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Hollywood meets the Emerald Isle – klopfende Herzen und große Stars zwischen den grünen Hügeln Irlands … Nachdem ihr Vater sich mit den kläglichen Resten der Haushaltskasse aus dem Staub gemacht hat, bleibt Portia auf einer Menge Schulden und dem ehemals prachtvollen, ehrwürdigen Landsitz Davenport Hall sitzen, der in der traumhaften Landschaft Irlands langsam, aber sicher verwittert. Da bekommt sie ein Angebot, das ihr Zuhause retten könnte: Eine amerikanische Filmgesellschaft sucht nach Kulissen für das nächste große Historiendrama! Hat sie eine Wahl? Zwar steht Portia den Dreharbeiten eher misstrauisch gegenüber, doch ihre Schwester Daisy verfällt sofort dem Hollywood-Glamour – und dem Hauptdarsteller. Dabei haben sie nicht damit gerechnet, dass bald Paparazzi um das alte Anwesen schleichen werden, auf der Suche nach brandneuen Skandalen … »Sprudelnd und funkelnd wie rosa Champagner. Eine äußerst unterhaltsame Lektüre.« – Patricia Scanlan Das spritzige Debüt der irischen Bestsellerautorin Claudia Carroll, inspiriert von ihrer Schauspielkarriere – eine RomCom für Fans von Helen Fielding!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 516
Veröffentlichungsjahr: 2025
Über dieses Buch:
Nachdem ihr Vater sich mit den kläglichen Resten der Haushaltskasse aus dem Staub gemacht hat, bleibt Portia auf einer Menge Schulden und dem ehemals prachtvollen, ehrwürdigen Landsitz Davenport Hall sitzen, der in der traumhaften Landschaft Irlands langsam, aber sicher verwittert. Da bekommt sie ein Angebot, das ihr Zuhause retten könnte: Eine amerikanische Filmgesellschaft sucht nach Kulissen für das nächste große Historiendrama! Hat sie eine Wahl? Zwar steht Portia den Dreharbeiten eher misstrauisch gegenüber, doch ihre Schwester Daisy verfällt sofort dem Hollywood-Glamour – und dem Hauptdarsteller. Dabei haben sie nicht damit gerechnet, dass bald Paparazzi um das alte Anwesen schleichen werden, auf der Suche nach brandneuen Skandalen …
Über die Autorin:
Claudia Carroll ist eine irische Bestsellerautorin und Schauspielerin. Geboren und aufgewachsen in Dublin, studierte sie dort Musik und besuchte die ›Gaiety School of Acting‹. Ihre ersten Romane schrieb sie zwischen Takes am Set der TV-Show »Fair City« – heute widmet sie sich voll und ganz ihren Romanen und ihrer geliebten Heimatstadt.
Die Autorin auf Instagram: @claudiacarrollbooks
Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre humorvollen Liebesromane »Irisches Wiedersehen«, »Davenport Hall – Liebe nach Drehbuch«, »Liebeschaos auf Irisch«, »Du stehst in meinen Sternen«, »Wolke Sieben kann mich mal« und »Ein irischer Gentleman«.
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eBook-Neuausgabe Mai 2025
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2004 unter dem Originaltitel »He loves me not ...he loves me« bei Bantam Press, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2005 unter dem Titel »Roter Teppich für die Liebe« bei Knaur.
Copyright © der englischen Originalausgabe 2004 by Claudia Carroll
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2005 bei Knaur Verlag. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motives von © FryArt /Adobe Stock sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (lj)
ISBN 978-3-98952-952-6
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Claudia Carroll
Davenport Hall – Liebe nach Drehbuch
Irland-Roman
Aus dem Englischen von Karin Dufner
dotbooks.
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Dank
Lesetipps
Für Anne und Claude,
die ganz und gar nicht so sind wie die
Eltern in diesem Buch.
Gut, es war kein Freitag, aber immerhin der dreizehnte.
Eigentlich war Portia nie abergläubisch gewesen, doch das hatte sich heute schlagartig geändert. Während sie im eisig kalten Salon des uralten Familiensitzes stand und dem Gejammer ihrer Mutter im Hintergrund lauschte, ertappte sie sich – wie so viele Menschen in Krisensituationen – bei der Frage, ob das alles wirklich geschah.
»Das kann nicht wahr sein, mein Kind. Das ist einfach unmöglich«, schluchzte Lucasta zum wohl tausendsten Mal an diesem Morgen. »Wie kann er sich einfach in Luft auflösen, ohne sich auch nur zu verabschieden? Wir waren sechsunddreißig Jahre lang verheiratet. Unvorstellbar, dass dein Vater mich verlassen haben soll. Mich! 1966 war ich Debütantin des Jahres! Alle sagten damals, dein Vater hätte ein Riesenglück gehabt, mich abzukriegen ...« Der Gedanke an ihre verflossene Jugend und Schönheit löste eine weitere tränenreiche Tirade aus. »Ich weiß, ich habe gesagt, er solle doch abhauen, aber wie konnte ich denn wissen, dass mich der Dreckskerl beim Wort nimmt? Es ist das erste Mal in seinem verpfuschten Leben, dass er tatsächlich tut, was ich ihm sage!«
Mit einem tiefen Seufzer machte sich Portia wieder daran, ihre Mutter zu trösten.
Die für März unzeitgemäßen Sonnenstrahlen strömten durch das gewaltige Panoramafenster herein, das den Raum beherrschte, und tauchten Mutter und Tochter in eine Wärme, die sie beide nicht wirklich empfanden. Für einen Außenstehenden gaben sie ein merkwürdiges Bild ab. Lucasta, Lady Davenport, war zwar erst Mitte fünfzig, wirkte aber um einiges älter, was wohl das Ergebnis ihres Faibles für Gin Tonic war. Ihr taillenlanges Haar, Objekt der Bewunderung im Jahr ihres gesellschaftlichen Debüts, war inzwischen grau und verfilzt und hatte vermutlich seit der Mondlandung keinen Frisiersalon mehr von innen gesehen. Wie immer trug sie Gummistiefel, eine von Motten zerfressene dunkelblaue Jacke und mehrere Schichten dicker Wollpullover, mit denen sie aussah, als hätte sie gerade einen Obdachlosen überfallen und ihm die Kleider vom Leibe gerissen. Doch trotz ihres vom Weinen verquollenen Gesichts merkte man noch, dass sie in ihrer Jugend als attraktiv gegolten haben musste.
Portia, ihre ältere Tochter, war optisch das genaue Gegenteil. Sie war hochgewachsen, mager und blass und trug ihr hellbraunes Haar ordentlich im Nacken zusammengebunden. Heute war sie bleich wie ein Gespenst, nicht so sehr vor Schreck, sondern aus schierer Sorge. Während sie ihrer Mutter eine weitere Hand voll Kosmetiktücher reichte, blickte sie sich müde im Zimmer um. Sie betrachtete die schmutzigen Fenster mit den gesprungenen Scheiben, die hohe Rosettendecke im georgianischen Stil, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr mit Farbe in Berührung gekommen war und inzwischen von Spinnweben strotzte, den abgewetzten Perserteppich auf dem Boden, der dank der Generationen von Katzen, die ihre Mutter dort nächtigen ließ, bestialisch stank, und die großen hellen Flecken an der Wand, an der einst die Gemäldesammlung der Familie Davenport geprangt hatte.
Zu Lebzeiten von Portias Großvater war die Kunstsammlung der Familie sehr berühmt und eine der bedeutendsten des Landes gewesen. Werke von keinen Geringeren als Gainsborough und Reynolds hatten in diesem Raum gehangen. Portia konnte sich noch erinnern, die Bilder in ihrer Kindheit gesehen zu haben. Sie hatte nicht einmal gewusst, wie bekannt sie waren, bis sie in die Schule kam und eines von ihnen auf dem Einband eines Kunstgeschichtsbuchs entdeckte. Na so was, das hängt in unserem Haus, hatte sie damals gedacht. Inzwischen waren die Gemälde alle fort, samt und sonders weit unter Marktpreis verkauft, um die Spielschulden ihres Vaters zu bezahlen. Portia seufzte tief auf. Es hatte keinen Zweck, jetzt darüber nachzugrübeln. Die Vergangenheit ließ sich nicht ungeschehen machen. Als sie nun aus dem Panoramafenster blickte, sah sie in der Ferne ihre jüngere Schwester Daisy auftauchen, die wie eine Wilde auf ihrer Lieblingsstute durch den Park galoppierte.
Für sie ist es noch schlimmer, die Arme, dachte Portia, während sie sanft ihre Mutter beruhigte. Sie hat ihn schließlich wirklich gemocht.
Jack, Lord Davenport, wegen seiner Sucht nach besagtem Spiel auch als »Black Jack« bekannt, befand sich nach Portias Berechnungen im Moment schon fast in Las Vegas. Und da er nie halbe Sachen machte, hatte es ihm nicht genügt, Frau und Töchtern das letzte bisschen Bargeld abzunehmen und sie dann sitzen zu lassen. Damit das Vergnügen dabei nicht zu kurz kam, hatte er außerdem Sarah Kelly mitgenommen. Sarah Kelly war Pferdepflegerin bei den Davenports und neunzehn Jahre alt.
Es ist alles nur mein gottverdammter Fehler, genau wie immer, dachte Daisy, während sie am Rosengarten vorbeipreschte und sich den wilden Märzwind ins Gesicht wehen ließ. Schließlich habe ich die dumme kleine Pute eingestellt. Allerdings musste sie sich zugutehalten, dass die Idee damals gar nicht so abwegig erschienen war. Sie hatte Sarah im letzten Sommer als Aushilfe während der Feriensaison beschäftigt. Was die Arbeitsplatzbeschreibung anging, hatte Daisy keine Zweifel aufkommen lassen. Sarah sollte dabei helfen, die Ställe zu säubern und den Pferdemist wegzukarren. Davon, dass sie mit Papa durchbrennen soll, war nie die Rede, schluchzte Daisy in sich hinein, während ihr die Tränen ungebremst übers Gesicht strömten. Wie konnte er ihnen das antun? Wie konnte er einfach mit einer Scheißeschauflerin abhauen, die überdies noch Beine hatte wie ein Brauereigaul? Sie galoppierte an den alten Tennisplätzen vorbei, wo die Netze vor sich hin moderten, vorbei am Obstgarten und auf die umliegenden Hügel zu, die noch zu den Ländereien der Davenports gehörten. Wenn Daisy so erschüttert war wie heute, war das der einzige Ort, an dem sie es aushielt.
Unweit von Davenport Hall befand sich ein Reitstall, der der Familie früher einmal das dringend benötigte Einkommen gesichert hatte. Touristen hatten die Möglichkeit, den Tag in Davenport Hall zu verbringen. (»Ein atemberaubendes Beispiel georgianischer Architektur im Herzen von County Kildare«, wie es in der Tourismusbroschüre stolz, aber irreführend hieß.) Wer Lust dazu hatte, konnte auf Ponys einen Ausritt durch die idyllischen Wälder rings um das Haus unternehmen, vorbei am River Kilcullen mit seiner Lachsfalle, und sogar bis zum Mausoleum, einem prachtvollen neoklassischen Monument, wo neun Generationen von Davenports begraben lagen.
Einem Fremden konnte man beim ersten Anblick des Hauses und der Ländereien leicht verzeihen, wenn er auf den Gedanken verfiel, diese Familie müsse wohl unglaublich reich sein. Und was das Haus selbst anging ... Von außen wirkte Davenport Hall so majestätisch, als residiere die königliche Familie persönlich darin. Es war Mitte des achtzehnten Jahrhunderts erbaut worden und galt damals als das stattlichste Anwesen in der Provinz Leinster. Von James Gandon für seinen alten Saufkumpan, den ersten Lord Davenport, geplant, war es mit acht gewaltigen Empfangsräumen, einem Ballsaal, einer Bibliothek, einer Porträtgalerie (wo der Legende zufolge Edward VII. und seine irische Geliebte ein Vermögen am Kartentisch verloren hatten) und sage und schreibe sechzehn Schlafzimmern ausgestattet. Auf den ersten Blick mochte es scheinen, als müsse man im Lotto gewinnen, um es sich leisten zu können, hier zu wohnen – bis man die Eingangstür öffnete und sah, in welch beklagenswertem Zustand sich Davenport Hall inzwischen befand.
Ein Tourist, der das Pech hatte – oder so leichtsinnig war –, sich hierher zu verirren, nahm beim Überschreiten der Schwelle zuerst die eisige Kälte wahr. Im Haus war es so frostig, dass selbst im tiefsten Winter draußen oft höhere Temperaturen herrschten. Häufig warf Daisy sich eine Decke um und verkündete: »Ich geh mal kurz raus, mich aufwärmen.«
Doch die Kosten, die es verursacht hätte, die veraltete Heizanlage von Davenport Hall zu modernisieren, überstiegen bei weitem die Mittel der Familie. Falls es dem bedauernswerten Besucher dennoch gelang, sich zu akklimatisieren, stieg ihm als Nächstes ein sonderbarer Geruch in die Nase. Es war eine wahrhaft abstoßende Mischung aus Katzenpisse und Moder, die weniger heldenmütige Zeitgenossen umgehend in die Flucht schlug. Hatte der Besucher besonderes Pech und wurde zu allem Überfluss auch noch vom Regen überrascht, musste er aufgrund der Pfützen unter den klaffenden Löchern im Dach einen wahren Hindernisparcours überwinden. Portia hatte das Haus schon einige Male beliehen, um das Dach reparieren zu lassen. Doch Black Jack hatte sich, typisch für ihn, das Geld von der Bank sofort unter den Nagel gerissen und war damit zur Rennbahn in Curragh gefahren ... wo es nach etwa einer Stunde ausgegeben war.
Der gelbe Salon, in dem Lady Davenport und Portia nun saßen, war vermutlich das einzig bewohnbare Zimmer im Haus; zumindest brannte dort immer ein Feuer, und wenn man sich oben auf den gewaltigen steinernen Kaminsims setzte, bekam man sogar ein wenig Wärme ab. Genau das war Portia gerade im Begriff zu tun, als die Tür aufgerissen wurde.
»Mein Gott, Mrs. Flanagan, können Sie sich nicht endlich daran gewöhnen anzuklopfen?«, rief Lucasta aus, die, umgeben von nass geschnäuzten Kosmetiktüchern, auf dem Sofa thronte.
»Ach, Liebes, nur mal locker«, entgegnete Mrs. Flanagan in ihrem dicken Nord-Dublin-Akzent. »Ich dachte, Sie hätten vielleicht gern ein Tässchen Tee«, fügte sie, eine Zigarette mit absturzbedrohter Aschensäule im Mundwinkel, hinzu.
»Danke, Mrs. Flanagan, das ist sehr nett von Ihnen«, sagte Portia. »Komm schon, Mummy, Tee mit viel Zucker ist gut gegen Schock.«
»Blödsinn. Mrs. Flanagan, bringen Sie mir einen starken Gin Tonic, bitte, und zwar mit wenig Tonic«, erwiderte Mylady.
»Finden Sie nicht, dass das sogar für Sie ein bisschen früh ist, meine Liebe?«, gab Mrs. Flanagan zurück und watschelte zur Hausbar am anderen Ende des Raums. Die Gute, dachte Portia. Sie ist die Einzige, die sich von alldem nicht beirren lässt.
»Wissen Sie was? Sie sind ohne den alten Kerl sowieso viel besser dran«, führ Mrs. Flanagan fort, während sie großzügig Tonic in den Gin von Mylady kippte.
»Black Jack war ein wundervoller Ehemann«, antwortete Lucasta gestelzt. »Und ich sagte doch, mit wenig Tonic.« Trotz ihrer tränenreichen Szene war sie noch in der Lage, mit Argusaugen zu beobachten, wie Mrs. Flanagan ihren Drink mixte. Eine verlassene Ehefrau zu sein hieß schließlich nicht, dass man es nötig hatte, sich mit verwässertem Gin zu begnügen.
»Tja, wenn Sie meinen, Liebes«, entgegnete Mrs. Flanagan, »aber ich konnte den Guten nicht ausstehen. Ein mieser kleiner Wicht. Er konnte nicht aufs richtige Pferd setzen, und wenn es um sein Leben ging. Haben Sie Sarah Kelly denn nicht erklärt, dass sie die Scheiße in einen Eimer schaufeln soll? Davon, dass sie gleich damit nach Las Vegas abhaut, war nie die Rede. Ah, verflixt!«, rief sie aus, als sie über eine von Lucastas besonders räudigen Katzen stolperte. »Irgendwann ersäufe ich alle diese Viecher, das schwöre ich Ihnen. Was genug ist, ist genug.«
»Oh, Mrs. Flanagan, Sie müssen etwas zartfühlender mit dem kleinen Schnappi umgehen«, sagte Mylady. »In seinem letzten Leben war er nämlich der Schah von Persien.«
Mrs. Flanagan, die keine große Anhängerin des Wiedergeburtsglaubens war, murmelte nur etwas Unverständliches vor sich hin. Sie war nicht der Mensch, der sich von seinen blaublütigen Arbeitgebern einschüchtern ließ, und nahm Lucasta gegenüber für gewöhnlich kein Blatt vor den Mund. Aber heute war alles anders. Sie reichte Portia ihren Tee und meinte sanft und in verändertem Tonfall: »Und wie fühlen Sie sich, Schätzchen?«
»Offen gestanden mache ich mir um Daisy die meisten Sorgen, Mrs. Flanagan. Sie war immer eine Vatertochter«, sagte Portia und hielt Ausschau nach toten Spinnen, bevor sie vorsichtig ihren Tee in der angeschlagenen Porzellantasse umrührte. Ausnahmsweise hatte Mrs. Flanagan das gute Porzellan hervorgeholt – der Bruch in der Familie war für sie offenbar ein Anlass, der nach dem Royal Dulton verlangte.
»Sie wissen ja, wie emotional sie schon unter normalen Umständen ist.«
»Ach, erzählen Sie mir nichts. Erinnern Sie sich noch an den Tag, als eines ihrer Pferde eingeschläfert werden musste? Ich dachte schon, wir müssten sie zum Psychiater schicken, so aufgelöst war sie. Und nach der Trennung von diesem Burschen ... wie hieß er noch mal?«
»Sean Murphy«, antwortete Portia. Sean war der Tierarzt am Ort und der einzige verfügbare Junggeselle in der näheren Umgebung. Daisy war ein paar Monate lang mit ihm gegangen.
»Ja, ein ganz nett aussehender Junge, aber ich habe nie jemanden so verzweifelt gesehen wie Daisy, als es vorbei war.
Mein Gott, man hätte glauben können, die beiden wären jahrelang verheiratet gewesen, und dabei war sie nur ein paar Wochen mit ihm zusammen.«
»Tja, diesmal ist es eindeutig schlimmer«, erwiderte Portia ruhig.
»Ich würde Sarah Kelly, diese kleine Schlampe, an die Wand nageln, wenn ich sie in die Finger kriegen würde ...«, fuhr Mrs. Flanagan mit schneidender Stimme fort. »Ich konnte sie noch nie leiden. Einem Menschen, der einen Ohrring, einen Nasenring und dazwischen eine Kette trägt, kann man eben nicht trauen. Hat sie etwa Angst jemand könnte ihr die Nase klauen?«
»Wissen Sie was, Mrs. Flanagan? Ich denke, ich gehe jetzt am besten und suche Daisy«, unterbrach Portia. Sie wollte zwar nicht unhöflich sein, aber im Dorf würde ohnehin genug über den Vorfall geklatscht werden, und da musste sie nicht auch noch daran teilhaben.
»Ach ja, natürlich, Schätzchen«, erwiderte Mrs. Flanagan ein wenig verlegen. Portia war wirklich der letzte Mensch, den sie verärgern wollte, denn sie war immer so nett zu ihr und eine so angenehme Arbeitgeberin.
»Wir sehen uns beim Abendessen«, sagte Portia und küsste ihre Mutter auf die Wange. »Ich glaube, wir alle können uns denken, wo Daisy steckt.«
Mit diesen Worten machte sie sich auf den Weg. Mrs. Flanagan blickte ihr nach, wie sie durch die morschen Terrassentüren und über den südlichen Rasen in Richtung Hügel ging, ruhig, gefasst und hoch erhobenen Hauptes.
Und der Anblick brach ihr das Herz.
Portia hatte gedacht, dass der Spaziergang ihr gut tun würde, aber das war ein Irrtum. Vor lauter Sorgen pochte ihr der Schädel. Der Grund war nicht, dass sie ihren Vater vermutlich nie wiedersehen würde. Doch was sollten sie jetzt tun? Wovon sollten sie leben? Black Jack hatte sich redlich Mühe gegeben und sich jeden Penny unter den Nagel gerissen, den Portia im Laufe der Jahre zusammengekratzt und gespart hatte. Und da stand sie nun, fünfunddreißig Jahre alt, und versuchte, dieses gewaltige Mausoleum von einem Haus und die riesigen Ländereien vor dem Ruin zu bewahren. Dennoch flossen keine Tränen. Als Portia weiterging, atmete sie schwer, aber sie hatte ihr Ziel fast erreicht. Sie war oben auf dem Hügel, von dem aus man die südliche Fassade des Hauses sah, und konnte die neoklassischen Säulen des Davenportschen Mausoleums erkennen. Und da stand auch die wunderschöne weiße Stute ihrer Schwester und graste neben der Treppe aus Sandstein. »Daisy?«, keuchte Portia. »Bist du da, Schwesterherz?« Sie ging weiter und stieg die vier Stufen zu dem kopfsteingepflasterten runden Platz hinauf, wo ringsherum in regelmäßigen Abständen kunstvoll verzierte, von Moos überwachsene griechische Steinbänke standen. Hier, wo ihre Vorfahren begraben lagen, war der Lieblingsplatz von Daisy und Portia. In sorgloseren Tagen waren sie häufig zusammen hier hinaufgeritten, hatten sich gesetzt und die schöne Aussicht genossen – drei Countys sah man von dort, die sich in die Ferne erstreckten. Früher hatten die beiden Schwestern oft dagesessen, ihre belegten Brote verspeist und sich gefragt, was wohl aus ihnen werden sollte. Trotz des Altersunterschieds von vierzehn Jahren hatten sich die Mädchen immer nah gestanden, und eigentlich war Portia mehr Mutter für Daisy gewesen als Lucasta.
»Oh, Portia!«, rief Daisy aus und warf ihre Schwester fast um, als sie sich ihr in die Arme stürzte. »Ich werde nie wieder einem Mann vertrauen, solange ich lebe! Mrs. Flanagan hat Recht, Männer sind alle nur Wichser und Schwachköpfe.«
»Aber, aber, Liebes, jetzt wein dich mal richtig aus«, tröstete Portia und drückte ihr einen dicken Packen Kleenex in die Hand.
»Weißt du, dass wir eigentlich noch jede Menge dagegen unternehmen könnten?«, meinte Daisy und putzte sich die Nase. »Wir könnten ihm erzählen, dass wir auf einem der Felder eine Hunderennbahn einrichten wollen. Vielleicht lockt ihn das zurück. Oder wir tun so, als hätten wir im Lotto gewonnen, oder wir bitten Mummy, einen ihrer Liebeszauber anzuwenden ...« Ihre Stimme erstarb, als sie Portias versteinerte und missbilligende Miene bemerkte.
»Daisy, ich weiß, wie sehr du ihn geliebt hast, aber glaubst du wirklich, dass er wegen so etwas wieder zurückkommen würde? Er ist schließlich freiwillig gegangen und wurde nicht entführt.«
Portia erkannte Black Jacks Brief, inzwischen voller Tränenflecken, in der verkrampften Hand ihrer Schwester. Den ersten Satz konnte sie noch entziffern: Meine lieben Mädchen, das ist der schwerste Brief, den ich je schreiben musste. Usw., usw.
Typisch für ihn, dachte sie, den Brief an uns zu richten. So hat er sich die Mühe gespart, an Mummy zu schreiben, und wir nehmen ihm die schmutzige Arbeit ab. Und das nicht zum ersten Mal. Aber sie behielt ihre Überlegungen lieber für sich.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass ich Daddy nie wiedersehen werde!«, schluchzte Daisy, einem hysterischen Anfall nahe.
Portia betrachtete sie ruhig, als sähe sie sie zum ersten Mal. Obwohl Daisy nicht geschlafen, seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen und dazu geheult hatte wie ein Schlosshund, war sie immer noch atemberaubend schön. Sie war gerade einundzwanzig geworden, schlank wie ein Fotomodell und hatte hellblonde Locken und dunkelblaue Augen. Eine Davenport, wie sie im Buche stand. Portia erinnerte sich an die alten, prachtvollen Familienporträts, die früher die große Galerie geziert hatten: Generationen von blonden, blauäugigen Lords und die verschiedenen Erbinnen aus der näheren Umgebung, die ihre Frauen geworden waren. Damals waren die Davenports für ihr gutes Aussehen berühmt gewesen, und Daisy setzte diese Tradition eindeutig fort.
Zum Glück wenigstens eine von uns. Die Familiengene haben mich offenbar übersprungen, dachte Portia, allerdings ohne sich selbst zu bemitleiden. Sie war noch nie mit ihrem Aussehen, ihrer formlosen Figur, dem mausbraunen Haar und der blassen sommersprossigen Haut zufrieden gewesen.
Allerdings spielte ihr Aussehen sowieso keine Rolle, denn schließlich war Davenport Hall kein Amüsierschuppen, in dem es von heiratswilligen Junggesellen wimmelte. Falls sich doch einmal ein attraktiver Mann hierher verirrt hätte, hätte sie ihn vermutlich für einen Einbrecher gehalten – nur dass er leider der dämlichste Verbrecher der Welt gewesen wäre, denn alle Wertgegenstände waren schon vor Jahren verhökert worden.
»Liebes, wein nicht mehr, sonst kriegst du scheußliche Kopfschmerzen«, sagte Portia, als ihre Schwester weiterschluchzte. Doch da Daisy nah am Wasser gebaut und emotional war, wusste Portia, dass es keinen Sinn hatte, ihr in diesem Zustand mit vernünftigen Einwänden zu kommen. Stattdessen legte sie, ganz die fürsorgliche große Schwester, den Arm um sie und zog sie an sich. »Wir schaffen das schon, Liebes, ganz bestimmt schaffen wir es. Ich bitte Steve, morgen vorbeizukommen. Er weiß sicher einen Rat.«
Der Steve, den Portia meinte, war Anwalt in dem Städtchen Ballyroan und schon seit vielen Jahren ein Freund der Familie, seit er als junger Absolvent der juristischen Fakultät in dieses verschlafene Nest gezogen war. Damals hatte er gerade erst seinen Abschluss gemacht und suchte dringend eine Stelle, als ein Freund seines Vaters, Tom MacLaverty, ihm den Vorschlag unterbreitete, sich doch bei seiner Kanzlei, NolanMacLaverty in Ballyroan, County Kildare, zu bewerben.
Als Großstadtjunge war Steve anfangs davor zurückgeschreckt, in die entlegene Provinz umzuziehen; schließlich hätte er mit seinem guten Abschluss auch einen Posten in einer renommierten Dubliner Kanzlei ergattern können. Doch er erinnerte sich bis heute an seine erste Fahrt nach Ballyroan. Der sonnige Sommertag, an dem sich das Städtchen von seiner besten Seite zeigte, stand ihm noch deutlich vor Augen: die breiten Straßen, der Brunnen in der Mitte der Hauptstraße, das Kino, in dem immer noch die Rocky Horror Picture Show lief (am Freitagabend immer ausverkauft), und mehr Pubs, als er je gesehen hatte.
»Wie können die alle bloß überleben?«, hatte er sich in seiner Naivität gefragt. Aber er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Ballyroan hatte es sogar einmal ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft, und zwar wegen der höchsten Anzahl an Pubs pro Kopf der Bevölkerung in ganz Europa. Er erinnerte sich an das üppige Grün, das sich rings um die Stadt erstreckte, der schönste und friedlichste Anblick, der ihm je untergekommen war. Und er hatte sofort beschlossen, hier den Rest seines Lebens zu verbringen.
Auch zwanzig Jahre später bereute Steve seine Entscheidung nicht. Ihm gefiel es hier. Er mochte die Freundlichkeit der Menschen, die stets auf der Straße stehen blieben, um ein ausgedehntes Schwätzchen mit einem zu halten. (Manchmal spielte er mit dem Gedanken, seinen Schreibtisch einfach mitten auf die Main Street zu stellen, da er ohnehin viel mehr Gespräche dort führte als in seinem Büro.)
Und die Kanzlei florierte. Steve konnte gut mit Menschen umgehen und hatte eine freundliche Art, die Vertrauen weckte. Niemals hätte er auch nur im Traum daran gedacht, die mit seinen Mandanten verbrachte Zeit mitzustoppen und ihnen die Stunden anschließend in Rechnung zu stellen, wie viele Anwälte es taten. So etwas war einfach nicht seine Art. Stattdessen plauderte er mit den Leuten und beriet sie in Vermögens- und Erbschaftsangelegenheiten, wie es bei einem Anwalt auf dem Lande üblich war. Aber er nahm sich die Zeit, seinen Mandanten alles gründlich zu erklären, und er setzte sie nie unter Druck, etwas zu unterschreiben oder einer Entscheidung zuzustimmen, wenn sie sich unwohl dabei fühlten. Bald war er bei Nolan MacLaverty deshalb sehr beliebt. Und nach einer Weile verlangten die Leute, die in der Kanzlei anriefen, direkt den jungen Steve Sullivan zu sprechen anstatt Sean Nolan, der ein wenig einschüchternd wirken konnte – oder Tom MacLaverty, den man zwar schon seit Jahren kannte, der nachmittags aber selten nüchtern genug war, um noch eine vernünftige Beratung hinzubekommen.
Als Tom MacLavertys alkoholgeschwängerte Mittagspausen schließlich ihren Tribut forderten und er einige Jahre später verstarb, wurde Steve selbstverständlich zum Teilhaber, und man benannte die Kanzlei in NolanSullivan um. Obwohl seine Studienkollegen von früher durch ihre Tätigkeit bei verschiedenen Gerichten in Dublin Castle ein Vermögen machten und ihn zu überzeugen suchten, dass er verrückt sei, weil er in der Hauptstadt das Zehnfache verdienen könnte, ließ er sich nicht beirren. Kurz zusammengefasst, Steve liebte seinen Beruf und die Ruhe und den Frieden des Landlebens.
Außerdem liebte er die Davenports. Ihre erste Begegnung hatte vor über zwanzig Jahren stattgefunden, als Steve, der Neuling, nach Davenport Hall geschickt worden war, um eine »heikle Angelegenheit« für die Familie zu regeln. Er erinnerte sich noch deutlich daran, wie er durch das Tor und vorbei am Pförtnerhaus zum drei Kilometer entfernten Haupthaus gefahren war. Er wusste genau, wie nervös er gewesen war, als er an das riesige Eichenportal klopfte. Die fünfzehnjährige Portia hatte ihn hereingebeten, ernst, blass und gerade alt genug, um die Situation als ausgesprochen peinlich zu empfinden. Ihr Vater, Lord Davenport, hatte in einem Anfall von Spielsucht bei den Rennen im nahe gelegenen Naas mehr verwettet, als er bei sich trug. Der Buchmacher, offenbar beeindruckt vom Adelstitel seines Kunden, hatte ihn gewähren lassen. Allerdings fand die Großzügigkeit des Mannes ein rasches Ende, als Seine Lordschaft über zehntausend Pfund bei einem einzigen Rennen verlor, obwohl er keinen Penny in der Tasche hatte. Die Polizei wurde verständigt, und man steckte Black Jack ohne viel Federlesen für eine Nacht in eine Gefängniszelle in Kildare Town, bis eine Kaution hinterlegt werden würde. Das Problem war nur, dass die Familie Seiner Lordschaft keinen Penny besaß, um ihn auszulösen.
Man zog einen Anwalt zu Rate, und so kam es, dass der zwanzigjährige Steve im gelben Salon stand, vor Scham am liebsten im Erdboden versunken wäre und sich fragte, wie um alles in der Welt er die Situation nur Black Jacks halbwüchsiger Tochter erklären sollte.
Doch diese Sorge hätte er sich sparen können. Portia hatte sich wacker geschlagen. Nachdem sie Steve ruhig die Hand geschüttelt hatte, sagte sie, ihre Mutter müsse sich um ihre neugeborene Schwester kümmern und könne deshalb nicht nach unten kommen. Dann erkundigte sie sich, wie viel ihr Vater denn diesmal verloren habe. Als Steve ihr die Summe nannte, zuckte sie nicht einmal mit der Wimper und erwiderte nur, man werde sich um die Angelegenheit kümmern. Außerdem könnten ein paar Nächte in Polizeigewahrsam ihrem Vater nicht schaden.
Erst mehrere Tage später fand Steve heraus, dass sie ein kostbares Fabergé-Ei hatte verkaufen müssen, das sich schon seit hundert Jahren in Familienbesitz befand, um das Geld flüssig zu machen. Die Begegnung mit Portia an jenem Tag hatte er nie vergessen, und er empfand tiefes Mitgefühl für dieses junge Mädchen, das, umgeben von Wertgegenständen, nicht über einen Penny Bargeld verfügte.
Seitdem waren sie gute Freunde. Mein Gott, wenn er nur daran dachte, wie oft er den Davenports im Laufe der Jahre schon aus der Patsche geholfen hatte ... Zum Beispiel, als Lucasta in einem ihrer irregeleiteten Versuche, Geld aufzutreiben, beschlossen hatte, Schülergruppen durch das Anwesen zu führen – ein Vorhaben, das die Gesundheits- und Gewerbeaufsichtsbehörden noch in derselben Woche durchkreuzten. Mylady hatte einfach keinen Gedanken an so banale Details wie ausreichende Toiletten für die Busladungen von Schulkindern verschwendet. Ein kleiner Junge fand einen Fingernagel in der Davenport-Marmelade, die Lucasta alle Besucher zu kaufen zwang, und zu guter Letzt stürzte eine knapp einen Meter große Steinfratze von der Decke des Ballsaals auf ein besonders bedauernswertes Kind herab, das anschließend mehrere Wochen lang in Lebensgefahr schwebte. Gerüchten zufolge verpassten die Ärzte in der Notaufnahme des Krankenhauses in Kildare sicherheitshalber der ganzen Schulklasse Tetanusspritzen, als sie hörten, dass die Kinder gerade von einer Besichtigung von Davenport Hall kamen.
Dann war da auch noch der Tag, an dem Daisy, damals sechzehn, den Einfall gehabt hatte, mit Führungen durch Davenport Hall als Spukschloss Geld zu verdienen. Sie erfand den geköpften Geist irgendeines entfernten Urahns, schilderte den Gästen dessen Ableben in sämtlichen grausigen Details und jagte ihnen damit einen solchen Schrecken ein, dass in der folgenden Nacht keiner von ihnen ein Auge zutat. Am nächsten Morgen verabschiedeten sich die Besucher mit verquollenen Augen nach einer schlaflos verbrachten Nacht, in der sie dem gewöhnlichen Knarzen des Hauses gelauscht und sich dabei das Schlimmste ausgemalt hatten. Sie verlangten ihr Geld zurück und schworen, die Davenports beim Fremdenverkehrsamt zu melden. Ein Gast versuchte sogar, eine Klage wegen psychischer Misshandlung anzustrengen. Es war ein ganzes Stück Arbeit für Steve gewesen, dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Selbstverständlich hatte kein Mitglied dieser Familie es je für nötig gehalten, sich gegen derartige Missgeschicke zu versichern – selbst wenn das nötige Geld dafür vorhanden gewesen wäre.
Auf diese Weise hatte Steve die Davenports im Laufe der Jahre recht gut kennen gelernt. Sie waren Freunde. (Natürlich waren sie auch Mandanten, allerdings welche, die selten bezahlten, aber er hatte ein zu weiches Herz, um die Schulden einzutreiben. Außerdem war bei ihnen sowieso nichts zu holen.) Es gab nichts, was er nicht für sie getan hätte. Als Portia ihn also später an diesem Tag anrief und ihn bat zu kommen, warf er einen Blick in seinen Terminkalender und versprach, gleich am nächsten Morgen da zu sein.
»Genau genommen«, fügte er – ziemlich theatralisch, wie Portia fand – hinzu, »wollte ich sowieso zu euch. Ich habe nämlich Neuigkeiten, die für euch alle von großem Interesse sein dürften.«
Am nächsten Morgen hatte Portia gerade die letzten Tropfen ihres lauwarmen Kaffees getrunken, als sie draußen auf dem Kies die Reifen von Steves Auto knirschen hörte. Beim Blick aus dem Gutsbüro (ein hochtrabender Name für das ehemalige Spielzimmer, das inzwischen nicht mehr benutzt wurde) sah sie ihn aus seinem großen schwarzen Jeep steigen. In der Hand hatte er einen Aktenkoffer und einen dicken Papierstapel. Mit seinem zerzausten dunkelbraunen Haar und seiner stets etwas ungepflegten, beinahe fadenscheinigen Kleidung war er keine Schönheit. Er erinnerte Portia eher an einen gemütlichen Teddybären, groß und breit, ein sanfter Riese von einem Mann und ein Junggeselle, wie er im Buche stand.
Oft dachte Portia, dass er sicher ganz anders aussehen würde, wenn er je geheiratet hätte. Eine Frau hätte seinem Äußeren schon auf die Sprünge geholfen, ihm zuallererst einmal die Haare gewaschen und ihn dann gezwungen, die Kordhosen und die Streifenhemden im Stil der achtziger Jahre mit etwas Modischerem zu vertauschen. Er gehörte eindeutig zu der Sorte von Männern, die sich durch den Einfluss einer Frau oder Freundin zum Positiven oder zum Negativen verändern. Die Frau, die ihn einmal abbekam, konnte sich wirklich glücklich schätzen. Auch wenn er kein Colin Farrell war, hatte er ein Herz aus purem Gold.
Jetzt allerdings ist nicht der richtige Zeitpunkt für solch müßige Gedanken, sagte sie sich, als sie die große Eichentreppe hinuntereilte und ihm über den schwarz-weiß gemusterten Marmorboden der gewaltigen, von einer Kuppel überspannten Vorhalle entgegenlief.
»Gott sei Dank, dass du hier bist, Steve«, sagte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu umarmen. Als er die Umarmung erwiderte, stellte er fest, dass sie noch magerer und blasser war als sonst. Nach ihrem Aussehen zu urteilen, hatte sie seit Tagen nicht geschlafen. Portia musste sich richtiggehend überwinden, ihn loszulassen. In den letzten Tagen hatte sie so viel durchgemacht, dass sie es als Erleichterung empfand, die starken Arme eines Mannes um sich zu spüren. Steve würde eine Lösung finden. Das hatte er doch immer getan.
»Es gibt kein Problem, dem sich nicht abhelfen ließe, Portia. Wo ist denn deine Mum?«, fragte er und löste sich behutsam von ihr.
»Sie vertreibt die negative Energie aus allem, was Daddy je in der Hand gehabt hat«, erwiderte Portia.
Lucasta war bekanntermaßen eine begeisterte Anhängerin des Vertreibens negativer Energien durch Gesänge, das Abbrennen von Räucherstäbchen und das Läuten von Glöckchen. »Möge die Göttin der Reinheit und Schönheit alles säubern, was durch den negativen Geist dieses Schweinekerls von einem Ex-Ehemann beschmutzt worden ist!«, konnte man sie laut aus der Bibliothek verkünden hören.
»Das macht sie schon den ganzen Vormittag«, erklärte Portia, obwohl das eigentlich überflüssig war. Steve war so sehr an Lucastas exzentrische Anwandlungen gewöhnt, dass er nicht einmal mehr mit der Wimper zuckte.
»Und Daisy?«, fragte Steve. »Ich muss mit euch dreien gemeinsam sprechen.«
»Ich glaube, sie ist ausgeritten. Es hat sie sehr mitgenommen, Steve. Du weißt ja, wie nah sie ihm gestanden hat.«
»Würdest du sie bitte suchen gehen? Ich hole mir inzwischen etwas von Mrs. Flanagans berühmtem Instant-Kaffee und treffe euch in der Bibliothek. Natürlich nur, falls deine Mutter keine negative Aura an mir wahrnimmt und mich wieder vor die Tür setzt«, fügte er mit einem spöttischen Lächeln hinzu.
Das war kein Scherz, denn Lucasta war dafür bekannt, dass sie Leute aus den fadenscheinigsten Gründen aus dem Haus warf: Das Sternzeichen des Betreffenden passe nicht zu ihrem; seine Kommunikationsfähigkeit sei blockiert; ihr gefiele die Farbe seiner Aura nicht; er habe sie in einem vergangenen Leben auf irgendeine Weise verärgert, von der er selbst nichts ahnte. Einmal hatte sie einem zu Tode erschrockenen Gerichtsvollzieher, der gekommen war, um den Fernseher zu pfänden, vorgeworfen, sein Geist habe sie im achtzehnten Jahrhundert grausam misshandelt. Es klappte, und Lucasta durfte den Fernseher behalten, ohne weiter Raten dafür zu bezahlen.
»Gib mir fünf Minuten, Steve«, erwiderte Portia.
Als sie hinausging, um Daisy zu suchen, fühlte sie sich schon ein wenig besser. Mein Gott, welche Wohltat, mit einem geistig zurechnungsfähigen Erwachsenen zu sprechen!
Die arme Portia hatte es nicht leicht, Daisy zurück ins Haus zu schleppen, nachdem sie sie endlich im Gartenhaus aufgespürt hatte, wo sie sich immer noch die Augen ausweinte. »Verdammt, Portia, muss ich denn unbedingt dabei sein?«, hatte sie gejammert. »Er ist so langweilig und öde, und ich kann es nicht leiden, wie er mich immer anstarrt.« Es war ein alter Familienscherz, dass Steve offenbar ein Auge auf Daisy geworfen hatte. Jedenfalls lief er immer rot an, wenn sie, was selten geschah, das Wort an ihn richtete.
»Um Himmels willen, Portia, er ist ein alter Mann. Mindestens vierzig. Hat er eigentlich noch eigene Zähne?«, meckerte Daisy weiter, als sie in Richtung Haus marschierte. Ihre goldenen Locken schimmerten im Sonnenlicht. »Warum kann er sich niemanden in seinem Alter zum Anglotzen suchen? Glaubt er, ich hätte es so bitter nötig? Hält der mich für eine Art Lolita, oder was?«
»Liebes, er ist hier, um uns zu helfen, also versuch ein bisschen höflich zu sein. Mehr verlange ich doch gar nicht«, meinte Portia beschwichtigend, als sie in die Bibliothek kamen.
Steve wartete geduldig in dem großen grünen Lehnsessel aus Leder, der neben einem der Bücherregale stand. Währenddessen tänzelte Lucasta singend zwischen den Regalen herum und versprühte dabei WC-Reiniger, ohne sich darum zu kümmern, wo die Flüssigkeit landete.
»Möge die Göttin aller Dinge, die rein sind, diesen Raum von aller Negativität befreien und ... Ach, hallo, Kinder.« Als ihre Töchter hereinkamen, hielt sie in ihrem Gesang inne. »Ich beseitige nur die letzten Überreste des Geistes eures Vaters«, sagte sie, als sei es das Normalste von der Welt. »Zuerst kommen die Gesänge, dann versprüht man etwas Desinfektionsmittel, und anschließend zündet man Räucherstäbchen mit Bergamotteduft an, um die Negativität zu vertreiben. Das funktioniert immer.« Sie fuhr fort, WC-Reiniger auf den Regalen zu verteilen.
»Mummy, hältst du es für ratsam, etwas anzuzünden, nachdem du gerade Putzmittel versprüht hast?«, erkundigte Portia sich ängstlich.
»Sei nicht albern, Schätzchen. Immer musst du dir Sorgen machen. Typisch Steinbock«, gab ihre Mutter zurück.
»Ah, ich habe später noch einen Termin in der Stadt, wenn es euch also nichts ausmacht ...«, sagte Steve und nahm einen riesigen mit Papieren vollgestopften Ordner aus seinem Aktenkoffer, wobei ihm ein Stapel versehentlich zu Boden fiel. Daisy drehte, genervt von seiner Ungeschicklichkeit, die Augen zur Decke, ohne einen Hehl daraus zu machen.
»Also los, bringen wir es hinter uns«, meinte sie brüsk. Portia warf ihr einen warnenden Blick zu, verkniff sich aber eine Bemerkung.
»Gut, dann kommen wir gleich auf den Punkt«, fuhr Steve fort, wobei es ihn mehr als nervös machte, allerseits mit Blicken fixiert zu werden. »Während wir uns hier unterhalten, amüsiert sich Black Jack vermutlich mit seiner neunzehnjährigen Freundin in Las Vegas. Und natürlich mit den zehntausend Euro, die er aus dem Safe hat mitgehen lassen.«
»Oh, Steve, muss das sein?«, schrie Daisy auf, und ihre riesigen blauen Augen füllten sich mit salzigen Tränen.
»Entschuldige, Daisy, tut mir schrecklich leid«, entschuldigte sich Steve und errötete. »Ich wollte dich wirklich nicht noch mehr aufregen. Es ist nur ...« Er hielt inne. Ballyroan war eine kleine Stadt, in der Black Jack schon seit Jahren ausreichend Stoff für Gerüchte lieferte. Dass er ein Schwerenöter war, war allgemein bekannt. Außerdem war Sarah Kelly nicht seine erste Geliebte und würde sicherlich auch nicht die letzte sein. Man konnte Steve also keinen Vorwurf machen, wenn er sachlich an diese Angelegenheit heranging.
Portia seufzte trotzdem auf. Zehntausend Euro hatte er mitgenommen.
Zehntausend! Wenn sie sich diese Summe vor Augen hielt, krampfte sich alles in ihr zusammen. Sie brauchte nur daran zu denken, wie sie sich abgeschuftet hatte, um das Geld zu verdienen! Die kleinen fröstelnden Touristengruppen, die sie durch das Haus geführt hatte, immer bemüht zu ignorieren, wie die Leute angesichts des Zustands des Anwesens die Nase rümpften. (Nach einer Weile war sie überzeugt, dass noch kein Mensch auf der Welt öfter als sie den Satz »Das war wirklich Geldverschwendung!« auf Japanisch gehört hatte.) Die Ponyausritte, mit denen Daisy und sie während der Sommermonate ein paar Hundert Euro zusammengekratzt hatten; das klägliche Sümmchen aus dem Verkauf von Rhabarber, Pilzen und selbst gezüchteten Kräutern an den Bio-Gemüsehändler in Kildare. Leider schaffte sie es ohne fremde Hilfe nicht, noch mehr anzubauen, und Mitarbeiter für ihre heimische Gärtnerei konnte sie sich nicht leisten.
Aber es hatte keinen Sinn, über Vergangenes nachzugrübeln. Sie musste in die Zukunft blicken.
»Tut mir leid, Daisy«, wiederholte Steve und betrachtete sie mitleidig. »Es ist nur, dass ich vielleicht einen Ausweg für euch weiß.«
Endlich hatte er sich die allgemeine Aufmerksamkeit gesichert. Die drei Frauen drehen sich neugierig zu ihm um.
Selbst Lucasta ließ für einen Moment von Räucherstäbchen und Putzmittel ab.
»Vor einer Weile hatte ich einen Anruf von einer Filmproduktionsfirma namens Romance Pictures«, sprach Steve weiter und zog dabei seine Notizen zu Rate. »Sie wollen einen Film in Irland drehen und ziehen Kildare dabei als möglichen Schauplatz in Erwägung. Offenbar sind eine Menge Außenaufnahmen im Spiel, Verfolgungsjagden zu Pferde zum Beispiel, und sie wollen etwas Landestypisches. Deshalb habe ich vorgeschlagen, dass sie ihre Motivsucher einen Blick auf dieses Haus werfen lassen; die Landschaft hier ist so wunderschön, dass sie sich ausgezeichnet eignen würde. Gestern habe ich dann einen Anruf von der Produktionsfirma erhalten und, kurz gesagt ...«
»Erzähl weiter«, forderte Daisy ihn begeistert auf und starrte ihn aus blauen Augen an.
»Tja«, erwiderte er, »offenbar findet die Produktionsfirma, dass Davenport Hall ein prima Drehort für den gesamten Film wäre. Sie bieten Daisy sogar einen Job als Pferdetrainerin an ...«
»Pferdetrainerin?«, unterbrach Daisy. »Was zum Teufel soll das denn sein?«
»Sie wollen all eure Pferde in dem Film einsetzen, und nicht nur das. Du sollst den Schauspielern das Reiten beibringen und wärst für alle Pferde, die in dem Film vorkommen, verantwortlich.«
»Soll das heißen, dass ich für das, was ich jetzt umsonst tue, auch noch Geld bekommen würde?«, fragte Daisy sichtlich erfreut.
»Du hast es erfasst«, entgegnete Steve.
»Aber was ist mit dem Haus?«, erkundigte sich Portia ein wenig besorgt. »Die werden doch nicht hier drin filmen wollen.«
»Doch, genau das wollen sie«, entgegnete Steve. »Der für die Drehorte zuständige Mensch hat sich das Haus in der Tourismusbroschüre angesehen und findet es optimal. Da es ein Kostümfilm ist, passt das Alter des Hauses genau ins Drehbuch, und sie sparen sich die Mühe, irgendwo in einem Studio teure Kulissen aufzubauen. Es ist viel einfacher, alles hier zu drehen.«
»Steve, du weißt genau, dass ich nicht das Alter des Hauses gemeint habe«, wandte Portia ein.
»Tja, was denn dann?«, fragte er, als er ihren zweifelnden Tonfall bemerkte.
»Schau dich doch mal um«, sprach sie weiter. »Wir müssen realistisch bleiben. Sieh nur, in welchem Zustand das Haus ist! Hier wurde seit dem Krieg nicht mehr gestrichen. Die Vorhänge werden nur noch von Staub und Spinnweben zusammengehalten, und von der Decke fallen ständig Putzbrocken auf uns runter. Bei schönem Wetter jedenfalls. Bei Regen muss ich im Haus einen Schirm aufspannen, so undicht ist das Dach. Und von der Kälte ganz zu schweigen. Selbst an heißen Julitagen, wenn alle Leute in der Sonne liegen, müssen wir mindestens drei Wollpullover übereinander tragen, damit wir uns keine Erfrierungen holen. Im Winter muss ich den Raureif innen von den Fenstern abkratzen, um nach draußen schauen zu können. Also erwarte von mir nicht, dass ich auch nur einen Moment glaube, jemand will in diesem Haus einen Film drehen. Das könnte ich beim besten Willen nicht verstehen.«
Steve holte tief Luft; er wusste, dass er nun taktvoll sein musste. »Tja, weißt du, Portia«, begann er, ganz Anwalt und die Diplomatie in Person. »Tatsache ist, dass sie das Haus genau so wollen, wie es ist.«
»Kurz bevor es wegen Einsturzgefahr gesperrt wird?«, wunderte sich Portia.
»Vielleicht wird es ja ein Horrorfilm«, kicherte Daisy.
»Nein, es wird kein Horrorfilm«, erwiderte Steve.
»Was dann?«, fragten die beiden Schwestern im Chor.
»Der Titel lautet Die Geschichte einer Südstaatenschönheit: Brents Rückkehr. Sie haben mir gesagt, es ist eine Fortsetzung, und es geht darum, dass die Heldin ... Ich kann mir ihren Namen einfach nicht merken ... äh ...« Er brach ab und kramte in seinen Unterlagen.
»Magnolia O’Mara«, sagte Daisy, plötzlich atemlos vor Aufregung. Die Geschichte einer Südstaatenschönheit war einer ihrer Lieblingsfilme.
»Ja, genau«, fuhr Steve fort. »Jedenfalls kommt die Heldin nach Irland, um bei ihren irischen Vorfahren zu leben. Aber sie gerät in finanzielle Schwierigkeiten und vermietet deshalb ... äh ... ich les mal einfach die Inhaltsangabe vor, die die Filmfirma mir geschickt hat ... Ja, da hab ich es. ›Magnolia O’Mara, vor kurzem nach Irland zurückgekehrt, vermietet ihr verfallenes, heruntergekommenes Gutshaus in der Einöde. Sie möchte weitab vom amerikanischen Süden, der immer noch vom Bürgerkrieg verwüstet ist, ein neues Leben anfangen und auch Abstand zu Brent Charleston gewinnen, dem einzigen Mann, den sie je wirklich geliebt hat.‹«
»Jetzt verstehe ich dich«, meinte Portia und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Das Geheimnis war gelüftet.
»Überleg mal, Mummy«, sagte Daisy, der die Idee großartig gefiel. »Im Haus wird es von Filmstars wimmeln. Wir werden sie kennen lernen, und vielleicht werden wir ja zur Premiere in Hollywood eingeladen.«
»Ach, wie aufregend, mein Kind!«, erwiderte Lucasta. Ihr Reinigungsritual war vergessen, als sie sich von der Vorstellung mitreißen ließ, mit Hollywood auf Du und Du zu stehen. »Vielleicht kommt ja auch Shirley MacLaine. In einem vergangenen Leben waren wir dicke Freundinnen, wisst ihr? Und auf Marlon Brando stand ich ja schon immer, wenn er nur einen Zentner abnehmen würde ...«, plapperte sie weiter, felsenfest davon überzeugt, dass jede Hollywoodgröße, ganz gleich ob übergewichtig oder auch verstorben, sich magisch von ihr angezogen fühlen würde.
»Steve, weißt du, wer die Hauptrolle in dem Film spielt?«, fragte Daisy außer sich vor Begeisterung. Ihre Tränen waren längst vergessen.
»Oh ja«, antwortete Steve geistesabwesend. »Ich habe den Namen irgendwo aufgeschrieben.« Er blätterte einen anderen Papierstoß durch.
»Ja, da haben wir es«, meinte er schließlich und setzte die Brille auf, um die winzige Schrift auf der zu Tage geforderten Seite entziffern zu können. »Ich fürchte, das ist niemand, von dem man je gehört hat. Irgendein Schauspieler namens Guy van der Post.«
»Guy van der Post! Aber das ist doch der Mann mit dem größten Sex-Appeal der Welt!«, keuchte Daisy, die vor Schreck fast vom Stuhl fiel. »Hast du ihn denn nicht in Unsägliche Grausamkeit Zwei gesehen? Er war einfach wunderbar – und er kann unglaublich gut spielen«, fügte sie träumerisch hinzu, wobei das Talent eindeutig nichts mit ihrem Interesse an Guy van der Post zu tun hatte.
»Ich fürchte, den Film habe ich verpasst, Daisy«, meinte Steve. Anscheinend merkte nur Portia, dass er seine sanften braunen Augen nie von ihrem Gesicht abwandte.
»Stell dir nur vor, mein Liebes«, meinte Lucasta, »und er wird hier mit uns einen Film drehen! Oh, wie aufregend! Wahrscheinlich weißt du nicht, was er für ein Sternzeichen hat, Steve?«, fragte sie.
»Ah .. nein, dieses Thema kam nicht zur Sprache«, entgegnete er taktvoll. »Was hältst du davon, Portia? Du bist so still«, sagte er, als er ihr nachblickte, wie sie langsam zum Fenster ging und geistesabwesend ein wenig verklebten Staub von den Läden wischte.
Ruhig wie immer sah Portia ihn an. Die Fähigkeit ihrer Mutter und ihrer Schwester, auch nur im Entferntesten unangenehme Dinge einfach zu verdrängen, erstaunte sie immer wieder.
Vor zehn Minuten hatte Daisy sich noch wegen ihres Vaters die Augen ausgeweint, und nun hatte sie nur noch irgendeinen Schauspieler mit einem albernen Namen im Kopf.
»Wie viel?«, war alles, was sie sagte.
»Am besten setzt du dich vorher wieder hin«, erwiderte er. »Meinetwegen«, gab Portia zurück und gehorchte.
»Schau dir das an«, fuhr er fort. »Und das ist nur das erste Angebot. Bestimmt können wir noch viel mehr herausschlagen.« Damit reichte er ihr ein Stück Papier, auf dem eine Zahl stand. Lucasta und Daisy beobachteten sie aufmerksam, weil sie wussten, dass die letztendliche Entscheidung bei ihr lag. Nun, nachdem Black Jack sie verlassen hatte, gab es nichts mehr daran zu rütteln: Portia war die Herrin im Haus.
Nach einem Blick auf die angebotene Summe wurde Portia noch blasser als gewöhnlich. Es war zwar kein Vermögen, aber mehr Entschädigung als genug für das Geld, um das Black Jack sie erleichtert hatte. Tausende von Gedanken rasten ihr durch den Kopf und kämpften darum, sich Gehör zu verschaffen. Ihr ganzes Leben lang träumte Portia schon davon, das Haus in seinen früheren prächtigen Zustand zurückzuversetzen und es in ein luxuriöses Fünf-Sterne-Hotel zu verwandeln. Nach der Schule hatte sie sogar in Dublin die Hotelfachschule besucht, was vermutlich die glücklichste und sorgloseste Zeit ihres Lebens gewesen war. Die Ausbildung dauerte vier Jahre, und im dritten war sie die beste Schülerin ihres Jahrgangs gewesen. Sie hatte vor Ideen für die Renovierung ihres Familienwohnsitzes förmlich gestrotzt ... und dann hatte das Schicksal zugeschlagen. Black Jack hatte sie beiläufig davon in Kenntnis gesetzt, dass er bei dem Versuch, ihr Schulgeld auf der Rennbahn zu verdoppeln, alles verloren hatte. Und so war ihr nichts anderes übriggeblieben, als nach Hause zurückzukehren. Zwar genügte das von Romance Pictures angebotene Geld nicht annähernd, um sämtliche Renovierungsarbeiten, die Portia für nötig hielt, ausführen zu lassen, doch zumindest konnte ein Teil der Dachreparatur damit finanziert werden. Vielleicht würde sie sogar die Gärtnerei vergrößern, ein paar Mitarbeiter einstellen und so ein vernünftiges Einkommen erwirtschaften können. Es war nicht gerade ein Lottogewinn, aber eine sehr willkommene Finanzspritze, und zwar gerade zum richtigen Zeitpunkt.
»Wo muss ich unterschreiben?«, brachte sie nur heraus. Ihre Stimme klang, als käme sie aus dem Nebenzimmer. »Schnell, bevor sie es sich anders überlegen!«
Steves Antwort verstand sie nicht mehr, denn Lucasta und Daisy begannen zu kreischen und zu jubeln wie zwei Schulmädchen beim Konzert einer Boygroup.
»Meine Damen, meine Damen, einen Moment bitte. Ich bin noch nicht ganz fertig.« Steve musste die Stimme erheben, um sich Gehör zu verschaffen. »Ich fürchte, das war noch nicht alles.«
»Was meinst du damit?«, fragte Daisy ungeduldig. »Genügt es nicht, wenn wir einfach auf der gestrichelten Linie unterschreiben?«
»Wenn das Leben nur so unkompliziert wäre«, erwiderte er und lächelte sie schüchtern an. »Nein, Daisy, leider stellt die Filmfirma eine Bedingung, an der es nichts zu rütteln gibt, damit der Vertrag auch zustande kommt. Und zwar eine sehr wichtige Bedingung.«
Die nächsten Monate verschwammen für Portia in einem Nebel.
Sie konnte kaum fassen, wie schnell alles ging, nachdem Steve eine Vereinbarung mit Romance Pictures getroffen hatte. Bald fuhren gewaltige Lastwagen der Produktionsfirma vor Davenport Hall vor und luden kilometerlange Kabelrollen, elektrische Geräte, Kameras und Scheinwerfer aus. Es waren so viele Lampen, dass Daisy gefragt hatte, ob man den Film bei Flutlicht drehen würde. Johnny Maguire, der erste Regieassistent, hatte sie ausgelacht.
»Auf keinen Fall, Schätzchen«, erwiderte er in seinem monotonen Dublin-Akzent und zog an einer Zigarette. »In dunklen Räumen wie diesen braucht man etwa sechzig Scheinwerfer, damit die Beleuchtung normal aussieht. Wann sind hier übrigens zum letzten Mal die Elektroleitungen erneuert worden?«
Zu Portias Erleichterung erschien in diesem Moment ihre Mutter, und man wechselte das Thema. An den Leitungen im Haus war gewiss seit dem Elektrifizierungsprogramm für ländliche Gebiete im Jahr 1936 nichts mehr getan worden.
»Wann können wir mit Guy van der Posts Ankunft rechnen?«, fragte Lucasta, atemlos vor Aufregung. »Ich glaube, wir bringen ihn im malvenfarbenen Zimmer unter, wenn er hier ist, Portia, mein Kind. Das ist das einzige Schlafzimmer, in dem kein Geist umgeht.«
Wie sich herausgestellt hatte, bestand die einzige unverrückbar feststehende Bedingung, die Romance Pictures an Dreharbeiten in Davenport Hall knüpfte, darin, dass die Hauptdarsteller auch dort wohnen mussten. Offenbar war der Produzent, ein gewisser Harvey Brocklehurst Goldberg, ein eingefleischter Anhänger des Method-Acting; danach musste das Ensemble am Drehort leben, damit die Darstellung im Film auch wirklich glaubwürdig wirkte. (Wie die verwöhnte Hollywood-Elite auf die spartanischen Bedingungen in Davenport Hall reagieren würde, hatte er allerdings nicht in Betracht gezogen, denn selbst die US-Marines hätten wohl Schwierigkeiten gehabt, sich an den Gestank nach Katzenpisse zu gewöhnen, und dabei gab es bei den Streitkräften wenigstens Gasmasken.)
»Tja«, fuhr Lucasta fort und hielt nur inne, um sich eine Zigarette anzuzünden. »Im malvenfarbenen Zimmer geht zwar auch ein Geist um, aber nur der von Tiddums dem Vierten, also ein sehr freundlicher Geist.« Tiddums IV. war der orangefarbene Lieblingskater von Lady Davenport gewesen. Im vergangenen Jahr war er auf tragische Weise bei einem Unfall ums Leben gekommen, da er im gewaltigen Backrohr des Küchenherdes eingeschlafen war.
Offenbar hatte Johnny Routine im Umgang mit überspannten Zeitgenossen, dachte Portia, denn er zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Ach, Guy van der Post kommt erst in ein paar Wochen, meine Liebe«, erwiderte er. »Er dreht gerade in Thailand die letzten Szenen des neuen James-Bond-Films. Ich glaube, er spielt den Bösewicht, wissen Sie, den, der einen Frack trägt und sagen muss: ›Nicht so schnell, Mr. Bond.‹«
»Ach, wir sind einfach nur so aufgeregt, einen Hollywoodstar hier zu haben!«, plapperte Mylady weiter, ohne sich darum zu kümmern, dass Johnny und seine Mannschaft eigentlich zu tun hatten. »Es wird sicher sehr nett. Ich werde eine große Party für Sie alle veranstalten, damit Sie unsere reizenden Nachbarn kennen lernen. Einige von ihnen gehören auch der Arbeiterschicht an, also haben Sie viel gemeinsam ...« Und so hätte sie immer weitergeredet, wenn Portia sie nicht sanft, aber mit Nachdruck in Richtung Haus geschoben hätte.
Und dann waren da noch die Wohnmobile. Dutzende von ihnen tuckerten die Auffahrt von Davenport Hall hinauf und parkten auf dem Vorplatz vor dem Haupteingang. Portia und Daisy konnten sich nicht vorstellen, wozu sie alle dienten, so viele waren es. Johnny hatte sie netterweise herumgeführt und ihnen geduldig erklärt, welchen Zweck jedes von ihnen erfüllte. Ein ganzer Doppeldeckerbus beherbergte allein die Kantine. In einem Wohnmobil residierte die Maske, in einem anderen die Kostüme. Der ganze Rasen vor dem Haus sah aus, als hätte sich dort ein Zirkus niedergelassen. Und dann waren da noch die drei Winnebagos, die gleich neben dem Rosengarten standen.
»Gibt es da mexikanisches Essen?«, hatte Lucasta ahnungslos gefragt, als man sie ihr zeigte.
»Weit gefehlt«, erwiderte Johnny. »Hier halten sich die Stars auf, wenn sie auf ihren Auftritt warten.«
»So etwas wie Garderoben, Johnny?«, erkundigte sich Daisy, die Augen groß wie Untertassen.
»Naja, solche Garderoben haben Sie noch nie gesehen. Schauen Sie mal hier hinein!«, antwortete Johnny und öffnete mit großer Geste die Tür des ersten Wohnmobils. Auf der Tür stand in ordentlichen Buchstaben »Ms. Montana Jones«.
»Den Namen kenne ich«, sagte Portia und zermarterte sich das Hirn, wo sie ihn schon einmal gehört hatte.
»Oh! Montana Jones!«, rief Daisy erstaunt aus. »Ich finde sie große Klasse! Sie hat in dem Film Diener in Seattle mit Hugh Grant mitgespielt.«
Daisy verschlang Zeitschriften mit Titeln wie Tratsch und Klatsch, Der Spion und Die dunklen Geheimnisse der Stars und war deshalb gut über die neuesten Hollywood-Gerüchte informiert.
»War sie nicht vor kurzer Zeit in einen Riesenskandal verwickelt?«, fuhr sie stirnrunzelnd fort und versuchte sich zu erinnern.
»Oh ja«, entgegnete Johnny ernst. »Sie hat sich von Tiffany’s Schmuck im Wert von fünf Millionen Dollar für die Oscarverleihung im letzten Jahr geliehen und ... äh ... am nächsten Tag versäumt, die Sachen zurückzugeben. Zumindest hat sie das vor Gericht behauptet.«
»Nein, Johnny, jetzt weiß ich es wieder«, widersprach Daisy. »In der Verhandlung hat sie ausgesagt, sie sei nach der Oscarverleihung so sternhagelvoll gewesen, dass sie gar nicht mehr daran gedacht hätte, den Schmuck zurückzugeben. Und dabei hatte sie nur zwei Gläser Weißwein.«
»Zwei mickrige Gläser vino? Die trinke ich doch schon zum Frühstück«, sagte Lucasta. Sie scherzte nicht.
»In Hollywood bedeuten zwei Gläser Weißwein, dass man ein gefährlicher und unzurechnungsfähiger Alkoholiker ist«, meinte Johnny mit einem traurigen Kopfschütteln. »Die Arme hat danach sechs Monate in der Betty-Ford-Klinik verbracht, und ihre Karriere hat sich nie wieder davon erholt. Niemand wollte sie mehr beschäftigen. Deshalb dreht sie ja diesen Film. Um sich wieder ganz nach oben hochzukämpfen. Aber jetzt schauen Sie sich das an.«
Mit einer ausladenden Geste riss er die Tür von Montana Jones’ Winnebago auf. Die Davenport-Damen folgten ihm auf dem Fuße. Und es war wirklich ein erstaunlicher Anblick.
»Das ist ja eher eine Hotelsuite als eine Garderobe«, japste Daisy, womit sie Recht hatte. Das Wohnmobil war mehr als zehn Meter lang und mit einem riesigen Doppelbett auf der einen und einem voll möblierten Esszimmer auf der anderen Seite ausgestattet. Links befand sich ein Fitnessraum mit allen Schikanen einschließlich Laufband und Rudermaschine. Eine Tür führte zu Dampfbad und Sauna. Im Wohnbereich stand ein elegantes Ledersofa vor einem Flachbildschirm-Fernseher mit DVD-Spieler.
»Wow!«, rief Daisy aus. Ihre Mutter und ihre Schwester waren sprachlos und brachten nur ein »Oh« und ein »Ah« heraus.
»Ja, Montana hat es eindeutig gern bequem zu Hause«, erklärte Johnny. »Und warten Sie nur, bis sie sich das Kantinenpersonal vorknöpft. Sie ist Vegetarierin, Veganerin und gleichzeitig allergisch gegen Weizen und noch irgendwas ... Offengestanden glaube ich, dass sie sich ausschließlich von Grashalmen ernährt.«
»So hält sie also ihre tolle Figur«, meinte Daisy nachdenklich. Es war wirklich erstaunlich, wie die Stars so lebten. Wie Götter und Göttinnen aus einer anderen Welt, dachte sie. Der Himmel stehe ihnen bei, wenn sie erst das Innere des Hauses sahen.
Einige Tage später läutete in all dem Durcheinander das Telefon. In ihrer Eile brach Portia sich fast den Hals, weil sie über die Stromkabel stolperte, die das Filmteam achtlos auf dem Boden des Büros verteilt hatte. (Einen Luxus wie einen Anrufbeantworter gab es in Davenport Hall nicht.)
»Hallo? Wer spricht da?«, erkundigte sich eine elitär klingende Frau mit Süddubliner Akzent, der sich anhörte, als würde sie beim Sprechen die Lippen spitzen.
»Ach, hallo, ich bin es, Portia. Äh ... kann ich Ihnen helfen?«
»Ja, bitte verbinden Sie mich mit einem Mitglied der Familie.«
»Meinen Sie die Familie Davenport?«, wollte Portia wissen und fragte sich, ob es sich wohl um einen Scherz handelte.
»Selbstverständlich meine ich die Davenports«, lautete die barsche Antwort. »Wen denn sonst? In wenigen Minuten kommt der Buffetservice und später noch ein Florist, der kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht. Außerdem habe ich nicht den ganzen Tag Zeit. Wenn Sie also so freundlich wären, jemanden an den Apparat zu holen, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
»Tja, hier spricht Portia Davenport. Ich nehme an, ich kann als Familienmitglied durchgehen«, erwiderte Portia höflich und wusste nicht, was sie von dem seltsamen Benehmen der Fremden halten sollte.
»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Und ich dachte schon, ich würde meine Zeit mit irgendeiner Bediensteten verschwenden. Hier spricht Mrs. de Courcey. Susan de Courcey.«
»Ach, hallo!«, entgegnete Portia, ohne zu wissen, wer diese unangenehme Frau bloß sein mochte. Kurz überlegte sie, ob sie ihr Geld schuldeten. Eine neue Filialleiterin der Bank vielleicht?
»Mein Partyveranstalter legt gerade letzte Hand an die Gästeliste für heute Abend, und wir haben zu unserem Erstaunen festgestellt, dass Sie nicht auf unsere Einladung geantwortet haben. Wir haben sie Ihnen schon vor Wochen geschickt.« Portia überlegte angestrengt. Eine Einladung? Wozu? Nein, es war eindeutig keine gekommen. Zumindest hatte sie sie nicht gesehen, was jedoch nicht viel heißen musste, weil Lucasta häufig die Post abfing, um damit ihre Katzentoiletten auszulegen. Portia hatte sich dann damit herumzuschlagen, dass immer wieder Telefon-, Gas- und Stromrechnungen auf geheimnisvolle Weise verschwanden und sie ohne Vorwarnung von der Versorgung abgeschnitten wurden.
»Und ich sagte zu meinem Party Veranstalter«, fuhr Mrs. de Courcey in unfreundlichem Ton fort, »dass so etwas eben typisch für den Landadel ist. Wahrscheinlich zu beschäftigt mit Jagen, Schießen und Fischen, um auf eine einfache Einladung zu antworten.«
»Nun, ich kann Ihnen versichern, dass hier keine Einladung eingetroffen ist«, entgegnete Portia patzig, die diese Frau langsam extrem unsympathisch fand. »Darf ich fragen, worum es sich überhaupt handelt?«
»Unsere Haus-Einweihungsparty natürlich«, gab Mrs.de Courcey zurück. »Ich habe zweihundert engste Freunde eingeladen, hauptsächlich Juristen, deshalb werden Sie vermutlich niemanden kennen. Aber mein Partyveranstalter hat mir versichert, dass es korrekt ist, auch die Nachbarn zu einem solchen Anlass zu bitten. Und ich würde es sehr bedauern, wenn wir uns in ein schlechtes Licht rücken würden.«
Portia schwieg. Diese grässliche Frau und ihr Partyveranstalter hatten das mit dem schlechten Licht bereits geschafft.
»Sagen wir dann heute Abend um acht?«, fragte Mrs. de Courcey, ohne sich die Mühe zu machen, ihren ungeduldigen Tonfall zu verhehlen.
»Ah ... tja, ich glaube, wir sind zurzeit sehr beschäftigt«, erwiderte Portia, die nicht wusste, wie sie das Filmteam erklären sollte, das über sie hereingebrochen war. »Aber ich werde mein Bestes tun, um zu kommen. Bitte entschuldigen Sie, dass wir auf Ihre Einladung nicht geantwortet haben ...« Portia beendete den Satz nicht. Warum sage ich das eigentlich?, dachte sie.
»Tja, falls Sie beschließen, uns mit Ihrer Anwesenheit zu beehren, die Adresse ist Greenoge Stud Farm in der Dublin Road. Sie können es nicht verfehlen«, lautete Mrs. de Courceys barsche Reaktion. Dann legte sie auf.
Man konnte es wirklich nicht verfehlen. Portia und Daisy waren auf dem Weg in die Stadt und zurück schon oft dort vorbeigefahren und hatten die hektische Bautätigkeit beobachtet, die seit einigen Monaten dort herrschte. Sie waren an Städter gewöhnt, die auf der Suche nach einem ruhigeren Leben aufs Land zogen, Rentnerehepaare, die ihr Haus in Dublin für viel Geld verkauften und sich im friedlichen und geruhsamen Ballyroan etwas Kleineres suchten, das leichter zu pflegen war. Aber mit Greenoge Stud war es etwas anderes. Nach Davenport Hall verfugte das Anwesen über mehr Grund als alle anderen Häuser in der Umgegend. Portia hatte durch die Gerüste nur einen kurzen Blick auf das riesige, nach individuellen Plänen völlig neu errichtete Haus erhaschen können, doch ihre Neugier war eindeutig geweckt. Wer waren diese Leute, und was wollten sie hier? An Geld besteht offenbar kein Mangel, dachte sie spöttisch, als sie sich auf die Suche nach ihrer Mutter und ihrer Schwester machte, um die Einladung weiterzugeben.
Sie hätte keinen schlechteren Zeitpunkt wählen können. Als sie, Kabeln ausweichend, die Treppe hinunterlief, begegnete sie Mrs. Flanagan, die mit einem Autogrammheft in der Hand durch die Vorhalle watschelte.
»Aus dem Weg!«, rief sie Portia zu und rempelte sie in ihrem Sturm zum Haupteingang mehr oder weniger beiseite. Im selben Moment streckte Lucasta den Kopf aus der Tür des Salons.