interessen hat die Lebensmittelindustrie meistens die Nase vorn – zu unserem Schaden. Das werde ich in diesem Buch noch zur Genüge zeigen. Ich werde aber auch zeigen, dass wir dem nicht hilflos ausgeliefert sind.

Es wird enorm viel über Lebensmittel geforscht – darüber, wie Nährstoffe auf unseren Körper wirken, wie sie uns schaden und wie sie uns nützen. Gleichzeitig verfolgt die Lebensmittelindus­trie in erster Linie wirtschaftliche Interessen. Und leider hat sie die Nase meist weit vorn.

Weil die Lebensmittelindustrie von dem Interesse getrieben ist, uns Verbraucher dazu zu bringen, noch mehr zu kaufen und noch mehr zu konsumieren, versucht sie mit allen Mitteln, uns ihre Produkte schmackhaft zu machen, und setzt ein unheimlich geschicktes Marketing ein. Die Maßnahmen sollen natürlich möglichst positive Eindrücke von bestimmten Produkten erzeugen. Dazu gehört, dass sie geschmackliche Anreize setzen und Botschaften senden, die suggerieren, dass die Produkte gesund sind, dass wir sie brauchen, dass wir uns damit etwas Gutes tun. Man darf bezweifeln, ob das alles immer so stimmt. Ob das die wachsende Produktvielfalt an hochverarbeiteten veganen Lebensmittel ist oder die extrem zuckerhaltigen Fruchtjoghurts, Smoothies und Müsliriegel: Viel Zucker und andere billige Füllstoffe sprechen eine ganz andere Sprache.

Um das Fass zum Überlaufen zu bringen, gibt es noch das vermeintliche Ernährungswissen, das überall um uns herumschwirrt, Stichwort Social Media. Gesundheitsbewusste Laien können da nur Hirnsausen bekommen. Ein Dr. XY, im weißen Kittel und mit um den Hals drapiertem Stethoskop, suggeriert medizinische Kompetenz, wo gar keine ist. Tausende Influencer versuchen, spezielle Produkte mit medizinischen und mit Abnehmversprechen an den Mann oder die Frau zu bringen. Etwa die Hälfte der Social-Media-Nutzer lässt sich durch sie beeinflusst dann auch zu Spontankäufen verleiten. Andere Social-Media-Stars schüren sogar mit Verschwörungserzählungen Ängste. Und erst die Diäten! Wie viele Säue werden jedes Jahr wieder durchs Dorf gejagt. Meistens sind das im besten Falle Halbwahrheiten, im schlimmsten aber schierer Unsinn. Wer sich auf solche unseriösen Quellen verlässt, ist lost. Das Deutsche Ärzteblatt berichtet, dass 70 Prozent der Influencer Unsinn verbreiten. Wo bleibt da die Glaubwürdigkeit? 75 Prozent der Bevölkerung verstehen Informationen zur Gesundheit überhaupt nicht – sie sind also nicht in der Lage, Sinn von Unsinn zu unterscheiden. Unter den Jüngeren sind es keine 4 Prozent, die mit Gesundheitsinformationen etwas anfangen können, unter den Älteren immerhin 11 Prozent.10

Wie Ernährungsindustrie und Werbung uns verleiten

Auf der einen Seite steht also die Ernährungsforschung, die den gesunden Menschen im Blick und als Ziel hat – der good guy. Auf der anderen Seite steht der bad guy, die Art von Forschung, die immer neue Möglichkeiten findet, noch billiger produzieren zu können und uns zu noch mehr Konsum von noch mehr minderwertigem Essen zu verleiten. Und dann gibt noch eine dritte Seite, auf der all das Kaum- oder Halbwissen der Influencer steht.

Tatsächlich ist es unbestritten so, dass die Forschung zugunsten billiger Produktion und allerbester Verkäuflichkeit in der öffentlichen Wahrnehmung weitaus präsenter ist. Die Werbung für Lebensmittel ist allgegenwärtig. Selbstredend wird für die falschen, die ungesunden Lebensmittel geworben, denn das spült Industrie und Handel weitaus mehr Geld in die Kassen, als es Werbung für Gesundes wie Gemüse, Obst oder auch Hülsenfrüchte und Nüsse täte. Damit wird es Verbrauchern unnötig schwer gemacht, sich ausgewogen und nachhaltig zu ernähren. Das zeigt auch ein Marktcheck aus dem Jahr 2024 der Verbraucherzentrale Hamburg.11Für diesen wurden insgesamt 3457 Abbildungen in Werbeblättern von Aldi Nord, Edeka, Kaufland, Lidl, Penny und Rewe in den Monaten Mai bis August 2024 erfasst, in denen das Angebot an einheimischer Frischware besonders üppig ist. Doch das Ergebnis war ernüchternd: Es fanden sich selten Produkte aus Lebensmittelgruppen, die laut Ernährungspyramide zu bevorzugen sind, sondern oft solche, die nur in Maßen verzehrt werden sollten.

Die Werbung verlockt uns mit Angeboten – für Lebensmittel, die alles andere als zu empfehlen sind.

Fast die Hälfte der beworbenen Lebensmittel waren eher nicht empfehlenswert. Genauer aufgeschlüsselt waren es 30 Prozent Genusswaren wie Süßes und Snacks, süße Getränke und Alkohol. Weitere 15 Prozent fielen auf Fleisch- und Wurstprodukte. Fertiggerichte und Convenience-Produkte waren mit etwa 14 Prozent ebenfalls gut vertreten. Obst und Gemüse machten nur 10 Prozent aus und Brot, Getreide, Kartoffeln und andere Beilagen sogar nur 5 Prozent. »Mit der Werbung in ihren Verkaufsprospekten stellen die Händler die Ernährungspyramide buchstäblich auf den Kopf«, so die Verbraucherzentrale Hamburg. »Statt Obst, Gemüse und Wasser dominieren Süßes, Snacks und Alkohol.«

Leider passiert wenig bis nichts. Wir leben in einer ernährungsfeindlichen Umgebung. Die üblen Folgen schlechter Ernährung sind immer offensichtlicher, die Menschen werden immer kränker und die Krankheitskosten für das Gesundheitssystem explodieren. Trotzdem ist die Politik untätig, die Lebensmittelindustrie soll nicht eingeschränkt werden, um die Wirtschaft nicht zu bremsen. Und selbst ein äußerst gesundheitsbewusster Gesundheitsminister, übrigens ein studierter Arzt, trug keine Sorge für eine bessere und gesündere Ernährung der Bevölkerung.

WIE WIR DURCHS LEBEN HETZEN UND SCHNELLE ERNÄHRUNGSLÖSUNGEN HELFEN SOLLEN

Raus aus dem Bett, schnell unter die Dusche und dann nichts wie ab zur Arbeit. Auf dem Weg noch einen schnellen Kaffee beim Backshop mitnehmen für unterwegs und noch eins von den süßen Teilchen für die Kaffeepause. Als Frühstück tut es ein Müsliriegel zum Kaffee oder auch zwei. Mittags locken die Kantine oder der Imbiss um die Ecke mit dem Dauerbrenner Currywurst und Pommes. Schnell und sättigend soll es sein. Oder lieber gleich Zeit sparen beim Wurstbrot und einer Handvoll Chips vorm Bildschirm. Nachmittags ist mal ein bisschen Zeit für ein Tässchen Kaffee und das leckere Teilchen vom Backshop. Dann am Abend nach Hause hetzen und viel zu kaputt, um selbst zu kochen. Also gibt es mal wieder die Pizza aus dem Tiefkühlfach, ein schnell angerührtes Süppchen aus der Tüte oder ein Asia-Nudelgericht aus dem Becher.

Das nenne ich ein Horrorszenario. Aber es ist für viele Alltag. Von morgens bis abends Weißmehl, Zucker, schlechtes Fett, Fast Food. Es beinhaltet einen Großteil der Palette an hochverarbeiteten Lebensmitteln.

Die Ernährungsindustrie kennt unsere Nöte und bietet für jedes Bedürfnis fixe Lösungen an. Viele Verbraucher halten diese schnelle Nummer für einen Segen. Wir müssen uns nicht weiter mit unserem Essen beschäftigen, sondern können per Grab ’n’ Go, quasi im Vorübergehen, unseren Hunger stillen. Ist Essen denn nur lästig?

Das Höchstmaß an Degeneration der Ernährungskultur sind die bequemen Ernährungslösungen, die seit einigen Jahren als »Smart Food«, das ist Flüssigkost im Stile von Astronautennahrung, aufploppen. Sie versprechen, alle notwendigen Nährstoffe inklusive Vitaminen und Mineralstoffen in einer Art Nährlösung anzubieten und uns drei bis vier Stunden satt zu halten. Praktisch, dass uns die moderne Nahrung jetzt sogar das Kauen abnimmt! In einer Flasche findet man angeblich alles, was man braucht – und sogar noch mehr, denn ohne künstliche Aromastoffe und weitere Zusätze ist so etwas nicht möglich. Solche Produkte erleben auch in der Mitte der Gesellschaft eine große Akzeptanz, sind aber mit ihren Süß- und Aromastoffen ganz sicher das absolute Gegenteil von gesunden, naturbelassenen Lebensmitteln. Schlimmer noch: Durch geschickte Beimengung von Vitaminen und Mineralien haben die Kunden das Gefühl, ein besonders gesundes, vollwertiges Produkt zu kaufen.

Hochverarbeitete Lebensmittel wurden in den 1950er-Jahren als großer Segen angesehen: Die Bevölkerung konnte mit haltbaren, lagerfähigen Lebensmitteln in der Nachkriegszeit mit dem Wichtigsten versorgt werden. Die radikale Ausweitung des Konsums, die immer höher verarbeiteten Produkte sind aber längst zum Fluch geworden. Das große und zukunftsentscheidende Problem ist: Wie werden wir diese schleichende Ernährungskatastrophe wieder los? Dabei ist es erst einmal enorm wichtig zu verstehen, was in uns passiert, wenn wir etwas essen, und wie uns Essen wiederum manipuliert, verändert und krank macht. Was uns als schnelle, einfache Lösungen angeboten und mit Vorliebe auch noch als gesund deklariert wird, ist sicherlich schnell und einfach. Doch gesund ist es nicht. Dazu kommt, dass genau diese Nahrungsmittel auch noch unseren Appetit fördern, wir also immer mehr davon wollen. Das freut die Lebensmittelindustrie besonders.

DER DIREKTE DRAHT INS HIRN: UNSER ESSEN STEUERT UNSERE PSYCHE

Was wir essen, bleibt nie ohne Folgen. Als Ernährungsmediziner werde ich Tag für Tag mit diesen Folgen konfrontiert. Unsere Nahrung wirkt sich auf all unsere Handlungen, unser Befinden und unsere Gefühle aus. Das mag nicht sofort einleuchten. Erschreckenderweise muss ich immer wieder feststellen, dass vielen meiner Patienten nicht klar ist, welche Konsequenzen ihre Art zu essen auf ihren Körper hat. Sie essen sich völlig gedankenlos ins Verderben. Wer von morgens bis abends ungesundes Zeug in sich hineinstopft, sollte sich eigentlich über die Konsequenzen nicht wundern – und tut es doch. Und landet mit Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und einer Fettleber, mit Depressionen, Angststörungen und anderen psychischen Folgen beim Arzt in der Erwartung, dass der es schon richten wird.

Im englischsprachigen Raum etabliert sich bereits der Fachbegriff »Psychonutrition« für eine noch recht junge Wissenschaftsrichtung. Sie beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Ernährung und psychischer Gesundheit und verbindet Erkenntnisse aus Ernährungswissenschaft, Psychologie, Neurowissenschaft und Psychiatrie. Wie gesagt: Was wir essen, bleibt nie ohne Folgen. Es ist also längst an der Zeit, einmal genauer hinzuschauen, was eigentlich mit unserem Essen passiert, nachdem wir es gekaut und geschluckt haben.

Schon im Mund übernimmt unser Verdauungssystem, hier beginnen die ersten wesentlichen Verdauungsschritte. Das wirklich Entscheidende aber findet im Darm statt. Dort werden die Nahrungsbestandteile, die im Magen teilweise aufgespalten wurden, noch weiter in ihre Einzelteile zerlegt und anschließend über die Darmschleimhaut ins Blut aufgenommen. Das geschieht größtenteils im Dünndarm, wo Kohlenhydrate, Fette und Proteine abgebaut und dann über das Blut in den Körper gelangen. Der restliche Nahrungsbrei wird in den Dickdarm geschickt.

Lange Zeit war man davon überzeugt, dass im Dickdarm dem Nahrungsbrei nur noch Wasser entzogen wird, bevor der nicht verwertbare Rest über den Enddarm ausgeschieden wird. Ein riesiger Trugschluss, denn wie man mittlerweile weiß, ist der Dickdarm dicht bevölkert von extrem agilen Bewohnern mit einem großen Aufgabenspektrum: Sie bilden das Darmmikrobiom. Es baut zum Beispiel Ballaststoffe ab und ernährt seine uns wohlgesonnenen Bewohner davon. Diese tun uns dann wiederum Gutes. Das Darmmikrobiom ist Teil unseres Immunsystems, es produziert bestimmte Vitamine, es beeinflusst die Regulierung des Stoffwechsels, es schützt die Darmbarriere und letztlich steuert es sogar unser Stimmung und unser Verhalten. Das Darmmikrobiom spielt also eine sehr zentrale Rolle für unseren Körper – und unsere Psyche.

Kaum zu fassen, wie lange dieser Schatz in unserem Darm unentdeckt blieb. Vielleicht liegt es daran, dass das ganze Thema »Darm« über die meiste Zeit schambehaftet und damit kein besonders beliebter Forschungsgegenstand war – und vor allem kein Thema, mit dem man die Öffentlichkeit behelligen mochte. Das hat sich erst langsam geändert, unter anderem durch den Überraschungsbesteller »Darm mit Charme« aus dem Jahr 2014, der das Thema aus der Tabuzone geholt hat. Auf einmal wollten alle etwas über die faszinierenden Vorgänge in unseren Gedärmen erfahren.

Faszinierend ist es wirklich. Das Mikrobiom besteht aus den verschiedensten Kleinstlebewesen in riesiger Zahl, es sind mehrere Billionen. Das Darmmikrobiom ist wie ein eigener Mikrokosmos in unserem Darm, eine Multikulti-Megametropole, die eine symbiotische Beziehung mit uns eingeht. Hauptsächlich besteht es aus Bakterien, aber auch aus Pilzen, Viren, Mi­kroben etc.

Die Verbindung von Darm zum Gehirn ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Kommunikationsleitungen im Körper.