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Auf dem Dachboden eines alten Hauses stoßen Lorna und ihre Nichte Christabel auf ein verstaubtes Album, dass die Geschichte eines verzweifelten Mordes enthüllt: Die Mutter eines unehelichen Kindes hatte eine boshafte Tante umgebracht, die ihr Geheimnis in alle Welt posaunt und sie um eine glückliche Ehe gebracht hatte. Lorna läuft ein Schaudern über den Rücken, als von der grausamen Tat liest. Auch Christabel ist ihr uneheliches Kind - und auch sie will heiraten. Kann es sein, dass die Geschichte des Albums noch einmal blutige Realität wird?
Evelyn (Domenica) Berckman (*18. Oktober 1900; †18. September 1978) war eine US-amerikanische Autorin von Kriminal- und Schauer-Romanen.
Der Roman Das viktorianische Album erschien erstmals im Jahr 1975; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1976.
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers des romantischen Thrillers in seiner Reihe APEX CRIME.
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Veröffentlichungsjahr: 2020
EVELYN BERCKMAN
Das viktorianische
Album
Roman
Apex Crime, Band 108
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DAS VIKTORIANISCHE ALBUM
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Auf dem Dachboden eines alten Hauses stoßen Lorna und ihre Nichte Christabel auf ein verstaubtes Album, dass die Geschichte eines verzweifelten Mordes enthüllt: Die Mutter eines unehelichen Kindes hatte eine boshafte Tante umgebracht, die ihr Geheimnis in alle Welt posaunt und sie um eine glückliche Ehe gebracht hatte. Lorna läuft ein Schaudern über den Rücken, als von der grausamen Tat liest. Auch Christabel ist ihr uneheliches Kind - und auch sie will heiraten. Kann es sein, dass die Geschichte des Albums noch einmal blutige Realität wird?
Evelyn (Domenica) Berckman (*18. Oktober 1900; †18. September 1978) war eine US-amerikanische Autorin von Kriminal- und Schauer-Romanen.
Der Roman Das viktorianische Album erschien erstmals im Jahr 1975; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1976.
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers des romantischen Thrillers in seiner Reihe APEX CRIME.
Ich sammle Fotografien aus der Viktorianischen Zeit. Richtiger gesagt, ich sammelte sie einmal. Die meisten Leute haben schon vergessen, welch hervorragende Fotografen es zu damaliger Zeit gab und dass noch heute Tausende dieser Bilder existieren.
Es faszinierte mich, immer wieder aufs Neue festzustellen, dass bei allen abgebildeten Personen dieses aufgesetzte Lächeln fehlte. Außerdem stellte ich fest, dass fast alle Frauen die gleiche Miene zur Schau trugen. Ein Blick, der von unendlicher Langeweile zeugte und ein leeres und unerfülltes Leben offenbarte. Welch schrecklicher Gedanke! Selbst in weniger begüterten Haushalten gab es damals vier bis sechs Dienstboten. Keine dieser Frauen brauchte einen Finger zu rühren, sie hatten keinerlei Beschäftigung, außer stricken und sticken.
Bemerkenswert war dann noch das Verhältnis von Mann und Frau. Auf jeder einzelnen Fotografie sah man fast die gleiche Aufteilung. Der einsame Mann, der in den umfangreichen Krinolinen geradezu untertauchte. Die untersetzte Frau mit drei, vier oder fünf plumpen Kindern; die behäbige alte Dame im Witwenschleier, entweder seine oder ihre Mutter; das dürre weibliche Wesen, das meistens versagt hatte und die Schwester des Mannes oder der Frau war. Und dann noch die untätigen, nutzlosen Töchter, die mit einer standesmäßigen Mitgift ausgestattet werden mussten, wollten sie nicht unverheiratet bleiben. Das war damals eben allgemein die Einstellung der Eltern...
Bei diesem Gedanken sehe ich noch heute rot. Ein junges Leben, das von ungeschickten Händen geleitet wurde, ist das Wehrloseste, was es gibt. Dass diese Fehler meistens von Eltern oder Lehrern mit den besten Absichten begangen werden, macht die Sache nicht weniger schwerwiegend. Wie hätte ich mich damals dagegen wehren sollen? Ich wusste schon immer ganz genau, was ich einmal machen wollte. Ich wollte eine Handelsschule besuchen. Aber schon der Gedanke versetzte meine Eltern in Schrecken, und nach heftigen, tränenreichen Debatten, in denen ich stets die Unterlegene war, schickte man mich in ein teures und vornehmes Internat. Hätte man mir damals erlaubt, meinen Neigungen nachzugehen, wäre ich heute sicherlich eine fähige Stoffmusterdesignerin. Stattdessen bin ich nur eine einfache Näherin, die nichts weiter als Änderungen macht.
Ansonsten habe ich noch ein anderes geheimes Interesse: den Spiritismus. Ich kenne nur eine einzige Person, die bereits übernatürliche Dinge gesehen hat. Ich selbst habe nie diese Fähigkeiten besessen, habe aber schon mehrere Male solchen Sitzungen beigewohnt. Ich kann es mir auch nicht leisten, mit solchen Dingen meine Zeit zu vergeuden, da ich auf meine Arbeit angewiesen bin.
Nachdem ich jetzt von meinen Misserfolgen berichtet habe, muss ich auch von meinem Erfolg, dem größten Triumph in meinem Leben, dem bezauberndsten und wichtigsten Wesen, von meiner Nichte, erzählen. Es macht mich schon glücklich, nur an sie zu denken und von ihr zu sprechen. Sie ist mittelgroß und prächtig gewachsen. Ihr Haar ist voll und dunkelbraun und harmoniert wunderbar mit ihrer zarten Haut. Ihre Augen leuchten bernsteinfarben, und ihre Brauen sind fein geschwungen. Ihr Gesicht strahlt so viel Wärme, Intelligenz und Lebensfreude aus, dass ihr bloßer Anblick mir das Herz erwärmt. Ich habe schon Fremde beobachtet, die sich im Vorbeigehen unwillkürlich nach ihr umdrehten. Ihr Anblick muss jeden Menschen erfreuen, und ihr Lachen, ihre Stimme und ihr Charme sind einfach umwerfend.
Am meisten bewundere ich ihre Zielstrebigkeit. Ich weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, sein Leben zu verzetteln. Aber sie hat sich niemals verzettelt. Mit bewundernswerter Ausdauer strebt sie ihrem Ziel entgegen. Zuerst arbeitete sie für einen Innenarchitekten, um so viel als möglich von ihm zu lernen. Dann trennte sie sich von ihm in aller Freundschaft und wechselte zu einem Antiquitätenhändler über. Er war ein absoluter Experte auf seinem Gebiet. Sie arbeitete wie besessen und lernte sehr viel dazu. Es war immer ihr Ziel gewesen, eines Tages Museumsverwahrer zu werden, spezialisiert auf Gobelins, für die sie eine wahre Leidenschaft entwickelte. Während ihrer Ferien reiste sie nach Belgien und Frankreich, die beiden Länder, die seit Jahrhunderten berühmt dafür waren. Sie informierte sich über die Webart, die verschiedenen Knüpfungen und über die Restaurierung, Reinigung und Aufbewahrung. Sie besitzt eine ausgesprochene Fingerfertigkeit, und es geht ihr alles leicht von der Hand.
Man sollte annehmen, dass ein Mädchen wie Christabel frei und unabhängig lebt. Dass sie ihre Wohnung entweder mit einer Freundin oder einem Mann teilt. Heutzutage ist das gang und gäbe. Das Erstaunliche jedoch ist, dass sie es vorzieht, mit mir zusammen zu leben. Weswegen eigentlich? Ich bin eine sitzengebliebene Frau, weder interessant noch besonders intelligent. Ich hätte es ihr in keinster Weise übelgenommen, wenn sie ihr eigenes Leben führen wollte. Außerdem lässt sie mich voll und ganz an ihrem Leben teilnehmen. Das ist umso erstaunlicher, wenn man den Altersunterschied und die übrigen Unterschiede bedenkt. Aber sie will davon nichts hören, sie erzählt mir von ihrem Beruf und macht mit mir zusammen Ferienpläne.
Nur bei dem Thema Männer, wenn wir es zufällig diskutieren, bin ich bestürzt über ihr Desinteresse. Sie ist zu kritisch und zu ungezwungen, so als ginge sie das alles nichts an. Die Zeit vergeht so schnell, und wie leicht kann man den Anschluss verpassen. Aber was kann ich schon dagegen unternehmen? Hatte sie schon irgendwelche Liebeserlebnisse? Ich nehme es an, weiß es jedoch nicht genau. Sie führt ihr eigenes Leben und ist offensichtlich um vieles erfolgreicher, als ich es jemals gewesen bin. Ich würde es niemals wagen, meine Nase in ihre Angelegenheiten zu stecken.
Im Übrigen heißt sie Christabel Warne, ihre Freunde nennen sie Chris, aber ich finde den Namen Christabel zu hübsch, um eine Abkürzung zu gebrauchen. Meine Schwester und ihr Mann kamen bei einem Autounfall ums Leben; er war sofort tot und sie starb kurz darauf im Krankenhaus. Christabel war damals sechs Jahre alt und hatte nur noch mich. Ich war finster entschlossen, ihr eine erstklassige Erziehung zukommen zu lassen, und setzte all meine Energie und Entschlusskraft dafür ein. Mein Schwager hinterließ eine kleine Summe, die aber zum Leben nicht ausreichte.
Ich geizte mit jedem Pfennig. Ich verbrachte nächtelang an meiner Nähmaschine, und endlich hatte ich es geschafft. Christabels Interesse an allen Künsten zeigte sich sehr bald, und ich schickte sie in die besten Schulen. Ich kämpfte hart und verbissen um jeden Groschen, aber mein kleines Mädchen arbeitete noch härter. Sie kannte die Situation ganz genau und wusste auch, dass der Erfolg allein von ihr abhing. Ich hasste mich selbst, dass ich ihr schon in jungen Jahren solche Belastungen aufbürden musste. Aber sie hat ihnen standgehalten. Ich war nicht im Geringsten überrascht, dass sie alle Prüfungen mit den besten Noten ablegte. Das zeigte mir aufs Neue, welch unpassende Lebensgefährtin ich für dieses prächtige Menschenkind war. Blieb sie nur aus Pflichtgefühl bei mir?
Alles begann damit, dass wir unsere Wohnung räumen mussten. Unser Mietvertrag war abgelaufen, und wir mussten uns nach einer anderen Wohnung umsehen. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass es fast eine Unmöglichkeit war, in London eine unmöblierte Wohnung zu finden. Wir hatten bis jetzt in Chelsea gewohnt und wurden jetzt auf die andere Seite des Flusses, nach Battersea und Clapham verbannt.
Wir befanden uns in einer verzweifelten Situation. Christabel hatte sich ein paar Tage frei genommen und wir legten unzählige Meilen zurück, wir besichtigten finstere Löcher für hohe Mieten und standen unfreundlichen, abweisenden Gesichtern gegenüber. Ich war schließlich so erschöpft, dass ich kaum noch fähig war, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Ganz gegen unseren Willen befanden wir uns plötzlich in einer höchst merkwürdigen Gegend. Die Straßen schienen wie ausgestorben zu sein, und es herrschte eine seltsame Atmosphäre. Die Fensterläden waren fast alle geschlossen, und niemand schien hier zu wohnen. Wir passierten ein ziemlich großes Gelände, auf dem ein Schild mit dem Namen einer Baufirma stand. Aber auch hier schien sich nicht das Geringste zu regen. Zwischen diesen verlassenen Häusern und einem erbärmlichen Schuppen, mit der Aufschrift Radio- und Fernsehreparaturen stießen wir auf das Haus.
Es musste einem buchstäblich in die Augen stechen. Es war in dem schrecklichsten Lila gestrichen, das ich jemals gesehen hatte. Die Eingangstür und die Fensterrahmen hatten eine etwas dunklere Schattierung dieser Farbe. Ein Wahnsinniger musste hier am Werk gewesen sein. Wir sahen uns gegenseitig an, wir konnten es einfach nicht fassen. »Mir wird gleich übel«, sagte Christabel. Dann entdeckten wir noch etwas. Dieser grauenvolle Kasten stand etwas abseits von den Nachbarhäusern. Ein kleiner ungepflegter Garten umgab ihn. Und auf dem eisernen Geländer war ein kleiner Zettel befestigt.
»Was kann denn das sein?«, äußerte Christabel. »Wir wollen es einmal näher betrachten.«
»Jemand hat sicher seine Katze verloren«, stöhnte ich.
»Woher willst du das wissen? Vielleicht sind hier Zimmer zu vermieten.«
»In dieser grauenvollen Burg? Selbst wenn es so wäre, ich könnte unmöglich...«
»Komm doch«, drängte sie mich. »Wir können unmöglich unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. Komm bitte«, schmeichelte sie weiter. »Wir können es uns wenigstens ansehen.«
Sie überquerte bereits die Straße, und ich musste ihr notgedrungen folgen.
Irgendetwas wehrte sich in mir. Ich konnte selbst nicht sagen, was es war.
Dann standen wir vor dem Zaun. Auf einem Stück Karton stand geschrieben: Zimmer zu vermieten.
»Warum erkundigen wir uns nicht näher?«, fragte meine Nichte.
Ich wollte schon etwas antworten, zog es jedoch vor, zu schweigen. Sie hatte ja recht. In unserer Situation konnten wir nicht so wählerisch sein. Sie hatte bereits die Tür geöffnet, und ich folgte ihr auf dem Fuß. Das Haus machte in keinster Weise einen verfallenen Eindruck, wie ich eigentlich erwartet hatte. Die Fenster und die Eingangstür waren in tadellosem Zustand. Das Haus war gut erhalten; in früheren Zeiten musste es einmal ein herrschaftliches Haus gewesen sein.
Aber irgendetwas schien mich zu warnen. Es drängte mich, Christabel zurückzuhalten, aber ich konnte es ihr doch nicht erklären. Sie hatte bereits den altmodischen Türklopfer in Bewegung gesetzt. Fast augenblicklich wurde die Tür geöffnet, und wir standen einer Frau gegenüber. Irgendetwas in mir flüsterte: Ich kenne dich. Selbstverständlich war ich dieser Frau noch niemals zuvor begegnet.
Sie war ziemlich groß und breitschultrig. Ihr dunkles, gekraustes Haar war in der Mitte gescheitelt und hinten zu einem Knoten zusammengebunden. Sie trug ein dunkles Kleid mit einer Schürze darüber. Ihr finsterer Blick flößte uns wenig Mut ein.
»Ja?«, sagte sie unfreundlich.
Christabel antwortete, und ich stand stumm wie ein Fisch daneben. »Wir hätten uns gerne die Zimmer angesehen.« Sie sprach in freundlichem, höflichem Ton.
Die Frau schien zu zögern. Sie musterte uns mit einem abschätzenden Blick und sagte dann schließlich: »Ich denke, es geht in Ordnung.« Sie trat etwas beiseite und ließ uns eintreten. Wir befanden uns jetzt in einem kühlen, gekachelten Vorraum. Durch eine Glastür mit bemalten Scheiben gelangten wir in die Diele.
»Die Zimmer sind im ersten Stock«, bemerkte sie und zeigte mit dem Finger nach oben. Die Halle war relativ groß, und eine breite Treppe führte hinauf.
Wie in Trance schritt ich die Treppe hinauf, und Christabel folgte mir. Die Frau hatte es nicht einmal der Mühe wert gefunden, uns zu begleiten. Christabel flüsterte mir zu: »Merkwürdig, sie hat mit keinem Wort erwähnt, um wie viele Zimmer es sich handelt.«
»Wir werden es schon selbst herausfinden«, antwortete ich und öffnete dabei die Tür am hintersten Ende des Ganges.
Es war überwältigend. Ein heller, luftiger Raum lag vor uns. Selbstverständlich war der Raum voller Staub und Schmutz, aber das konnte man leicht sauberbekommen. Etwas Putzmittel, Wasser und dann frische Farbe würden ihm sofort ein anderes Aussehen verleihen.
Weder Christabel noch ich sprachen ein Wort. Wir starrten wortlos in den Raum. Endlich öffnete Christabel eine andere Tür, die uns in einen dunklen Gang führte. Auf der linken Seite standen unzählige Schränke und kleine Kommoden. Auf der rechten Seite befanden sich zwei Türen. Als wir die eine öffneten, starrte uns tiefe Finsternis entgegen. Wir hatten keine Taschenlampe mitgebracht, aber Christabel leuchtete ein paarmal mit ihrem Feuerzeug umher. Ein Kämmerchen mit morschen Regalen, kaputtem Linoleumboden und einer nicht funktionierenden Lampe ließ uns erkennen, dass es sich hier wahrscheinlich um die Küche handelte. Ein winziges Spülbecken war in der einen Ecke angebracht.
Chris öffnete eine weitere Tür. Sie führte in ein Badezimmer. Dann gingen wir weiter und kamen in zwei getrennte Schlafzimmer, wovon jedes sein eigenes Badezimmer hatte. Wir waren tief in Gedanken versunken. Als wir so ziemlich alles inspiziert hatten, gingen wir langsam wieder in den großen Raum zurück.
»Man könnte viel daraus machen«, sagten wir fast gleichzeitig. Dann brachen wir in schallendes Gelächter aus.
»Christabel«, sagte ich lachend, »lass uns schnell hinuntergehen, um alles weitere mit der Hausfrau zu besprechen.«
»Einen Moment«, unterbrach sie mich. Wir hatten jetzt vollkommen die Rollen getauscht. Jetzt war sie diejenige, die noch zögerte. »Wir wissen doch nicht einmal, ob sie alle Zimmer vermieten will. Wir kennen auch ihre Preisvorstellungen nicht.«
Ich schwieg beharrlich.
»Wir können es uns einfach nicht leisten, dass wir zwanzig Pfund die Woche zahlen«, sagte sie jetzt leise.
»Du hast wahrscheinlich recht«, murmelte ich. »Außerdem«, warf ich noch ein, »sind die Verkehrs Verbindungen für dich zu schlecht.«
»Das wäre das wenigste«, sagte sie ohne zu zögern.
»Liebling, könnten wir nicht wenigstens mit ihr sprechen?« machte ich einen weiteren Versuch, sie umzustimmen.
»Sachte, sachte«, versuchte sie mich zu beruhigen. »Ich glaube kaum, dass sie so schnell einen anderen Mieter dafür findet. Lass uns noch einmal genau überlegen.« Sie überlegte laut, während ich mich immer mehr aufregte. »Ich bin fast überzeugt, dass die elektrischen Leitungen nicht mehr in Ordnung sind. Außerdem gibt es auch keine Heizung. Man müsste die ganze Wohnung völlig renovieren, und ich glaube kaum, dass uns die Hausfrau dabei entgegenkommen würde. Wir würden ein Vermögen dafür ausgeben.«
»Gewiss«, warf ich ein. »Aber es wäre überall dasselbe. Das meiste könnten wir selbst machen. Hier würde es sich wenigstens lohnen.«
»Damit hast du recht. Glaubst du...«, schweifte sie jetzt vom Thema ab, »dass es hier heißes Wasser gibt?« Sie verschwand einen Moment im Gang und erschien nach einer Weile wieder. »Ja. Ich habe mich gerade davon überzeugt.«
»Ach, Christabel«, rief ich jetzt, »lass uns doch mit ihr sprechen.«
»Also gut«, willigte sie ein.
»Du sprichst mit ihr. Ich überlasse es ganz dir«, bat ich sie.
»Nein, du.«
»Um Gottes willen!«, rief ich ablehnend.
»Ich weiß, dass du sie auf Anhieb nicht mochtest«, bohrte Christabel weiter.
Christabel konnte das auch nicht verstehen. Sie hatte mein anfängliches Zurückschrecken für Abneigung gehalten.
»Ich werde nicht von deiner Seite weichen«, versuchte sie mich zu ermutigen. »Solltest du etwas vergessen zu erwähnen, werde ich dich daran erinnern. Du musst die Initiative ergreifen, schließlich bist du das Familienoberhaupt.«
Sie legte mir aufmunternd den Arm um die Schultern.
»Wir müssen vorsichtig sein, Lorna. Wir dürfen ihr nicht das Gefühl geben, dass wir die Wohnung um jeden Preis haben wollen.«
Natürlich hatte sie völlig recht.
»Außerdem«, sagte sie, »ist es wichtig, dass wir herausbekommen, für wie lange sie vermieten will. Wenn es nur für ein oder zwei Jahre ist, lohnt es sich nicht für uns.«
Ich war so aufgeregt, dass ich diesen Punkt sicher vergessen hätte.
Wir begaben uns also nach unten.
Die alte Frau tauchte am Ende der Halle auf. Sie kam uns mit langsamen Schritten entgegen. Unsere Entscheidung schien sie überhaupt nicht zu interessieren. Zumindest ließ sie sich nichts anmerken.
»Wir haben die Räume besichtigt«, begann ich stockend. »Könnten wir vielleicht mit Ihnen sprechen, Mrs...?«
Sie zögerte einen Moment. Dann öffnete sie eine Tür. »Kommen Sie herein.« Mit einer Handbewegung forderte sie uns auf, ihr zu folgen. Es war ein heller Raum, der offensichtlich nur zu besonderen Anlässen benützt wurde. Alles war sauber und stand an seinem Platz, der Geschmack jedoch, mit dem der Raum eingerichtet worden war, war haarsträubend. Sie setzte sich abwartend in einen Sessel. Ich verspürte erneut dieses merkwürdige Gefühl, aber jetzt war nicht der richtige Moment, um darüber nachzudenken.
»Das ist meine Nichte, Miss Warne«, eröffnete ich die Unterhaltung. »Ich bin Miss Teasdale.«
»Mrs. Rumbold«, sagte sie ohne weitere Erklärung.
»Also, wir haben uns die Räume angesehen, wie ich bereits erwähnte«, fuhr ich fort. »Wir hätten gerne gewusst, ob Sie die Zimmer einzeln vermieten oder als...«