Das Vermächtnis von Talbrem (Band 2): Blinder Zorn - J. K. Bloom - E-Book + Hörbuch

Das Vermächtnis von Talbrem (Band 2): Blinder Zorn E-Book und Hörbuch

J. K. Bloom

3,0

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Beschreibung

Um den Mann, den sie liebt, nicht zu verlieren, bleibt Kira nichts anderes übrig, als einen Deal einzugehen, der einmal mehr ihr eigenes Leben in Gefahr bringt. Doch in ihrer Verzweiflung greift sie nach diesem allerletzten Strohhalm, um das Unheil abzuwenden. Wie soll man allerdings einem Vertragspartner glauben oder ihm gar vertrauen, dessen Pläne vielleicht ganz Talbrem ins Unglück stürzen werden? Und wie jemanden aufhalten, der einem immer einen Schritt voraus ist? Zu spät erkennt Kira, dass die neue Regentin womöglich ein falsches Spiel mit ihr treibt und der Preis, den sie zahlen muss, viel höher als vereinbart ist.

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Seitenzahl: 610

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Zeit:14 Std. 54 min

Sprecher:J. K. Bloom

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Regierung von Talbrem

Kapitel 1 - Gefangen zwischen vier Wänden

Kapitel 2 - Josephines wahres Gesicht

Kapitel 3 - Der Deal

Kapitel 4 - Unstimmigkeiten

Kapitel 5 - Von der Seele reden

Kapitel 6 - Die Funken der Tiefe

Kapitel 7 - Ein hartes Urteil

Kapitel 8 - Die starke Verbindung

Kapitel 9 - Der Zwillingsbruder

Kapitel 10 - Der Verdacht

Kapitel 11 - Ein letztes Mal

Kapitel 12 - Der goldene Käfig

Kapitel 13 - Emilys Trost

Kapitel 14 - Meine Jogginghosenmodel-Mumie

Kapitel 15 - Die Wahrheit über den Deal

Kapitel 16 - Leb wohl, Talbrem!

Kapitel 17 - Arbeitslosigkeit und Dinosaurier

Kapitel 18 - Eine längst vergessene Geschichte

Kapitel 19 - Das Team und Mary

Kapitel 20 - Versöhnung und Akzeptanz

Kapitel 21 - Freiheit und Pläne

Kapitel 22 - Trostloser Abschied

Kapitel 23 - Schmerzhafter Verlust

Kapitel 24 - Der Eindringling

Kapitel 25 - Die beste Ärztin

Kapitel 26 - Teufelsspiel

Kapitel 27 - Zwischen Täuschern und Schönredern

Kapitel 28 - Die Spirale der Zeit

Kapitel 29 - Uralte Geschichte

Kapitel 30 - Spekulationen

Kapitel 31 - Der neue Job

Kapitel 32 - Misstrauen und Zuversicht

Kapitel 33 - Unerwartete Wendung

Kapitel 34 - Der entscheidende Moment

Kapitel 35 - In all dem Zweifel

Kapitel 36 - Der Plan

Kapitel 37 - Eldorado, die Stadt der Vervielfältigung

Kapitel 38 - In der letzten Sekunde

Kapitel 39 - Ende gut, alles gut?

Kapitel 40 - Rache

Glossar

Dank

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J. K. Bloom

 

 

Das Vermächtnis von Talbrem

Band 2: Blinder Zorn

 

 

Fantasy

 

 

Das Vermächtnis von Talbrem (Band 2): Blinder Zorn

Um den Mann, den sie liebt, nicht zu verlieren, bleibt Kira nichts anderes übrig, als einen Deal einzugehen, der einmal mehr ihr eigenes Leben in Gefahr bringt. Doch in ihrer Verzweiflung greift sie nach diesem allerletzten Strohhalm, um das Unheil abzuwenden. Wie soll man allerdings einem Vertragspartner glauben oder ihm gar vertrauen, dessen Pläne vielleicht ganz Talbrem ins Unglück stürzen werden? Und wie jemanden aufhalten, der einem immer einen Schritt voraus ist? Zu spät erkennt Kira, dass die neue Regentin womöglich ein falsches Spiel mit ihr treibt und der Preis, den sie zahlen muss, viel höher als vereinbart ist.

 

 

Die Autorin

J. K. Bloom schreibt schon, seit sie elf Jahre alt ist. Das Erschaffen neuer Welten ist ihre Leidenschaft, seitdem sie das erste Mal ein Gefühl für ihre Geschichten bekam. Sie ist selbst abenteuerlustig und reist sehr gern. Wenn sie ihre Nase nicht gerade zwischen die Seiten eines Buches steckt, schreibt sie, beschäftigt sich mit ihren zwei Katzen oder plant schon die nächste Reise an einen unbekannten Ort.

 

 

 

 

 

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, März 2022

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2022

Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

Lektorat: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

Korrektorat: Claudia Heinen

Korrektorat Druckfahne: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-209-0

ISBN (epub): 978-3-03896-211-3

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Für all meine

treuen Leserherzen,

die schon so manche

meiner Welten betreten

haben.

Danke, dass es euch gibt.

 

Regierung von Talbrem

Kapitel 1 - Gefangen zwischen vier Wänden

Fünf Sekunden sind vergangen, seitdem die Tür meines Krankenzimmers geschlossen wurde. Ich habe es nicht gewagt, mich zu bewegen, da der Schock über Kjells Worte und seine Festnahme eine Art Starre in mir ausgelöst haben.

»Ich habe dir mein Herz geschenkt, Kira-Jane Brooks, weil ein Leben ohne dich unvorstellbar ist«, hallt seine Stimme wieder und wieder durch meinen Kopf.

Was mache ich überhaupt noch hier? Hätte ich ihm nicht hinterherlaufen sollen?

Sechs Sekunden …

Mein – sein – Herz schlägt aufgeregt in meiner Brust und ich spüre, wie die Stille um mich herum meine Kehle zuschnürt. Ich recke meinen Hals und ringe nach Luft. Meine Augen huschen unruhig zum Fenster, das geschlossen ist.

Ob es deswegen so stickig ist? Oder liegt es an der Angst, die mir den Atem nimmt?

Sieben Sekunden …

Ich muss etwas tun! Kjell trägt noch immer verbotene Talis an seinem gesamten Körper. Wenn die Regierung das herausfindet, wird er hingerichtet und dann verliere ich ihn für immer.

Acht Sekunden …

Mit einem einzigen Satz befördere ich mich aus dem Bett und laufe auf die Tür zu.

Es darf noch nicht zu spät sein. Vielleicht kann ich verhindern, dass Kjell von der Elite mitgenommen wird. Aber was könnte ich schon sagen? Ich besitze noch nicht einmal die Autorität dazu, über diese Einheit zu gebieten, und Kjell erst recht nicht mehr, da er angeklagt wurde.

Neun Sekunden …

Ich ergreife die Klinke und drücke sie hinunter.

Zehn Sekunden …

Mit aller Kraft reiße ich die Tür auf und schaue den Flur entlang. Zwei Männer haben Kjell flankiert und halten ihn grob an den Armen fest. Die restlichen Elitesoldaten sorgen dafür, dass ihm keine Fluchtmöglichkeit bleibt.

Panisch mache ich einen Schritt nach vorn und will gerade auf die Männer zulaufen, als sich jemand in einem weißen Kittel vor mich stellt. »Ma’am, Sie haben nicht die Befugnis, das Zimmer zu verlassen!«, warnt er mich.

Hat er mich gerade im Ernst »Ma’am« genannt? Für wie alt hält der Typ mich? Vierzig?

Da ich noch keinen Blick in den Spiegel geworfen habe, könnte mein kränkliches Aussehen daran Schuld tragen. Doch ich ignoriere den einen Kopf größeren Mann vor mir und versuche, mich an ihm vorbeizuzwängen.

»Bitte bleiben Sie stehen.« Er packt meine Schultern.

Die Elite droht um die Ecke zu biegen und ich würde sie verlieren, wenn ich jetzt nicht handle.

»Kjell!«, schreie ich den Flur hinunter.

Eisblaue Augen sehen in meine. Seine Schritte werden langsamer, doch die Elite scheint mein Schrei vollkommen kaltzulassen. Sie gehen einfach weiter und schieben Kjell mit sich.

Da die Männer nicht stehen bleiben, drücke ich den Kerl von mir weg, doch er packt meine Arme so fest, dass ich keinen Schritt weiterkomme. Panik wallt in mir auf und ich beginne, mich zu wehren.

»Kjell!«, schreie ich erneut, dieses Mal verzweifelter.

In seinem Eisblau erkenne ich einen reuevollen Blick, der mir beinahe das Herz bricht.

Ich kann ihn nicht gehen lassen.

Tränen stauen sich in meinen Augen und ich stemme mich gegen den Griff des Kittelträgers. Kurz bevor ich erneut nach Kjell rufen will, spüre ich ein druckvolles Ziehen unter meiner Schädeldecke und ein Windspiel ertönt in meinem Kopf. Begleitet wird die Melodie von einem Klavier, das nur im Hintergrund zu hören ist. Ich nehme Kjells Telepathie-Anruf an.

›Kira, hör auf dich zu wehren. Josephine hat den Ärzten den Befehl erteilt, dass du dieses Zimmer nicht verlassen darfst‹, erklärt er mit ruhiger Stimme.

›Was soll das? Was machen die mit dir?‹, frage ich aufgebracht.

›Wegen der Körperverletzung werden sie einen Prozess anfangen und vermutlich würde ich diesen verlieren, zumal sie dann erkennen, dass ich im Besitz von illegalen Talis bin.‹ Er macht eine kurze Pause. ›Sieht nicht gut für mich aus.‹

›Ich hol dich da raus!‹

›Du bringst dich nur in Schwierigkeiten. Halte dich bitte von Talregnum fern.‹

In seiner Stimme kann ich schon beinahe ein Flehen heraushören.

›Ohne ein Herz wird dein Leben nichts mehr wert sein‹, argumentiere ich angstvoll. ›Sie werden dich hinrichten lassen.‹

Ich erkenne, wie sie um die Ecke biegen, und verliere Kjell aus den Augen. ›Ich weiß‹, ertönt es teils hoffnungslos, teils ernst, als würde er sein Schicksal einfach akzeptieren. Aber das werde ich nicht zulassen.

›Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe.‹ Seine zarten Berührungen schießen mir durch den Kopf und sein Teufelslächeln erscheint vor meinem geistigen Auge. ›Ich war einfach nur wütend über die Tatsache, dass ich dir am Anfang nichts bedeutet habe und du mich nur für deine eigenen Zwecke ausnutzen wolltest.‹

›Ich bereue diesen Deal, Kira. Mehr als du vielleicht denkst. Doch ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, und alles, was ich tun konnte, war, zu dir zu gelangen, um dich vor dem Tod zu bewahren.‹ Er atmet angespannt aus, was in meinen Gedanken widerhallt. ›Josephine wollte dich in diesem Zimmer sterben lassen. Niemand aus deiner Familie weiß, dass du dich hier befindest, weswegen dir vermutlich auch niemand geholfen hätte.‹

Was? Diese kaltblütige Regentin hat mich absichtlich hierherbringen lassen? Aber was ist mit den anderen? Und Sosa? Sie sollte ebenfalls ins Krankenhaus gebracht werden.

Josephine hat nach Georg Morrells Entführung vorübergehend sein Amt übernommen. Als Ehefrau des Regenten ist sie gesetzlich als Vertreterin eingetragen.

Der Arzt schiebt mich wieder zurück ins Zimmer, doch ich kann den Blick nicht von der Ecke abwenden, da ich durch die Verbindung mit Kjell weiß, dass er noch in meiner Nähe ist.

Auch, wenn mich ebenfalls Konsequenzen erwarten könnten, stoße ich mein Knie mit voller Wucht zwischen die Beine des Kerls, sodass er mit einem Schrei von mir ablässt und ich ihn zur Seite stoßen kann. Mit nur einem dunkelblauen Nachthemd bekleidet, das mir wohl einer der Pfleger angezogen hat, laufe ich barfuß über den Linoleumboden – genau in die Richtung, in der ich Kjell verloren habe.

Mich erwartet ein weiterer langer Gang, in dem ich die Elite entdecke, die beinahe den Aufzug erreicht hat. Bevor andere Ärzte mir nachlaufen, um mich wieder festzunehmen, renne ich auf den Pulk bewaffneter Männer zu. Kurz bevor sie den Fahrstuhl betreten, erkennen sie bereits, dass ich auf sie zukomme. Ein Soldat stellt sich mir in den Weg, um mich von Kjell fernzuhalten. Besorgt blicke ich in das Eisblau, das mir still mitteilt, umzudrehen.

»Warten Sie! Sie können ihn nicht mitnehmen«, rufe ich schon beinahe flehentlich, da ich sonst keine Idee habe, wie ich die Männer dazu bringen könnte, mir eine Minute mit Kjell zu geben. Vielleicht kann ich ihn mit einem Portal hier herausschaffen.

»Bleiben Sie sofort stehen!«, brüllt der Vorderste und zielt mit einer Handpistole auf meine Brust.

»Kira, nicht!«, ruft Kjell, wodurch sich noch mehr Wachen zwischen ihn und mich stellen.

»Ihr habt kein Recht, den Marshall festzunehmen!«, knurre ich wütend und versuche, mich an der Waffe, die auf mich gerichtet ist, vorbeizubewegen.

»Durch die Anklage hat seine Stellung in der Elite keinen Wert mehr«, antwortet der Soldat, der in seiner Uniform und durch den schwarzen Helm genauso wie alle anderen neun Männer aussieht.

›Kira, wenn du die Elite daran hinderst, mich wegzubringen, wird gegen dich ebenfalls ein Verfahren eingeleitet. Bitte geh zurück‹, höre ich Kjell in meinem Kopf sagen und blicke dabei verloren in seine Augen. Die Angst wird so groß, dass sein Herz spürbar unter meinen Rippen pocht.

›Tu mir das nicht an, Kjell. Ich kann nicht zulassen, dass du hingerichtet wirst.‹

Er senkt seinen Blick, als würde er es nicht ertragen mich dabei anzusehen. ›Vielleicht wird der Rat aufgrund der Stellung, über die ich noch immer verfüge, Gnade walten lassen.‹

Ohne es hinterfragen zu müssen, erkenne ich die Lüge. Wegen der schweren Körperverletzung hätte seine Familie noch etwas tun können, doch die verbotenen Talis und seine Herzlosigkeit werden für ihn den Tod bedeuten. Und ich trage die Schuld an diesen beiden Dingen.

Kjell sieht mich wieder an, als er merkt, dass ich noch immer nicht zurückweiche. Ich balle neben meinem Körper eine Faust und sehe ihn entschlossen an. ›Wenn du wirklich glaubst, dass du dich einfach so deinem Schicksal hingeben kannst, hast du dich getäuscht. Sobald ich entlassen werde, rede ich mit Josephine.‹

Kjells Augen weiten sich vor Entsetzen. ›Auf keinen Fall! Josephine hat schon dein Herz! Mach nicht denselben Fehler wie ich, Kira. Bitte.‹

»Tut mir leid«, sage ich an die Elite gewandt und hebe zur Beschwichtigung meine Hände. Nicht nur den Männern in Schwarz gilt meine Entschuldigung, sondern viel mehr auch Kjell, in dessen Augen Furcht zu erkennen ist.

Ich erwidere nichts auf seine Bitte und kehre ihnen den Rücken zu, um zurück zu meinem Zimmer zu gehen. Einige Ärzte und Krankenpfleger kommen um die Ecke gerannt, um mich einzuholen.

›Kira?‹, höre ich Kjell erneut in meinem Kopf. ›Josephine wird ihren Nutzen daraus ziehen. Sie wird dir alles nehmen. Lass dich auf keinen Fall auf einen Deal mit ihr ein, hörst du?‹

Ich entziehe mich der Verbindung, was mir einen Stich ins Herz versetzt. Eine Träne rollt über meine Wange, als Kjell hinter mir meinen Namen ruft und die Pfleger mich umkreisen, während sie mich grob an den Armen packen.

Mein Vorhaben könnte man als Ironie des Schicksals bezeichnen, da ich zu Kjell immer gesagt habe, dass meine Seele unverkäuflich sei. Vielleicht ist sie aber im Moment das Einzige, was sein Leben rettet.

Kapitel 2 - Josephines wahres Gesicht

 

Die letzten Momente beherrschen meine Gedanken, lassen mich nochmals Revue passieren, wie wir in diese verzwickte Lage geraten sind.

Der skrupellose Verbrecher Cameron stahl mein Herz vor zwei Jahren, als er mich entführte. Seitdem habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, es wiederzufinden, um mein Überleben zu sichern. Doch auf dem Fest, an dem der Verbrecher mir ein Ultimatum stellte und Morrell, unseren Regierungschef, als Druckmittel entführte, tauchte plötzlich Kjell auf, der Sohn eines ranghohen Regierungsmitgliedes. Er nahm mich in sein Versteck mit, in dem ich anfangs vor der Regierung sicher war. Am selben Abend fand Kjell heraus, dass ich herzlos war, und versprach mir, es für sich zu behalten.

Nachdem ich auf dem Wahrheitsthron gelandet war, bei dem mich ebenfalls Kjell befragte und dadurch vor der Auslieferung an Cameron rettete, wurde ich von ihm und Josephine, der Frau des verschwundenen Regierungschefs, in die Spezial-Elite aufgenommen. Wir machten eine harte Trainingswoche durch, in der Kjell und ich uns näher kennenlernten.

Als wir dann endlich unser Date hatten, tauchte Cameron auf und ruinierte den gesamten Abend. Er stahl mein Blut, doch in all der Angst fing Kjell mich auf und versprach mir, zu verhindern, dass ich mein Leben verliere. Wir begehrten einander in jener Nacht und meine Gabe, registrierte Talis in verbotene zu verwandeln, wurde Kjell zum Verhängnis. Ich löschte unbewusst seine gesamten schwarzen Ringe aus, die seine Steine zuvor ummantelt hatten.

Als allerdings meine Zeit immer knapper wurde und ich Kjell die Zustimmung gab, durch einen Bluttest meinen Todestag herauszufinden, war dieser auch schon in greifbarer Nähe. Am Freitag hätte ich sterben sollen, was Cameron gegen Ende beschleunigen wollte, indem er mich aus der Ferne vergiftete. Aber ich konnte mit meiner Gabe nach meinem Herzen greifen und dadurch den Verbrecher ausfindig machen.

Dann erfuhr ich, dass Kjell hinter meinem Rücken einen Deal mit der Regentin hatte, die ihm für das Aushändigen meines Herzens einen höheren Rang verschafft hatte, um ihm den Zugriff auf weitere Hinweise über den Verbleib seiner entführten Schwester zu geben. Doch Josephine wollte aus einem mir unerklärlichen Grund meinen Tod hinnehmen, da ihr der Besitz meines Herzens wichtiger erschien.

Heute werde ich herausfinden, wieso.

In meinem Zimmer laufe ich auf und ab. Die Stille macht mich wahnsinnig. Die Pfleger haben mich meiner Habseligkeiten entledigt, sodass ich noch nicht einmal jemanden anrufen kann. Mein Vater wird denken, dass ich noch immer im Camp bin, obwohl ich morgen Abend zurückkehren müsste. Wann werde ich endlich hier herausgelassen?

Mit einem Telepathie-Anruf hatte ich es ebenfalls schon versucht, doch ich bin noch zu geschwächt, um bis ins Zentrum vorzudringen.

Als ich das Personal nach Sosa fragte, bekam ich keine Antwort und wurde im Zimmer eingeschlossen. Die Hilflosigkeit nagt an mir, und auch wenn ich jederzeit ein Portal erstellen könnte, um zu fliehen, tue ich es nicht, da ich mir keinen Nachteil verschaffen will. Zudem wäre es unklug, da ich einen Krankenhauskittel trage und aktuell nur über zwei Portalpunkte verfüge: das Foyer von Talregnum und mein Zimmer im Anwesen. Sollte mich jemand in dieser Gestalt zu Gesicht bekommen, würde das Fragen aufwerfen und für weitere Probleme sorgen.

Zu gehorchen geht gegen meine Natur, doch um einen Deal mit Josephine einzugehen, muss ich ihr zeigen, dass ich kooperativ sein kann.

Am Abend, als die Sonne sich dem Horizont nähert und der Himmel sich rosa färbt, ertönen endlich Schritte auf dem Flur. Ich setze mich im Bett aufrecht hin und warte gespannt ab, wer mein Zimmer betritt.

Die Tür wird aufgesperrt, und als sie sich öffnet, blicke ich in warme braune Augen, von denen ich einst dachte, hinter ihnen würde eine liebenswürdige, freundliche Frau stecken. Doch im Laufe der letzten Tage wurde mir immer klarer, dass unsere Übergangsregentin zu den schlimmsten Wölfen Talregnums zählt.

Josephine betritt mein Zimmer und bedeutet dem Pfleger mit einer Kopfbewegung, mich mit ihr allein zu lassen. Die Tür schließt sich und ich werfe der Regentin einen bitterbösen Blick zu. »Warum haben Sie mich hier einsperren lassen?«, will ich knurrend wissen.

Sie setzt ein verschmitztes Lächeln auf und eine Anti-Lauscher-Barriere umfängt den gesamten Raum. Offensichtlich fürchtet sie sich davor, dass uns jemand bespitzeln könnte.

»Ich bin wirklich überrascht, Kira«, beginnt sie und weicht damit meiner Frage aus. »Zuerst erhalte ich die Nachricht, dass Kjell Evensen entgegen meiner Anweisung ins Krankenhaus eingedrungen ist, dabei meinen Oberbefehlshaber schwer verletzte, und du, statt zu sterben, überlebt hast.«

Ich lege die Hände in meinen Schoß, da ich mir denken kann, was sie nun fragen wird.

Ihre Augen wandern zu meiner Brust hinab, genau zu der Stelle, an der Kjells Herz schlägt. »Evensen wird sich aufgrund des Besitzes illegaler Talis, Herzlosigkeit, Befehlsverweigerung und des Vergehens Victor Hewy schwer verletzt zu haben, vor Gericht verantworten müssen.« Ein amüsiertes Grinsen legt sich auf ihre Lippen. Sie weiß alles. Zumindestfast. »Diesen Prozess kann er nicht gewinnen. Er wird wohl zum Tode verurteilt.«

Adrenalin schießt durch meine Venen, als sich Josephines Drohung einen Weg in mein Bewusstsein bahnt. Sie ist hier, um zu verhandeln, doch was sie von mir will, ist mir noch nicht ganz bewusst. Was kann ich ihr schon bieten, nachdem sie bereits mein Herz in ihrem Besitz hat?

Meine Stimme wird fester und dunkler. »Was wollen Sie?«, bringe ich es auf den Punkt, spüre dabei jedoch, wie sehr mein Körper zittert.

Sie stellt sich ans Ende des Bettes und umfasst das Metallgeländer. »Offensichtlich liegt dir etwas an dem Evensen-Zwilling und er scheint auch Gefühle für dich zu hegen, was der Grund ist, weshalb du noch lebst.« Ärgernis und Anspannung sind trotz ihrer beherrschten Stimme herauszuhören. Sie weiß also, wohin Kjells Herz verschwunden ist. »Außer mir kennt niemand die Wahrheit hinter dem Vorfall heute Morgen, da keiner weiß, dass ich dich hier eingesperrt habe. Nun ja, Victor und einige andere der Elite können es sich vermutlich denken, aber sie sind der Verschwiegenheit verpflichtet.«

Wenn sie über meine und Kjells Gefühle Bescheid weiß, wird sie leichtes Spiel mit uns haben, da dies unsere größte Schwachstelle ist. Genau davor hat Kjell mich zu warnen versucht, aber im Moment sehe ich keinen anderen Ausweg, als auf ihre Regeln einzugehen.

Da ich bereits ahne, dass sie etwas Hinterhältiges im Schilde führt, mache ich unsere gemeinsame Situation zu etwas Persönlichem. Damit entfällt auch die Höflichkeit ihr gegenüber. »Komm zum Punkt«, murre ich und verschränke die Arme vor der Brust.

»Ich kenne die Geschichte über dein außergewöhnliches Herz, das dazu auserkoren ist, verbotene und mächtige Talis herzustellen. Außerdem weiß ich, dass nur der erste Werth eine solche Fähigkeit besaß.«

Sie weiß eine Menge. Eigentlich bereits viel zu viel. Woher hat sie diese Informationen?

»Die Geheimbasis von Michael Cameron hat einiges preisgegeben. Ich habe alte Schriften, Dokumente und Einträge gefunden, in denen genau beschrieben ist, was es mit deinem Herzen auf sich hat. Außerdem habe ich den Vorgang für die Wiederauferstehung des ersten Werths entdeckt.«

Ich reiße die Augen auf. »Eine … Wiederauferstehung?«

Josephine nickt und faltet die Hände vor ihrem Körper. »Diese Möglichkeit ist mir dank Kjell verwehrt geblieben, da er dir sein Herz geschenkt hat.«

Bei diesen Worten regt sich etwas in mir. Wie Zahnräder fügt sich eine Erkenntnis nach der anderen zusammen und viele meiner Fragen erhalten nun eine Antwort.

»Sie ist nicht nur irgendein Taliducz, weißt du. Sie trägt das Blut des ersten Werths in sich, was bedeutet, dass ihr Herz dazu auserkoren ist, Talis herzustellen.«

Eine weitere Erinnerung schießt durch meinen Kopf.

»Nicht mehr lange, meine Rose. Wir werden da sein, wenn es geschieht«, höre ich Camerons Stimme sagen.

Was hat er damit gemeint? Ist es das, was ich denke?

»Wenn du es ihr einsetzt, bevor sie gestorben ist, wirst du eine Bombe entzünden, Kjell.«

Mein Tod war beabsichtigt, doch ist er niemals eingetreten, da Kjell mir vorher das Leben gerettet hat – woran sich Josephine offensichtlich zu stören scheint. Könnte dieses Ritual etwas damit zu tun haben? Sollte ich sterben, um …

»Ich sollte also sterben, um als erster Werth wiedergeboren zu werden?«, schlussfolgere ich.

In Josephines braunen Augen kann ich einen Funken Respekt erkennen. »Genau. Aber das ist jetzt nicht mehr möglich, da die Stelle mit Kjells Herz besetzt ist«, erklärt sie und beugt sich leicht nach vorn. »Es wäre zu verlockend gewesen, den ersten Werth kennenzulernen.«

Mein Körper spannt sich an. »Sprichst du gerade wirklich von … seiner Seele? Sie wäre dann in meinem Körper?«

Ihre langen braunen Haare fallen in Wellen über ihre Schultern, die beinahe mit ihrem dunkelroten Jumpsuit verschmelzen. »Du hast ja schon das Herz des ersten Werths in dir getragen. Außerdem beweisen viele von Camerons Nachforschungen, dass er dadurch wiederaufersteht. Mit ihm könnte Talregnum zu einem besseren Ort werden.«

Mir raubt es beinahe den Atem. »Das ist krank. Tote sollten tot bleiben. Der erste Werth lebte in einer Dynastie, in der nur die Erbfolger Herrscher über Talregnum werden konnten. Was würde er dazu sagen, wenn er wüsste, dass das Volk einen Regenten wählt? Er würde darüber spotten oder lachen, weil ihm der Standard unserer Welt unbekannt ist. Das würde einem Wahnsinn gleichkommen, wenn wir ihm die Macht übergeben.«

Josephine macht eine wegwerfende Handbewegung. »Was weißt du schon! Verbrechern wie Cameron muss das Handwerk gelegt werden. Wenn das so weitergeht, werden sie Talregnum stürmen und einen Gesandten nach dem anderen auslöschen.«

Sie ist wahnsinnig. Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist, aber die Seele eines Mannes, der vor Tausenden von Jahren gelebt hat, sollte an dem Ort bleiben, an den sie nach seinem Tod gegangen ist. Er würde in eine Zukunft geworfen werden, die er nicht versteht.

Wer garantiert uns, dass der erste Werth ein guter Taliducz war? Er könnte ein Tyrann sein, der Kontrolle und Macht als oberste Priorität setzt. Früher ist unser Volk auch nur schwer mit den Menschen ausgekommen und es hat oft Kriege gegeben, die viele Opfer forderten. Erst nachdem wir uns lange zurückgezogen hatten, gerieten wir bei den Menschen in Vergessenheit und achten heute darauf, in ihrer Welt unerkannt zu bleiben. Das ist einer der Gründe, weshalb Hexen, Magier oder andere Gestalten existieren, die die Menschen sich nicht erklären können. In den meisten Fällen stecken Taliducz dahinter.

Es bleibt eine kurze Zeit still und Josephine kommt um mein Bett herum, um sich auf den Rand der Matratze zu setzen. »Es gibt ein Ritual, bei dem man einige Zutaten braucht, um ein geschenktes Herz aus dem Körper eines Taliducz zu holen. Der Vorgang gilt als verboten, da er zu schmerzhaft ist, um zugelassen zu werden. Zumindest war das früher so, denn heutzutage gibt es ja Medikamente, mit denen man den Schmerz dämmen kann.« Sie verdreht die Augen. »Illegal ist es dennoch geblieben.«

Ich ziehe die Brauen zusammen, da ich mir bereits denken kann, worauf das hinausläuft. »Du willst also den Deal mit mir eingehen, Kjells Leben zu verschonen, wenn ich dir verspreche, dass wir mit dem Ritual mein Herz herausholen?«

Gehässig grinst Josephine mich an und zwinkert mir als Bestätigung zu. »Das mag ich so an dir, Kira. Du verstehst schnell.«

»Nur für den ersten Werth? Damit er an die Macht kommt? Warum, Josephine? Er kann genauso gut einen Krieg gegen die Menschen führen. Außerdem wird er sehr mächtig sein, wenn er auch noch über die Fähigkeit verfügt, Talis herzustellen«, argumentiere ich und versuche, sie davon zu überzeugen, dass es eine sehr dumme Idee ist, einen alten Mann, der ziemlich sicher nur Tyrannei und Machtergreifung kennt, wiederzuerwecken.

Sie zuckt nur mit den Schultern. »Er wird mächtig genug sein, um den Verbrechern Einhalt zu gebieten, damit Talregnum wieder sicher ist. Der Rest interessiert mich nicht, dazu zählen auch die Menschen.«

»Was?«, entfährt es mir entsetzt. »Du würdest das Leben der Menschen aufs Spiel setzen? Nur um …« Sie will keine Sicherheit. Sie will etwas anderes, das spüre ich. »…  Rache zu bekommen?«

Josephine erhebt sich und strafft dabei ihre Schultern, um wieder als die hinterhältige Regentin vor mir zu stehen, die ich in den letzten Tagen kennengelernt habe. »Der Deal steht, Kira. Wie du dich entscheidest, liegt ganz bei dir.«

Sie wendet sich zum Gehen, obwohl ich noch nicht mit all meinen Fragen fertig bin. »Wie läuft das Ritual ab und was braucht man dafür?«, will ich wissen.

Mit einem siegreichen Lächeln dreht sie sich zu mir um, als würde sie ahnen, wie meine Entscheidung ausfällt. »Mach dir um die Zutaten keine Sorgen«, beginnt sie und legt eine Hand auf ihre Brust. »Darum werde ich mich kümmern. Es sollte nicht allzu lange dauern, alles zusammenzubekommen. Ich schicke dafür ein Team los. Der Ablauf des Rituals zieht sich bis zu einer halben Stunde.«

Und die kann verdammt lang werden. Doch Josephine meinte, sie würde Schmerzmittel einsetzen, um die Qualen einzudämmen.

»Also, wenn ich das richtig verstehe, lautet der Deal, dass ich mir Kjells Herz entfernen lasse und sein Leben dafür verschont bleibt?«

Josephine nickt. »Korrekt.«

Mein Kopf arbeitet auf Hochtouren, wobei mir etwas Entscheidendes auffällt. In diesem Deal ist nicht festgehalten, dass Josephine die Erlaubnis hat, mich zu töten, um mir dann mein Herz einzusetzen, das den ersten Werth erweckt. Bin ich die Einzige, die dieses Schlupfloch sieht, oder ist Josephine sich ihrer Sache zu sicher? Denn falls ja, könnte ich diese Lücke ausnutzen und dem Deal entkommen, indem ich vor dem Versuch, von ihr getötet zu werden, fliehe. Das wäre die einzige Option, die ich noch habe.

»Wie lange habe ich Bedenkzeit?«, frage ich angespannt und versuche, eine eiserne Maske aufzusetzen, um mir meinen Funken Hoffnung nicht anmerken zu lassen.

Sie blickt kalt zurück. »Ich gebe dir einen Tag.«

Nervös zerknülle ich den Saum meiner Decke. »Ist es möglich, Kjell wenigstens zu sehen?«

Josephine gibt ein spöttisches Schnauben von sich. »Auf keinen Fall.«

»Auch nicht unter Aufsicht?« Ich sehe flehentlich zu ihr auf. »Ich will ihn nur noch einmal sehen …«

Sie drückt den Rücken durch und ballt eine Hand zur Faust. »Nein.«

»Darf ich wenigstens mit Georg Morrell sprechen? Immerhin ist der Regierungschef zurückgekehrt, oder?«, versuche ich es auf einem anderen Weg. Doch ihr nächster Satz verpasst mir einen Stich ins Herz.

»Mein Mann ist tot«, gibt sie in einem so finsteren Ton von sich, dass es mir einen Schauer über den Rücken jagt. »Cameron hat ihn wenige Tage, bevor wir das Geheimversteck gefunden haben, getötet.«

Trotz der Achtzehn-Tage-Frist, die er uns gesetzt hat? Dann wollte er ihn von Anfang an umbringen. Wie konnte er nur? Er war der Regierungschef von Talbrem!

Allerdings ist mir nicht ganz klar, weshalb Josephine Cameron einen solch gnadenvollen Tod gewährte. Als Ehefrau hätte sie ihn bestimmt leiden sehen wollen. Zumindest würde ich diesen Groll hegen, wenn es um Kjell ginge.

»Das tut mir leid«, sage ich aus Höflichkeit. Der Gedanke verpasst mir dennoch eine Gänsehaut, da ich gerade selbst dabei bin, jemanden zu verlieren, den ich liebe – wenn ich mich falsch entscheide.

Josephine besitzt ein verdammt gutes Pokerface, denn sie lässt sich ihre Trauer nicht anmerken. Auch wenn es vielleicht keine Liebe wie aus dem Märchen war, wusste ich dennoch, dass die zwei etwas Tiefes verband. Man konnte es ihnen ansehen, wenn sie gemeinsam auf der Bühne standen oder Reden hielten. Josephine war gern an der Seite von Georg und ich hatte immer das Gefühl, dass sie sich bei ihm aufgehoben fühlte. Nun ist dieser Mann für immer fort und alles, was ihr geblieben ist, sind Rachegedanken, die sie offensichtlich an den Verbrechern Talbrems auslassen will. Wieso sollte sie sonst einen solchen Hass für genau die Leute hegen, die ihren Mann entführt und getötet haben?

»Danke, das muss es jedoch nicht«, höre ich sie nach einem tiefen Atemzug sagen. »Georg ist aufgrund genau dieser kriminellen Monster getötet worden. Wenn ich dieses Problem aus der Welt schaffe, wird Talregnum wieder zu einem sicheren Ort.« Sie hebt bedeutungsvoll ihr Kinn. »Selbst du müsstest das verstehen, Kira. Bist du nicht auch entführt worden? Hattest du keine Angst zu sterben? Hat Cameron nicht deine ganze Familie auf den Kopf gestellt?«

Ich senke den Blick. Doch, das hat er.

»Genau wie die Evensens, die ihre Tochter Vera verloren haben. Vermutlich ist ihr dasselbe passiert wie meinem Mann. Diese lästigen Kakerlaken müssen ausgeschaltet werden und mit dem ersten Werth an meiner Seite werde ich Talregnum wieder sicher machen«, erklärt sie und ich kann ihre Entschlossenheit deutlich spüren.

Mein Blick verfinstert sich und ich lehne mich ins Kissen zurück. »Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«

Josephine nickt und geht zur Tür. Doch bevor sie das Zimmer verlässt, sieht sie noch einmal über ihre Schulter zu mir. »Überlege es dir gut, Kira. Du kannst dich nur einmal entscheiden.«

Ich weiß.

Sie verlässt das Zimmer, das erneut zugesperrt wird.

Ich hätte so gern Kjell gesehen, mich vergewissert, dass es ihm gut geht und er noch lebt. Josephine traue ich jede Heimtücke zu und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie für das Schlupfloch ihres Deals zu blind ist. Sie hat mich mit Kjell fest im Griff, wodurch sie auch verlangen könnte, dass ich meinem Tod und der Erweckung des ersten Werths zustimme. Doch das hat sie nicht. Wieso nur?

Ich schließe die Augen und drücke das Kissen an meine Brust. Die Regentin lässt mir keine Wahl. Wenn ich ihren Deal ablehne, verliere ich Kjell und ich bin mir sicher, dass ich mir das niemals verzeihen könnte. Die Anschuldigungen wiegen zu schwer und niemand aus Talregnum wäre dazu bemächtigt, ihn zu retten.

Während ich vor mich hin grüble, gehe ich alle Varianten des Deals durch. Wenn sie morgen wiederkommt, werde ich ihre Bedingungen annehmen, aber nur, wenn sie auch meine akzeptiert.

Kapitel 3 - Der Deal

Während ich am nächsten Tag auf die Ankunft der Regentin warte, besuchen mich zwei Arzthelfer, um mir etwas zu essen zu bringen. Ich ignoriere sie gekonnt, stelle mich ans Fenster des steril weiß gehaltenen Zimmers und sehe gedankenversunken nach draußen. Das Krankenhaus liegt in einem Tal, das von wunderschöner Natur umgeben ist. Talregnum befindet sich nördlich davon, gleich hinter den grünen Talhängen.

Wenn ich aus dem Fenster sehe, fühle ich mich verloren. Ich wäre so gern zurück im Zentrum oder im Anwesen meines Vaters, in dessen Nähe ich mich sicher fühle. Doch hier eingesperrt zu sein und eine Entscheidung zu treffen, die mich mein Leben kosten könnte, zermürbt mir den Kopf.

Wie viel Zeit werde ich noch haben, bis Josephine alle Zutaten zusammen hat? Was ist, wenn ich Kjell in Freiheit weiß, aber einen Tag später die andere Seite des Deals erfüllen muss?

Ich will niemandem Schmerz zufügen, besonders nicht den Personen, die mir wichtig sind. Moms Tod hat mir gezeigt, was man durchlebt, wenn man jemanden verliert, den man sehr liebt. Das Gefühl begleitet mich noch heute, obwohl bereits so viele Jahre vergangen sind. Man wird die Pein niemals los, denn das Einzige, was man tun kann, ist, den Tod zu akzeptieren.

Wenn ich Kjell seinem Schicksal überlasse, wird mir dasselbe erneut widerfahren – vielleicht sogar noch schlimmer. Ich würde das charmante Grinsen, das unerschrockene Ego und die Sanftheit vermissen, die hinter seiner selbstbewussten Schale stecken. Obwohl mich die Tatsache erschüttert hat, dass er anfangs einen Deal mit Josephine einging, der mein Leben gefordert hätte, überwiegt die Erkenntnis, dass Kjells Gefühle echt sind, all meine Enttäuschungen.

Alles, was er zu mir gesagt hat, ist wahr.

Damals, als Emily das Gespräch zwischen Kjell und Josephine belauscht hat, versuchte er, aus dem Deal mit der Regentin herauszukommen. Doch er wusste, dass ihm Konsequenzen drohen würden, wenn er den Deal nicht einhielte. Mir sein Herz zu schenken, war die einzige Möglichkeit, mich vor dem Tod zu bewahren.

Genau aus dem Grund hat Josephine mich in dieses Krankenhaus eingesperrt. Sie ist davon ausgegangen, dass ich an dem Gift sterben würde und sie somit die Chance bekommt, den ersten Werth zu erwecken. Kjell konnte das rechtzeitig verhindern.

Als die Sonne erneut hinter den Talhängen verschwindet und der Himmel eine violette Farbe annimmt, betritt Josephine mein Zimmer. Ich drehe mich zu ihr um und blicke sie eisig an.

»Guten Abend, Kira«, begrüßt sie mich und zieht einen Mundwinkel nach oben. »Ich bin schon wahnsinnig gespannt, wie du dich entschieden hast.«

Ich hebe das Kinn und strecke meinen Oberkörper durch. »Ich werde deine Seite der Bedingungen akzeptieren, doch du musst auch meine erfüllen.«

Sie scheint interessiert zu sein und sieht mich teils überrascht, teils erwartungsvoll an. »Und die lautet?«

»Kjell wird frei sein. Keine Gefangennahme. Keine Auflagen. Er soll so weiterleben können, als wäre nichts davon passiert«, gebe ich in einem ernsten Tonfall von mir.

Josephine lacht leise, wodurch ich nicht deuten kann, ob sie über meine Bedingung spottet oder sie übertrieben findet. »Nicht schlecht, Kira. Du hast dir ja richtig den Kopf darüber zerbrochen.«

Ich gebe ein freudloses Schnauben von mir. »Zeit hatte ich ja genug.«

Die Regentin ignoriert meine Anspielung auf ihre unfaire Festnahme. »Ich hätte ihn gern hinter Gittern gesehen, lebenslang«, säuselt sie aufgesetzt.

»Wie viele wissen bereits von Kjells Vergehen?«, hinterfrage ich.

»Einige, aber nicht so viele, dass ich deine Bedingung nicht erfüllen könnte. Allerdings wird es nicht einfach. Die Gesandten verlangen eine Bestrafung für das Vergehen am Oberbefehlshaber der Elite«, erklärt sie. »Selbst sein Vater will Kjell büßen sehen.«

Sogar Henrik?

Ich gehe erst gar nicht darauf ein. »Also? Haben wir einen Deal?«

Josephine schürzt ihre Lippen und läuft an mir vorbei, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Ihre Absatzschuhe klackern dabei auf dem Linoleumboden. Sie trägt heute statt eines Jumpsuits eine schwarze Seidenhose und eine weiße Bluse. Die schokoladenfarbenen Haare hat sie sich zu einem strengen Pferdeschwanz hochgebunden.

Schließlich scheint sie einen Entschluss gefasst zu haben. »Ich muss Kjell bestrafen. Selbst, wenn ich es ablehnen würde, würde der Rat es verlangen und hinterfragen. Das Einzige, was ich tun kann, ist, ihm eine mildere Strafe zu verpassen, ohne dass es auffällt.«

Mein ganzer Körper spannt sich an und meine Hände werden feucht.

Ihre braunen Augen sehen in meine. »Um ihm die Freiheit schenken zu können, muss ich ihn fünf Tage in den Magiewall sperren.«

Erschrocken reiße ich die Augen auf. »Was? Fünf Tage? Weißt du eigentlich, wie qualvoll das ist?«, entfährt es mir. Von wegen ›milder‹.

Der Magiewall ist eine Kammer, die von einer Barriere umschlossen ist, ähnlich wie die Magie, die Talbrem umgibt. In ihr ist es unerträglich erdrückend und sie entzieht einem die Kraft, sodass man nach einer gewissen Zeit nicht mehr fähig ist, sich zu bewegen. Wenn das geschieht, könnte man von einer Magiewelle erfasst werden, die einem Brandnarben verpasst und schwere Wunden verursacht. Ich habe von einigen Insassen gehört, die schon nach drei Tagen Brandnarben erlitten oder sogar nach nicht einmal achtundvierzig Stunden wegen Kraftlosigkeit zusammenbrachen.

Kjell müsste dort fünf Tage überleben. Die Magie würde ihn zerfressen.

»Drei Tage«, versuche ich zu verhandeln.

Josephine wirft mir einen standhaften Blick zu. »Das steht nicht zur Debatte, Kira. Fünf und nicht einer weniger.«

»Du massakrierst ihn!«, tobe ich.

Sie zuckt bloß mit den Schultern und geht wieder auf die Tür zu. »Fünf Tage, danach ist Kjell frei. Oder aber wir haben keinen Deal und er stirbt bereits morgen.«

Morgen? So schnell?

Ich merke, wie sehr mein Herz pocht und mein Kopf fieberhaft darüber nachdenkt, für was ich mich entscheiden soll.

»Und niemand erfährt etwas über die verbotenen Talis oder sein verlorenes Herz?«

Sie nickt.

»Wenn ich zustimme und er in den Magiewall geschickt wird, darf ich ihn vorher kurz sehen?«, frage ich flehentlich.

Josephine scheint mit sich zu ringen, weshalb ich auf sie zugehe und sie bittend ansehe – etwas, das normalerweise nicht meine Art ist.

»Unter Aufsicht von mir aus. Und wirklich nur kurz.«

Sie sieht mich eindringlich an und ihre Augen wandern prüfend über mein Gesicht. »Fünf Minuten und zwei Leute der Elite werden bei euch bleiben.«

Erleichterung überkommt mich. »Danke.«

Sie legt ihre Hand auf den Türgriff. »Haben wir dann einen Deal?«

Ich zögere kurz, doch als eisblaue Iriden vor meinem geistigen Auge auftauchen, wird meine Entscheidung klarer.

»Ja.«

Josephine hebt einen Mundwinkel. »Sehr gut. Ich bringe dir gleich einen Vertrag, um unser Abkommen mit Blut zu besiegeln.«

Überrascht sehe ich sie an. »Was? Davon war keine Rede.«

Ihr verschmitztes Lächeln kehrt zurück. »So etwas halte ich doch nicht mündlich fest. Dafür ist mir die Vereinbarung zu wichtig.«

Sie verschwindet aus dem Zimmer und lässt mich mit einem Klopfen in der Brust zurück. Wenn ich diesen Vertrag unterschreibe, wird es kein Entrinnen geben. Diese Abmachungen können nicht gebrochen werden, und falls es doch gelingt, können die Antragsteller entscheiden, wohin derjenige, der den Deal nicht einhält, verbannt wird. Meistens nimmt man dafür den Magiewall, in dem man nach Tagen langsam und qualvoll krepiert. Unter anderem eine der schlimmsten Arten zu sterben.

Nach einigen Minuten kehrt Josephine zurück. In ihrer Hand hält sie ein Pergament und eine Feder, die mit kleinen Talis bestückt ist. Sie legt die Sachen auf den Tisch, krempelt sich den Ärmel ihrer Bluse hoch und schneidet sich mit einer leuchtenden Magieklinge die Haut am Handgelenk auf. Ein dickes Blutrinnsal fließt in ein Gefäß, das sie mir anschließend in die Hand drückt.

Ich tue dasselbe, schneide mir in die weiche Haut und lasse mehrere Tropfen ins Gefäß fallen. Anschließend gebe ich es Josephine zurück und sie vermischt unser Blut.

»Hier kannst du dir die Bedingungen des Vertrages durchlesen.«

Ich beuge mich über das alte Pergamentstück, in dem ich ebenfalls vier Talis in verschiedenen Farben finde, die darin eingearbeitet sind. In dicker schwarzer Schrift ist der Deal verfasst, anschließend wurden Details aufgelistet, sodass keine Lücken entstehen. Josephine hat sich genau an die Sachen gehalten, die wir beschlossen haben.

»Ist alles zu deiner Zufriedenheit?«, will sie mit einem herablassenden Grinsen wissen.

Angespannt presse ich die Lippen aufeinander und atme tief durch. »Ja.«

»Sehr gut«, meint sie lapidar, schnappt sich die Feder und tunkt deren Spitze in unser Blut. Anschließend setzt sie diese auf dem Pergament auf und will gerade den ersten Strich ziehen, als ich noch etwas einwerfe.

»Dreieinhalb Tage«, verhandle ich erneut.

»Nein«, kommt es wie aus der Pistole geschossen.

Ich greife nach ihrem Arm, um sie daran zu hindern, ihre Signatur darunterzusetzen. »Fünf Tage sind zu hart! Mit dreieinhalb gebe ich mich zufrieden, okay? Der Rat wird das ebenfalls so sehen. Selbst Mörder erhalten nur vier Tage und Kjell hat nur einen Taliducz verletzt.«

Ihr wütender Blick lässt meinen Körper beben. »Er hat nicht nur irgendeinen Taliducz verletzt! Der Oberbefehlshaber stand auf der Todesschwelle. Zum Glück haben die Ärzte rechtzeitig handeln können.«

»Ich weiß«, sage ich betont, um ihr zu verdeutlichen, dass ich es verstehe. »Aber auch dreieinhalb Tage wird der Rat als hart empfinden.«

Ihre Augen sehen mich noch immer unerschütterlich an.

»Bitte, Josephine.«

Eine Weile entweichen keine Worte aus ihrem Mund, sondern sie scheint mit sich selbst zu kämpfen, ob sie der veränderten Vereinbarung zustimmen soll oder nicht. Möglicherweise befürchtet sie sogar, dass ich den Deal platzen lasse und sie damit nicht das bekommt, was sie sich so sehnlich wünscht. Nachdem ich einen Schritt zurückgewichen bin, zeigt sie endlich eine Regung und wirft mir einen bitterbösen Blick zu. »Dreieinhalb Tage und keine weiteren Bedingungen mehr!«

Ich werfe ihr einen dankbaren Blick zu. »Mehr will ich nicht.«

Sie streicht bei den Bedingungen die Zahl Fünf durch und schreibt darüber, dass es nur dreieinhalb Tage sind. Anschließend setzt sie ihre Unterschrift darunter und ich tue es ihr gleich.

Als der Moment vorüber ist, fühle ich mich teils erleichtert, teils jedoch auch nervös. Wir sind nun beide an diese Abmachung gebunden und sollte sie jemand brechen, wird derjenige im Magiewall langsam zerfressen.

»Ich bringe dir etwas zum Anziehen und dann führe ich dich zu Kjell«, meint die Regentin und rollt den Vertrag zusammen. »Um den Deal abzuschließen, benötige ich noch deinen rechten Arm.«

Sie macht es wirklich gemäß der Tradition. Josephine scheint die Vereinbarung unheimlich wichtig zu sein, sonst würde sie nicht einen solchen Aufwand betreiben. Sie streckt ihren rechten Arm aus, den ich annehme. Mit meinen Fingern umschlinge ich ihren Unterarm. »Sprich mir nach«, fordert sie mich auf. »Ceptra domikes«, sagt sie in einem deutlichen Ton.

Ich atme tief ein und spreche ihr nach. »Ceptra domikes«, was so viel bedeutet wie »Vertrag akzeptiert«.

Die Sprache Talidusisch ist beinahe ausgestorben und nur noch wenige beherrschen sie. Die Taliducz haben sie vor Jahrhunderten gesprochen, doch heutzutage haben wir uns mehr der Menschenwelt angepasst, als uns bewusst ist.

Als ich mich von Josephine löse, erkenne ich ein weißes Zeichen auf der Innenseite meines Unterarmes, das aus zwei Ringen und einem Kreuz in der Mitte besteht. Es symbolisiert das Blutsabkommen, das wir geschlossen haben, und dass unsere Vereinbarung an das Pergament magisch gebunden ist. Sollte ich also meine Seite des Abkommens brechen, werde ich, ohne mich dagegen wehren zu können, ins Innere des Magiewalls befördert.

»Also gut, dann warte ich auf meine Kleidung, anschließend können wir sofort aufbrechen«, gebe ich in einem kalten Tonfall von mir.

Josephine verschwindet mit einem Nicken aus dem Zimmer und lässt mich mit all meinen Zweifeln zurück. Erst als die Stille wieder mein Begleiter wird, ertrinke ich Stück für Stück in den schlimmsten Vorstellungen.

Was, wenn Josephine doch noch ein Hintertürchen hat? Habe ich irgendetwas übersehen, das in den Vertrag hineingemusst hätte?

Ich lege die Arme um meine Mitte und versuche, das innere Zittern zu unterdrücken. Dieser Vertrag fühlt sich beinahe so an, als hätte ich der Regentin meine Seele verkauft. Gedanklich bete ich dafür, dass mir wenigstens noch ein paar Wochen mit Kjell und meiner Familie bleiben, bevor es endgültig vorbei ist.

Obwohl das Ticken mit Kjells schlagendem Herzen in meiner Brust verschwunden ist, höre ich es nun wieder laut und deutlich in meinem Kopf. Doch dieses Mal gibt es kein Entkommen. Alles, was mir bleibt, ist mein kleines Schlupfloch, das allerdings so unscheinbar ist, dass die Wahrscheinlichkeit, zu überleben, auf null sinkt.

Nur ein Gedanke kann mich trösten. Ich habe Kjell vor dem Tod bewahrt – auch wenn das bedeutet, dass ihm eine Strafe bevorsteht. Dreieinhalb Tage werden ihn auf eine harte Probe stellen.

 

Nachdem ich eine schwarze Jeans, bequeme Sneakers und ein graues Sweatshirt bekommen habe, folge ich Josephine durch ein Portal, das uns direkt nach Talregnum führt. Während wir in einem langen Flur landen, den ich dem Gefängnistrakt zuordnen kann, beginnt Josephine zu sprechen. »Dein Vater hat bereits einen Aufstand gemacht. Er verlangt zu wissen, wo du bist. Ich hoffe, dir ist klar, dass es keine gute Idee ist, irgendwem von unserem Deal zu erzählen.«

Ich ziehe den Ärmel nach oben und blicke auf das weiß schimmernde Zeichen auf meiner Haut. Es wird nicht einfach sein, den Deal geheim zu halten, doch um Fragen oder ungewollte Situationen zu vermeiden, versuche ich es zu verbergen.

»Ich werde Stillschweigen darüber bewahren. Mein Vater würde sich sowieso nur aufregen.«

»Gute Entscheidung«, sagt sie kühl und wir biegen um eine Ecke.

In diesem Gang spüre ich jede Menge Magie. Sie prickelt leicht auf meiner Haut, streicht zärtlich über meine Aura, als könnte ich nach ihr greifen.

Die Gefängniszellen besitzen keine Gitterstäbe, so wie man es aus der Menschenwelt kennt, sondern sind mit starken Talis versehen, die eine undurchdringbare Barriere errichten.

Ein warmes Schaudern durchfährt mich, als ich am Ende des Ganges eine Gestalt wahrnehme, die hinter der rot schimmernden Barriere wie ein Schatten wirkt. Mein Puls beschleunigt sich und sofort schießen mir Kjells Augen durch den Kopf. Allein der Gedanke, ihn wiederzusehen, verpasst mir ein aufgeregtes Kribbeln im Magen.

Wie er wohl reagieren wird, wenn er mich sieht?

Kapitel 4 - Unstimmigkeiten

 

Meine Schritte werden unbeabsichtigt schneller, sodass ich Josephine überhole und mir zwei Elitesoldaten entgegenkommen, die mich aufzuhalten versuchen. Doch die Regentin macht nur eine Handbewegung in der Luft, um den Männern zu bedeuten, dass ich keine Gefahr bin.

Ich laufe an ihnen vorbei und bleibe direkt vor der Barriere stehen, in der der Schatten eingeschlossen ist. Als ich in die Zelle hineinsehe, blickt Kjell mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Erleichterung an. Er trägt noch immer denselben zerrissenen Anzug, den er auch im Krankenhaus anhatte.

»Kjell«, entfährt es mir leise.

»Fünf Minuten, Kira«, höre ich Josephines finstere Stimme durch den Flur hallen.

Die rote Barriere leuchtet vor mir auf, sodass ich schnell hindurchschlüpfen kann, bevor sie wieder geschlossen wird. Als ich drinnen bin, bleiben die Wachen mit dem Rücken zu uns davor stehen, während Josephine am Ende des Ganges in einen Raum verschwindet.

Kjell und ich schauen uns mit Sehnsucht in den Augen an. Sorge, Kummer und Angst mischen sich dazu und überschäumen mich wie eine tobende Welle in der Brandung.

Dadurch wird mir nur noch bewusster, dass ich niemals den Gedanken ertragen hätte, ihn durch eine Hinrichtung zu verlieren. Meine Reue und Zweifel über den Deal verschwinden, stattdessen überkommt mich eine tiefe Erleichterung.

Mit Tränen in den Augen gehe ich auf Kjell zu und lasse mich von seinen vertrauten Armen auffangen. Er zieht mich so fest an sich, als würde er es nicht verkraften, sich wieder von mir zu lösen.

»Hey, meine Hübsche«, flüstert er an meinem Ohr und mir entfährt ein Schluchzer.

»Es tut mir leid«, hauche ich und vergrabe meinen Kopf an seiner Schulter. »Josephine hat gesagt, dass deine Chancen eher schlecht stehen.«

Mit meinem Telepathie-Tali versuche ich, eine Verbindung zu ihm aufzubauen, und obwohl ich erwartet hätte, dass meine Fähigkeit abgeschirmt wird, funktioniert sie innerhalb der Barriere. Kjell kann meine Magie annehmen. Anscheinend wird hier kein Störungs-Tali benutzt, der die Telepathie unterbinden sollte. Es sei denn, sie haben ihn für den Augenblick deaktiviert.

Telepathie ist nichts Gefährliches und erlaubt. Viele Gefangene bevorzugen diese Art der Unterhaltung mit ihren Anwälten.

›Sie weiß von deinen illegalen Talis und deiner Herzlosigkeit. Der Angriff auf Victor hat schwere Konsequenzen für dich, weshalb eine Hinrichtung unausweichlich wäre‹, erkläre ich.

Mit meinen Fühlern spüre ich, wie sich sein Körper anspannt.

›Das ist mir bewusst. Dennoch ist es das wert gewesen.‹

Wie kann er nur so etwas sagen? Ein Leben für ein anderes?

Am liebsten würde ich über mich selbst lachen. Ich bin schließlich nicht besser.

›Was ist, wenn es eine Möglichkeit gäbe, dies zu verhindern?‹

Kjell hält inne und löst sich zögerlich von mir. Seine Hände ruhen auf meinen Oberarmen.

›Was meinst du?‹

›Na, was wenn ich dich vor dem Tod bewahren könnte?‹

Er schüttelt den Kopf. ›Das Vergehen an Victor muss bestraft werden. Zu viele Leute wissen bereits davon. Sie kennen noch nicht den Grund dafür, weil ich schweige und damit verschleiere, dass du mir nahe stehst.‹

›Weil sie sonst unsere Schwachstellen ausnutzen würden‹, erkenne ich.

Obwohl Kjell in dem Glauben ist, dass der Tod bereits an seine Tür klopft, versucht er noch immer mich vor der Gefahr zu bewahren. Er ist verrückt.

›Sie werden mich hinrichten. Daran führt kein Weg vorbei.‹

Ich verschränke nervös die Arme vor der Brust und streiche dabei unbewusst über die Stelle, an der das Zeichen unter meinem Ärmel verborgen ist, das mich an Josephines und meinen Vertrag bindet.

›Was wäre, wenn Josephine für dich schweigt und den anderen nichts davon verrät, dass du illegale Talis und kein Herz mehr besitzt?‹

Kjells Hände gleiten an meinen Armen hinab, bis sie sich wieder neben seinem Körper befinden. ›Brooks, was hast du getan?‹, fragt er mit einem dunklen Unterton.

Meine Miene wird ebenfalls härter. ›Ich habe dein Leben gerettet. Mehr musst du nicht wissen.‹

Zwischen uns herrscht kurz Stille und ich merke Kjell an, dass ihm nicht gefällt, was ich getan habe. Sein Blick wandert zu meinem Arm hinab.

›Gib mir deine rechte Hand.‹

Ich gehe schnell einen Schritt zurück. ›Nein.‹

Er sieht mich zuerst abschätzend an, bevor er mich packt und meinen Ärmel nach oben reißt, um einen Blick auf das Zeichen zu werfen, das ihm sofort verrät, was ich getan habe. Mir war klar, dass ich es nicht geheim halten kann, denn Kjell kennt mich dafür zu gut.

Wütend wandern seine Augen an meinem Unterarm entlang, um sich das Zeichen genauer anzusehen. Bevor er länger einen Blick darauf werfen kann, entreiße ich mich ihm und mache mehrere Schritte zurück.

Kjell ballt seine Hände zu Fäusten. ›Habe ich dich nicht gebeten, keinen Deal mit Josephine abzuschließen? Und dann auch noch ein Blutspakt?‹

Ich ziehe verärgert die Brauen zusammen und streife den Ärmel herunter. ›Du verstehst das nicht! Glaubst du im Ernst, ich stehe tatenlos daneben, während wir alle zuschauen, wie du hingerichtet wirst?‹

Kjell scheint nichts davon nachvollziehen zu können, denn in seinem Ausdruck liegt nur Wut. ›Was fordert Josephine?‹

Es wäre kein guter Schachzug, ihm in dieser angespannten Situation vom Inhalt des Deals zu erzählen. Kjell ist gereizt genug.

Ich fühle mich dennoch missverstanden. Wieso will er nicht begreifen, dass mir sein Leben genauso sehr am Herzen liegt wie mein eigenes? Glaubt er tatsächlich, er wäre es mir nicht wert?

›Das verrate ich dir nicht‹, gebe ich mit einem gereizten Schnauben von mir.

›Kira!‹, droht er mir knurrend. ›Was hat Josephine von dir verlangt?‹

Ich kehre ihm den Rücken zu, doch da greift er nach meinem Handgelenk und wirbelt mich herum. Er hält meinen Oberkörper umschlungen und sein Atem streift meine Stirn.

›Sag es mir‹, dringt seine Stimme dieses Mal flehender zu mir. ›Bitte.‹

Obwohl ich immer noch verärgert über seine vorherige Reaktion bin, umgibt mich Kjells Nähe wie eine warme Decke und sein Eis, in das ich versinke, mindert meine Wut auf ihn. Was hat dieser verdammte Teufel nur an sich, dass er es jedes Mal schafft, mich in seinen Bann zu ziehen? Bei den Ahnen, wie sehr ich seine Nähe vermisst habe.

Erst als seine Hand auf meiner Wange zum Liegen kommt, wird das restliche tobende Feuer in mir wie eine Flamme gelöscht. Doch ich weiß, was es in ihm auslösen würde, wenn ich ihm die Wahrheit erzähle. Vermutlich käme er auf die verrückte Idee, sich freiwillig zu stellen, nur damit der Deal mit Josephine platzt. Denn wenn Kjell sein Leben vor meiner Bedingung verliert, ist der Vertrag hinfällig, da er dann nicht erfüllt werden kann. Aber ein Leben ohne ihn will ich nicht. Niemals. Dann lebe ich lieber mit einem Deal, an dessen Schlupfloch ich mich klammere, als wäre es meine letzte Hoffnung. Sobald meine Bedingungen erfüllt sind und Kjell es unbeschadet aus dem Magiewall geschafft hat, werde ich es ihm erklären. Doch vorher darf ich ihm diese Gewissheit nicht geben.

›Ich will, dass du weißt, dass ich dich nicht verlieren kann. Also bitte, hör auf mir Vorwürfe zu machen. Der Preis, den ich bezahlt habe, ist angemessen.‹

Ich verschränke meine Finger in seinem Nacken und stelle mich auf die Zehenspitzen, um seinem Gesicht näher zu kommen. Seine Lippen schweben nur Millimeter über meinen.

›Du hast einmal gesagt, dass du den Gedanken nicht erträgst, mich zu verlieren. Erinnerst du dich?‹

Ich spüre wie sich seine Arme fester um mich schlingen und mein Herz einen Satz gegen meinen Brustkorb macht.

›Das wird sich auch niemals ändern.‹

›Dann hoffe ich, dass du verstehen wirst, warum ich es tun musste.‹

Mir ist es gleichgültig, ob die Wachen uns dabei sehen oder nicht, denn dieser Moment ist es wert. Sehnsuchtsvoll lege ich meine Lippen auf seine und spüre dabei, mit welchem Schmerz der Kuss erwidert wird.

Kjell atmet tief ein und seine Hand wandert von meiner Schulter zu meinem Nacken. Ich versinke in der Endlosigkeit seiner Berührungen, seiner Nähe und dem Geschmack auf seinen Lippen. Sein fruchtiges Parfüm kriecht in meine Nase und ich sauge den allzu vertrauten Duft in mich auf.

Und ich soll auf Momente wie diese einfach verzichten? Für immer?

Eher sterbe ich mit ihm, als zuzulassen, dass dieser Teufel sein Leben für mich opfert. Dank ihm habe ich mich nicht aufgegeben und Hoffnung geschöpft. Schon allein wegen der vielen Gefallen, die ich ihm schulde, darf er nicht gehen.

Auch, wenn ich mir wünsche, dass dieser Augenblick niemals endet, muss ich mich von ihm lösen. Ich kann von Weitem bereits hören, wie eine Tür geöffnet wird. Josephine kehrt zurück.

Zögerlich entferne ich mich von Kjell und drücke seine Hand, in die ich eine geballte Ladung Magie fließen lasse, die Kjell bei seiner Strafe unterstützen soll. Er spürt den Schub und sieht mich teils erschrocken, teils verwirrt an, da er nicht ahnt, wie sehr er diese Energie brauchen wird.

Gerade in dem Moment, als Josephine hinter der Wand zum Vorschein kommt, haben sich unsere Hände voneinander gelöst.

»Die fünf Minuten sind um.«

Ich nicke und die Barriere wird geöffnet. Mit einem letzten Schulterblick zu Kjell trete ich auf den Flur und wende mich Josephine zu. »Ich bin fertig.«

Sie nickt und läuft in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Ich muss mich wirklich zusammenreißen, um kein weiteres Mal zu Kjell zu blicken.

›Ich konnte nicht alle Gefahren abwenden. Dazu bin ich weder in der Position, noch hätte Josephine die Macht dazu gehabt. Ihr sind genauso die Hände gebunden, wie mir.‹

Gerade als ich die Hoffnung verliere, dass die Verbindung zwischen mir und Kjell bestehen bleibt, ertönt seine Stimme in meinem Kopf.

›Also wird mich für mein Vergehen an Victor eine Strafe erwarten?‹

Erst als wir um die Ecke biegen, antworte ich. ›Ich wünschte, es wäre anders, aber zu viele wissen über den Vorfall Bescheid und der Rat würde es hinterfragen, wenn Josephine dein Vergehen ungestraft ließe.‹

Es würde eine folgenschwere Kettenreaktion von Problemen auslösen, wenn es nicht so wäre.

›Warum hast du ihn überhaupt angegriffen? Hättest du ihn nicht überlisten können?‹, will ich wissen.

›Auf keinen Fall. Victor wusste, zu wem ich wollte, da er als Einziger von Josephine eingeweiht wurde, wer sich im Krankenhaus befindet.‹

›Also hat er alles versucht, um dich davon abzuhalten.‹

Unglaublich, dass Kjell sich gegen den Oberbefehlshaber stemmen konnte. Soll er nicht ebenso über einzigartige Fähigkeiten verfügen?

›Wie hast du das geschafft?‹

Er seufzt. ›Verbotene Talis sind nicht umsonst so gefährlich. Ihre Magie kann verheerend sein.‹

Ich forme mit meinem violetten Tali, der im Lendenbereich meiner Wirbelsäule sitzt, eine Anti-Lausch-Barriere, damit uns niemand von außerhalb zuhören kann.

»Josephine, wie hast du herausgefunden, dass Kjell über verbotene Talis verfügt?«

»Ich habe mit ihm ein privates Gespräch geführt und sein Ärmel war ein wenig zerrissen, sodass mir die ringlosen Talis auffielen.«

Wir steigen in einen Fahrstuhl, um nach oben zu fahren. Sie wirft mir einen kritischen Blick zu, als sich die Türen schließen.

»Ich kenne Kjell schon, seit er klein war, und weiß, dass an all diesen Talis, die er am Körper trägt, vorher Ringe waren.«

Das Thema wird in eine merkwürdige Richtung gelenkt. Ich versuche, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen.

»Und?«

»Also, wie kann es sein, dass ihm seine Ringe fehlen? Es ist schlicht unmöglich, sie zu entfernen. Wenn überhaupt jemand dazu in der Lage wäre, dann der Talismon«, erklärt sie grüblerisch. »Und ich weiß, dass er die Ringe erst vor Kurzem verloren hat. Dessen bin ich mir sicher. Weißt du es denn?«

Ich schüttle den Kopf und sehe ihr fest in die Augen. »Er hat es mir nie erzählt«, lüge ich mit einer solchen Überzeugungskraft, dass ich mich selbst damit überrasche.

Die Regentin fährt sich nachdenklich über das Kinn. »Ich könnte ihn auf den Wahrheitsthron setzen, noch bevor er seine Strafe antritt.«

Das dürfte sie sogar ohne die Zustimmung des Rates. Allerdings testet sie mich. Vermutlich glaubt sie, dass ich es weiß, und mit der Drohung, die Wahrheit selbst herauszufinden, hofft Josephine, mir etwas entlocken zu können. Doch da hat sie falsch gedacht. So einfach lasse ich mich nicht von einem Wolf von Talregnum schlagen.

Ich zucke belanglos mit den Schultern. »Wenn du glaubst, dass du es wissen musst, bevor wir endlich einen Teil des Vertrages erfüllen, dann tu es. Sollte jedoch jemand das Gespräch mitbekommen und deine Autorität infrage stellen, ist der Vertrag hinfällig.«

Josephine sagt eine Zeit lang nichts, sodass ich hinzufüge: »Sollte dieser Fall eintreten, wird derjenige hinterfragen, weshalb du dich so für Kjell interessierst. Denn das Vergehen an Victor ist schließlich aufgeklärt.«

Die Regentin schweigt, als würde sie darauf nicht antworten wollen oder kein passendes Argument finden.

›Bist du noch da?‹, frage ich Kjell in meinen Gedanken, da ich seine Magie weiterhin spüren kann.

›Ja‹, ertönt es verzerrt. Da wir das Gefängnis verlassen haben, scheint nun ein Störungs-Tali unsere Telepathie unterbrechen zu wollen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis ich die Verbindung zu Kjell verliere.

›Ich werde bei dir sein, wenn sie die Strafe vollziehen. Es wird hart werden‹, verrate ich, als die Aufzugtüren aufspringen.

›Welche Strafe?‹

Ich überlege, ob ich es ihm sagen soll, doch Kjell spricht weiter, als ich zu lange zum Antworten brauche.

›Darf ich raten? Der Magiewall?‹

Josephine und ich treten aus dem Fahrstuhl und ich erkenne die Mosaikwände und die spiegelnden Fliesen wieder, die das Gebäude gleichzeitig alt und edel wirken lassen. Wir befinden uns im Erdgeschoss, ganz in der Nähe der Versammlungsräume.

Offensichtlich ist es gar nicht so schwer, die Strafe zu erraten, da dies die härteste aller Maßnahmen ist.

›Es tut mir leid. Der Rat hätte so oder so dafür gestimmt. Ich konnte nichts tun.‹

Die Wärme des Telepathie-Steins wird schwächer und ich kann spüren, wie Kjell mir langsam entgleitet.

›Wie viele Tage?‹

Ich beiße mir auf die Unterlippe und senke meine Lider. ›Dreieinhalb.‹

Eine Zeit lang ertönt nichts, doch dann höre ich ihn verzerrt sagen: ›Ziemlich hart.‹

Josephine und ich biegen um eine weitere Ecke und gehen direkt auf den Versammlungssaal zu.

›Ich konnte die Strafe mildern. Josephine wollte dir zuerst fünf Tage verpassen, doch ich habe sie davon überzeugt, dass der Rat sich auch mit dreieinhalb zufriedengeben wird.‹

›Kira?‹, höre ich Kjell sagen. ›Die Verbindung … instabil.‹

Ich balle die Hände zu Fäusten, da ich mich darüber ärgere von einem Störungs-Tali unterbrochen zu werden.

Kjell wirft noch etwas ein. ›Ich will nur … eine Sache wissen. Kannst du mir … versprechen?‹

Mein Herz hätte am liebsten sofort geantwortet: »Alles«, doch im Augenblick sind Kjell und ich uns uneins, sodass ich mit Versprechen aufpassen sollte. ›Kommt drauf an, was es ist‹, rufe ich dieses Mal lauter, falls meine Worte von der Magie, die uns abschirmt, verschluckt werden sollten.

›Ich will, dass du dich von dort unten fernhältst‹, ertönt es klar und deutlich in meinem Kopf, als hätte Kjell all seine Kräfte gesammelt, um sicherzugehen, dass seine Stimme auch bei mir ankommt. Er klingt so ausdruckslos wie kalter Stein.

›Wieso sollte ich das tun?‹, hinterfrage ich skeptisch.

›Tu’s einfach. Bitte.‹

Kurz kehrt Stille zwischen uns ein, als sich furchtbare Vorstellungen in meinem Kopf breit machen. ›Sind es … starke Schmerzen?‹, frage ich mit leiser Stimme, weil ich mir seine Qualen nicht ausmalen will.

›Versprich es mir‹, weicht er meiner Frage aus. ›Bitte, Kira.‹

Wie schlimm ist der Magiewall wirklich? Welche Kräfte muss man aufbringen, um dort unten nicht zu sterben? Wenn Kjell meine Frage nicht beantwortet, kann das nur bedeuten, dass es für ihn eine echte Hürde sein wird, die dreieinhalb Tage ohne großen Schaden zu überstehen.

Meine Augen beginnen zu brennen, als sich die Angst davor langsam in mich hineinfrisst. Ich will nicht, dass Kjell leidet, aber wenn er danach in Freiheit sein wird, muss er sich dieser Strafe stellen.

›Also gut, ich verspreche es‹, hauche ich schwach.

›Kira?‹

›Ich verspreche es!‹, schreie ich dieses Mal in Gedanken so laut, dass meine Worte ihn sicher erreicht haben. Danach verglimmt die Magie allerdings und die Telepathie bricht ab.

Ich beiße verärgert die Zähne zusammen. So ein Mist!