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Nur Auserwählte dürfen das Regenbogentor durchschreiten. So will es die Ewige Macht. Jenseits des Tores befindet sich das Terrastrum. Wer es besitzt erlangt Reichtum, Macht und Unsterblichkeit. Er wird den Göttern gleich, die von ihrem Hochplateau aus die Welt beherrschen. So berichten es die Überlieferungen. Dies weckt Begehrlichkeiten bei Altab, dem alten, kauzigen Alb. Und bei Farafem, dem Riesen, der sich von den Göttern um den gerechten Lohn für seine Dienste betrogen fühlt. Gleichzeitig will sich der Gott Chotor mit dem Bau einer Burg über alle anderen Götter erheben. Dagegen stellt Salo, der junge Bura, die bestehende Weltordnung infrage. Für ihn ändert sich alles, als er dem geheimnisvollen Ellipsoid begegnet. Das Regenbogentor ist der erste Teil einer Saga um Machtstreben, Gier und Intrigen, aber auch um die aufrichtige Suche nach der wahren Welt.
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Ron F. Landis
Das Regenbogentor
Die Ewige Macht
Erster Band
Science Fiction & Fantasy
Nur Auserwählte dürfen das Regenbogentor durchschreiten. So will es die Ewige Macht. Jenseits des Tores befindet sich das Terrastrum. Wer es besitzt erlangt Reichtum, Macht und Unsterblichkeit. Er wird den Göttern gleich, die von ihrem Hochplateau aus die Welt beherrschen. So berichten es die Überlieferungen.
Dies weckt Begehrlichkeiten bei Altab, dem alten, kauzigen Alb. Und bei Farafem, dem Riesen, der sich von den Göttern um den gerechten Lohn für seine Dienste betrogen fühlt. Gleichzeitig will sich der Gott Chotor mit dem Bau einer Burg über alle anderen Götter erheben. Dagegen stellt Salo, der junge Bura, die bestehende Weltordnung infrage. Für ihn ändert sich alles, als er dem geheimnisvollen Ellipsoid begegnet.
Das Regenbogentor ist der erste Teil einer Saga um Machtstreben, Gier und Intrigen, aber auch um die aufrichtige Suche nach der wahren Welt.
Texte und Bild: © Copyright by Roland Funk
Umschlaggestaltung: © Copyright by Roland Funk
Verlag:
Roland Funk
Hofäckerallee 6
85774 Unterföhring
Kontakt: [email protected]
1. Auflage 2017
Herstellung: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Auch als Printausgabe erhältlich
Die Erste Norwyrde lachte laut auf. Ihr Gelächter klang glockenhell, und es brach sich tausendfach in einem Echo, obwohl es hier weit und breit keine Reflexionsfläche gab. Unerträglich für Altabs Ohren! Gleichzeitig schwebte diese verführerische Fee mithilfe eines Antigravitations-Feldes hin zu Altab, um sich gleich wieder zurückfallen zu lassen. Synchron zu diesem merkwürdigen Tanz schwoll ihr Lachen an und wieder ab. Dazu noch dieses Echo.
Altabs faltiges Gesicht zog sich zusammen und bildete eine Landschaft aus Furchen und Gräben, umrahmt von strähnigem, wirrem Haar, das auf seine Schultern fiel. Jeder einzelne Gesichtszug drückte eine Mischung aus Beklommenheit, Faszination und Widerwillen aus. Er war innerlich zerrissen, wollte sich abwenden und dann doch wieder hinsehen. Vor allem hatte er seine Mission vor Augen, die er unbedingt erfüllen wollte. Darauf musste er sich konzentrieren!
Im Hintergrund der Szenerie wölbte sich der gewaltige Regenbogen über teils wellenförmig wogende, teils kubische Formen. Er umrahmte das Geschehen, das sich unmittelbar vor Altab abspielte. Sein Licht ließ die Fee mal in kühlem Blau und mal in warmem Rot erscheinen. Das Regenbogentor, das Ziel seiner Wünsche! Herrlich! Wie oft hatte er sich in seiner Fantasie vorgestellt, durch dieses Tor zu schreiten. Immer wieder malte er sich im Geiste diesen Triumph aus. Niemand hinderte ihn daran, wie er ganz alleine auf die andere Seite gelangte.
Es war so greifbar nah. Nur ein paar Schritte trennten ihn von seinem Ziel. Aber nun schwebte direkt davor diese verführerische Norwyrde, um ihn von seinem letzten Schritt abzuhalten. Ihre attraktive Schönheit erregte den Alb. Ein schlankes Wesen, das in einem ihre Figur betonenden, silbrig glänzenden Overall steckte. Langes, hellblondes Haar wehte um ihr vornehm blasses Gesicht. Die blauen Augen strahlten ihn höchst amüsiert, fast spöttisch an. Nur dieses schier unerträgliche Gelächter war Altab zuwider. Dieser unangenehme Ton und das außerordentlich eindrucksvolle Erscheinungsbild dieser Norwyrde passten nicht zusammen.
Dabei hatte er sich alles sorgfältig ausgedacht, bevor er hierherkam. In seiner Vorstellung ging sein Plan voll auf. Altab wollte die schönen Norwyrden umgarnen und umschmeicheln. Ein paar Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, sollten ihre verführerische Wirkung entfalten: „Ich bin von weit her gereist, um eure unübertreffliche Schönheit zu bewundern. Euer goldenes Haar schimmert heller und schöner, als mir von vielen Seiten berichtet wurde. Eure Anmut kann ich gar nicht in Worte kleiden. Ich bin ein einsamer Wanderer, der sich an eurem Anblick ergötzen will. Lasst euch nicht stören. Ich will hier nur kurz verweilen, um euch zu huldigen und dann meinen Weg fortsetzen. Ich strebe weiter – weiter durch dieses Tor, so wie es mir die Ewige Macht aufgetragen hat.“
Gut, er gestand sich ein, dass dies alles ein wenig gekünstelt und geschwollen klang. Vielleicht ein wenig tölpelhaft. Aber so eine beleidigende Reaktion auf sein intensives Werben von diesem garstigen Weib?
„Belwyr! Galwyr! Kommt her!“ Die Erste Norwyrde ging gar nicht auf Altab ein. „Schaut her, Schwestern! Kommt schnell! Den müsst ihr euch ansehen. Was für ein abgrundtief hässlicher Zwerg! Und wisst ihr, was er will? Stellt euch vor, er will durch das Tor!“
Die Zweite und Dritte Norwyrde materialisierten neben Alwyr und schauten erstaunt auf Altab, bis auch sie in ein Gelächter ausbrachen, das sich mit dem Alwyrs zu einem disharmonischen Dreiklang vermischte. Altabs Kopf dröhnte. Die Norwyrden fassten sich an den Händen und schwebten vor und zurück, auf und ab. „Er will durch das Tor!“ sangen die drei im Chor. „Er will durch das Tor!“
Dann verstummten sie, bewegten sich auseinander und ließen eine riesige, dreidimensionale Projektionsfläche erscheinen, auf der Altab zunächst nur undeutlich seine Konturen wahrnahm. Eine kleine, bucklige Gestalt, nach vorne gebeugt. Langsam schärften sich seine Umrisse. Sie füllten sich allmählich mit seinem Bild. Ein Vexierbild? Nein, Altab schaute in sein Spiegelbild, das die brutale Realität wiedergab. Ein gebeugter Alter mit Buckel glotzte ihm aus wimpernlosen Augen entgegen. Sein faltiges Gesicht war mit Warzen übersät und von wirren, langen Haaren umrahmt.
Die Norwyrden mochten bei der Reflexion wohl etwas nachgeholfen, die Darstellung manipuliert haben. Aber es stimmte schon. Altab war kein Bild von einem Mann, weit davon entfernt, was man sich unter einem Verführer vorstellte. Wie sollte er da sein Ziel erreichen! Dieses bestand nicht darin, eine dieser fantastisch schönen Norwyrden zu besitzen. Das wäre nur ein angenehmer Nebeneffekt gewesen. Es ging um viel mehr. Es ging um den Besitz des Terrastrums, um Macht, um Gleichheit mit den Göttern, um die Beherrschung der Welt.
Altabs Lebensspanne neigte sich dem Ende zu. Er gehörte nicht zu den Unsterblichen wie die Götter. Hätte er diesen Vorstoß zum Regenbogentor in jüngeren Jahren gewagt, wäre es wohl einfacher gewesen, an diesen Norwyrden vorbeizukommen. Er hatte nie den Mut dazu aufgebracht und die Hierarchie dieser Welt so hingenommen, wie sie war, nichts hinterfragt. Oben auf dem Hochplateau residierten die herrschenden Götter und unten in den Tälern lebten die gemeinen Völker, die sich nach der höheren Gewalt zu richten hatten.
Doch jetzt war die letzte Gelegenheit, an dieser Situation etwas zu ändern. Diese durfte nicht ungenutzt verstreichen. Hinter dem schemenhaft sichtbaren Regenbogentor lag der Schlüssel zu Macht, zur Gleichheit mit den Göttern und zur Unsterblichkeit. Altab wollte auch hinauf, hinauf auf das Hochplateau und so leben, wie ihm das zustand.
Nachdem Altabs Reflexion sich langsam auflöste, gewannen die Farben des Regenbogens an Leuchtkraft. Sie umrahmten die schwebenden und tanzenden Norwyrden. Altabs Begierde nach dem Terrastrum wurde wieder angefacht. Nur die Norwyrden hatten Zugang zum Tor. Sie bewachten das Terrastrum. Dies war ihr Auftrag. Noch nicht einmal die Götter hatten darauf Einfluss. Hier war die Ewige Macht am Werk. Das Ultimative! Jeder, der sich unbefugt Zutritt durch das Regenbogentor verschaffen wollte, spielte mit seiner Existenz. So wurde es in verschiedenen Mythen kolportiert. Altab hatte seinen ganzen Mut zusammengenommen. Er wollte das Terrastrum um jeden Preis.
Der Alb war deshalb um Beherrschung bemüht. Er musste unbedingt ruhig bleiben, um seine Mission nicht zu gefährden, aber es gelang ihm nicht, denn nachdem sein Spiegelbild langsam verblasst war, begannen die drei Wächterinnen wieder so zu lachen, dass es Altab durch Mark und Bein ging.
„Was soll das? Wozu dieses alberne Lachen?“ Ihm platzte der Kragen. Er wurde ungeduldig und zornig. „Ich will jetzt durch dieses Tor gehen. Lasst mich einfach passieren!“
„Lasst mich einfach passieren“, sangen die drei Schönheiten im Chor, um sogleich wieder in Gelächter auszubrechen.
Altab ging einige Schritte vorwärts. Aber er kam nicht weiter. Eine unsichtbare Wand baute sich vor ihm auf, die er nicht überwinden konnte.
„Verflucht!“
Seine Mission war gescheitert. Altab stand betreten da. Er wusste, dass er hier und jetzt nicht weiterkam. Die unsichtbare Wand vor ihm war unüberwindbar. Nur diese garstigen Geschöpfe konnten das Tor öffnen. Heute zog er den Kürzeren! Diese verdammten Norwyrden! Aber an ihnen führte kein Weg vorbei. Sie hatten im Augenblick die Macht, und er konnte nichts dagegen ausrichten. Altab musste anders vorgehen. Viel raffinierter und weniger plump. Er musste dieses verdammte Weibervolk überlisten. Aber, wie sollte er das nur anstellen?
Er fühlte sich aufs Tiefste gedemütigt und stapfte grummelnd davon. Die Norwyrden würdigte er keines Blickes mehr und verzichtete auf weitere völlig zwecklose Diskussionen.
Das Gelächter der drei Wächterinnen begleitete ihn. „Oje, er geht fort, unser göttergleicher Verführer. Komm doch zurück, bitte, komm!“
Warum hörte er diese Weiber immer noch, obwohl er sich schon ein Stück weit vom Regenbogentor entfernt hatte? Seltsam! Plötzlich traf in die Erkenntnis wie ein Hammerschlag. Es war nicht sein Gehör, durch das er dieses höhnische Lachen aufnahm. Es entstand direkt in seinem Kopf. Telepathie – das war die Erklärung!
Er musste sich vorsehen, denn Telepathie ist keine Einbahnstraße. So schwer es ihm fiel, er musste seine Gedanken ablenken. Diese Weiber durften keinesfalls erfahren, was er ausheckte. Nicht auszudenken, wenn ihm jetzt eine zündende Idee käme, wie er dieses Pack übertölpeln könnte! Sie wäre sofort verraten!
Endlich wurde dieses unsägliche Lachen leiser und verstummte schließlich ganz. Scheinbar wurde es den Norwyrden nun langweilig. Sie hatten ihren Spaß ausgekostet und wendeten sich nun wieder ihren alltäglichen Gesängen und Tänzen zu. Das hieß aber nicht, dass sie ihre Gedankenschnüffelei aufgegeben hätten, weshalb sich Altab nicht traute, weiter über seine Rachepläne nachzusinnen. Es konnte ja sein, dass sie immer noch lauschten.
Altab musste seine Gedanken ablenken. Er versuchte, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren. Auf die Bäume des Waldes, den er gerade durchquerte und die Lianen, die sich von Baum zu Baum schlangen. Ab und zu kroch ein kleines Tier fast geräuschlos durch das Unterholz. Auf dem Geäst der Bäume mit ihren dicken, zylinderartigen Stämmen saßen Vögel, neugierig, aber stumm.
Obwohl Bagh hoch oben am Himmel stand, drang sein bläuliches Licht nur spärlich durch die belaubten Baumwipfel und das dichte Gewirr von Schlingpflanzen. Kaum ein Strahl traf den von Flechten, Farnen und Moosen bedeckten Waldboden. Es war nun seltsam still und friedlich, fast ein wenig unheimlich.
Der Alb achtete genau auf den schmalen Weg, der sich in weiten Serpentinen nach unten wand und sich in einer Senke verlief. Nur nicht stolpern und sich verletzen. Das würde seiner Blamage noch die Krone aufsetzen! So war er wenigstens abgelenkt, und die Weiber würden dann wirklich von seinen Gedanken ablassen. Wahrscheinlich hatten sie das schon längst getan.
Altab war nun schon fast eine Bagh-Einheit unterwegs. Diese vollkommene Stille hier unten konnte sein Gemüt nicht beruhigen. Er musste nun endlich seiner Wut freien Lauf lassen und trat gegen einen Stein, der auf dem Weg lag. Er flog in hohem Bogen in das Unterholz. Ein kleines, hellbraunes Pelzwesen huschte aufgeschreckt hervor und verschwand gleich wieder hinter einem Felsbrocken. Hier musste der Eingang einer Höhle sein!
Genau, das ist sie! Die Idee, nach der Altab suchte! Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Natürlich! Jetzt wusste er, wie er die Norwyrden überlisten könnte. Der Plan war relativ einfach. Warum war ihm das nicht schon früher eingefallen?
„Wartet nur“, flüsterte er in sich hinein. „Euch Weiber kriege ich noch. Das schwöre ich!“ Er malte sich im Geiste aus, wie er unbehelligt und triumphierend durch das Regenbogentor schritt und das Terrastrum in Besitz nahm. Nun sollte ihm die Macht gehören.
Langsam erwachte Chotor aus seinem künstlichen Schlaf, der eher einem Koma glich. Wie alle anderen Götter betäubte er sich mit den Kristall-Drogen. Die so erzeugten Rauschzustände steigerten seine Göttlichkeit zu einer imaginären Allmacht. Traum und Wirklichkeit waren nicht klar zu unterscheiden. Alles verschwamm: Vergangenheit und Gegenwart, Tag und Nacht, reale Erinnerung und Wunschdenken. Chotor fühlte sich stark und mächtig, er war einer der Herrscher der Welt. Dies war schon immer so. Es gab keinen Anfang. Die Götter herrschten von Ewigkeit zu Ewigkeit, allerdings in ständigem Streit miteinander.
Als die Götter noch keine Drogen nahmen, bekämpften sie sich erbarmungslos. Die Unsterblichen brachten sich nicht gegenseitig um, obwohl sie mit Lichtschwertern und Strahlern die technischen Mittel dazu besaßen. Das Töten unter Göttern war absolutes Tabu. Aber sie konnten durch Hass, Intrigen, Untreue und Verrat eine zermürbende Atmosphäre schaffen, die das Götterdasein schier unerträglich machte. Und das über Jahrtausende hinweg.
Die Triebkräfte, die diese ständigen Querelen schürten, waren Neid und Missgunst. Alle Götter und Göttinnen waren von Natur aus gleichberechtigt. Es war aber für den Einzelnen schwer hinzunehmen, sich die Beherrschung der Welt mit den anderen zu teilen. Jeder sah in sich den alleinigen Weltenlenker oder glaubte zumindest an seine herausragende Stellung im Götterchor.
So konnte es nicht weitergehen. Es musste Ruhe in die Götterwelt einkehren, bevor das Undenkbare geschah. Ein Tabubruch! Nein, das hätte den Untergang bedeutet. Er hätte nicht nur die Götter, sondern auch alle von ihnen abhängigen Lebewesen in dieser Welt in den Abgrund gerissen.
Chotor sann über eine Lösung nach, wie man diesem Schicksal entgehen konnte. Schließlich besann er sich auf eine uralte Sage, nach der Krankheiten – und Aggressionslust zählte er dazu – in den alten Zeiten mit Drogen geheilt wurden. Diese Sage berichtete davon, dass damals die Subterronen ausgewiesene Experten in der Herstellung von heilenden Substanzen waren. Nachdem alle Krankheiten besiegt schienen, gerieten diese kleinen, humanoiden Pelzwesen bei den Göttern in Vergessenheit. Sie wurden nicht mehr gebraucht und lebten weitgehend unbehelligt in ihren Höhlensystemen.
Chotor wusste aus Überlieferungen von einem Mineral, das in den Höhlensystemen der Subterronen vorkam. Es wurde in früheren Zeiten dazu verwendet, um den Heilungsprozess bei Krankheiten zu unterstützen. Es wirkte wie ein Beruhigungsmittel. Der Gott ließ von den Subterronen dieses Mineral abbauen und in ihren längst stillgelegten Laboren untersuchen, ob man daraus ein wirksames Mittel gegen Aggressionen entwickeln konnte. In der Tat schufen die kleinen Pelzwesen daraus Kristalle, welche die beruhigende Wirkung des Minerals verstärkten. Allerdings steigerte sich diese Wirkung ins Rauschhafte und förderte Abhängigkeit. Das Positive war, dass sich dadurch die Sinne der Götter besänftigen ließen.
Von dieser Idee waren nicht sofort alle Weltenlenker begeistert.
„Was hast du dir da wieder ausgedacht!“ Belfor hatte grundsätzlich immer Einwände, wenn Chotor im Kreise der Götter etwas vorbrachte. Er war der große Gegenspieler und Rivale, musste aber wie die anderen sich zunächst verweigernden Götter erkennen, dass alle bösartigen Aktionen gegen die Drogenkonsumenten an deren Gleichmut und Gelassenheit scheiterten. Alle negativen Energieströme prallten einfach ab.
Am Ende gaben sich alle 37 Götter und Göttinnen dem Drogenrausch hin. Die Aggressionen flauten langsam ab. Das Leben der Götter verlief von nun an friedlicher. Chotor konnte sich durch seine Initiative zunächst ein wenig Achtung verschaffen. Hie und da keimten Argwohn und Eifersucht auf. Aber die Kristalle taten das ihre, um alle negativen Energien zu neutralisieren.
Allmählich vergaßen die Weltenlenker, wer ihnen Ruhe und Frieden gebracht hatte. Jeder wollte den Erfolg an die eigene Brust heften und glaubte von sich selbst, er wäre der Urheber gewesen. Das wurmte Chotor gewaltig. Er musste sich wieder ins Bewusstsein aller anderen Götter bringen.
Gor blickte zufrieden auf die Tagesleistung, die er und seine Genossen erbracht hatten. Die unterirdischen Lagerstätten für die Kristalle waren jetzt gefüllt. Die Götter würden zufrieden sein, und die Subterronen konnten die Arbeit ein wenig ruhen lassen und etwas freie Zeit genießen.
Nachdem die Subterronen wieder eine wichtige Rolle im Weltgefüge spielten, standen sie nun unter dem besonderen Schutz der Götter. Sie produzierten die Kristalle in ihren unterirdischen Laboren. Ihr Höhlensystem war weitverzweigt und aufgrund der geringen Höhe durch andere intelligente Lebewesen nicht zugänglich. Hier bauten sie alle nötigen Rohstoffe ab, die für die Kristallproduktion nötig waren. Sie alleine bestimmten ihre Organisation und ihre Arbeitsabläufe. Mit ihrer Größe von knapp einem halben Meter konnten sie sich äußerst flink in den niedrigen, schmalen Gängen bewegen.
Die intelligenten Pelzwesen galten als enorm diszipliniert und produktiv. Das war für die Götter wichtig, denn sie brauchten zuverlässige Arbeiter, die eine lückenlose Versorgung sicherstellten. Noch wichtiger waren jedoch die Ergebnisse selbst, die konsumierbaren Kristalle.
Eine besondere Entlohnung gab es für die Arbeit der Subterronen nicht. Aber sie waren nun gegen alle Angriffe ihrer natürlichen Feinde gefeit. Das war den verletzlichen Wesen mehr wert, als alle nur erdenklichen Reichtümer. Denn in früheren Zeiten, als ihre Dienste nicht mehr gefragt waren und sie nicht unter dem Schutz der Göttern standen, waren sie allen möglichen Schikanen aufgrund ihrer schwachen Konstitution ausgeliefert, sobald sie sich außerhalb ihrer sicheren Behausungen aufhielten. Dafür sorgten die hinterhältigen Mollusker oder die brutalen Waranen, die ihren Spaß daran hatten, andere Lebewesen zu quälen. Einfach nur so zum Zeitvertreib.
Einzig die Bura waren ihnen wohlgesonnen. Das lag auch daran, dass diesen für Kämpfe und Intrigen keine Zeit blieb. Sie waren für den Anbau der Feldfrüchte und für die Zucht von Nutztieren verantwortlich. Sie lebten in kleinen Dorfgemeinschaften und benutzten für ihre Arbeit archaische Werkzeuge wie Pflüge und Sensen, obwohl die Götter über einige Gerätschaften verfügten, welche ihre Tätigkeiten erleichtert hätten. Diese Dinge besaßen übernatürliche Kräfte. Es stand den Bura aber nicht zu, sie zu benutzen. Das war alleine den Göttern vorbehalten.
Die Welt brauchte Nahrung, und die Bura lieferten sie. Nicht nur das. In ihren Manufakturen produzierten sie alle Gebrauchsgegenstände für den täglichen Bedarf. Die Bura waren somit voll ausgelastet und bildeten das wirtschaftliche Rückgrat dieser Welt. Für Händel blieb ihnen keine Zeit. Das war aber nicht der alleinige Grund für ihre Friedfertigkeit, denn ihr Charakter war von Geradlinigkeit und Ehrlichkeit geprägt.
Sie mussten einen Teil ihrer Ernte an die Götter abführen. Das war jedoch nicht genug. Die Weltenlenker verlangten noch mehr. Die Bura waren für ihr persönliches Wohlergehen verantwortlich. Das bedeutete, dass einige Auserwählte als Dienstboten verpflichtet wurden. Ihr Abhängigkeitsverhältnis war ähnlich dem der Subterronen. Das bedeutete auch für sie Schutz vor den Waranen und Molluskern.
Von den Pelzwesen holten sie in regelmäßigen Abständen die fertig produzierten Kristalle ab und lieferten diese auf das Hochplateau zu den Göttern. Dadurch entstand zwar keine enge Freundschaft zwischen den ungleichen Lebewesen, aber eine gute Zusammenarbeit in gegenseitigem Respekt.
Waffen besaßen die Subterronen nur wenige, und diese waren aufgrund ihrer geringen Größe nicht besonders wirksam. Doch sie brauchten die Waffen nicht mehr, da sie jetzt vor ihren Feinden geschützt wurden. Sie mussten nur in der Lage sein, die Götter zu jeder Zeit mit Rauschkristallen versorgen zu können. Sollten Engpässe auftreten, wäre ihnen der Zorn der Weltenlenker gewiss gewesen. Es war nicht so, dass dadurch die Existenz der Pelzwesen gefährdet worden wäre. Nein, ganz und gar nicht, denn die Götter waren ja von den Produzenten der Kristalle abhängig. Niemand anders hätte einspringen können. Aber mit der relativen Freiheit, welche die Subterronen genossen, wäre es zu Ende gewesen. Sie wären versklavt worden und hätten unter Zwang und ständiger Aufsicht arbeiten müssen.
Chotor lag im Dämmerzustand zwischen Schlaf und Wachen. Traum und Wirklichkeit konnte er noch nicht voneinander trennen. In seinem Traum befand er sich soeben noch am Ufer des Göttersees. Das Licht drang nur spärlich durch das dichte Laubwerk. Wo es die Wasseroberfläche erreichte, tanzten sekundenlang goldene Reflexe. Sie verschwanden und tauchten an anderer Stelle wieder auf. Die Stimme, die Chotor eben noch deutlich vernahm, verstummte langsam. Sie war scheinbar aus den Tiefen des Gewässers gekommen. „Baue die Götterburg zu deinem Ruhm und deiner Ehre, Chotor“, flüsterte sie. „Du wirst der Erste und der Mächtigste unter den Göttern sein! Die ganze Welt liegt dann nur dir allein zu Füßen!“ Das Hauchen der Stimme vermischte sich mit dem leisen Blubbern des Wassers: „Baue die Burg! Baue die Burg…“