Das Zirpen der Grillen - L. U. Cephir - E-Book

Das Zirpen der Grillen E-Book

L. U. Cephir

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Beschreibung

Ihr neuester Auftrag führt die Weltraum-Agentin Constance Escher an Bord der Silver Eagle. Zusammen mit dem ominösen Schmugglerkapitän Nepomuk gerät sie zwischen die Fronten und muss die menschliche Föderation vor der Vernichtung durch eine übermächtige fremde Zivilisation bewahren. Dies ist der erste Band aus den Logbüchern der Silver Eagle.

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Seitenzahl: 164

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L. U. Cephir

Das Zirpen der Grillen

Aus den Logs der Silver Eagle (Version 23.11)

Impressum

Deutsche Erstausgabe 12/2020, Version 23.11

Copyright © 2020 L. U. Cephir / Magische Bücher

ISBN: 978-3-384-06811-8

Herausgeber: Magische Bücher

[email protected]

Das vollständige Impressum des Autors findet sich auf www.magische-buecher.eu

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Personen und Handlung sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen oder Organisationen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Das Zirpen der Grillen

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Kapitel 1

Kapitel 39

Das Zirpen der Grillen

Cover

1

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Kapitel 1

Constance Escher starrte ungläubig auf das Schreiben, das ihr der behandelnde Arzt überreicht hatte. Oben auf der Seite prangte das Logo der BETA, der Behörde für extraterrestrische Angelegenheiten, einem eher unbedeutenden Ableger der militärischen Aufklärungsdienste MAD. Darunter stand in knappen Worten ihr neuester Auftrag:

Im System Antares sind technologische Artefakte aufgetaucht,

die vermutlich von einer unbekannten fremden Spezies stammen.

Eine Fregatte der Sondereinheiten ist dort in geheimer Mission unterwegs.

Der Funkkontakt zur Besatzung ist vor einigen Tagen abgebrochen.

Brechen Sie sofort dorthin auf und untersuchen Sie die Situation.

Constance konnte sich über diesen unerwarteten Marschbefehl nicht so recht freuen. Sie hatte sich während der letzten Wochen auf der Raumstation Ganymed IV von den Strapazen diverser Operationen an ihren Biotech-Implantaten erholt, die der MAD ‚routinemäßig‘ hatte durchführen lassen. Noch hatte sie sich nicht an die neuen Datenströme gewöhnt, die in ihr Gehirn eingespeist wurden und wurde ständig von stechenden Kopfschmerzen geplagt.

Das Antares-System lag im Saggitarius-Arm in Richtung des Zentrums der Milchstraße und in der Nähe diverser heiß umkämpfter Gebiete. Der ganze Raumsektor stand im Ruf, Schmugglern und anderen zwielichtigen Gestalten Unterschlupf zu bieten.

Diese Ermittlungen wären die Gelegenheit, endlich dem endlosen Trott unbedeutender Recherchen für ihren eigentlichen Arbeitgeber, dem MAD zu entkommen und etwas für ihre wissenschaftliche Karriere an der BETA zu tun. Ihre Leidenschaft war das Fliegen, aber darüber hatte sie die Wissenschaft oftmals vernachlässigt.

‚Technologische Artefakte‘ konnte alles Mögliche bedeuten. Den Militärs war nicht an der Erforschung der fremden Spezies gelegen, sondern sie interessierten deren technische Errungenschaften. Wenn sie die Herkunft der Artefakte selbst nicht kannten, waren sie wahrscheinlich von Schmugglern auf den Schwarzmarkt gebracht worden.

Constance seufzte tief. Letztendlich hatte sie keine Wahl, Befehl war Befehl. Sie las weiter.

Begeben Sie sich unverzüglich an Bord des Frachters Galaxy.

Dieser legt in zwei Stunden ab und steuert das Antares-System an.

Anbei finden Sie entsprechende Dokumente und Ausweispapiere.

Sie blätterte die beigelegten Unterlagen kurz durch. Das übliche Paket an falschen Papieren und Zeugnissen. Zum Glück waren Letztere nicht wieder so auffallend gut, dass sie unangenehme Fragen gestellt bekommen würde.

Einmal mehr wunderte sie sich, wie die BETA es fertigbrachte, ihr zeitnah neue Aufträge nachzusenden. Schließlich hielt sie sich im Perseus-Arm der Milchstraße auf und war die ungeheure Distanz von 20.000 Lichtjahren vom Sonnensystem und damit der Zentrale der BETA entfernt. Auch eine Nachrichten-Drohne müsste eine ganze Serie von Sprüngen durch den Hyperraum ausführen, mit den unvermeidlichen Manövern zwischen den einzelnen ‚Wurmlöchern‘, und wäre mehrere Wochen unterwegs. Offenbar verwendete die BETA schnellere Kommunikationskanäle, deren Nutzung ihr verwehrt war.

Constance packte ihre Unterlagen ein und wandte sich an den Arzt. »Wo finde ich denn bitte den Frachter Galaxy?«

»Fragen Sie den Hafenmeister«, grunzte dieser und hielt ihr etliche Formulare hin. »Ihre Entlassungspapiere. Hier unterschreiben.«

Constance bedankte sich artig und verabschiedete sich übertrieben höflich von ihrem Arzt, der sie geflissentlich ignorierte und mit dem Klemmbrett unter dem Arm um die Ecke verschwand. Geistesabwesend zerriss Constance den Auftrag in kleine Schnipsel, die sie im Hinausgehen in einen Abfalleimer warf.

Eine Stunde später trat Constance aus dem Büro des Raumhafenmeisters. Sie rückte die Gurte ihres sperrigen Rucksacks zurecht und ließ den Blick über das hektische Durcheinander auf der Hauptebene von Ganymed IV schweifen, soweit die ungewohnte Aufwärtskrümmung der zylindrischen Konstruktion dies erlaubte. Hier verschwand nicht der Boden unter dem Horizont, sondern die Decke darüber.

Constance blickte prüfend zurück in die verspiegelte Bürotüre, die hinter ihr ins Schloss gefallen war, und zog ihre Kappe noch ein wenig tiefer in die Stirn. Mit ihrem kantigen Kinn, den kurzen braunen Haaren und in den weiten abgetragenen Ledermantel gehüllt war sie auch auf den zweiten Blick nicht unbedingt als Frau zu erkennen. Ihre sonstige martialische Aufmachung — ein doppelter Pistolengurt mit insgesamt vier Schusswaffen und die Kevlar-verstärkte Weste und Hose — trugen auch dazu bei, dass sie unter den ganzen Haudegen und Söldnern auf der Station nicht weiter auffiel.

Sie sah sich kurz um und stakste mit langen Schritten auf die wartenden Transferkabinen des Magnetbahnsystems zu. Sie verwehrte rücksichtslos etlichen anderen, die in das selbe viersitzige Gefährt zusteigen wollten, mit ihrem voluminösen Gepäck den Zutritt. Dann gab sie mit flinken Fingern die Kennzahl für das Fahrtziel ein, einen kleinen Anleger im entlegensten Winkel des älteren Teils der Dockanlagen. Sobald sich die Schiebetüren mit einem asthmatischen Zischen geschlossen hatten und die Kabine sich in Bewegung setzte, lehnte sich Constance entspannt zurück und genoss die wenigen Minuten der Ruhe bis zum unvermeidlichen Trubel des Ladedocks.

Am Bestimmungsort angelangt blinzelte Constance missmutig ins gleißende Licht der Dockanlage und kletterte aus dem engen Fahrzeug. Dann ging sie auf die Hauptschleuse der trotz der grellen Beleuchtung grau und düster wirkenden Dockanlage zu.

Dort überprüfte der Lademeister persönlich die Frachtlisten und hakte jede einzelne Kiste und jeden einzelnen Container nach sorgfältiger Überprüfung der langen Seriennummer ab. Er blickte feindselig zu dem Neuankömmling auf, beschloss diesen zu ignorieren und wandte sich wieder der Kontrolle der Ladung zu.

Kapitel 2

Constance setzte ob der rüden Behandlung ein breites Lächeln auf, das aber nicht ihre kalt blitzenden eisgrauen Augen erreichte. »Seid gegrüßt, werter Lademeister. Mein Name ist Stan Escher. Ihr seid sicher über mein Kommen unterrichtet worden. Hier sind meine Papiere.« Constance griff in eine Innentasche ihres Mantels und brachte ein umfangreiches Bündel von sehr offiziell wirkenden Dokumenten zum Vorschein.

Der Lademeister nahm es mit einem knappen Nicken in Empfang. Er begnügte sich damit, die eindrucksvollen Siegel und Stempel auf den einzelnen Umschlägen kurz zu überfliegen, und gab das Paket mit einem unfreundlichen Grunzlaut zurück. »Ich gehe davon aus, dass Ihr Euch zurechtfindet. Kabine 5C.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren vertiefte sich der Lademeister wieder in seine Listen.

Constance setzte zu einer bissigen Entgegnung an, bückte sich dann mit einem müden Schulterzucken nach dem Reisesack. Sie schlug den Mantel enger um sich und marschierte die breite Rampe hinauf ins Innere der Galaxy. Die kalte Ablehnung oder gar der glühende Hass, mit denen sie empfangen wurde, waren keine neue Erfahrung. Sie tauchte oftmals unerwartet auf einem Dock auf und wies sich mit von höchster Stelle ausgefertigten Papieren als außerplanmäßiger und selten willkommener Passagier aus. Auch hatte der Lademeister richtig vermutet, dass Constance den Weg zu ihrer Kabine finden würde, da sie mit allen gängigen und etlichen weniger gängigen Schiffstypen bestens vertraut war.

Constance verstaute Reisesack sowie Mantel in ihrer Kabine und suchte den Kapitän der Galaxy auf. Dies war ein Besuch, den Constance nur zu gern vermieden hätte. Sie klopfte kurz an der Tür zum Empfangsraum des Kapitäns und trat rasch ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Als Constance den Kapitän der Galaxy erkannte, versteifte sie sich unmerklich. Jason O‘Connor war ein alter Bekannter, verbunden mit finsteren und unangenehmen Erinnerungen.

O‘Connor blickte kurz auf und deutete vage auf die beiden schweren Sessel vor seinem ausladenden Schreibtisch. »Nehmt doch bitte Platz, werter Herr! Ich muss noch einige Papiere unterzeichnen, aber in einer Minute habe ich Zeit für Euch — wenn auch nicht lange.«

Constance verkniff sich ein humorloses Auflachen und setzte sich schweigend in den rechten Sessel, der weiter von der einzigen helleren Lichtquelle im Raum entfernt stand, einer riesigen, geschmacklos grellbunten Schreibtischlampe zur Linken des Kapitäns.

Nach etwa zehn Minuten, als O‘Connor nicht länger vorgeben konnte, mit wichtigeren Dingen befasst zu sein, legte er den Stapel Papiere zur Seite und blickte forschend zu seinem im Halbschatten harrenden Gast. »Nun, werter Herr, was führt Euch auf mein einfaches Frachtschiff, kaum ein angemessenes Transportmittel für eine derart hochgestellte Persönlichkeit?«, verlangte er mit unverhohlener Geringschätzung zu wissen.

»Guter Kapitän O‘Connor, Ihr kennt mich und wahrscheinlich auch die Art meines Auftrags, wenn mir auch scheinen mag, dass Ihr mich nicht wiedererkannt habt. Aber bildet Euch selbst ein Urteil, hier sind meine Dokumente.« Constance warf mit einer lässigen Handbewegung einige sorgsam ausgewählte Umschläge in die Mitte des Schreibtischs und direkt vor die ineinander verschlungenen Hände des Kapitäns, was keine leichte Übung unter der geringen Schwerkraft war.

O‘Connor stutzte ein wenig, sobald er die samtweiche Stimme seines Gastes vernahm, als lauere eine Erinnerung am Rande seines Bewusstseins, gerade außer Reichweite, aber ihn mit dunkler Vorahnung erfüllend. Er studierte eine Weile angestrengt das Gesicht seines Gegenübers, das einen weichen, fast femininen Mund und eine kleine Stupsnase zeigte, dessen Züge aber beherrscht waren von den gefühllosen, allzu vertrauten eisgrauen Augen über stark ausgeprägten Wangenknochen, überschattet von kurzem braunen Haar mit einem ersten Grauschleier an den Schläfen. Mit zitternden Fingern öffnete er schließlich den Umschlag, der die persönlichen Daten Constances enthielt.

Beim Anblick des Namens auf dem Personalbogen entfuhr O‘Connor ein dumpfes Stöhnen. »Ich dachte doch, dass mir Eure Stimme bekannt vorkam.« Er lächelte gequält. »Wie nennt Ihr Euch derzeit? Conny Escher? Charlie? Sicherlich nicht Constance!«

Die Angesprochene, mit vollem Namen Constance Charlotte Escher, warf dem Kapitän einen unergründlichen Blick zu und wartete mit ihrer Antwort, bis O‘Connor unruhig in seinem Sessel hin und her rutschte. »Ich gebe zu, dass es schon ein paar Jahre her ist, seit wir zuletzt das zweifelhafte Vergnügen hatten, miteinander zu reisen. Auch habe ich mein Aussehen seither nicht unbeträchtlich verändert.« Sie gestattete sich ein freudloses Lächeln. »Der Lademeister hat freundlicherweise davon abgesehen, meine Papiere zu prüfen, also seid Ihr der Einzige an Bord, der meine Identität kennt. Ich wünsche — nein, ich befehle, dass es so bleibt.« Ihre Stimme hatte plötzlich alle Weichheit verloren und war stattdessen durchdrungen von einer eiskalten Schärfe, die den Kapitän erschaudern ließ. »Ihr wisst, dass ich de facto die Befehlsgewalt über die Galaxy innehabe. Zwingt mich nicht, von meinen Befugnissen Gebrauch zu machen!«

O‘Connor tupfte sich den kalten Schweiß von der Stirn und stammelte seine Zustimmung. »Gewiss, teure Dame. Kein Wort wird über meine Lippen kommen.«

»Gut so. Ich heiße für alle an Bord Stan Escher und bin Sonderbeauftragter des Schatzamts. Mehr braucht niemand zu wissen — auch Ihr nicht!« Mit diesen Worten erhob sich Constance, raffte ihre Papiere vom Tisch des immer noch um seine Selbstbeherrschung ringenden Kapitäns und stolzierte aus dem Empfangsraum.

O‘Connor bedachte die geschlossene Tür mit einem langen hasserfüllten Blick.

Kapitel 3

Constance zog sich in ihre Kabine zurück, eigentlich mehrere miteinander verbundene Räume, die überraschend geschmackvoll und aufwändig eingerichtet waren und nicht so recht zu einem schäbigen alten Handelsschiff passen mochten. O‘Connor verdiente sich vermutlich ein saftiges Zubrot durch kleine Gefälligkeiten gegenüber einflussreichen Kaufleuten von zweifelhaftem Ruf oder nahm ab und an einen Botschafter gegen großzügige Bezahlung mit, der unerkannt reisen und den vielen wachsamen Augen und Ohren auf den großen Passagierschiffen entgehen wollte.

Während der langen und ereignislosen Reise zum Antares-System blieb Constance in ihrer Suite. Sie studierte ihre Unterlagen, fertigte ein paar Dossiers an und las hin und wieder ein Buch aus der umfangreichen und gut sortierten Bordbibliothek. Selbst ihre Mahlzeiten nahm sie in friedvoller Abgeschiedenheit ein.

Endlich schwebte die Galaxy in eine Umlaufbahn um Antares IV ein, dem vierten Planeten einer rötlich glimmenden Sonne.

Mit dem ersten Shuttle ließ sich Constance hinab zur Planetenoberfläche auf die Großbaustelle bringen, die hier die stolze Bezeichnung ‚Raumhafen‘ trug. Nach einigem Suchen entdeckte sie endlich das Büro der Einwanderungsbehörde, derzeit in einer Reihe behelfsmäßig aufgestellter Container untergebracht. Dort legte sie Papiere vor, die sie — beinahe der Wahrheit entsprechend — als gebürtige Antaresin auswiesen, die nach langem Aufenthalt in diversen anderen Sonnensystemen um einen permanenten Wohnsitz auf ihrer Heimatwelt ersuchte. Sie konnte auch einwandfreie Zeugnisse und Empfehlungsschreiben vorlegen — die selbst im Inhalt nicht ganz der Wahrheit entsprachen. So war die Wiedereinbürgerung eine reine Formsache, die sich nach Zahlung angemessener ‚Bearbeitungsgebühren‘ auch zufriedenstellend rasch abwickeln ließ.

Anschließend machte sich Constance auf den Weg in die alten Teile der Stadt. In all den Jahren war den wenigen Tausend Bewohnern kein passender Name eingefallen, sie hieß immer noch einfach ‚Die Stadt‘. Im Zentrum lag ein unübersichtliches Gewirr enger und verwinkelter Gässchen, das Unterschlupf vieler zwielichtiger Gestalten war. Constance suchte sich eine bescheidene und unauffällige Pension, wo ihr gutes Geld gerne angenommen wurde und keine überflüssigen Fragen gestellt wurden.

Die nächsten Tage verbrachte Constance in den düsteren Kneipen der näheren Umgebung, wo sie sich in einer ruhigen Ecke hinter einem Krug Bier verschanzte und aufmerksam dem Klatsch lauschte. Vor sich auf den Tisch legte sie ihre Mappe mit Sternkarten sowie ihre Zeugnisse und deutete so an, dass sie ein Navigator auf der Suche nach einer Heuer sei. Sie hütete sich, allzu viele Fragen zu stellen, sondern wartete immer, bis sich jemand zu ihr setzte und ein Gespräch anknüpfte.

Am sechsten Abend zahlte sich Constances Geduld endlich aus. Ein unscheinbarer Mann mittleren Alters setzte sich wortlos ans andere Ende ihres Tisches, nippte für eine halbe Stunde schweigend an seinem Bier und musterte die übrigen Gäste. Schließlich rutschte er herüber und nickte ihr kurz zu. »Auf der Suche nach einer Verdienstmöglichkeit?«

Sie bejahte, zeigte aber kein zu deutliches Interesse.

»Ich hätte eine gute bezahlte Position als Navigator im Außendienst eines unabhängigen Handelshauses anzubieten«, erklärte der Mann.

Constance nahm einen Zug aus ihrem Bierkrug, vorgeblich um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, in Wahrheit jedoch, um ein unwillkürliches Lächeln ob der blumigen Umschreibung für Schmuggel zu kaschieren. Schließlich ließ sie sich dazu herab, ein »Klingt ganz interessant«, hinzuwerfen.

»Irgendwelche Qualifikationen?« Der Mann ließ keinen Zweifel daran, dass nicht jeder dahergelaufene Tagelöhner für die anspruchsvollen Aufgaben in Frage käme.

Sie nickte unbeteiligt und ratterte eine lange Liste von Ausbildungsgraden und Dienstverhältnissen der unterschiedlichsten Sparten herunter. Um den Wahrheitsgehalt ihrer Behauptungen zu belegen, griff sie in ihre Zeugnismappe nach einem Bündel Dokumente.

Der Mann winkte ab. »Lass gut sein. Lass uns verschwinden, hier ist es zu unruhig für ein vernünftiges Gespräch. Ich warte draußen an der Ecke. Komm in einer Minute nach.«

Constance nickte wortlos und wandte sich wieder ihrem Bier zu. Nach reichlich drei Minuten erhob sie sich gemächlich, warf dem Schankburschen einen Credit zu und stelzte hinaus auf die düstere Gasse.

Draußen pfiff ein kalter Wind durch die Stadt. Dieser vertrieb zwar die unangenehmen Gerüche, drang aber auch durch Constances dünnen Parka. Sie schlug den Kragen hoch und vergrub dann ihre Hände in den geräumigen Taschen.

Schräg gegenüber stieß sich der Mann von der Hauswand ab und ging langsam die Straße hinab. Ohne sich umzublicken schlenderte er scheinbar ziellos durch das Gewirr enger Gässchen, arbeitete sich aber stetig in den ältesten, verwinkeltsten und verrufensten Teil der Stadt vor.

Constance folgte ihm in gebührendem Abstand. Sie versuchte erfolglos, sich den Weg einzuprägen.

Schließlich betrat der Mann eine heruntergekommene Kneipe mit kleinen, durch alten Schmutz getrübten Fenstern, die an der Ecke eines bedrohlich wirkenden und ansonsten fensterlosen Häuserblocks lag.

Constance blickte sich ein letztes Mal unauffällig um und schlüpfte dann rasch durch die schmale Türöffnung. Zu ihrer Überraschung fand sie sich alleine in einer Schleuse wieder, vor ihr eine weitere griff- und schlosslose Tür, zu den Seiten verspiegelte Wände.

In der Wand zu ihrer Rechten öffnete sich eine kleine Klappe. Aus der Decke ertönte eine monotone Kunststimme: »Bitte legen Sie Ihre Waffen in das Fach. Sie erhalten sie beim Verlassen dieses Gebäudes zurück.«

Constance kam der Aufforderung nach, legte Stunnerpistole und Dolch aus ihrem Hüftgurt in das Fach und stellte sich vor die innere Tür.

Die Computerstimme wiederholte jedoch ihre Forderung und fügte detaillierte Angaben zu den versteckten Waffen hinzu, die noch abzugeben wären: »Bitte legen Sie die Nadelpistole in Ihrem Schulterhalfter ab. Bitte legen Sie das Messer in Ihrem rechten Stiefel ab.«

Verwundert sah sich Constance die Wände näher an, während sie ihre übrigen Waffen ablegte, konnte aber keine Anzeichen für eine Durchleuchtungsanlage erkennen. Offenbar war die Zugangsschleuse mit den modernsten Überwachungsgeräten ausgestattet, und sie war auf Anhieb an eine der mächtigeren Schmugglerbanden geraten.

Wieder erklang die Stimme: »Vielen Dank. Bitte legen Sie Ihre Ausweispapiere ebenfalls in das Fach. Sie erhalten diese nach sorgfältiger Überprüfung zurück.«

Mit einem flauen Gefühl im Magen zog Constance ihre Dokumente aus der Tasche und steckte sie zu den Waffen in das Fach. Ihr war nicht ganz wohl bei dem Gedanken daran, dass ihre Papiere aufs Genaueste unter die Lupe genommen werden sollten. Diese waren zwar von offizieller Stelle ausgefertigt worden, aber mit fingierten Daten.

Lautlos glitt schließlich die innere Tür zur Seite. Vor Constance öffnete sich eine hell erleuchtete Eingangshalle, die mit ihrem Chromglanz und den schimmernden Natursteinflächen in krassem Gegensatz zu dem schäbigen Äußeren des Gebäudes stand.

Von dem Mann, der sie hierher geführt hatte, war keine Spur zu sehen. Statt dessen erwarteten sie vier schwer bewaffnete Hünen, die sie in ihre Mitte nahmen und wortlos zu einem Lift geleiteten. Nach kurzer Fahrt nach unten wurde Constance durch einige schmale Korridore und in einen kleinen Raum gebracht, der mit seiner kargen Einrichtung von einem Tisch und drei Stühlen sehr an ein Verhörzimmer erinnerte. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt, als ihre Eskorte den Raum verließ und die Tür hinter sich zuzog.

Die Tür hatte auf der Innenseite keine Klinke.

Kapitel 4