Das Spiel - Rache - Jeff Menapace - E-Book

Das Spiel - Rache E-Book

Jeff Menapace

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Beschreibung

Im Herbst 2008 wurde die Lambert-Familie im amerikanischen Hinterland Opfer der Fannelli-Brüder. Von den beiden Verbrechern überwältigt, mussten die Lamberts buchstäblich durch die Hölle gehen. Sie haben überlebt – und zurückgeschlagen. Doch es ist noch nicht vorbei, denn die Fannellis haben Freunde, sehr gute Freunde. Das Spiel geht weiter …

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Seitenzahl: 475

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Zum Buch

Im Hinterland von Pennsylvania sind Patrick und Amy Lambert in die Fänge von zwei sadistischen Psychopathen geraten und erlebten die Hölle auf Erden. Um ihre Kinder zu retten, haben sie sich auf die perfiden Spiele der Fannelli-Brüder eingelassen – und sind ihnen schließlich entkommen. Drei Monate später: Arty Fannelli, der letzte der Brüder, wartet im Gefängnis auf seinen Prozess, die Lamberts versuchen, in ein normales Leben zurückzufinden. Doch der Albtraum ist noch nicht vorbei. Neue Spieler sind in der Stadt, und schon bald zieht sich ein Wirbel des Terrors über Familie Lambert zusammen. Wer sind die Killer? Und welche Spiele werden sie spielen?

Rache ist der zweite Teil der Spiel-Trilogie.

Zum Autor

Jeff Menapace, geboren in Philadelphia, verbringt seine meiste Zeit damit, Bücher zu schreiben und sich Horrorfilme anzusehen. Mit seiner Spiel-Trilogie wird er in Amerika als neuer Stern am Horror-Himmel gefeiert. Er liebt Martial Arts, die 3 Stooges und ist überzeugt davon, dass The Texas Chainsaw Massacre von 1974 der größte Film aller Zeiten ist.

JEFF MENAPACE

DAS SPIEL

RACHE

THRILLER

Aus dem Amerikanischen vonSven-Eric Wehmeyer

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Die OriginalausgabeVENGEFUL GAMES erschien bei Mind Mess Press

Unter www.heyne-hardcore.de finden Sie das komplette Hardcore-Programm, den monatlichen Newsletter sowie alles rund um das Hardcore-Universum.

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Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Vollständige deutsche Erstausgabe 12/2016

Copyright © 2013 by Jeff Menapace

Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Kristof Kurz

Umschlagillustration: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich,unter Verwendung eines Fotos von © Colleen Farrell / Arcangel Images

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-18740-8V001

www.heyne-hardcore.de

1

Chicago, Illinois

Herbst 2008

Die Nachtschwärze im Inneren des Hauses stellte kein Problem für Monica dar. Sie hätte sich selbst mit geschlossenen Augen traumwandlerisch sicher die Treppe hinauf in die Schlafzimmer schleichen können. Sie war bereits etliche Male – allein – in diesem Haus gewesen. Für ihren Job waren Recherchen vor Ort unabdinglich. Sie musste perfekt vorbereitet sein. Immer. Doch das war alles andere als eine Belastung für sie. Sie liebte ihre Arbeit. Deshalb machte sie sie auch so gut.

Monica kümmerten die Hintergründe ihrer Aufträge nur, wenn sie unmittelbar Einfluss auf ihre Arbeit nahmen. Anlässe und Motive bedeuteten ihr grundsätzlich wenig. Es war ihr gleichgültig, ob es um einen in der Vorstadt untergetauchten Terroristen oder einen ehebrecherischen Lehrer ging. Alles, was sie schätzte, war die Arbeit als solche. Ihre erste Einzelmission hatte sie im Alter von neunzehn Jahren mit der Präzision einer Veteranin erledigt – ohne zitternde Hände und ohne zu zögern.

Vom oberen Treppenabsatz aus ging Monica sofort nach rechts ins Zimmer des Jungen. Highschool-Schüler im ersten Jahr. Einen Meter achtzig groß. Ungepflegte braune Haare. Spindeldürr. Sie hatte ihn auf seinem Weg vom Fußballtraining nach Hause observiert, jeden Tag nach der Schule bis um fünf. Er ging zu Fuß.

Jetzt stand Monica über seinem schlafenden Körper und zog eine Pistole aus ihrer Ledertasche. Teenager waren immer furchtbar einfach. Sie schliefen wie Tote. Der Junge schnarchte wie eine komatöse Bulldogge. Sein Mund stand halb offen. Dieses unwiderstehliche Angebot ließ Monica grinsen, und sie schob den Schalldämpfer ihrer Glock hinein. Der Junge öffnete auch dann die Augen nicht, als zwei leise Kugeln seinen Kopf ins Kissen drückten und es rot färbten.

Mommy und Daddy waren am Ende des Flures. Heute musste sie sich zu ihrer Freude nicht beeilen. Sehr häufig verlangte ein Job zügiges Vorgehen, sodass ihr kaum Zeit blieb, die Sache wirklich auszukosten und zu genießen. Hier jedoch musste sie nur die Situation in den Griff bekommen (kein Problem), und danach konnte sie sich entspannt Zeit nehmen.

Sie schlüpfte lautlos ins Elternschlafzimmer, stellte sich ans Fußende des Bettes, betrachtete die Umrisse der Schlafenden und spürte, wie das vertraute böse Prickeln heiß ihr Rückgrat hinab bis in den Bauch kroch, begierig auf den Moment, seine erhebende Reise südwärts fortsetzen zu können.

Monica hatte mal gelesen, dass Adolf Hitler oft ejakulierte, während er leidenschaftliche Reden vor seinem Gefolge hielt. Für die meisten war das eine geisteskranke Vorstellung, doch Monica hatte es auf der Stelle eingeleuchtet. Sie war nicht schärfer auf Sex als andere Frauen (das nahm sie jedenfalls an), aber es war ihr so gut wie unmöglich, zum Orgasmus zu kommen, egal, wie aufrichtig sich ein Mann auch bemühte. Wenn allerdings ein nächtlicher Auftrag wie dieser ihr erlaubte, sich so viel Zeit zu lassen, wie sie wollte, konnte sie vor Wonne explodieren – mehrmals hintereinander.

Als Monica gerade mal zweiundzwanzig war, hatte sie irgendein armer Kerl den Weg zur sexuellen Erfüllung erstmals erfolgreich beschreiten lassen. Der junge Mann war kein Auftragsobjekt, sondern ein zufällig ihren Weg kreuzender Penisträger gewesen, scharf auf eine schnelle Nummer. Unglücklicherweise hatte sich der Mann trotz redlicher Bemühungen als völlige Niete im Bett erwiesen, bis Monica – sie rittlings auf ihm, er in ihr – im verzweifelten Streben nach Befriedigung nach einem ihrer Werkzeuge (die sie stets in Reichweite versteckt hielt) gegriffen und ihm die Kehle aufgeschlitzt hatte.

Als sie die ungläubig aufgerissenen Augen, den rot gurgelnden Mund und das wilde zwecklose Umklammern eines seiner Aufgaben enthobenen Halses gesehen hatte, war sie sofort gekommen.

In der Folge fand gelegentlich Geschlechtsverkehr dieser Art statt, war allerdings eher eine Art sportliches Freizeitvergnügen. Die Möglichkeiten, die ihre Aufträge ihr boten, befriedigten ihre Lust weitaus nachhaltiger.

Dementsprechend wurde die weibliche Zielperson (40, dunkelblondes Haar, ein Meter sechzig, jeden Dienstag und Donnerstag um zwölf Pilates), als sie aus einer Ahnung heraus den Kopf vom Kissen hob, nicht wie ihr Sohn mit zwei schnellen Kugeln erledigt. Stattdessen bekam sie eine blitzschnelle Injektion in den Nacken verpasst, die sie in tiefen Schlaf zurücksinken ließ. Der Ehemann (42, braunes Haar, ein Meter fünfundachtzig, Arbeitszeit acht bis sechs, mittwochs und freitags von sechs bis acht Feierabendbiere mit Kollegen) rührte sich auch dann kaum, als die ihm zugedachte Nadel in seinen Hals stach.

Monica wandte sich von dem betäubten Paar ab, betrat das Badezimmer und schaltete das Licht ein. Ihr Bild im Spiegel über dem Doppelwaschbecken war ausnehmend schmeichelhaft: verführerische dunkle Augen, kräftiges dunkles Haar, das normalerweise bis auf die Schultern hing (jetzt jedoch aus praktischen Gründen straff zurückgebunden war), und ein Körper, der an den sogenannten Problemzonen die nötige Straffheit als auch an anderen Stellen vorteilhafte Rundungen aufwies und dem gängigen Schönheitsideal absolut entsprach.

Diese Gaben der Natur wurden nicht nur von jeder Frau, der Monica begegnete, mit Neid beäugt, sondern darüber hinaus von einer eleganten wie klugen Ausstrahlung ergänzt – das Ergebnis jahrelanger Konditionierung im elitärsten aller Internate. Hätte sie statt dem aktuellen Auftrag angemessene, unauffällige Kleidung den für erfolgreiche Geschäftsfrauen üblichen Hosenanzug getragen, wäre sie ohne Weiteres als millionenschwere Wall-Street-Wuchtbrumme durchgegangen.

Monica legte ihre Ledertasche auf dem Waschbeckenrand ab, warf einen kurzen Blick auf das Ehepaar im Schlafzimmer und fühlte, wie das vertraute Kribbeln seinen federleicht kitzelnden Tanz ihren Körper hinab begann. Sie würde sich Zeit nehmen.

Monica saß auf der Bettkante und zündete sich eine Zigarette an. Sie inhalierte tief, während sie über die Schulter blickte, nach der Fernbedienung suchte und sie schließlich auf dem Nachttisch neben der Leiche der Frau entdeckte.

Sie stand auf, schlenderte um den Stuhl herum, an den der geschundene Leib des Ehemannes gefesselt war, schnippte Asche auf den skalpierten Schädel, nahm die Fernbedienung vom Nachttisch und kehrte dann zum Fußende des Bettes zurück.

Mit übereinandergeschlagenen Beinen zog sie ein weiteres Mal an ihrer Zigarette, lehnte sich auf die Ellbogen gestützt zurück und blies eine lange Rauchfahne in die Luft. Die Zehen der toten Frau berührten Monica, weshalb sie sie ein Stückchen von sich wegschob und dann den Fernseher einschaltete.

Die Nachrichten widmeten sich erneut einem der spektakulärsten Ereignisse der letzten Tage, das bereits am Abend der Erstberichterstattung ihre milde Aufmerksamkeit erregt hatte. Mehrfachmord in der Pampa von West-Pennsylvania. Ein Ort namens Crescent Lake. Folter. Perverse Spiele. Wie in einem Horrorfilm, hieß es.

Inzwischen hatten sie offenbar die ganze Geschichte aufgerollt.

Sie drehte den Ton lauter und folgte der Ausstrahlung mit dem professionellen, beiläufig-kühlen Blick einer der eigenen Sportart zuschauenden Athletin – in der Hoffnung, dieser Lokalsender möge genug Eier in der Hose haben, auch Aufnahmen von den Folgen und Nachwirkungen der Geschehnisse zu übertragen. Der Sonderbericht, den sie ein paar Tage zuvor während eines Jobs in New York gesehen hatte, hatte nichts weiter als eine vor einer Hütte in Popelkaff, Pennsylvania herumbrabbelnde Frau mit schlecht gefärbten Haaren präsentiert.

Zunächst schien auch diese Reportage nichts Neues zu bieten. Wieder ein debiles Melodrama vor Blockhüttenkulisse. Diesmal berichtete ein Mann mit schlecht sitzendem Toupet und sichtlich überkronten Zähnen. Er redete, als spräche er für eine Hollywood-Rolle vor.

Vier Tote … zwei Täter … Brüder … einer der Brüder schließlich in einem Akt der Notwehr getötet … der andere schwer verwundet in Untersuchungshaft.

Ihre distanzierte Gleichgültigkeit nahm allmählich ab.

Der Reporter verschwand, und endlich wurde Monica mit einer kurzen Einstellung von einem großen schwarzen Leichensack belohnt, der aus einer Hütte in einen Notarztwagen getragen wurde.

Sie verdrehte die Augen. Qualvoll unbefriedigend. Sie zog erneut an ihrer Zigarette und stieß perfekte Rauchringe aus.

Das Toupet kehrte kurz zurück, um neue Einzelheiten über die bösen Brüder mitzuteilen. Und dann folgten (endlich!) ihre Fotos – nebeneinander montierte Porträtaufnahmen, die den gesamten Bildschirm einnahmen.

Monica schnellte hoch und ließ die Fernbedienung fallen, sodass das Batteriefach aufsprang, als sie auf dem Teppich landete. Sie lehnte sich vor und glotzte atemlos. Der linke der Brüder – der, der angeblich tot war – sah ihr so ähnlich wie ein Zwilling.

Die abgebrannte Zigarette versengte ihre Finger, weshalb sie sie fluchend von sich warf. Sie trat den Stummel mit dem Zeh aus, nahm ihn an sich, glitt vom Bettrand und drängte sich nahe vor den Bildschirm. Eine Strähne ihres vollen dunklen Haares löste sich aus dem Pferdeschwanz und fiel ihr übers Auge. Sie schnippte sie wie ein Insekt aus ihrem Gesicht.

Auch beim anderen Bruder, dem, der noch lebte und sich in Polizeigewahrsam befand, gab es eine gewisse Ähnlichkeit. Als das magische Wort fiel, stand ihr Mund sperrangelweit offen.

Adoptiert.

Beide Brüder waren Adoptivkinder gewesen. Ihre Bilder wurden ausgeblendet, und sie schnappte nach dem Bildschirm, als wäre sie in der Lage, sie zurückzuholen.

Jetzt stand das Toupet vor einem See. Weitere Hütten waren am Bildrand zu erkennen. Hatte er vorher für eine Hollywood-Rolle vorgesprochen, so war er nun mit seiner dramatischen Rekapitulation der Ereignisse darauf aus, den Oscar zu gewinnen:

»Wieder einmal verwandelte sich für eine unschuldige Familie ein idyllischer Herbstausflug in einen Albtraum, als ein psychotisches Brüderpaar diese bedauernswerten Menschen in seine Fänge bekam und zu nichts als seinem eigenen kranken Vergnügen unvorstellbaren Torturen aussetzte …«

Ein Foto der Ferienhütte der Familie, dann das eines abgelegenen Hauses, wo sich anscheinend weitere Gräueltaten ereignet hatten.

»… die Familie hat den mörderischen Furor der Brüder nicht nur überlebt, sondern auch heftige Gegenwehr geleistet und das Leben eines der beiden Sadisten in einem heldenhaften Akt der Selbstverteidigung beendet …«

Ein Einzelbild des verstorbenen Bruders – der, der genau wie sie aussah. Monica berührte den Schirm und streichelte über sein Gesicht.

»Die vier Opfer hier am Crescent Lake hatten weitaus weniger Glück und wurden brutal aus dem Leben gerissen, nur weil sie den Brüdern mit ihren abartig-perfiden Spielen unwissentlich im Weg standen …«

Eine Wiederholung der Einstellung des schwarzen Leichensackes, der aus der Hütte in die Ambulanz geschleppt wurde. Ihre Finger lösten sich vom Bildschirm, und die Hand fiel schlaff herab.

»Als ironische Wendung des Schicksals stellte sich später heraus, dass es sich bei einer der Überlebenden dieser schrecklichen Nacht um die Adoptivmutter der sadistischen Brüder handelte. Die ältere Witwe, deren Identität nicht preisgegeben wird, ahnte tragischerweise nicht, welch pure Bösartigkeit sie aufgezogen hatte, bis es zu spät war. Auch sie erwies sich als Hindernis und befindet sich in kritischem Zustand …«

Ein weiterer Soloauftritt des Toupets, effektvoll vor dem See platziert. Der Mann gab alles.

»Was treibt Menschen zu solchen Taten? Wie und warum entwickelt jemand das Verlangen und die Befähigung, eine unschuldige Familie nur zum eigenen Vergnügen zu foltern? Vier Menschen gnadenlos abzuschlachten? Wie kommt man dazu, die eigene Adoptivmutter, die einen zusammen mit ihrem seit Langem verstorbenen Ehemann aus reiner Herzensgüte bei sich aufgenommen hat, ermorden zu wollen …?«

Die nebeneinander montierten Einzelbilder wurden wieder herangezoomt, während der Kommentar fortfuhr. Diesmal liebkoste sie den Bildschirm mit beiden Händen, für jeden eine.

Sie wusste es. Sie kannte die Antworten auf all die gestellten Fragen. Das Warum? Das Was? Das Wie? Sie wusste, warum. Sie wusste, wie. Himmel, sie wusste es nur zu gut.

Monica stürzte zu ihrer Ledertasche, fischte ihr Mobiltelefon daraus hervor und wählte eine Nummer.

Nach dem ersten Freizeichen meldete sich eine männliche Stimme. »Kennwort.«

»Neco. 8122765«, sagte sie.

»Sprachauthentifizierung läuft … identifiziert. Alles in Ordnung?«

»Bestens. In einer Stunde kannst du das Putzkommando hierher schicken. Doch erst mal musst du was für mich überprüfen.«

Monica »Neco« Kemp beendete das Gespräch zehn Minuten später und wählte dann eine zweite Nummer. Zwei Freizeichen.

»Was geht ab, kleines Mädchen?« Eine Männerstimme, tief und kräftig.

»Ich habe sie gefunden.«

2

Western Pennsylvania Hospital, Pittsburgh, Pennsylvania

Zwei Tage später

»Hey, Fannelli, sind deine Hände sauber?«

Arty Fannelli schenkte dem Officer keine Beachtung. Die letzte Woche hatte ihn gelehrt, dass die ihm für die Nachtschicht zugeteilten Beamten mitunter ziemlich geschwätzig sein konnten – und das nicht gerade auf die Wie-haben-die-Steelers-gespielt?-Art. Die von der Tagschicht waren auch nicht gerade zartbesaitet, steckten ihre Nasen jedoch wenigstens die meiste Zeit über in irgendwelche Zeitschriften.

»Hey!« Der Officer schnippte mit den Fingern. »Erde an Schwachkopf! Sind deine Hände sauber?«

»Den Witz kenn ich schon, Arschloch; ich werd dir garantiert nicht beim Pissen den Schwanz halten. Und nenn mich nicht Fannelli …« Dann, mehr zu sich als dem Beamten: »Ich habe keinen Nachnamen.«

Der Polizist erhob sich und trat gegen Artys Bettgestell. »Pass besser auf, wen du Arschloch nennst, Fannelli. Wir wollen doch keinen weiteren ›Unfall‹, oder?«

Auf seinem Weg ins Badezimmer behielt der Beamte Arty ständig im Auge. Bei offen stehender Badezimmertür zog er seine Hose runter und gab sich extra für Arty einen Klaps auf die blanke Arschbacke, während er pinkelte.

Die Tür des Krankenzimmers öffnete sich, und eine Schwester trat ein, woraufhin sich der Officer hastig wieder die Hose hochriss. Arty grinste, als er einen vierteldollargroßen Fleck in dessen Schritt bemerkte. Der Beamte erwiderte das Grinsen mit einem stechenden Blick, der seine vorherige Drohung nachdrücklich unterstreichen sollte.

»Zeit für die Medikamente«, sagte die Krankenschwester.

Der Officer grunzte, nahm auf seinem Stuhl neben dem Krankenbett Platz und steckte seine Nase in eine Ausgabe von Sports Illustrated.

Die Schwester verabreichte Arty seine Medikation und kontrollierte rasch seine Verletzungen. Trotz der speziellen Natur ihres Patienten tat sie es ruhig, routiniert und weder besonders grob noch freundlich. Vor wenigen Tagen hätte Arty die attraktive Schwester noch mit einem anzüglichen Kompliment bedacht. Seit er jedoch herausgefunden hatte, wer er und sein Bruder wirklich waren, hatte die Lust an solchen Spielchen und die Anzahl entsprechender geschmackloser Bemerkungen erheblich nachgelassen. Artys wurde nun in erster Linie von Wut beherrscht.

»Haben Sie noch Schmerzen?«, fragte sie.

Arty nickte nur, und die Schwester zog ab.

Der Officer legte seine Zeitschrift weg. »Ich hätte da eine Frage, Fannelli. Stimmt es, dass eine Frau deinem Bruder den Arsch versohlt hat?« Sein Grinsen war außerordentlich breit. »Wie man hört, hat sie ihm eine Nagelfeile in die Eier gerammt.« Er griff nach seinen eigenen und winselte. »Was für ein Schlappschwanz muss man sein, um zuzulassen, dass eine Frau einem das antut?«

Arty schwieg und wandte den Blick ab, was den Beamten noch mehr anstachelte.

»Warum hast du auf deine Mutter geschossen, Fannelli? Hat sie dir ebenfalls den Arsch versohlt?«

»Sie ist nicht meine richtige Mutter«, teilte Arty der Wand mit.

»Ja, aber das hast du zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, stimmt’s?« Der Officer kicherte, bevor er weitersprach. »Du hast sie sehr wohl für deine echte Mom gehalten. Von nichts anderem hast du gelallt, als sie dich hergebracht haben, weißt du noch? Du und dein bescheuerter Bruder die leiblichen Sprösslinge netter Menschen? Liebevoll von ihnen großgezogen? Und weil ihr beide dennoch durchgeknallte Irre geworden seid, habt ihr euch für etwas Besonderes gehalten? Anlage versus Umwelt und all der Scheiß?«

»Halt die Klappe.«

Das Kichern des Beamten steigerte sich zu leisem Lachen; er brachte kaum mehr vollständige Sätze heraus. »Als … als was hast du euch doch gleich bezeichnet? Ausnahmen … Ausnahmefälle?«

»Schnauze.«

»Du hast gedacht … du hast wirklich gedacht, sie stecken dich in ein gemütliches Krankenhaus, damit die Seelenklempner deine dämonische Einzigartigkeit studieren können? Als wärst du der verdammter Hannibal Lecter oder so?« Der Officer bedeckte seinen Mund mit der Hand, um weiteres Lachen einzudämmen. »Also, jetzt mal im Ernst … Warum wolltest du deine Mutter erschießen, Fannelli?«

»Sie ist nicht meine richtige Mutter.«

»Weiß ich, weiß ich …« Der Polizist schüttelte amüsiert, aber auch leicht enttäuscht den Kopf, als hätte man ihm soeben mitgeteilt, dass er eine tolle Party verpassen würde. »Lieber Herr Jesus, was hätte ich dafür gegeben, dabei gewesen zu sein, als du es herausgefunden hast. Der Ausdruck auf deiner Fresse war bestimmt zum Schießen.« Er grinste. »Dennoch – als du auf sie geschossen hast, war sie für dich deine richtige Mutter. Was also war los, Fannelli? Oh, Augenblick … du hast sie ›erlöst‹, nicht wahr? Das jedenfalls hast du jedem erzählt, oder? Das arme Mütterlein leidet an Demenz, und du hältst es für das Beste, sie mit einer Kugel in die Brust zu ›erlösen‹?«

Arty erwiderte nichts und hielt die Augen starr auf die Wand gerichtet.

»Was war wirklich los, Fannelli? Hat deine Mutter rausgefunden, was du und dein ungezogener Bruder abgezogen habt, und den Rohrstock gezückt? Bist du feiger Sack so tief gesunken, dass du dich nur mit einer Knarre gegen eine alte Dame wehren konntest? Komm schon, Fannelli, spuck’s aus.«

»Ich hab dir gesagt, du sollst mich nicht Fannelli nennen.«

»Okay, okay«, sagte der Beamte spöttisch. »Ist offenbar ein Reizthema. Wie soll ich dich denn dann nennen, Fannelli?«

Jetzt sah Arty dem Officer endlich unverwandt in die Augen. »Keine Ahnung. Wie heißt der Kerl, mit dem deine Frau gerade vögelt?«

Der Officer sprang auf und schlug Arty die Faust ins Gesicht.

Monica Kemp setzte sich eine schlichte Hornbrille mit Fensterglas auf, spazierte ins Western Pennsylvania Hospital und schlug den Weg Richtung Ostflügel ein.

Ihre Aufmachung als amtliche Krankenschwester war bis ins kleinste Detail akkurat: marineblauer Kittel, Namensschild, Turnschuhe, streng zum Dutt gebundene Haare, kurz geschnittene Fingernägel, Stethoskop um den Hals. Doch diese Requisiten, so entscheidend sie sein mochten, waren nicht der eigentliche Grund, weshalb sie zwischen den echten Angestellten nicht auffiel. Der lag an ihrem perfekten Schauspiel. Sie wusste, wann man zu lächeln und wann man den Blick zu senken hatte. Wen man ansprechen konnte und wem man besser aus dem Weg ging. Und wie man im Notfall spurlos wie ein Phantom verschwand. Die meisten Menschen sind darauf aus, Beachtung zu finden. Monica Kemp war eine Meisterin darin, sich unsichtbar zu machen.

Ihre Kontaktleute hatten ihr alles gesagt, was sie wissen musste. Auf welcher Station er untergebracht war, wann der Schichtwechsel stattfand, die Medikamente ausgegeben wurden und natürlich die Station, auf der seine Adoptivmutter behandelt wurde.

Maria Fannelli hatte in jener Nacht lebensgefährliche Verletzungen davongetragen. Den hiesigen Notfallmedizinern war es egal gewesen, dass sie sie in dasselbe Krankenhaus brachten, in dem der Sohn lag, der sie zu töten versucht hatte – dem Western Pennsylvania Hospital, der dem Haus der Fanellis am nächsten gelegenen Einrichtung, war aufgrund ihres lebensbedrohlichen Zustands keine andere Wahl geblieben, als sowohl Arthur wie auch Maria Fannelli zu beherbergen.

Monica war das mehr als recht. Zwei Fliegen, eine Klappe.

Arty hatte eine Hand über sein schmerzvoll pochendes Auge gelegt.

»Damit bist du noch gut weggekommen … verfickter Klugscheißer.« Der Officer zog seinen Hosenbund zurecht und warf sich in die Brust.

Die Tür ging erneut auf, und der Officer nahm auf seinem Stuhl Platz und griff sich die Sports Illustrated.

»Zeit für die Medizin«, sagte die Schwester auf ihrem Weg zu Artys Bett.

Der Beamte ließ das Magazin sinken. »Hä?«

Die Schwester hielt ihm ihren Rücken zugewandt. »Zeit für die Medizin«, wiederholte sie.

»Er hat seine Medikamente erst vor einer halben Stunde bekommen.«

Die Schwester warf einen Blick über die Schulter, wobei sie nur einen Bruchteil ihres Profils entblößte. »Anweisung des Arztes – dringende Behandlung wegen einer HTI.«

»Einer was?«

»HTI – Harntraktinfektion.«

Der Officer zuckte die Achseln und widmete sich wieder seiner Zeitschrift.

Die Krankenschwester reichte Arty ein dünnes Papiertaschentuch. »Nehmen Sie das.«

Arty sah die Schwester nicht an. Er runzelte lediglich die Stirn und nahm den Fetzen entgegen, auf dem eine kleine, aber deutlich lesbare Schrift zu erkennen war. Die Schwester setzte ihre Hornbrille ab, während Arty las:

Lies das hier schnell, und sei versichert, dass das, was ich schreibe, die Wahrheit ist. Sie werden für dein Unglück büßen. Das schwöre ich beim selben Blut, das durch unsere Adern fließt. Ich bin deine Schwester. Schon sehr bald werden wir unvorstellbar grausam Rache an denen nehmen, die es wagten, sich unserer Familie in den Weg zu stellen.

Hab Geduld, großer Bruder; unsere Zeit wird kommen.

Hochachtungsvoll,

Monica

Artys finstere Miene nahm einen hämischen Ausdruck an. Der Zettel war zweifelsfrei ein lahmer Scherz des Pflegepersonals. Endlich sah er zu der Schwester hoch, drauf und dran, das Taschentuch zusammenzuknüllen, es ihr ins Gesicht zu schmeißen und ihr zu sagen, sie solle sich verpissen. Doch was er erblickte, ließ sämtliche Luft aus seinen Lungen entweichen, sodass nicht mal genug für ein Röcheln blieb.

Was Arty da sah, war sein eigen Fleisch und Blut. Diese Gewissheit spürte er viel deutlicher als den Pulsschlag, der heftig in seiner Brust hämmerte. Die Frau hätte die Zwillingsschwester seines toten Bruders sein können.

Allmählich kam er wieder zu Atem und wollte etwas sagen, doch Monica legte eine Hand auf seinen Mund, zog ihm die Notiz aus den Fingern und schob das dünne Papier sanft zwischen seine Lippen.

»Los, nehmen Sie schon«, sagte sie und reichte ihm ein Glas Wasser. »Es ist nur zu Ihrem Besten.«

Arty zerkaute das Taschentuch hastig und spülte es mit einem Schluck Wasser hinunter.

Monica lächelte und beugte sich vor, als wollte sie sein Kissen aufschütteln. »Ich werde zur Telemetriestation rübergehen, wo anscheinend Maria Fannelli behandelt wird. Was soll ich deiner Ansicht nach tun?«, flüsterte sie, richtete sich wieder auf und starrte ihn an.

Zum ersten Mal seit Tagen zeigte Arty ein aufrichtiges Lächeln. Monica erwiderte es, nickte und verließ dann das Zimmer.

Arty pfiff eine Melodie.

»Sei verdammt noch mal still«, sagte der Officer.

Erneut lächelte Arty entspannt. »Jawohl, Sir.«

Als Monica hinausging, zwinkerte sie dem jungen Polizeibeamten zu, der vor dem Zimmer ihres Bruders postiert war. Er errötete, lächelte schüchtern und wandte schnell den Blick ab.

Das reinste Kinderspiel, dachte sie, setzte die Hornbrille wieder auf und machte sich Richtung Telemetrie auf.

Monica stand neben Maria Fannellis Bett. Im Raum war es dunkel und still, abgesehen von den Marias Herzschlag signalisierenden Piepstönen. Ihr Puls zeichnete sich als weiße Wellenlinien auf dem schwarzen Bildschirm ab.

Die Augen der Frau waren geschlossen. Ihr Mund stand leicht offen, und ihrem Rachen entfuhren vereinzelte Schnarchlaute. Ein Infusionsschlauch schlängelte sich von ihrem Arm bis zu dem entsprechenden Beutel, der an einer neben ihrem Bett stehenden Pumpe hing.

Monica hätte sie wahnsinnig gern geweckt. Sie wollte, dass die Frau mitbekam, was mit ihr geschah, wollte das Ganze auskosten, dieser Frau tief in die Augen schauen, während das Leben aus ihnen entwich. Schließlich war das hier etwas aufregend Neues – der erste Schritt auf dem Weg zur Vergeltung. Und welche Wonnen mochte dieser noch bereithalten?

Leider war dies nicht der richtige Zeitpunkt. Jahrelang geübte Disziplin und Beherrschung löschten solche lustvollen Gedankenspiele mit einem Schlag aus, und ihr Selbsterhaltungstrieb übernahm das Ruder. Sie war schließlich nicht in irgendeinem Privathaus, wo sie sich Zeit nehmen konnte.

Monica streifte sich Latexhandschuhe über, drückte den Stoppschalter der Infusionspumpe, zog eine Spritze aus ihrer Kitteltasche und injizierte durch den intravenösen Zugang eine tödliche und nicht nachweisbare Dosis Kalium in Maria Fannellis Armvene.

Monica hatte den halben Flur hinter sich gelassen, als sie über die Schulter zurückblickte und sah, wie eine junge Frau aus der Schwesternstation in Maria Fannellis Krankenzimmer eilte – garantiert in der Hoffnung, einer der vielen Monitore, die sie zu überwachen hatte, würde falsche Daten liefern, statt den Herzstillstand von Mrs. Fannelli anzuzeigen. Das Letzte, was Monica hörte, bevor sie das Krankenhaus verließ, war der Tumult, der den soeben ausgelösten Notfallalarm begleitete.

Als Monica ihren Wagen erreichte, hielt sie inne, zündete sich eine Zigarette an und blies befriedigt eine lange Rauchfahne in den dunklen Herbsthimmel. »Wiederbelebungsversuche zwecklos«, feixte sie. »Das war’s für die Schlampe.«

Sie stieg in ihr Auto ein und fuhr davon, als könnte sie kein Wässerchen trüben.

Arty schlief, als der Arzt das Zimmer betrat. Der diensthabende Beamte musste seinerseits gegen die Müdigkeit ankämpfen. Wiederholt fiel ihm der Kopf auf die Brust und fuhr daraufhin abrupt in die Höhe, als hätte jemand ihn erschreckt. Als der Doktor reinkam, sprang er übereilt auf die Beine und versuchte unauffällig, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben.

»Mr. Fannelli«, sagte der Arzt.

Arty rührte sich nicht.

»Mr. Fannelli«, wiederholte der Arzt.

»Nennen Sie mich nicht Fannelli«, antwortete Arty, ohne die Augen zu öffnen.

Arzt und Wachmann tauschten einen Blick aus. Letzterer zuckte die Schultern.

»Ich denke, Sie sollten wissen«, fuhr der Doktor fort, der offenkundig kein Interesse daran hatte, sich eine angemessenen Anrede für seinen Patienten auszudenken, »dass Ihre Mutter ihren Verletzungen erlegen ist. Wir konnten nichts mehr für sie tun.«

Der Arzt verließ den Raum.

»Bra-vo, Fannelli«, sagte der Officer und klatschte träge Beifall. »Deine Mutter ist tot … und du hast sie umgebracht. Das ist dann wohl dein finaler Sargnagel, meinst du nicht auch?«

Arty drehte sich trotz der Schmerzen, die durch die Bewegung in seinen Wunden verursacht wurden, vom Officer weg und auf die Seite.

Der Beamte grinste und setzte sich wieder. »Was ist los, Fannelli? Werden gleich die Tränen kullern?«

In Wahrheit musste Arty sich mit allergrößter Mühe ein Lachen verkneifen.

3

Die Wildnis Alaskas

Eine Woche später

John Brooks beobachtete, wie der Obdachlose an seinem Küchentisch den Eintopf verschlang. »Gut?«, fragte John.

Der Obdachlose hob den Kopf. Eintopf tropfte aus seinem räudigen Bart, und er lächelte wie ein Eiscreme verspeisendes Kind.

John lächelte zurück. »Eine Spezialität von mir. Schneeschuhhase und Fuchs. Da draußen kommen sie nicht miteinander klar« – er wies mit der Hand Richtung Hüttenfenster –, »aber kaum packt man sie mit ein bisschen Gemüse zusammen in einen Topf, verstehen sie sich glänzend, nicht wahr?«

Der Mann hob erneut den Kopf. Diesmal war sein Lächeln breiter. Er hatte keine Vorderzähne mehr.

»Noch was?«, fragte John, als er bemerkte, dass der Mann seinen Löffel weggelegt und angefangen hatte, das Innere der Schüssel mit seinen Fingern auszukratzen, um sich auch das letzte winzige Häppchen einverleiben zu können.

Der Mann leckte sich die Finger und hielt John die Schüssel hin. »Ja – bitte.«

John trug die Suppenschale zu einem kleinen weißen Ofen in der Ecke hinüber. Auf einer der Gasflammen köchelte der schwarze Topf mit seiner Spezialität. Er klatschte zwei große Kellen davon in die Schale und stellte sie dem Mann wieder vor die Nase.

Dessen Appetit, so groß er auch war, hatte ihn seine Manieren nicht völlig vergessen lassen. Trotz der dampfenden Schüssel unter seiner laufenden Nase gelang ihm sogar ein freundlicher Small-Talk-Versuch, bevor er sich seinem Nachschlag widmete. »Sie leben ganz alleine hier draußen?«

»Jawohl.«

Der Mann kaute, schluckte, rülpste in seine Faust und schaufelte weiter Eintopf in sich hinein. »Das ganze Jahr über?«

»So ziemlich«, sagte John. »Außer, wenn ich arbeite.«

Der Mann hatte sich den Mund zu voll gestopft. Nach einem tapferen Versuch, alles auf einmal hinunterzuschlucken, gab er sich geschlagen und zog ein großes zerkautes Stück Hasenfleisch aus seinem Schlund, um es in die Schüssel zurückzulegen. »Was machen Sie so?«

»Ich bin Jäger.«

Während seiner folgenden Fragen hielt der Mann den Blick auf seine Mahlzeit gerichtet. »Und was hat Sie heute in die Stadt geführt? Mussten Sie Munition oder Fallen oder so was besorgen?«

John lächelte. Seine schwarzen Augen funkelten. »Nein«, gab er leise zurück.

Trotz seiner imposanten Statur konnte John Brooks den großen Teddybären spielen, wenn er wollte – der mild-heitere Gleichmut, den er dann ausstrahlte, stand in deutlichem Kontrast zu den kantigen, hartgeschnittenen Zügen seines zwar groben, aber durchaus attraktiven Gesichtes; seine Physis legte nahe, dass er beim Bankdrücken Eichen und beim Kreuzheben Felsbrocken stemmte.

Der Obdachlose schluckte einen Mundvoll Eintopf und nahm Augenkontakt zu seinem Gastgeber auf. »Weswegen waren Sie denn dann in der Stadt?«, fragte er.

John lächelte erneut – das gleiche gefällige und einladende Lächeln, das er seinem Gast geschenkt hatte, als er in der Stadt die Beifahrertür für ihn geöffnet hatte. »Betrachten Sie’s einfach als Drang«, meinte er.

Der Mann zuckte die Achseln und aß weiter.

John trat ans Fenster. Die strahlende Sonne wurde von Schnee und Eis reflektiert. John blinzelte durch den blendenden Glanz und hielt nach etwas Ausschau. Er sah, dass das Licht sogar trüb-dunkle, dicht bewachsene Waldstücke an vielen Stellen durchdrang. »Perfekt«, flüsterte er. Das Licht war einfach perfekt. Jetzt.

John drehte sich wieder zu dem Mann um. »Wie steht’s bei Ihnen?«

Lächelnd präsentierte der Mann seine leer gelöffelte Suppenschale, was John erneut den Vergleich mit einem Kind ziehen ließ.

»Wunderbar«, sagte John. »Zufrieden?«

Der Mann nickte.

»Gestärkt?«

Der Mann nickte.

»Kräftig?«

Der Mann, dessen Lächeln jetzt eher höflich als aufrichtig war, zögerte kurz, um dann ein weiteres Mal zu nicken.

»Werden Sie mir etwas für mein Geld bieten können?«

Diesmal kein Nicken. Nur eine fragende Miene. »Was meinen Sie?«

John griff in seine Tasche und zog eine Stoppuhr daraus hervor. Er drückte ein paar Knöpfe und legte sie vor den Mann auf den Küchentisch. Die Uhr war auf zehn Minuten gestellt.

»Das ist der Vorsprung, den ich Ihnen lasse«, sagte John. Er streckte die Hand aus und drückte einen letzten Knopf. Ein schwaches Piepen ertönte, und die Stoppuhr begann ihren Countdown.

Der Mann schaute zu John auf. »Ich – ich verstehe nicht …«

John erwiderte nichts. Er ging zu seinem Gewehrständer neben dem Grizzlybärkopf an der Wand, sah die Auswahl durch und wählte schließlich das speziell nach seinen Wünschen angefertigte Remington.

»Mister, was … was machen Sie da?«

John blieb stumm, konnte sich eines schmalen Grinsens jedoch nicht erwehren, während er anfing, das Gewehr zu laden.

»Nehmen Sie … mich mit auf die Jagd?«, fragte der Mann, ohne das Remington-Gewehr aus den Augen zu lassen.

John lachte leise auf und schüttelte den Kopf. Er behielt die seiner grobschlächtigen physischen Erscheinung widersprechende Sanftheit bei, aber seine Augen … seine Augen hatten sich verändert. Durch die starke Erregung waren seine Pupillen so extrem geweitet, dass sie den schwarzen Glasaugen des Grizzlykopfes an der Wand ähnelten. Die äußere Ähnlichkeit entsprach einer Ähnlichkeit des Naturells: Beide waren tödliche Jäger.

John ließ das Schloss des Patronenlagers zuschnappen, hob das Gewehr an seine Brust und fragte: »Wie viel Zeit hast du noch?«

Der Mann brachte nichts als hektische, schnaufende Atemstöße heraus. Seine Augen wanderten fieberhaft zwischen Johns Gesicht und dem Remington hin und her. Aus dem Bart um den aufgerissenen Mund tropften noch immer Eintopfreste, und die vielen Schichten schmutziger Kleidung vermochten es nicht, das Zittern seines ganzen Körpers zu verbergen.

Mit dem Gewehr in beiden Händen wies John mit dem Kinn zur Stoppuhr auf dem Tisch. »Wie viel Zeit?«, fragte er noch einmal.

Hastig sah der Mann nach. »Sieben – sieben Minuten.«

John trat den Mann vom Stuhl. Er schlug hart auf dem Holzboden auf.

Der Obdachlose starrte hilflos zu seinem vormals großzügigen Gastgeber auf. Er starrte auf das inzwischen unverstellt lüsterne Grinsen. Er starrte in die schwärzesten aller Augen, blinde, seelenlose Fenster zu einer Seele. All das starrte er an, unfähig, den Blick abzuwenden, das Gesicht verzerrt, schockgefroren – das fleischgewordene Abbild unendlicher Angst.

Und John war hocherfreut. Er lachte, wischte sich über den Mund und zeigte mit dem Lauf des Gewehres zur Eingangstür. »Dann solltest du dich besser auf die Socken machen, Sportsfreund.«

Der Obdachlose stürzte durch die Wildnis Alaskas, und seine überbeanspruchten Lungen stießen krampfhaft Atemwolken in die Luft. Äste und Zweige klatschten und schnitten ihm ins Gesicht. Das dichte Unterholz griff mit grausamen hölzernen Klauen nach seinen Knöcheln und brachte ihn mehr als einmal zum Stolpern.

Hilferufe waren in dieser einsamen und menschenleeren Gegend vergebens; das war ihm bewusst, hielt ihn in seiner jedes rationale Denken auslöschenden Panik jedoch nicht davon ab, es dennoch zu versuchen. Also schrie er. Die Antwort bestand in einer Kugel, die knapp über seinem Kopf hinwegsauste, in die gigantische Fichte hinter ihm einschlug, Rinde absplitterte und ein Einschussloch von der Größe eines Zehn-Cent-Stückes hinterließ.

Zwei weitere Schüsse zischten zu beiden Seiten seines Kopfes vorbei und trafen die Fichte – man hätte die drei Löcher zu einem perfekten Dreieck verbinden können.

Er kreischte wie ein hysterischer Wildvogel, warf sich auf den Bauch und drückte die Wange und den Körper mit geschlossenen Augen so heftig gegen die Erde, als hoffte er, irgendwie in ihr versinken zu können und so Deckung zu finden.

Der böse Mann hatte ihn absichtlich verfehlt; diese Tatsache war ihm nicht weniger bewusst als die Kälte von Eis und Schnee, die jetzt in seine Wange und sein Ohr stach. Der böse Mann spielte mit ihm. Die Stoppuhr, der Vorsprung, all das bedeutete kein faires Rennen gegen die Zeit, bei dem er im Falle des Durchhaltens von seinem Verfolger mit dem Leben belohnt wurde, sondern diente einzig der Unterhaltung. Sein Tod war keine Möglichkeit; er war Gewissheit. Und nur noch eine Frage der Zeit.

Also fügte er sich bäuchlings im eiskalten Unterholz seinem Schicksal und begann zu weinen.

Knappe hundert Meter entfernt beobachtete John Brooks durch das maßgefertigte Zielfernrohr seines Remington-Gewehres, wie der Mann aufgab und zu schluchzen anfing. Es war ein zufriedenstellendes, aber gleichzeitig auch enttäuschendes Bild. Tränen der Todesangst waren eine grundsätzlich hübsche Sache – aber einfach so kapitulieren? Sich mit seinem Schicksal abfinden? Was für ein beschissener Waschlappen war das denn? Vielleicht konnte ein wenig Schmerz seine Beute anspornen und die Jagd beleben.

John hob das Remington, spähte durchs Fernrohr und hielt den Atem an.

Ein fernes Donnern. Das unmittelbar folgende Pfeifen einer Kugel, die die Luft zerschnitt. Und dann ein nasser, dumpfer Schlag, der eine Explosion brennenden Schmerzes im Bein des Obdachlosen zur Folge hatte. Er rollte sich auf die Seite und legte seine Hände um die Eintrittswunde. Sofort färbten sie sich rot.

Ja, der böse Mann spielte mit ihm. Ja, er wollte ihn töten. Doch er hatte es offenbar nicht eilig damit.

Der Obdachlose raffte sich auf, und sein Bein bereitete ihm Qualen, die alles überstiegen, was er in seinem Elend als Tippelbruder je hatte erleiden müssen. Er humpelte durch den Schnee und hinterließ dabei eine unübersehbar deutliche Spur dicker roter Tropfen. Sein Tränenfluss war fürs Erste versiegt; der Wundschmerz hatte ihn ironischerweise eingedämmt.

Der Mann lief ohne Ziel, sondern verschaffte sich lediglich etwas mehr Zeit bis zu seiner unvermeidlichen Ermordung, und das wusste er nur zu gut. Gab ihm dieses Wissen irgendwie Halt? Ja. Er hatte sich bereits zuvor in sein Schicksal gefügt und dafür einen entsetzlichen Preis bezahlt – sein Bein war jetzt ein pochendes, nutzloses Stück Fleisch.

Das unausweichliche Schicksal konnte ihn mal, er würde es versuchen. Erfolgreich versuchen. Im Wald verschwinden. Sich verstecken, bis die Lage sicher war, egal, wie lange das dauern sollte. Herrgott noch mal, immerhin war er ein Obdachloser in Alaska und dementsprechend geübt darin, den Elementen zu trotzen. Und sobald die Luft rein war, würde er in die Stadt zurückkehren. Zur Polizei gehen. Den Beamten vom bösen Mann erzählen. Sie anbetteln, ihm wenigstens dieses eine Mal zuzuhören. Ja – er würde zur Polizei gehen, und der böse Mann würde seiner gerechten Strafe zugeführt. Ja … ja, genau das würde er tun.

Mit einem neuen Ziel vor Augen bewegte der Obdachlose sich hinkend auf ein dichtes Kiefernwäldchen zu.

John war entzückt. Der Schuss ins Bein hatte seinen Zweck erfüllt und das Spiel neu gestartet – gewissermaßen. Wahrscheinlich hatte die Kugel die Oberschenkelarterie des Mannes getroffen, und wenn er es schaffen sollte, sich für den Rest der Jagd versteckt zu halten, würde er irgendwo langsam verbluten – was stundenlangem Ficken ohne Höhepunkt entsprach, dachte John. Das galt es um jeden Preis zu verhindern. Er wollte lieber vorzeitig kommen und ein bisschen Spaß mitnehmen, als eine derart quälende Enttäuschung zu erleiden.

Also belassen wir es bei einem schnellen Kopfschuss und machen Feierabend. Immerhin würde der entsetzte Gesichtsausdruck des Mannes in der Hütte ihm noch ein geraumes Weilchen Freude bereiten. Und das memmenhafte Schluchzen, das dem Kleinmädchen-Kreischen gefolgt war, schien ihm umso lustiger, je länger er darüber nachdachte. Nichts Weltbewegendes, aber wirklich nicht schlecht.

John wartete in aller Seelenruhe darauf, dass der Mann endlich anhielt und nach Atem rang. Er befand sich tief inmitten eines verschlungenen Kiefernwäldchens und war auf diese Entfernung praktisch unsichtbar, doch dank des maßgefertigten Remington-Zielfernrohrs hatte John das Gefühl, den Arm ausstrecken und ihn am Kinn kitzeln zu können.

John lächelte. Nahm den Kopf des Mannes aufs Korn. Zielte zwischen die Augen. Hielt den Atem an. Und sah dann, wie der Kopf des Obdachlosen zurückschnellte und die dahinter stehenden Kiefern mit roten Klumpen besprenkelte, bevor sein Leib zu Boden sackte.

Dabei hatte John den Abzug gar nicht betätigt.

Er drehte ruckartig den Kopf, während der rätselhafte Schuss im Wald nachhallte. Monica Kemp stand zehn Meter entfernt und hielt ihr eigenes maßgefertigtes Remington mit festem Griff in beiden Händen.

»Hi, Dad«, sagte sie grinsend.

John strahlte, legte sein Gewehr ab und breitete die Arme aus. »Wie geht’s meiner kleinen Tochter?«

Monica saß am Küchentisch ihres Vaters, ohne den dicken Wollmantel ausgezogen zu haben. »Es ist eiskalt hier drin, Dad. Wie hältst du das bloß aus?«

John servierte seiner Tochter eine dampfende Schale Eintopf. »Wirst du etwa langsam empfindlich?«

Sie schob die Schüssel beiseite. »Herzlichen Dank, aber auf dein Wilde-Kreaturen-Gulasch verzichte ich lieber. Gott weiß, was drin ist.«

John nahm die Schale an sich und kippte ihren Inhalt in den Topf zurück. »Womit kann ich dann dienen, Eure Majestät?«

»Kaffee wäre nett.«

John machte sich in der chaotischen Metallnische, die er als seine Küche bezeichnete, an die Arbeit. »Ich hab leider nur löslichen.«

»Hauptsache heiß.«

Er füllte einen Kessel mit Wasser, entzündete eine Gasflamme und stellte den Kessel auf den Ofen. »Wird ein paar Minuten dauern.«

Monica nahm eine Zigarette heraus und steckte sie sich an. »Was wird aus deinem Kumpel, mit dem du Verstecken gespielt hast?«

John entnahm einem der Wandschränke einen Aschenbecher und stellte ihn seiner Tochter hin. »Die Welt der wilden Tiere erwartet eine schmackhafte Zwischenmahlzeit. Der ewige Kreislauf des Lebens, Kleines. Einer der Vorteile, wenn man hier draußen lebt.«

»Und die Knochen?«

»Die Knochen kümmern sich um sich selbst. Schlimmstenfalls sammle ich sie in einer Woche ein.« Er holte das Glas mit Instantkaffee aus dem Schrank. »Erzähl mal von Pittsburgh.«

Monica nahm einen Zug von ihrer Zigarette, stieß eine dicke Rauchwolke aus und zeigte dann darauf. »So ist die Luft da. Schlimmer als in L. A.«

Er wedelte den Rauch beiseite. »Dennoch inhalierst du diesen Dreck freiwillig.«

Das Wasser begann zu kochen, und John wandte sich für einen Moment ab, um den Kaffee zuzubereiten, den er ihr dann vor die Nase stellte.

Sie nippte daran und verzog das Gesicht. »Scheiße noch mal, Dad.«

»Tut mir leid, aber ich fürchte, meine Espressomaschine steht noch im Laden.« Er bot ihr eine kleine Schüssel mit Zucker an, doch sie winkte ab. »Das viele Geld und all die Reisen haben einen Snob aus dir gemacht.«

Sie lächelte. »Ein Snob, der vor wenigen Minuten schneller geschossen hat als du.«

»Du meinst, ich hätte dich nicht bemerkt?«

»Ich weiß, dass du mich nicht bemerkt hast. Du wirst alt, Dad.«

»Von wegen alt.« John krempelte den Ärmel seines Flanellhemdes hoch und ließ eine Kanonenkugel von Bizeps spielen.

Monica simulierte kindliches Staunen. »Daddy ist furchtbar stark.«

John zog eine finstere Miene, brummte etwas und packte sich dann ihr modifiziertes Remington, das sie gegen die Tischkante gelehnt hatte. »Himmel, schau sich das einer an. Sieht wie ein verdammtes M40A3 aus. Mit dem Ding könnte ich von hier aus einem verfickten Käfer in Anchorage den Arsch wegschießen.« Er sah sie neugierig an. »Von einem Marine hast du das bestimmt nicht …«

Sie klimperte mit den Wimpern und ließ beide Hände vor ihrer Brust kreisen. »Unterschätze nie ein Paar perfekte Titten, Dad.«

»Was zum Teufel ist bloß los mit dir? Scheiße, so was sagt man nicht zu seinem Vater.«

Sie hob den Kaffeebecher an die Lippen, um ihr selbstzufriedenes Lächeln zu verbergen. »Verzeihung.«

»Pittsburgh«, gab er zurück.

Sie nahm einen Schluck und setzte den Becher ab. »Ich habe im Krankenhaus Kontakt aufgenommen. Zuerst war er schockiert, hat mir aber schnell vertraut. Er hat mir seine Zustimmung gegeben, die Adoptivmutter zu erledigen. Sie ist mausetot.«

Er lächelte, nickte und setzte sich auf einen Stuhl ihr gegenüber. »Wie sah er aus?«

»Erschöpft und schwach. Er hat eine Menge Messerstiche abbekommen und wirkte ziemlich resigniert. Doch mein Anblick könnte sein Feuer neu entfacht haben, denke ich. Außerdem bin ich sicher, dass der Tod seiner falschen Mutter seiner Laune alles andere als abträglich ist.«

»Niemand hat dich bemerkt oder gar erkannt?«

Monica schürzte die Lippen und bedachte ihn mit einem bösen Blick.

John hob entschuldigend die Hand.

Monica zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette und drückte sie dann im Aschenbecher aus. »Wie sehen unsere nächsten Spielzüge aus?«

Johns Miene verdüsterte sich. Einen Augenblick lang ließ er den Kopf hängen, bevor er ihn wieder hob. »Und der andere ist wirklich …?«

Monica nickte mit ähnlich finsterem Blick. »Er wurde in jener Nacht getötet. Sein Name war James.«

Der Vater nickte. »Arthur und James, oder?«, sagte er nach einem kurzen Moment des Schweigens.

»Hat sich unsere Mutter das ausgedacht?«

»Scheiße, keine Ahnung. Bezweifele ich. Würde auf die Adoptiveltern tippen. Deine Mutter hätte sie wahrscheinlich Jack und Daniels genannt. Und dich Meth oder so getauft.« Er spuckte auf den Boden. »Auf Nimmerwiedersehen, Miststück.«

»Wie hättest du uns genannt?«, fragte Monica. Sie schien aufrichtig daran interessiert.

Er zuckte die Schultern. »Weiß ich nicht. Jedes Mal, wenn ich Heimaturlaub hatte, war jemand von euch verschwunden. Weiß nicht, warum ich sie weiter gebumst habe. Wenn der eigene Schwanz so viel Zeit in asiatischen Mösen verbracht hat, sehnt man sich nach guter alter amerikanischer Punze, und ist sie auch noch so ausgeleiert.«

»Nette Art, mit deiner Tochter zu reden, Dad.«

»Das ist die Revanche für die Sache mit den Titten.« Er lehnte sich zurück. »Wie auch immer, die Familie, die dich aufgegriffen hat, war jedenfalls ein verdammter Sechser im Lotto. Als wärst du eine Kennedy oder so was. Außerdem gefällt mir der Name Monica. Passt zu dir.«

»Werden wir ihn dann Arthur nennen?«

»Das muss er entscheiden, würde ich sagen.«

Monica schwieg und nippte an ihrem Kaffee.

»Was erzählst du den Kennedys eigentlich bezüglich deiner gegenwärtigen beruflichen Aktivitäten?«, fragte John.

»Internationale Bankgeschäfte. Dadurch erregen meine Auftragsreisen keinen Verdacht, und ihr guter Ruf bleibt komplett unbeschädigt. Die hochintelligente, ehrgeizige und weltgewandte Tochter, die ganz den Clan-Erwartungen entspricht.«

Er strahlte vor Wonne. Monica hatte John aufgespürt, als sie erst fünfzehn gewesen und noch zur Privatschule gegangen war. Die Sommerferien, die sie angeblich bei der Familie einer Klassenkameradin in den Hamptons verbracht hatte, die Skiurlaube in Aspen, die Frühjahrsferien in Tortolla – alles gelogen, um Zeit mit John zu verbringen, um zu lernen, zu trainieren, zu beobachten, Anweisungen zu befolgen und so dem tödlichen Trieb, der ihrer Blutlinie eingeschrieben war, zu voller und gleichwohl kontrollierter Blüte zu verhelfen. Während die meisten Frauen zur Feier ihres achtzehnten Geburtstags Kerzen auspusteten, pustete Monica an ihrem Ehrentag aus einer Distanz von fünfzig Metern ihr erstes Loch in einen menschlichen Schädel. Danach hatten sie sogar eine Kerze in das Loch gesteckt und hysterisch gelacht, als die Haare des Mannes schließlich Feuer fingen.

»Warum schaust du mich so an?«, fragte sie.

»Wie schaue ich dich denn an?« Sein Strahlen wurde zu einem breiten Grinsen.

»Selbstzufrieden. Wie die Katze im Taubenschlag.«

»Ist es verboten, das Produkt seiner Erziehung zu bewundern?«

»Oh, komm von deinem hohen Ross runter, alter Mann. Du bist nicht allein für meine Ausbildung verantwortlich, das kann ich dir versichern. Vielleicht kommst du ja auch irgendwann im einundzwanzigsten Jahrhundert an.«

Er stieß ein heiseres Lachen aus. »Besten Dank, aber ich würde den ganzen Computerscheiß lieber dir überlassen. Ich hab nach Donkey Kong und Pac-Man aufgehört.«

»Bedauerlich – bei Call of Duty würdest du garantiert einen Ständer kriegen.«

»Schon wieder dieses freche Mundwerk.«

Sie grinste. Er runzelte die Stirn. Dann versanken beide in düsteres Grübeln, und als ihre Blicke sich schließlich wieder trafen, wussten sie sofort, dass das Objekt ihrer Grübeleien identisch war.

»Dad, sie haben sich immer bedeckt gehalten. Sie haben sich keine Blöße gegeben. Selbst wenn diese beschissene Familie und ihr Arzt sämtliche Spuren der Adoption nicht verschwinden hätten lassen – und ich habe nachgeforscht, das kannst du mir glauben –, ist es offenkundig, dass Arthur und James unsere Selbstkontrolle und Beherrschung geerbt haben; sie haben das Rampenlicht jederzeit gemieden. Nur jämmerliche Serienkiller-Gestalten wollen gefasst werden, um ihre fünfzehn Minuten Ruhm auskosten zu können. James hat bis zum Tod gekämpft.«

John nickte knapp, erhob sich und ging zum Küchenfenster hinüber. Er blickte starr nach draußen. Die inzwischen untergehende Sonne spiegelte sich in seinen Augen, und seine Gedanken verloren sich in Fantasien von Dingen, die da kommen mochten. Als er sprach, tat er das in tiefem, träumerischem Ton – eine geisterhafte Stimme, die direkt aus den tiefsten Tiefen seiner schwarzen Seele aufstieg. »Es wird Zeit, Arthur heimzuholen. Ihn wissen zu lassen, was echte Familienbande bedeuten … wozu wir tatsächlich imstande sind …«

»Das werden wir«, sagte Monica. »Aber wir müssen Geduld haben, Dad.«

Er nickte bedächtig, starrte immer noch ohne ein Blinzeln aus dem Fenster und sah nichts als die Bilder, die seine Fantasie heraufbeschwor.

»In der Zwischenzeit werde ich die notwendigen Informationen einholen«, sagte sie. »Wir müssen sowieso warten, bis sich die Aufregung einigermaßen gelegt hat. Im Augenblick ist alles noch zu frisch. Zu aktuell. Wir müssen warten, bis sie sich wieder zu einem gewissen Grad sicher fühlen. Bis sie wieder Hoffnung schöpfen und die Wunden zu heilen scheinen.« Sie leckte über ihre Lippen. »Das ist der Moment, an dem du und ich ins Spiel kommen.«

John wandte sich vom Fenster ab und sah seine Tochter an; seine Augen waren nichts als riesige Pupillen. »Bevor all das endet … werden sie um den Tod betteln.«

Monica leckte sich erneut über die Lippen. »Ja, das werden sie.«

4

Valley Forge, Pennsylvania

Drei Monate später

Familie Lambert hatte die Hölle überlebt. Nicht nur das. Sie hatte darüber hinaus einem ihrer teuflischen Kidnapper den Garaus machen können.

James »Jim« Fannelli war tot.

Arthur »Arty« Fannelli hingegen lebte, hatte während des Vorfalls allerdings etliche Wunden davongetragen und wartete jetzt in Gewahrsam der Allegheny County Police auf seinen Prozess.

Patrick und Amy Lambert sowie ihre zwei Kinder Carrie und Caleb waren alles andere als unbeschadet davongekommen. Patrick hatte sich üble Schläge und Stichwunden eingefangen, während man Amy aus nächster Nähe in die Brust geschossen hatte. Und schließlich waren da noch die psychischen Folgeschäden, verheerender als die physischen.

Da die Lamberts durchschnittliche, unbescholtene und geruhsame Vorstädter waren, wurden ihnen nach den erlittenen Qualen nachdrücklich mehrere therapeutische Maßnahmen ans Herz gelegt. Patrick brachte beim entsprechenden Vorbereitungsgespräch einen der Ärzte zum Lachen, als er sagte, dieses Angebot wäre, wie einen nach langer Zeit auf See heimkehrenden Matrosen zu fragen, ob dieser Lust auf eine Nummer hätte.

Dementsprechend absolvierte die Familie in den drei Monaten, die den grauenvollen Ereignissen am Crescent Lake folgten, etliche psychotherapeutische Sitzungen.

Es überraschte keinen der Beteiligten, dass sich die Dinge von Anfang an schwierig und heikel gestalteten. Dr. Janet Stone erklärte, ihre seelischen Traumata würden ihnen in unmittelbarerer Zukunft mehr oder weniger stark zu schaffen machen, doch nach und nach zu nichts weiter als bösen Erinnerungen verblassen, auf welche die alte Weisheit zutraf: Die Zeit heilt alle Wunden. Sogar die siebenjährige Carrie, die vom ersten Tag an von Albträumen geplagt wurde, würde der Prognose Dr. Stones zufolge dieser Entwicklung folgen – das kleine Mädchen hatte die Jugend auf ihrer Seite.

Die Stimmigkeit dieser Ausführungen wurde besonders durch den vierjährigen Caleb belegt. Schon eine knappe Woche nach der Rückkehr in die heimische Geborgenheit schien der Vorfall aus seinem Gedächtnis gelöscht. Es war fast, als wäre der Junge diesen Gräueln niemals ausgesetzt gewesen. Bis er eines Abends mehr als ein Dutzend Reißnägel in Amys Hausschuh platzierte, die ihren Fuß in Fetzen rissen. Ein Scherz, von dem Caleb dachte, seine Mommy fände ihn lustig. Das tat sie ganz und gar nicht, sondern konsultierte stattdessen umgehend einen von Dr. Stone empfohlenen Kinderpsychologen. Caleb Lamberts Termin war für sieben Uhr abends angesetzt.

5

Zunächst wollte Dr. Bogan mit Caleb in Gegenwart seiner Eltern sprechen. Carrie wurde derweil in einem Nebenzimmer von der Frau des Arztes mithilfe einer Auswahl von Büchern und Spielzeugen bei Laune gehalten.

Die erste Hälfte der Sitzung (Caleb saß auf dem Schoß seiner Mutter, die ihm durch sein braunes Zottelhaar strich) hatte nichts mit den Ereignissen am Crescent Lake zu tun. Sie bestand vielmehr darin, dass der Doktor den Lamberts grundsätzliche Fragen bezüglich der Entwicklung ihres Sohnes sowie seiner alltäglichen Verhaltensmuster stellte.

Amy und Patrick antworteten freimütig und ohne das geringste Zögern; tatsächlich empfanden sie einen gewissen Stolz, als ihnen klar wurde, dass sämtliche Antworten positiv ausfielen:

Nein – es gab keine Komplikationen oder Unregelmäßigkeiten vor, während und unmittelbar nach der Geburt.

Nein – unser Sohn hat niemals irgendeine Form von Schädeltrauma erlitten.

Ja – unser Sohn konnte zum jeweils erwarteten Zeitpunkt laufen und sprechen, und nein, unser Sohn war nie Bettnässer; vielmehr war er im Alter von zwei Jahren in weniger als einer Woche sauber.

Ein paar weitere Fragen:

Grausamkeit gegenüber Tieren?

Auf keinen Fall.

Ungewöhnliche Anzeichen von Aggressivität?

Nee.

Schwache Impulskontrolle?

Nix da.

Leicht reizbar?

Eher im Gegenteil.

Mangel an Mitgefühl gegenüber anderen Menschen?

Wiederum eher das Gegenteil.

Dr. Bogan klappte das Notizbuch zu und öffnete ein zweites. Dann bat er Amy und Patrick, mit Caleb allein sprechen zu dürfen. Die Lamberts drückten ihren Sohn herzlich, versichertem ihm, dass sie ihn liebten, und schlossen sich dann Carrie und Mrs. Bogan im Nebenzimmer an.

Zu Dr. Stone pflegte Dr. Bogan immerhin eine flüchtige Bekanntschaft, doch es war alles andere als unüblich, dass ihm auch Ärzte, denen er nie begegnet war, Patienten überwiesen. Das lag an seiner überragenden Reputation.

Dr. Bogan war überzeugt davon, dass in der Arbeit mit Kindern eine besondere Kunst lag; je jünger das Kind, desto feinfühliger die Annäherung. Wenn der Arzt versuchte, sich mit leuchtenden Kulleraugen und sanfter Stimme einzuschmeicheln, zog sich das Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit tiefer in seinen schützenden Schildkrötenpanzer zurück und lugte erst dann wieder daraus hervor, wenn sich der heuchlerisch-aufdringliche Blödmann vom Acker gemacht hatte. Und wenn seine Kollegen seine Ansicht, Kinder in derart jungen Jahren seien in der Lage, ein solch vorsätzliches Verhalten bei Erwachsenen auszumachen und dementsprechend abweisend zu reagieren, gelegentlich mit leisem Spott bedachten, erinnerte sie der gute Doktor gern an die Tatsache, dass Kinder nicht selten weinten, wenn sie auf den Knien des Weihnachtsmannes saßen, selbst wenn ihre Eltern ganz in der Nähe waren – der bärtige Riesenonkel mit der Bassstimme flößte ihnen mitunter Angst ein.

Also wollte Dr. Bogan, sobald er mit dem Jungen allein war, zunächst vor allem einer Sache auf den Grund gehen. Caleb hatte bereits erklärt, dass er die Reißzwecken in Amys Hausschuh getan hatte, weil er davon ausgegangen war, dass seine Mutter diesen Streich lustig finden würde. Dr. Bogan wollte herausfinden, ob – erste Möglichkeit – Caleb dies getan hatte, weil er die von zwei erwachsenen Männern inszenierten grausamen Folterspielchen (trotz der Qualen, die sie seiner Familie bereitet hatten) aufgrund seines geringen Alters als groben Spaß missverstanden hatte. Oder war der Junge – zweite Möglichkeit – furchtbarerweise zu einem so überzeugenden wie böswilligen Täuschungsmanöver in der Lage gewesen und hatte seine Mutter verletzt, weil sich in einem dunklen Teil seines so jungen Geistes ein unheilvolles Bedürfnis entwickelte … und Caleb den Streich tatsächlich lustig fand?

Ersteres war wahrscheinlich; Letzteres erschreckend.

Die Sitzung war beendet. Dr. Bogan öffnete die Tür zum Nebenraum. Caleb ging an dem Arzt vorbei geradewegs auf seine Mutter zu, die sich mit Mrs. Bogan unterhielt. Patrick saß auf dem Boden und las Carrie, die ihren Kopf in seinen Schoß gebettet hatte, aus einem Buch vor.

Amy beugte sich unverzüglich hinab, um ihren Sohn in den Arm zu nehmen und zu küssen. Patrick bat Carrie aufzustehen, und sprang dann seinerseits auf die Füße. Beide Elternteile sahen den Doktor an. Er lächelte und bat sie mit einer Geste, ihm in sein Büro zu folgen.

Dr. Bogan war von kleinem Wuchs und ungewöhnlich dünn. Sein kahler Kopf auf dem knochig-schmalen Hals wirkte übergroß. Dennoch genügten Patrick knappe fünf Minuten in der Gegenwart des Mannes, um Dr. Bogans außergewöhnliche Qualitäten zu erkennen. Durch seinen Tief- und Weitblick war er in der Lage, auch die ehrgeizigste und entschiedenste Expertenmeinung auf Amateurstatus zurechtzustutzen, und dabei legte er eine ruhige, selbstsichere Art ohne die kleinste Spur von Arroganz an den Tag.

Patrick fühlte sich trotz seiner beträchtlichen Körpergröße bald als der kleinere der beiden Männer, sah sich von dieser Erkenntnis jedoch keine Sekunde lang herausgefordert oder gar bedroht. Sie steigerte im Gegenteil Patricks Bewunderung für den Mann – er war schlichtweg genial und dabei vollkommen frei von jeglicher Herablassung.

»Mit Caleb ist alles in Ordnung«, sagte Dr. Bogan, der unverblümte Worte bevorzugte, nachdem alle drei Platz genommen hatten. »Ich würde gerne, falls Sie einverstanden sind, noch ein paar Sitzungen folgen lassen, aber meiner Ansicht nach müssen Sie sich in den nächsten Jahren abgesehen vom geliehenen Familienwagen und den Collegegebühren kaum Sorgen machen.«

Die Unbeschwertheit des Arztes kam überraschend, war jedoch höchst willkommen. Sowohl Amy als auch Patrick sanken im Sofa zurück und atmeten gleichzeitig hörbar aus.

Dr. Bogan – die Beine übereinandergeschlagen, sein Notizbuch auf dem Schoß – lächelte.

Dann wechselten Amy und Patrick einen Blick. Amy traute sich vor. »Also, warum hat mein Sohn das getan?«

»Das wissen Sie bereits – er hat gedacht, Sie fänden das lustig«, sagte Dr. Bogan.

»Klar, aber … wie kam er bloß darauf?«

»Er hat gesehen, wie zwei Männer eine Menge Spaß dabei hatten, Sie zwei zu quälen.«

Patrick versuchte angestrengt, die Sache zu verstehen, und seine Augen verengten sich dabei zu Schlitzen. »Aber sie – sie haben uns wehgetan. Das hat er gesehen. Er hat deswegen geweint«, stammelte er.

Dr. Bogan schüttelte den Kopf. »Caleb ist zu jung, um wirklich begreifen zu können, was am Crescent Lake geschehen ist. Er steckt noch immer in seiner ichbezogenen Entwicklungsphase, was bedeutet, dass es ihm schwerfällt, Dinge aus einer anderen Perspektive als seiner eigenen zu betrachten. Das ist nichts Schlimmes; jeder von uns durchläuft dieses Stadium.«

»Aber wenn er Zeuge wurde, wie seine Mutter und sein Vater gequält wurden und weinten und schrien …«, wandte Amy ein.

»Er hat geweint, weil Sie geweint haben. Weil Carrie geweint hat. Es hatte nichts mit den körperlichen Misshandlungen zu tun, denen Sie ausgesetzt waren. Caleb kann in einem solchen Fall nicht zwischen Richtig und Falsch unterscheiden. Bald wird er das können, doch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Er war traurig, weil seine Mutter traurig war. Sein Verstand hat die grässlichen Taten dieser beiden Männer, die er mit ansehen musste, konsequent davon abgekoppelt.«

Patrick saß steif und gerade. »Verzeihung, aber das ergibt für mich keinen Sinn.«

»Sie sind auch kein vierjähriges Kind, Mr. Lambert. Ihr Gehirn ist voll entwickelt. Sie wissen, dass es sich um pure Fantasie handelt, wenn der Zeichentrick-Kojote in einem Moment von einem Amboss geplättet wird und im nächsten wieder dem Road Runner nachhetzt. Ihnen ist klar, dass Derartiges im wirklichen Leben nicht passieren kann.«

»Caleb weiß, dass Zeichentrickfilme nicht echt sind«, sagte Amy.

»Sicher. Es sollte lediglich eine Analogie sein. Ich muss allerdings nicht hinzufügen, dass das, was Caleb in jener Nacht sah, kein Zeichentrickfilm war.«

Amy und Patrick schwiegen eine Weile.

»Es ist einfach schwer zu schlucken«, sagte Patrick schließlich.

»Sie haben mir erzählt, Ihre Tochter leide seit Ihrer Rückkehr nach Hause an Albträumen«, entgegnete Dr. Bogan.

»Richtig.«

»Caleb hingegen hat keinerlei Probleme.«

»Genau.«

»Sie und Amy dagegen haben Probleme.«

Das Paar schnaubte übereinstimmend.

»Und doch würde ich darauf wetten, dass Sie Caleb glauben lassen, Sie hätten keine Probleme. Liege ich mit dieser Annahme richtig?«

»Ja«, antwortete Patrick nach einer weiteren kurzen Schweigeperiode.

»Deswegen schläft Ihr Sohn friedlich durch und wuselt tagsüber herum, als wäre alles gut. Er glaubt, dass es Ihnen gut geht. Seiner Auffassung nach hatte das, was vor drei Monaten geschah, nicht die geringsten dauerhaften Auswirkungen auf seine Mutter und seinen Vater. Der Amboss hat Sie geplättet, doch sobald Sie wieder daheim ankamen, standen Sie erneut in den Startlöchern, um dem Road Runner nachzujagen.«