Das zauberhafte Puppenhaus - Alexandra Fischer-Hunold - E-Book

Das zauberhafte Puppenhaus E-Book

Alexandra Fischer-Hunold

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Beschreibung

Haus Sonnenbühl! Endlich darf Juline auf das Internat ihrer Träume. Schon ihre Eltern haben dort ihre Schulzeit verbracht und erzählen davon mit glänzenden Augen. Magisch sei es dort gewesen ... Nur was genau war dort so zauberhaft? Juline ist wild entschlossen, das herauszufinden. Doof nur, dass sie gleich am ersten Tag mit der hochmütigen Luisa zusammenrasselt. Gerade als Juline glaubt, die Gemeinheiten Luisas nicht länger ertragen zu können, entdeckt sie auf dem Dachboden der Schule ein wundervolles, antikes Puppenhaus mit knisterndem Kaminfeuer, duftendem Kirschkuchen und ganz reizenden Bewohner. Wenn da mal nicht Magie im Spiel ist …

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Ähnliche


Inhalt

Cover & Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 2

Das Schulgebäude war noch schöner als auf den Fotos, die Juline sich immer und immer wieder im Internet angeguckt hatte. Schwarz-weiß gemusterte Mosaiksteinböden, weiß getünchte Wände, hohe gewölbte Decken, majestätische Treppen und Marmorsäulen. Juline kam sich vor wie in einem Palast. Um sie herum schnatterten und lachten Mädchen und Jungs. Alle steckten, wie Chiara neben ihr, in der Schuluniform von Haus Sonnenbühl: dunkelblau-grün karierter Faltenrock, dunkelblaue Kniestrümpfe, schwarze Halbschuhe, weiße Bluse mit grüner Krawatte unter einem blauen Pullover und darauf ein dunkelblaues Jackett. Die Uniform der Jungs sah genauso aus. Nur mit dem Unterschied, dass sie Hosen anstelle des Rockes trugen. Es war nicht gerade die neuste Mode, aber Juline konnte es trotzdem kaum erwarten, mit dieser Montur ausgestattet zu werden. Sie wollte endlich richtig dazugehören!

Am Ende des Ganges befand sich eine große dunkle Eichentür. Ihre Flügel standen einladend offen. Kleine im Boden verankerte Figürchen aus Eisen hinderten sie am Zufallen. Stimmengewirr und Stühlerücken drangen auf den Flur hinaus. Juline spürte, wie ihr die Aufregung wie eine wohlige Gänsehaut über Arme und Rücken kribbelte.

»Da sind wir!«, verkündete Chiara und mit dem nächsten Schritt standen sie mitten im Getümmel.

»Dahinten sitzen die Lehrer. Unschwer zu erkennen«, begann sie Juline zu erklären. Dabei deutete sie über alle Tische hinweg in den hinteren Teil des Saales. Die Lehrer saßen an ellenlangen Tischen und zwar so, dass sie die riesige Fensterfront im Rücken und freie Sicht auf ihre Schüler hatten. Fast wie in Hogwarts, dachte Juline, und fühlte sich hier auf Anhieb wohl.

»Jede Jahrgangsstufe hat ihren eigenen Sitzbereich. Die Fünfer müssen es ganz vorne im Blickfeld der Lehrer aushalten. Die Abiturienten sitzen gleich hier an der Tür. Der Rest macht sich irgendwo dazwischen breit. Spätestens heute Mittag weißt du, wo welche Jahrgangsstufe zu finden ist.«

Juline kam aus dem Staunen gar nicht raus. Diese weißen Wände, über die sich kurz unter der Decke Blüten und Blätter aus Stuck rankten, der fantasievoll gemusterte Boden aus edlem Parket, der bei jedem Schritt leise knarzte. Sie legte den Kopf in den Nacken … und diese gigantischen Lüster.

»Fast so wie in Versailles«, murmelte sie verträumt.

»Was?«, fragte Chiara geistesabwesend.

»Die Leuchter!« Mit ausgestrecktem Zeigefinger deutete Juline nach oben. »Sie sehen fast so irre aus wie die im Spiegelsaal von Versailles.«

»Wenn du meinst!«, erwiderte Chiara wenig beeindruckt und machte schon irgendwelchen Freunden ein Zeichen, dass sie jetzt kommen würde: »Also, dann bediene dich. Da vorne steht das Frühstücksbüfett. Nimm dir, was du haben möchtest.« Sie schob den Ärmel ihres Jacketts zurück, sodass eine goldene Armbanduhr zum Vorschein kam. »Um acht beginnt der Unterricht. Wir treffen uns dann vor …?«

»Wo? … Chiara? Wo treffen wir uns?« Sinnlos, Chiara war weg. Irgendwo in der Menge verschwunden. Unsicher schlang Juline die Arme um sich, während sich ein nicht enden wollender Strom aus hungrigen Schülern Richtung Büfett um sie herumschlängelte. Sie spürte neugierige Blicke. Natürlich wusste jeder, dass sie neu war. Schließlich war sie die Einzige ohne Schuluniform. Tapfer zog Juline die langen Ärmel ihres ausgeleierten Lieblingspullis über die Hände, straffte die Schultern und stellte sich auf Wackelpeterbeinen in der langen Reihe vor dem Büfett an. Klar, jetzt wurde auch getuschelt. Es war ja auch seltsam, dass eine Neue mitten im Schuljahr auftauchte. Aber gut, tröstete sich Juline, spätestens heute Abend, wenn alle über sie Bescheid wussten, wäre sie keine Attraktion mehr.

Das Frühstücksbüfett war der Hammer. Juline wusste gar nicht, wohin sie zuerst gucken sollte. Es gab alles, was sie sich nur wünschen konnte: gebackene Bohnen, gegrillte Tomaten, Rührei, Spiegeleier, gekochte Eier, Käse, Aufschnitt, Lachs, alle möglichen Marmeladen, Joghurt, Obst, Weizenbrötchen, Körnerbrötchen, süße Brötchen, Croissants und Müslis aller Art. An jedem anderen Morgen hätte Juline richtig zugelangt. Aber heute schlug ihr die Aufregung auf den Magen. Nur ein Rosinenbrötchen landete auf ihrem Teller und von der netten, kugelrunden Dame an der Getränkebar ließ sie sich einen dampfenden Kakao anreichen.

 

Das Tablett in den Händen hielt Juline nach einem freien Sitzplatz Ausschau. Unschlüssig presste sie die Lippen aufeinander. Die meisten Tische waren voll besetzt. Egal, wo sie hinschaute, überall wurden Köpfe zusammengesteckt, erzählt und gelacht. Sie hatte keine Lust, das fünfte Rad am Wagen zu sein. Langsam schritt sie suchend durch die Reihen, als sie mitten im Getümmel Chiara entdeckte. Rechts neben ihr saß ein Mädchen mit langen, superhellblonden Haaren. Juline überlegte, wo sie das Gesicht schon mal gesehen hatte. Dann fiel es ihr wieder ein. Es war auf diesem Jacht-Foto über Chiaras Schreibtisch gewesen.

»Luisa«, flüsterte sie leise. Sie war schon sehr gespannt darauf, Chiaras beste Freundin kennenzulernen. Den beiden gegenüber saßen zwei andere Mädchen. Sie hatten sich weit über den Tisch gebeugt und schienen etwas in Luisas Hand zu betrachten. Von ihnen konnte Juline nicht mehr als ihre Schuluniformen und wippende braune Zöpfe sehen. Was sie aber deutlich sehen konnte, war, dass Chiara den Platz links neben sich mit ihrem Rucksack blockiert hatte. Kurz überlegte Juline, ob Chiara den Stuhl wohl für sie reserviert hatte. Schnell war sie sich sogar absolut sicher, dass es so sein musste. Erleichtert, dass die Sucherei ein Ende hatte, quetschte Juline sich eilig an Stühlen, Tischen und Schülern vorbei. Sie hatte zwar den Eindruck, dass sich ohnehin keiner für ihre Entschuldigungen interessierte, aber sie entschuldigte sich trotzdem bei jedem, der ihr aus dem Weg gehen oder für sie mit seinem Stuhl vorrücken musste.

»Entschuldigung, darf ich mal vorbei!« Chiaras Tisch war schon so nah, dass Juline die lustigen Sommersprossen auf Luisas Gesicht sehen konnte, als sie doch auf einmal von der Seite eine Antwort bekam.

»Oui, bien sûr!«

Verwundert blieb Juline stehen. Sie hatte gar nicht gewusst, wie sehr sie den Klang der schönsten Sprache der Welt vermisst hatte! Es war ein Junge mit schwarzen Locken und sagenhaft langen Wimpern, der diesen kurzen Satz gesagt hatte. Juline hatte lang genug in Paris gelebt, um sich sicher zu sein, dass er ein waschechter Franzose sein musste. Der Glückliche!

»Merci beaucoup!« Juline strahlte ihn an. Jetzt war sie absolut gewiss, dass sie in Haus Sonnenbühl richtig war.

 

»Wie lieb, dass du mir den Platz frei gehalten hast, Chiara!«, rief Juline. Sie wusste gar nicht wohin mit ihrer riesengroßen Freude, als sie die Hand nach der Rückenlehne des Stuhles ausstreckte, um sich neben Chiara zu setzen.

»Hi!«, winkte sie, als ihr Blick von Luisa zu den beiden Zopfmädchen glitt. Stirnrunzelnd verglich sie die eine mit der anderen.

»Ich dachte, ich bin in Haus Sonnenbühl und nicht im Lindenhof. Aber ihr seht eindeutig wie Hanni und Nanni aus«, sagte Juline lachend. Irritiert schaute sie zwischen den Mädchen hin und her, als keine auf ihren Scherz reagierte. Stattdessen ließen Luisa und die Zwillinge ihre ausdruckslosen Blicke musternd über Juline gleiten. Von oben nach unten und wieder von unten nach oben. Was sie sahen, erfüllte ganz offensichtlich nicht ihre Erwartungen. So kam es Juline zumindest vor. Auf der Stelle bekam ihr überschwängliches Glücksgefühl einen ziemlichen Dämpfer.

»Wer ist das?« Luisa hatte ihre Frage an niemand bestimmten gerichtet.

»Nur meine neue Mitbewohnerin«, murmelte Chiara, während sie hektisch ein Heft nach dem anderen aus ihrem Rucksack zerrte. »Verdammt, ich glaube, ich habe die Englischhausaufgaben völlig verpennt. Kann ich die bei jemandem abschreiben?«

»Ich bin Juline!«, stellte Juline sich zögernd vor. Jetzt traute sie sich doch nicht, sich einfach dazuzusetzen.

»Juline wer?«, bohrte Luisa mit eisiger Stimme nach.

»Juline Taubert.«

»Wo kommst du her?«

»Aus Berlin. Also, wir wohnen da erst seit einem halben Jahr, vorher …«

»Taubert?« Stirnrunzelnd drehte Luisa das Handy, das auf der Tischplatte vor ihr lag, hin und her. »Der Name sagt mir nichts. Gar nichts.«

In Julines Ohren klang das wie ein Vorwurf, auch wenn sie nicht verstand, wieso Luisa erwartete, schon mal den Namen Taubert gehört zu haben.

»Ich bin die Neue!«, erklärte sie schulterzuckend. Sie hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, da hätte sie sich schon selbst ohrfeigen können. Das konnte sich schließlich jeder an allen fünf Fingern abzählen.

»Offensichtlich!«, antwortete Luisa auch prompt, stützte den Ellenbogen auf die Tischplatte und das Kinn auf den sorgsam manikürten Fingern auf, um Juline erneut in Augenschein zu nehmen. »Wo hast du nur diese Klamotten her? Aus der Altkleidersammlung?«

Mit großen Augen schaute Juline an sich runter. Was stimmte denn mit ihren Sachen nicht? Ihren kuscheligen Lieblingspulli mit den Ärmeln, die so lang waren, dass man sie bequem über die fröstelnden Hände ziehen konnte, hatte sie extra für heute ausgesucht, weil sie sich darin so wohlfühlte. Genauso wie ihre Glücksjeans. Denn die hatte sie getragen, als sie mit zitternden Fingern den widerspenstig quietschenden Briefkasten im Hausflur aufgeschlossen und darin den geheimnisvollen Briefumschlag mit dem Wappen von Haus Sonnenbühl gefunden hatte. Sie hatte ihren Augen kaum trauen wollen, als sie den Briefbogen auseinandergefaltet und die Worte: Wir freuen uns, Juline ab dem nächsten Schuljahr … gelesen hatte. Die restliche Schrift hatte sie durch den Glückstränenschleier nicht mehr entziffern können.

»Anyway … Die Schuluniform wird auf jeden Fall schon mal eine deutliche Verbesserung sein«, seufzte Luisa theatralisch. »Es wird ein ganz schönes Stück Arbeit werden, aus ihr einen zivilisierten Menschen zu machen. Aber zum Glück sehe ich kein Problem, das eine Kreditkarte nicht lösen könnte.«

Luisas Worte waren bestimmt nicht so verletzend gemeint, wie sie in Julines Ohren im ersten Moment geklungen hatten, überlegte Juline sich. Genauso wenig wie die Tatsache, dass Luisa so redete, als sei sie gar nicht anwesend.

»Strähnchen!«, schlug einer der Zwillinge jetzt fachmännisch nickend vor.

»Und ein ordentlicher Schnitt!«, stimmte Chiara zu. »Vielleicht ein kurzer Bob?«

Verunsichert tastete Juline nach ihrem schulterlangen Haar.

Sie wusste selber, dass es weder richtig blond noch richtig braun war. Es war irgendwas dazwischen, aber das hatte sie noch nie gestört und der Schnitt war doch auch völlig okay, praktisch eben. Ein kurzer Bob kam auf keinen Fall infrage. Da würden ihr die Haare beim Geigespielen nur im Gesicht rumhängen, entschied Juline gerade für sich, als eine Stimme rief: »Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat, aber die mussten erst neuen Joghurt aus dem Kühlraum holen.«

Juline war sich sicher, niemals zuvor jemandem begegnet zu sein, zu dessen Haar die Beschreibung feuerrot besser gepasst hätte als zu diesem Jungen. Mit höchster Konzentration balancierte er ein Tablett, auf dem sich Teller, Schälchen, Gläser und Tassen türmten, auf den Tisch zu.

»Darf ich mal?«

»Ja, klar!«, antwortete Juline und trat schnell von dem freien Stuhl zurück, damit der Junge das voll beladene Tablett auf die Tischplatte schieben konnte. Mit flinken Fingern machte er sich an das Verteilen.

»Einen Cappuccino und einen Multivitaminsaft für dich, Luisa. Und einen Schokokeks.«

Luisa schnupperte genießerisch an dem schokobraunen Keks. »Gift für Haut und Hüften, aber ich sterbe nun mal für diesen Süßkram!«, seufzte sie.

»Deine Soja-Latte, Melli.«

»Nelli, dein Tee.«

»Und … der frisch gepresste O-Saft für dich, Chiara.«

Des Weiteren wanderten Teller mit Gurkenscheiben, Tomatenspalten und geraspelten Möhren, gefolgt von Müslischalen und vier Joghurtbechern über den Tisch.

Julines überraschter Blick huschte zwischen den Zwillingen – im Stillen würde sie sie Melli-Nelli nennen, beschloss sie, denn nie im Leben würde sie die eine von der anderen unterscheiden können –, Chiara und Luisa hin und her. Es war ihr nicht entgangen, dass sich keine von ihnen bei dem Jungen bedankt hatte, der jetzt unbeholfen das Tablett zwischen den Händen drehte. Stirnrunzelnd beobachtete sie, wie er noch einen Moment zögerte und sich dann an das Kopfende des Nachbartisches verkrümelte, wo er ganz allein und hastig ein Käsebrötchen hinunterwürgte, die Vierermädchengruppe aber nicht aus den Augen ließ. Wie ein Hund, der seinen Herrn beobachtet, schoss es Juline durch den Kopf.

Nachdem Juline vergebliche zwei Minuten darauf gewartet hatte, dass Chiara den Stuhl für sie räumte, wollte sie auch nicht darum bitten. Sie wünschte den vieren nur noch einen guten Appetit und schaute sich nach einem anderen Platz um.

Für einen Moment spielte sie mit der Möglichkeit, sich zu dem Jungen zu setzen, als ihr ein sympathisch aussehendes Mädchen auffiel, neben dem links und rechts noch reichlich Platz war.

»Ist hier noch frei?«, versuchte Juline ihr Glück. Diesmal wurde sie mit einem strahlenden Lächeln belohnt.

»Klar! Hock dich hin!«, lud das Mädchen sie ein und schob ihre große, runde Brille den Nasenrücken hoch. »Du bist Juline, nicht wahr? Die Neue, die eigentlich schon seit dem Sommer in unsere Klasse gehen sollte. Wie war das? Masern, Lungenentzündung, ein teuflischer Virus oder welche Pest hat dich noch mal so lange ans Bett gefesselt?« Juline musste lachen, wie konnte man so schnell und so viel reden, ohne auch nur einmal Luft zu holen.