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Wo die Liebe hinfällt… Cassandra, 28, Single aus Dublin, hat seit ihrer Kindheit eine besondere Gabe: Sie kann in die Zukunft sehen. Als beliebte Kolumnistin ist sie die go-to Expertin für all jene, die Antworten auf ihre größten Lebensfragen suchen – dabei geht in ihrem eigenen Leben oft alles schief. Ihre romantischen Beziehungen sind alles andere als glücklich, und der wahre Mann ihrer Träume scheint in weiter Ferne zu sein. Doch dann hat Cassandra eine Vision, die sie völlig aus der Bahn wirft – die Liebe, von der sie immer geglaubt hat, dass sie nie für sie bestimmt war, ist plötzlich greifbar nah! Das Problem: Der Mann, den ihre Vision ihr zeigt, ist mit ihrer besten Freundin zusammen. Wird sie es wagen, ihrem eigenen Herzen zu folgen und dafür eine Freundschaft aufs Spiel setzen? »Witzig und romantisch – man kann einfach nicht aufhören« My weekly Eine romantische Komödie der Dubliner Bestsellerautorin Claudia Carroll für alle Fans von »Bridget Jones« und Sophie Kinsella.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 542
Veröffentlichungsjahr: 2025
Über dieses Buch:
Cassandra, 28, Single aus Dublin, hat seit ihrer Kindheit eine besondere Gabe: Sie kann in die Zukunft sehen. Als beliebte Kolumnistin ist sie die go-to Expertin für all jene, die Antworten auf ihre größten Lebensfragen suchen – dabei geht in ihrem eigenen Leben oft alles schief. Ihre romantischen Beziehungen sind alles andere als glücklich, und der wahre Mann ihrer Träume scheint in weiter Ferne zu sein. Doch dann hat Cassandra eine Vision, die sie völlig aus der Bahn wirft – die Liebe, von der sie immer geglaubt hat, dass sie nie für sie bestimmt war, ist plötzlich greifbar nah! Das Problem: Der Mann, den ihre Vision ihr zeigt, ist mit ihrer besten Freundin zusammen. Wird sie es wagen, ihrem eigenen Herzen zu folgen und dafür eine Freundschaft aufs Spiel setzen?
Über die Autorin:
Claudia Carroll ist eine irische Bestsellerautorin und Schauspielerin. Geboren und aufgewachsen in Dublin, studierte sie dort Musik und besuchte die ›Gaiety School of Acting‹. Ihre ersten Romane schrieb sie zwischen Takes am Set der TV-Show »Fair City« – heute widmet sie sich voll und ganz ihren Romanen und ihrer geliebten Heimatstadt.
Die Autorin auf Instagram: @claudiacarrollbooks
Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre humorvollen Liebesromane »Irisches Wiedersehen«, »Davenport Hall – Liebe nach Drehbuch«, »Liebeschaos auf Irisch«, »Du stehst in meinen Sternen«, »Wolke Sieben kann mich mal« und »Ein irischer Gentleman«.
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eBook-Neuausgabe Mai 2025
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2007 unter dem Originaltitel »I Never Fancied Him Anyway« bei Bantam Press, London.
Copyright © der englischen Originalausgabe Claudia Carroll 2007
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2009 Fischer Taschenbuch Verlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-98952-847-5
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Claudia Carroll
Du stehst in meinen Sternen
Irland-Roman
Aus dem Englischen von Christine Strüh
dotbooks.
Widmung
Prolog
Kapitel 1 Einundzwanzig Jahre später
Kapitel 2 Die Tarotkarte »Zwei Kelche«
Kapitel 3 Die Tarotkarte »Ass der Stäbe« umgekehrt
Kapitel 4 Die Tarotkarte »Der Stern«
Kapitel 5 Die Tarotkarte »Ritter der Kelche«, umgekehrt
Kapitel 6 Die Tarotkarte »Die hohe Priesterin«
Kapitel 7 Die Tarotkarte »Der Gehängte««
Kapitel 8 Die Tarotkarte »Der Turm«
Kapitel 9 Die Tarotkarte »Drei der Kelche«
Kapitel 10 Die Tarotkarte »Der Magier«
Kapitel 11 Die Tarotkarte »Ass der Kelche«
Kapitel 12 Die Tarotkarte »Der Tod«
Kapitel 13 Die Tarotkarte »Ritter der Schwerter, umgekehrt«
Kapitel 14 Die Tarotkarte »Page der Kelche«
Kapitel 15 Die Tarotkarte »Die Liebenden«
Kapitel 16 Die Tarotkarte »Drei der Schwerter«
Kapitel 17 Die Tarotkarte »Ausgleichung«
Kapitel 18 Die Tarotkarte »Zehn der Schwerter«
Kapitel 19 Die Tarotkarte »Der Teufel«
Kapitel 20 Die Tarotkarte »Die Sonne«
Dank
Lesetipps
Für Clelia Murphy.
Ohne Zweifel die witzigste Person,
der ich jemals begegnet bin.
In der griechischen Mythologie war Apollo so hingerissen von Cassandra, dass er ihr die Gabe der Prophezeiung verlieh.
Leider war Cassandra umgekehrt von ihm gar nicht so begeistert, und zur Strafe verwandelte Apollo den gerade erst verliehenen Segen umgehend in einen Fluch. Zwar konnte Cassandra immer noch die Zukunft vorhersagen, aber kein Mensch glaubte ihr.
Mit anderen Worten: Aus Rache dafür, dass er von seiner Angebeteten einen Korb bekommen hatte, machte Apollo ihr das Leben zur Hölle.
So sind sie eben, die Männer ...
Okay. Aber eins nach dem anderen. Beginnen wir doch lieber am Anfang ...
Dublin 1985Unser Esszimmer
»Er behauptet, dass er mich liebt und nicht bloß in mich verliebt ist, und genau deshalb hab ich den Verdacht, dass er mich in die Kategorie Schwester steckt und ich mit diesem Kerl nur meine kostbare Zeit verschwende. Wir sind jetzt seit fast drei Jahren zusammen, und weißt du, was er mir zum Geburtstag geschenkt hat? Eine Fußbadewanne. Eine Fußbadewanne! So was schenkt man vielleicht irgendeiner kränklichen Oma, die man nicht besonders mag.«
»Tante Lizzie?«, versuchte ich sie zu unterbrechen, aber sie war voll im Mecker-Modus.
»Ich möchte eigentlich nur eins wissen: Wann kriege ich endlich mal das, was deine Mutter hat? Eine wunderschöne Tochter, dieses wunderschöne Heim hier und obendrein noch einen Ehemann, der tatsächlich mit ihr zusammen sein will. Hab ich denn irgendwas an mir, was es grundsätzlich unmöglich macht, mich zu heiraten? Warum sind die Männer, mit denen ich ausgehe, solche hundertprozentigen, unheilbaren Nieten? Oder bin ich das Problem? Ist es möglich, dass es schlicht und einfach an mir liegt?«
»Bin ich jetzt endlich dran?«, erkundigte sich Tante Lizzies Freundin Mary und dämpfte ihre Stimme absichtlich so weit, dass meine Mutter sie in der Küche nicht verstehen konnte. Mum konnte es nämlich nicht leiden, wenn ihre Freundinnen versuchten, mir gratis hellseherische Ratschläge aus der Nase zu ziehen. Jedenfalls in der Zeit, in der ich Hausaufgaben machen sollte.
»Nein, antworte ihr nicht«, ging Tante Lizzie dazwischen. »Wenn ich schnell genug rede, kann mich keiner unterbrechen. Okay, hier ist meine Frage: Ist George der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen werde? Denn wenn er es nicht ist, sollte ich den Schaden doch lieber begrenzen und mich so schnell wie möglich abseilen. Also, Cassie, leg los. Aber bring es mir schonend bei.«
»Es ist dein Parfüm«, erklärte ich schlicht.
»Mein was?«
»Er hasst dein Parfüm.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen? Bitte nimm zur Kenntnis, dass ich nur Passion von Elizabeth Taylor benutze, eins der teuersten Wässerchen im Umlauf. Kostet mich auch eine schöne Stange Geld.«
»Schmeiß es weg, und in einem halben Jahr bist du verheiratet.«
Tante Lizzie starrte mich an, völlig von den Socken. »Ist das dein Ernst?«, fragte sie schließlich.
»Japp.«
»Kannst du es sehen?«
Ich schloss die Augen und runzelte die Stirn. Ja, da war es. Kristallklar. Ganz einfach.
Ich bin in der Kirche von Donnybrook, stehe neben dem Altar und versuche, nicht über Tante Lizzies Baiser-Kleid zu stolpern. Als ich aufblicke, sehe ich George, der schwitzt und angestrengt sein Knopfloch fixiert. Ich höre die Orgel das Ave Maria spielen, und ich rieche – was ist das denn? Durchdringend, süßlich, ein bisschen eklig ... Ach ja, Lilien! Kein Zweifel.
Dann blicke ich an mir herunter und bemerke, was ich anhabe.
Ach, so ein Mist. Geschieht mir recht. Wieso hab ich denn gedacht, dass das alles zu schön ist, um wahr zu sein ...?
»Ja, ich bin ganz sicher«, sagte ich mit fester Stimme. Tante Lizzie strahlte. Schnell schob sie meine Schulsachen weg, die achtlos überall auf dem Tisch herumlagen, und drückte mich an sich.
»Du bist was ganz Besonderes, Cassie, ich hoffe, das weißt du.«
»Mhmm«, antwortete ich und zog mich zurück. Von ihrem Parfüm wurde mir auch ganz anders.
»Und wenn du irgendeinen Wunsch hast«, fuhr Tante Lizzie unterdessen unbeirrt fort, wobei sie ihre Stimme wieder senkte, damit meine Mutter sie durch die halb offene Küchentür nicht hörte, »du weißt schon, irgendwas Schönes oder Geld meinetwegen – na ja, irgendwas eben, dann sag Bescheid, in Ordnung?«
»Ja, ich hab einen Wunsch«, sagte ich.
»Dann mal raus mit der Sprache.«
»Ich möchte auf gar, gar, gar keinen Fall Brautjungfer werden. Du würdest mich ja doch bloß in zitronengelben Chiffon stecken.«
»Abgemacht«, versprach sie, strahlend, plötzlich wieder voller Lebensfreude.
»Also, jetzt reicht es aber mal, ich bin dran«, mischte sich ihre Freundin Mary ein und ließ sich auf den Esszimmerstuhl neben mir plumpsen.
»Möchtest du mir nicht vielleicht erst mal gratulieren?«, trompetete Tante Lizzie ziemlich süffisant. »Schließlich haben wir gerade erfahren, dass ich bald heiraten werde und überhaupt.«
»Ja, herzlichen Glückwunsch und so weiter«, schnaubte Mary, und ihr Ton strafte ihre Worte Lügen.
»Entschuldige, was war das? Ich hab dich nicht richtig verstanden.«
»Bring mich nicht dazu, es nochmal zu sagen, mir haben schon beim ersten Mal die Zähne wehgetan.«
Also damals war Mary für mich eine verschrumpelte Omi mit einer briefbeschwererdicken Brille auf der Nase und zu einem Knoten zusammengezurrten Haaren, eine Karikatur der vorzeitig senilen alten Jungfer, die sich als Lehrerin abgerackert und ihr Leben ganz ihren Schülern geopfert hat. In Wirklichkeit aber war Mary damals wahrscheinlich ungefähr Ende dreißig – groß, autoritär und, wie meine Mutter es ausdrückte, »ein bisschen überspannt«.
»Also, er heißt James«, erklärte sie mir, unverzüglich zum Punkt kommend. »Aber das ist so ziemlich alles, was ich weiß, jedenfalls im Moment. Er ist der neue Kunstlehrer an meiner Schule, und wir haben gestern im Lehrerzimmer einen ganz besonderen Augenblick zusammen erlebt.«
»Was denn für einen Augenblick?«, fragte Tante Lizzie spitz.
»Blickkontakt«, erwiderte Mary abwehrend.
»Blickkontakt? Weiter nichts? Du hast ihn nur angesehen? Du meinst, du hast noch nicht mal mit ihm geredet?«
»Nein, und ich wäre dankbar, wenn du aufhören würdest, mich so unter Druck zu setzen, Lizzie. Danke sehr. Ich nähere mich Schritt für Schritt der Möglichkeit eines Gesprächs. Auf meine Art.«
»Du hast also nicht mit ihm geredet, ihr habt nicht eure Telefonnummern ausgetauscht, und er hat dich auch nicht gefragt, ob du mit ihm ausgehen willst?«
»Ganz richtig«, antwortete Mary. »Der klassische Fall einer nicht geglückten Kontaktaufnahme zwischen den Geschlechtern.«
»Psst«, unterbrach ich die beiden, denn ich spürte, dass sich eine Vision anbahnte, und das Gekabbel der beiden Frauen lenkte mich ab.
»Was siehst du?«, fragte Mary aufgeregt.
Ich brachte es nicht übers Herz, ihr die Wahrheit zu sagen. In solchen Momenten hasste ich meine Gabe aus tiefstem Herzen.
Mary steht in der Angestelltentoilette am Waschbecken und heult sich die Augen aus dem Kopf. Die Mascara läuft ihr übers Gesicht, und dann ... ja, da ist noch eine Frau, die Marys Hand hält und ihr sagt, sie soll nicht traurig sein, und wenn einem jemand leidtun müsste, dann seine Frau ...
»Was? Was siehst du denn?«, drängelte Mary, die mein langes Gesicht offensichtlich bemerkt hatte.
»Ich ... ich glaube nicht, dass er der Mann für dich ist«, sagte ich langsam, »aber ...«
»Ach, das ist so UNFAIR!«, knurrte Mary.
»Ja, das ist meine Cellulitis auch«, warf Tante Lizzie fröhlich ein.
»Psst, wartet mal eine Sekunde«, flüsterte ich und wedelte abwehrend mit den Händen.
»Was? Was siehst du denn?«, zischten mich die beiden an. Schon wieder eine Vision ...
Es ist wieder Mary, aber diesmal sieht sie sehr viel besser aus. Sie trägt ein hübsches Sommerkleid und ist ... ja, sie ist zweifellos im Ausland, irgendwo, wo es heiß und sonnig ist, in einem Straßencafé. Sie trinkt seltsames rosarotes Zeug, und neben ihr sitzt ein braungebrannter Kerl mit dunklen Augen und dunklen Haaren, hält ihre Hand und sagt etwas in einer Sprache, die ich leider nicht verstehe ...
»Eres la mujer de mis sueños.«
»Was hast du gesagt?«, fragte Tante Lizzie.
»Klang wie Spanisch«, meinte Mary mit ihrer Oberlehrerinnenstimme. »Kannst du das bitte nochmal wiederholen, und zwar laut und deutlich?«
»Eres la mujer de mis sueños«, sagte ich langsam, ohne die geringste Ahnung zu haben, was es bedeuten sollte. Meines Wissens hätte es auch etwas Unanständiges sein können. »Da ist ein Mann in einem geblümten Hemd bei dir, der deine Hand hält und dir dieses spanische Zeug sagt, und ich glaube irgendwie nicht, dass du in Irland bist. Es ist heiß und schwül, und deine Nase ist ganz rot und schält sich. Sicher weiß ich nur, dass du sehr, sehr glücklich bist.«
Mary sah uns beide an, wie jemand, der gerade eine Erleuchtung hat. »Du bist die Frau meiner Träume«, sagte sie staunend. »Das bedeutet der Satz. Du bist die Frau meiner Träume.«
»Ach komm, es gibt doch auf der ganzen Welt keinen Mann, der so einen Schwulst von sich gibt«, blaffte Tante Lizzie, ein bisschen sauer, weil man ihr die große Braut-Show einfach so unterm Hintern weggestohlen hatte. »Hast du mal wieder in der Unterstufe Jackie-Magazine konfisziert?«
»Ich glaube ...«, entgegnete ich und stockte, weil ich nicht wusste, wie ich das überwältigende Gefühl artikulieren sollte, das mich gerade ergriff.
»Was?«, fragten Mary und Tante Lizzie wie aus einem Mund.
»Na ja, der Mann, den ich bei dir gesehen habe, ist zwar jetzt allein, aber er ... na ja, es könnte sein, dass er früher schon mal verheiratet war.«
»Ha! Ein Geschiedener!«, spottete Tante Lizzie. »Ist das nicht ein bisschen so, als würde man am Weinglas einer anderen nippen? Oder Klamotten vom Ständer mit den runtergesetzten Ladenhütern kaufen?«
»Er muss Spanier sein«, meinte Mary, ohne auf ihre spitze Bemerkung einzugehen. »Ganz bestimmt. Und ich hab darüber nachgedacht, ob ich die Sommerferien in Katalonien verbringen soll ...«
»Würdet ihr beide jetzt Cassie endlich mal in Ruhe und ihre Aufgaben machen lassen?«, kreischte meine Mutter in diesem Moment aus der Küche, und Mary und Tante Lizzie machten sich flinker aus dem Staub als Teenager, die beim Rauchen erwischt worden sind. Ich blieb zurück und machte mich still wieder an meine Rechtschreibübungen.
Vielleicht sollte ich noch darauf hinweisen, dass ich bei dem eben beschriebenen Vorfall sieben Jahre alt war.
»FRAGEN SIE CASSANDRA«
Hier werden Ihre Fragen beantwortet, hier erhalten Sie Rat und Hilfe bei allen spirituellen und übersinnlichen Problemen!
Schreiben Sie einfach an Cassandra, unter folgender Adresse:
Tattle Magazine,
Tattle House,
Fleet Street 2,
Dublin
Liebe Cassandra,
ich bin dein größter Fan. Echt. Na ja, genau genommen ich und alle anderen Mädels in meiner Klasse, außer meiner Freundin Amy, die sagt, dass Hellseherinnen die Hälfte der Zeit bloß zufällig richtig raten. Aber die kannst du einfach vergessen. Seit Amy die Matheprüfung geschafft hat, hält sie sich für allwissend.
Jedenfalls, ganz im Ernst: Ich und die anderen Mädels kaufen uns jeden Donnerstag die Tattle, und als Erstes lesen wir immer deine Artikel. Aber ich sollte wohl zum Punkt kommen. Hier ist meine Frage: Letzten Samstag war ich im Old Wesley, um zu feiern, dass wir die Ergebnisse vom Junior Certificate gekriegt haben, und da ist mir der Mann meiner Träume über den Weg gelaufen. Hundert-pro. Er ist im vierten Jahr in Clongowes und so was von süüüß! Inzwischen waren wir schon im Kino (einmal), bei ihm zu Hause (auch einmal) zum DVD-Gucken, haben dreimal telefoniert und zweiundvierzig SMS geschickt (na ja, vierzig waren von mir, aber er hat zweimal geantwortet, also ist es trotzdem cool). Dabei ist es nicht mal mehr eine Woche bis zu unserem Einwöchigen nächsten Samstag, jetzt haben wir also genau genommen Halbwöchiges – und da kann man doch wohl davon ausgehen, dass er auch ziemlich verrückt nach mir ist. Jipp-iiieh!
Ich bin totaaaaaal verliebt, und alle meine Freundinnen sind grün vor Neid. Aber jetzt kommt erst mal meine Frage, und bitte lach nicht, weil ich sonst irgendwie totaaaaal GEKRÄNKT wäre. Ist es möglich, dass man seinen zukünftigen Ehemann mit fünfzehn kennenlernt? Und wenn ja – wann werden wir heiraten? Wie viele Kinder kriegen wir?
Tausend Dank,
Verliebt im Loreto College
P. S. Meine Freundin Sinead hat auch noch eine Frage: Spürst du vielleicht irgendeinen übersinnlichen Hinweis darauf, ob sie wieder mit ihrem Ex zusammenkommt? Seinen Namen kann ich dir nicht schreiben, weil er das hier womöglich liest, und das würde Sinead garantiert nicht verkraften. Seit er sie verlassen hat, isst sie so gut wie gar nichts mehr, und jetzt wiegt sie noch grade mal fünfzig Kilo. Hat die ein Schwein.
Okay. Zuerst mal bin ich euch eine Erklärung schuldig. Ich hatte nie vor, Hellseherin zu werden. Ich meine, es ist ja nicht so, als würde man sich für die Hellseherei entscheiden oder so, wie für irgendeinen x-beliebigen Beruf. Aber ob es mir nun gefällt oder nicht (und meistens gefällt es mir nicht, es ist nämlich manchmal ganz schön peinlich, und obwohl viele Leute das denken, funktioniert es weder bei den Lottozahlen noch bei Pferdewetten), hatte ich schon als Kind die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen. Nicht dauernd und ohne Unterbrechung, möchte ich gleich hinzufügen. Ich kann nicht einfach rund um die Uhr nach Belieben damit loslegen. Aber wenn es passiert, sehe ich die Dinge so klar und deutlich, dass es, na ja, manchmal sogar ein bisschen beängstigend sein kann.
Ach, Quatsch, reden wir nicht um den heißen Brei herum: Es ist total beängstigend.
Seht ihr, was ich erklären muss, ist ... dass ich bisher immer richtig lag. Ich habe mich kein einziges Mal geirrt. Nie. Die daraus resultierende Verantwortung ist mir ganz schön unheimlich, wie ihr euch sicher vorstellen könnt.
Jedenfalls sitze ich jetzt an meinem Schreibtisch im ziemlich geschäftigen Dubliner Büro von Tattle und versuche, den Brief fest in der Hand, etwas zu erspüren, als meine Freundin Charlene hereinplatzt.
»Kannst du mir bitte sagen, warum viele Leute so gemein sind zu den wirklich Gutaussehenden dieser Welt?«, fragt sie, schleudert theatralisch ihre Prada-Tasche auf meinen Schreibtisch (eine echte natürlich, denn eine Frau wie Charlene gibt sich ganz sicher nicht mit Imitaten ab) und schlägt die makellos, wenn auch nicht von der echten Sonne gebräunten Beine übereinander.
»Charlene, es ist grade mal halb fünf am Nachmittag. Solltest du da nicht grade dein Nickerchen machen?«
»Normalerweise ja. Aber ich bin leider soeben gefeuert worden.«
»Nicht schon wieder!«
»Anscheinend hat unserer geschätzten Chefredakteurin meine letzte Buchbesprechung nicht gefallen.«
»Vielleicht die, in der steht – ich zitiere: ›Dieses Buch muss jeder haben, und sei es nur, um ein wackliges Tischbein damit abzustützen.‹? Charlene, wundert es dich wirklich, dass sie dich rausschmeißt? Du hast mir gesagt, dass du das Buch nicht mal gelesen hast.«
»Na ja, schon der Titel war stinklangweilig, und außerdem hatte ich echt Besseres zu tun.«
Ich weiß, das klingt jetzt ein bisschen herzlos, aber Charlenes Problem ist, dass sie ständig ihren Job verliert. Die ganze Zeit, dauernd. Sie verliert Jobs wie andere Leute ihre Autoschlüssel. Bei Tattle war sie bereits Restaurantkritikerin (und wurde gefeuert, weil sie weder Fisch noch Weizen noch Gluten isst und nichts Fermentiertes, außer Alkohol) und Theaterkritikerin (gefeuert, weil sie in der Pause aus einer Hamlet-Aufführung marschiert ist und sich den Schluss selbst ausgedacht hat. Vielleicht wäre sie damit sogar durchgekommen, wenn sie in ihrer unendlichen Weisheit nicht irrtümlicherweise angenommen hätte, dass am dänischen Königshof schon alles irgendwie gut ausgehen würde – ungefähr nach dem gleichen Prinzip wie beim Krippenspiel in der ersten Klasse).
Aber egal – über Charlene solltet ihr jedenfalls ein paar Dinge wissen:
Sie sieht umwerfend gut aus, und das meine ich genau so, ohne jede Übertreibung. Eine Art Nicole Kidman, dank der gezielten Anwendung von Selbstbräunerspray jedoch stets leicht sonnengebräunt, mit tizianroten Korkenzieherlocken und untertassengroßen blauen Augen, figurmäßig so zierlich und perfekt, dass man denken könnte, Disney persönlich hätte sie gemalt. Aber einfach ist die junge Dame garantiert nicht. Allein dafür, die Haare so hinzukriegen, dass sie aussehen, als wäre sie gerade eben aus dem Bett getorkelt, gehen volle zwei Stunden drauf. Ganz zu schweigen davon, dass genau alle dreizehn Tage ihre Coloristin zu ihr nach Hause kommen muss, um das Image aufrechtzuerhalten, dass
Charlene
– Hand aufs Herz, großes Ehrenwort! – von Natur aus rothaarig ist. Außerdem lässt sie ihre persönliche Make-up-Artistin in alle möglichen entfernten Winkel der Welt einfliegen, nur um jede Minute ihres Lebens superpüppchenperfekt auszusehen. Was mich nahtlos zu Punkt zwei bringt.
Charlene
ist unglaublich reich und braucht eigentlich nicht zu arbeiten. Aber ihr Vater (wahrscheinlich einer der erfolgreichsten Menschen, die man sich vorstellen kann, der es ausgerechnet mit der Herstellung von Duschvorhangringen zum Milliardär gebracht hat) findet, dass es gut für sie ist, einen Fokus im Leben zu haben. Außerdem gehört ihm das Unternehmen, dem
Tattle
gehört. Und wie
Charlene
es selbst gern ausdrückt: Wenn man eine »Karriere« hat, weiß man seine Shoppingzeit gleich viel mehr zu schätzen. Und man hat auch noch ein Thema, über das man sich mit den anderen Erbinnen-Babes unterhalten kann, am besten bei einem dreistündigen alkoholisierten Girlie-Lunch.
Ich andererseits habe keinen Milliardärspapa, der mich finanziert, ich brauche meinen Job, um meine Miete bezahlen zu können.
»Charlene, ich kann ja verstehen, wie ... äh ... wie sehr dich das alles quält, aber leider muss ich arbeiten. Ich hab morgen meinen Abgabetermin und wie immer alles bis zur letzten Minute auf geschoben. Also verschwinde jetzt bitte, ich muss mich konzentrieren.«
Inzwischen bin ich leicht panisch, vor allem weil unsere Chefredakteurin, die Drachenlady, wie wir sie hinter ihrem Rücken nennen, mir gerne krummkommt mit Behauptungen wie, dass es unprofessionell sei, wenn man Termine nicht einhält. Und ausgerechnet heute ist die alte Hexe voll in Angriffsstimmung.
»Ach, komm schon, Cassie, hast du nicht irgendeine hellseherische Ahnung, was ich machen soll?«, fragt Charlene mich, während sie ein Exemplar der Tattle von nächster Woche durchflippt, das auf meinem Schreibtisch liegt. »Mein Life-Coach sagt, dass ich mich früher oder später für eine Karriere entscheiden muss.«
»Für eine Karriere entscheiden? Du kannst dich doch nicht mal für eine Nagellackfarbe entscheiden.«
»Ich weiß.« Sie kichert. »Und außerdem werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach von hier auch kein anständiges Zeugnis bekommen. Die Drachenlady sagt, ich hätte eine Konzentrationsspanne von – oh, wow, schau mal! Bis Dienstag gibt’s im House of Fraser alles aus Kaschmir zwanzig Prozent runtergesetzt! Los, was sitzt du noch hier rum?«
»Psst, warte mal eine Sekunde, ich muss nachdenken«, sage ich, drehe und wende den Brief und versuche, etwas zu spüren. Charlene faselt unbeirrt weiter, aber auf einmal habe ich ein kristallklares Bild vor mir.
»Sie wird Akademikerin«, rufe ich abrupt.
»Wer?«
»Das Mädchen in meinem Brief. Lauter Einsen im Zeugnis. Man wird ihr ein Stipendium für ein Studium in den USA anbieten. Aber an einen Freund wird sie wahrscheinlich so schnell nicht mal denken können.«
»Igitt, pubertäre Hormonprobleme«, sagt Charlene. »Wie langweilig. Sag ihr doch einfach, es gibt nichts Besseres, als zum Friseur und/oder zur Pediküre zu gehen. Danach kriegt man jedes Problem der Welt in den Griff.«
Hektisch kritzle ich ein paar Stichworte aufs Papier, um sie nicht zu vergessen, und Charlene fängt an, über mein Foto herzuziehen, das die Kolumne von letzter Woche ziert.
»Wir müssen echt was machen mit deinen Haaren, Süße.
Versteh mich nicht falsch, ich mag deinen Look, Jeans und Shirts und City-Schick, du weißt schon. Sieht super aus an euch glücklichen groß gewachsenen Menschen ...«
»Charlene! Ich arbeite! Jedenfalls versuche ich es.«
Aber sie ignoriert mich fröhlich. »Aber ich würde dir so gern – wie soll ich es ausdrücken? – ein bisschen weniger Charlize Theron und ein bisschen mehr frühe Madonna verpassen. Du solltest das Blond etwas runtertönen und die Haare auch ein Stück wachsen lassen. Längere Haare würden dir echt gut stehen. Schau mich an und lerne durch Osmose.«
»Darf ich dich daran erinnern, dass du es warst, die mich dazu überredet hat, meine Haare zu blondieren, als ich noch eine ganz zufriedene Brünette war? Du hast mir eingeredet, Blondinen hätten mehr Spaß und auch eine höhere Trefferquote bei Männern. Wie sich herausstellt, stimmt das überhaupt nicht.«
»Dafür kannst du mir aber nicht die Schuld in die Schuhe schieben. Schließlich bist du die Hellseherin. Du hättest es besser wissen müssen.«
»Nicht nur das, du hast mich auch noch zum teuersten Friseur der ganzen Stadt geschleppt, wo man mir fast zweihundert Euro abgeknöpft hat ...«
»Ach, stimmt ja – und ich hab mich danach noch ein paar Mal mit dem Typen getroffen, dem der Salon gehört. Ich war auch total in ihn verliebt und hab echt gedacht, das wird eine tiefe, feste Beziehung ... oh, Scheiße, wie hieß der Typ gleich nochmal?«
»Man kann die Ereignisse folgendermaßen zusammenfassen: Du hast einen Mann kennengelernt und ich mein Kreditkartenlimit.«
Mit einem abgrundtiefen Seufzer wende ich mich wieder meinen Notizen zu, während Charlene gelangweilt die Zeitschrift fallen lässt, nach dem Zufallsprinzip einen Brief aus meinem Stapel zieht und ihn laut vorliest.
»Liebe Cassandra,
hi. Lese schon lange deine Rubrik, habe aber noch nie an dich geschrieben. Eigentlich würde es mir nicht im Traum einfallen, jemanden über eine Zeitschrift zu kontaktieren, aber ich glaube wirklich, dass du eine seltene und echte hellseherische Begabung besitzt. Wenn du mir also irgendwelche hilfreichen Prognosen zu der emotionalen Serie (Drama), in der ich anscheinend mitspiele, geben kannst, wäre ich dir ewig zu Dank verpflichtet.
Wie bei einer Menge Menschen, die dir schreiben, geht es auch bei meinem Problem – Überraschung! – um einen Mann. Meinen Freund nämlich. Meinen Freund, dessen Vorstellung von einer engen, langfristigen Beziehung darin besteht, dass er mich fragt, welche DVD er für den Abend ausleihen soll.
Versteh mich bitte nicht falsch – der Kerl liegt mir wirklich am Herzen, und ich möchte, dass sich die Dinge zwischen uns entwickeln. Das Problem ist nur, dass ich einige seiner Exfreundinnen kenne, und bei denen heißt er nur Mustermann. Sein Verhaltensmuster ist nämlich folgendes: Wenn er eine neue Freundin hat, ist er in den ersten Monaten der ideale Partner, der Superfreund, den jede Frau sich wünscht. Sekt und Rosen, Pralinen, Einladungen zum Essen in den angesagtesten Restaurants. Man kriegt beinahe das Gefühl, dass er vor seinen Kumpels mit einem angeben möchte. Aber nach ein paar Monaten lässt er deutlich nach – er langweilt sich mehr oder weniger demonstrativ, antwortet nicht auf Anrufe und SMS, kurz, er zeigt alle klassischen Anzeichen von Beziehungsmüdigkeit. Danach befanden sich alle seine Exfreundinnen in der wenig beneidenswerten Lage, ihm die uralte Frage mit dem Titel ›Was ist eigentlich los, magst du mich nicht mehr?‹ stellen zu müssen, worauf er unweigerlich antwortete mit einem ›Ja, tut mir leid, Baby, die Beziehung hat sich wohl ein bisschen totgelaufen, du merkst das doch bestimmt selbst‹. Innerhalb weniger Wochen oder manchmal sogar Tagen hat er dann die nächste Freundin. Ich glaube, der Knabe war in seinem ganzen Leben noch nie länger als zwei Wochen single.
Tja, Cassandra, meine Freundinnen sagen alle, das ist der klassische Fall eines Mannes, der den Kick der Eroberung liebt, dem aber schon nach ein paar kurzen Monaten, wenn die Beziehungsflitterwochen vorbei sind und der reale Alltag wieder einkehrt, schlicht und einfach langweilig wird. Jetzt sieht er seine Freundin in ihren bequemen Alltagsunterhosen (du weißt schon – irgendwann denkt man doch, ach, was soll’s, ich hab ’nen Freund, da brauch ich mich doch nicht mehr mit Stringtangas zu quälen), mit unrasierten Beinen und dringend renovierungsbedürftigen Strähnchen (obwohl mir das nur ein einziges Mal passiert ist, Ehrenwort).«
Charlene liest weiter, aber ich höre ihr nur noch mit halbem Ohr zu. Aus irgendeinem Grund zieht ein anderer Brief aus dem Stapel meine Aufmerksamkeit auf sich. Blaues Briefpapier. Krakelige Schrift. Eine Ausstrahlung extremer Dringlichkeit. Ich habe sofort das überwältigende Gefühl, dass die Schreiberin ein Stück älter ist als die Leute, die sich normalerweise an mich wenden. Vor meinem inneren Auge steht eine Frau Mitte sechzig, grauhaarig und richtig verzweifelt. Sie braucht unbedingt Hilfe und weiß nicht, an wen sie sich sonst wenden soll ...
Charlene liest immer noch vor:
»Langer Rede kurzer Sinn: In letzter Zeit kriege ich immer mehr das Gefühl, dass ich jetzt an der Reihe bin, ausgetauscht zu werden, und hier ist das endgültige Zeichen: Letzte Woche war mein dreißigster Geburtstag, und er hat mir – du glaubst es nicht –, er hat mir einen Hometrainer geschenkt. Dabei hab ich ständig mit dem Zaunpfahl gewinkt, wie toll ich den Schmuck bei Boodles finde und wie toll es wäre, wenn ich ein Geburtstagsgeschenk kriegen würde, das ich lieben und ehren könnte, bis dass der Tod uns scheidet. Aber ich denke, Mustermann macht seinem Namen mal wieder alle Ehre, und wenn ich demnächst abserviert werde, sieht man ihn garantiert sofort danach mit einer Paarundzwanzigjährigen in der Stadt rumschlendern.
Dieser Mistkerl.
Jeder hellseherische Tipp, der dir zu diesem Thema einfällt, ist mir hochwillkommen.«
»Cassie? Cassie, hörst du mir überhaupt zu? Der hier ist gut. Obwohl der Himmel weiß, warum sie sich überhaupt die Mühe macht, an eine Hellseherin zu schreiben. Für Leute wie sie sind Internet-Kontaktbörsen doch erfunden worden.«
Aber ich höre sie nicht mehr. Ich nehme den blauen Umschlag und reiße ihn auf. Ein durchdringender Maiglöckchenduft schlägt mir entgegen, und sofort ahne ich, dass die Frau, die das geschrieben hat, nicht allein lebt. Sie hat einen Mann um sich, noch ein wenig älter, autoritär, ein bisschen tyrannisch. Aus irgendeinem Grund nehme ich eine starke negative Energie wahr, weiß aber nicht recht, warum.
Liebe Cassandra,
noch während ich den Stift in die Hand nehme, ist mir klar, wie hoffnungslos und pathetisch mein Brief klingen wird. Nicht nur, weil ich Sie um Hilfe bitte, sondern auch, weil ich außerdem noch schamlos genug bin, Sie zu bitten, diesen Brief nicht zu veröffentlichen. Sie können sich nicht vorstellen, wie wütend mein Mann wäre, wenn er wüsste, dass ich mich in meiner Verzweiflung an eine Zeitschrift wende. Ich kann selbst kaum glauben, dass ich es tue, aber wenn Sie mir nicht helfen können, Cassandra, weiß ich wirklich nicht mehr, an wen ich mich wenden könnte. Aber Sie haben viel zu tun, deshalb fasse ich mich kurz.
Das Problem begann vor drei Monaten, im Juli, als wir in unser neues Haus gezogen sind. Ein wunderschönes Haus, das wir uns für den Ruhestand gekauft und in das wir unsere gesamten Ersparnisse gesteckt haben. Ich hatte gehofft, hier in Ruhe und Frieden den Rest unserer Tage verbringen zu können. Aber es kam ganz anders.
Ich glaube eigentlich nicht daran, dass Geister die reale Welt heimsuchen, Cassandra, aber irgendetwas Seltsames geht in diesem Haus vor. Ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll, aber ich schreibe Ihnen trotzdem und bete zum Himmel, dass Sie verstehen, was ich meine, und mir helfen können.
»Oooh, ein Geisterhaus?«, ruft Charlene, der ihr eigener Brief längst langweilig geworden ist und die mir jetzt über die Schulter schaut. »So was liebe ich. Wie in Afterlife. Welche Symptome hat sie denn? Oder benutzt man dieses Wort nicht in diesem Zusammenhang?«
Aber ich antworte nicht, sondern lese weiter, gänzlich fasziniert.
Obwohl fast die ganze Zeit die Heizung läuft, ist es immer kalt im Haus, es riecht sonderbar, vor allem in einem bestimmten Zimmer, und was am schlimmsten ist, es fliegen immer wieder Dinge durch die Gegend, schwere Dinge. In den seltenen Fällen, wenn wir mal Besuch haben, wollen unsere Gäste nie bleiben, und das kann man ihnen auch nicht verdenken. Ganz gleich, was ich auch versuche, ich komme nicht an gegen diese schreckliche, eisige Atmosphäre. Man hat das Gefühl zu ersticken, fast, als wollte das Haus uns fortjagen, und ich habe keine Ahnung, warum.
Ich habe Angst, Cassandra, und ich flehe Sie an, bitte helfen Sie mir. Am liebsten würde ich das Haus gleich morgen wieder verkaufen, aber davon will mein Mann nichts hören. Wenn ich nur andeute, dass irgendetwas nicht stimmt, wird er total sauer, und um des lieben Friedens willen halte ich dann den Mund und versuche mich mit allem abzufinden.
Aber ich ertrage es bald nicht mehr. Ich schreibe Ihnen meine Telefonnummer und hoffe, von Ihnen zu hören. Sie können jederzeit anrufen, und wenn mein Mann drangeht, machen Sie sich keine Sorgen! Mir fällt schon eine Ausrede ein.
Ganz herzlichen Dank. Ich bin ratlos und weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden könnte.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Sorgenvoll in Rathgar.
»Wow! Wie cool ist das denn?«, freut sich Charlene, die das Problem anscheinend nicht ganz kapiert. Stattdessen beugt sie sich über mich und schnappt mir den Brief aus der Hand. »Dein eigenes, ganz persönliches Gespenst. Das muss doch sein, als wäre man permanent in Hogwarts.«
Ich hole mir den Brief zurück, halte ihn in beiden Händen, wende ihn hin und her und versuche Charlene so gut ich kann auszublenden, damit ich eine Verbindung kriege.
Es war schon spät in der Nacht, als diese arme Frau mir geschrieben hat, und die pure Angst, die ich von ihr ausgehen spüre, bringt mein Herz zum Rasen ...
»Du könntest ihr raten umzuziehen«, zwitschert Charlene munter weiter. »Du weißt schon, wie damals, als ich das Penthouse in Marbella verkauft habe, weil die Kakerlake über meinen Parkplatz gerannt ist.«
»Psst!«
»Uuups, sorry. Hab ich mal wieder alles auf mich bezogen?«
»Ich hab das Gefühl, ich muss mir dieses Haus dringend mal anschauen«, erwidere ich nach einer Weile, ohne auf sie einzugehen.
»Warum?«
»Weil ... hm, ich weiß nicht.« Ich kann nicht richtig in Worte fassen, was mir im Magen liegt, ich weiß nur, dass ich den heftigen Impuls verspüre, mir das Haus anzusehen, und ich glaube ganz fest daran, dass man immer, wirklich immer, seinem Bauchgefühl folgen soll. »Es ist nichts Schreckliches oder Unheimliches, sondern nur ...« Ich schaue Charlene ins Gesicht und überlege, ob ich ihr sagen soll, was sich in meinem Hinterkopf zusammenbraut, oder lieber nicht. Schließlich entscheide ich mich, es ihr zu sagen, denn ganz egal, wie bizarr mein Job auch wird (und manchmal kann man wirklich kaum glauben, was für Briefe ich bekomme), lässt Charlene sich nie, nie, nie zu einem verächtlichen oder abwertenden Kommentar über meinen Broterwerb hinreißen. Das ist das Schöne an ihr. Sicher, bei Themen wie Haare/Klamotten/Langzeitsingledasein macht sie mich gnadenlos nieder, wo sie nur kann, aber das juckt mich nicht. Ich stichle höchstens zurück – wie gute Freundinnen das eben machen, ohne dass eine es in den falschen Hals kriegt. Nur wenn jemand das Übernatürliche in den Dreck zieht und mir das Gefühl vermittelt, ich wäre ein Hochstapler, dann ärgert mich das. Ihr wisst schon, wenn ich erzähle, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, und jemand mich dann anguckt, als hätte ich keinerlei Bezug mehr zur Realität. Und das passiert gelegentlich, glaubt mir.
»Ich denke, ich muss da wahrscheinlich ein Clearing machen«, erkläre ich schlicht. »In diesem Haus ist irgendwas. Jemand ist da gefangen. Vielleicht eine Seele, die nicht gehen konnte, oder vielleicht eine, die von uns gegangen ist, es aber ... noch nicht weiß.«
Jetzt habe ich Charlenes hundertprozentige Aufmerksamkeit. »Wow. Da ist die Seele tot und weiß es nicht. Irgendwie gruslig, oder?«
»Nein, nein, daran ist absolut nichts gruslig. So was passiert dauernd. Geister sind unsere nächsten Nachbarn. Wir müssen uns vor ihnen nicht fürchten; meistens wollen sie uns sogar helfen.«
»Dann willst du also da hingehen und so eine Art spirituellen Frühjahrsputz veranstalten?«
»Äh ... ja, so könnte man es ausdrücken.«
»Na gut, dann komme ich mit, als moralische Unterstützung für dich sozusagen«, sagt Charlene. »Nur über meine wunderschöne Leiche lasse ich dich da alleine hingehen. Cassie, das hab ich doch wohl oft genug gesagt: Du bist dermaßen gut bei der ganzen Wahrsagerei und so, warum machst du so was nicht beim Fernsehen?«
Ich danke ihr im Stillen, dass sie so unbeirrbar ist. In diesem Augenblick angelt sie schon wieder einen anderen Brief aus dem unendlichen Stapel auf meinem Schreibtisch und fängt wieder an vorzulesen.
»Liebe Cassandra,
seit fast zwei Monaten treffe ich mich jetzt mit einem Typen, und ich kriege langsam das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt. In der ganzen Zeit hat er mich kein einziges Mal angefasst. Nie. Zwar behauptet er, dass es deshalb ist, weil er zu viel Respekt vor mir hat, aber ich bin eine normale Frau mit normalen Wünschen und Bedürfnissen, wenn du verstehst, was ich meine, und allmählich wird es ein Problem für mich.
Nehmen wir beispielsweise meinen Geburtstag vorige Woche. Da kam er rüber, wir haben Brokeback Mountain auf DVD angeschaut und dann hat er mir Tickets für uns beide zum Konzert von Cher im Point Depot geschenkt. Mir wäre U2 wesentlich lieber gewesen, aber gut. Als ich ihn dann zum Abschied küssen wollte, hat er mir auf jede Wange ein Küsschen verpasst, hat mir mitgeteilt, dass mein Make-up für meinen Teint eine Spur zu dunkel ist, und weg war er.
Das treibt mich allmählich echt in den Wahnsinn, Cassandra. Dieser Kerl deprimiert mich schlimmer als ein Bad-Hair-Day. Falls dir dazu irgendwas Hellseherisches einfällt, bin ich äußerst dankbar.
Besorgt in Castlebar.«
»Tja, das ist doch mal ein Fall, für den man nicht unbedingt hellsehen können muss«, meint Charlene. »Der Kerl ist schwul und weiß es nur noch nicht. Stockschwul wie ein Rudel Frisöre, wenn du mich fragst.«
»Warte mal, da ist noch ein P.S.«, rufe ich und nehme ihr den Brief aus der Hand. »›P.S.: Ich weiß nicht, ob das was hilft oder nicht, aber aus irgendeinem Grund riecht er besser als die meisten Frauen. ‹ Japp, ich fürchte, du liegst mit deiner Einschätzung hundertprozentig richtig«, füge ich hinzu. Die arme Schreiberin tut mir leid, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ihr mit jemand anderem großes Glück bevorsteht. Mit einem Ausländer – einem Franzosen, glaube ich. Ich sehe dunkle Augen und olivfarbene Haut. Und ich glaube, er könnte Skorpion sein.
»Also, möchtest du, dass ich dir die Zukunft vorhersage?«, sagt Charlene, und ihre untertassengroßen Augen funkeln schelmisch.
»Wie bitte?«
»Du und ich verlassen jetzt dein Büro, gehen in die Odessa Bar und genehmigen uns ein schönes, wohltuendes Gläschen Sekt.«
Ächzend blicke ich auf den Briefstapel, der sich auf meinem Schreibtisch türmt und den ich kaum angerührt habe. (Aus irgendeinem Grund scheine ich jede Woche mehr Post zu kriegen. Die Drachenlady hat früher immer nur ungefähr fünf pro Woche veröffentlicht, aber jetzt sind es eher fünfundzwanzig mit Tendenz nach oben.) So viel Arbeit ... aber ein Sekt klingt soooo verlockend ...
»Ach, komm schon«, bettelt Charlene, als sie sieht, dass ich unsicher werde. »Wann bitte ich dich denn sonst jemals um einen Gefallen?«
»Na ja, ein Gläschen kann wohl nicht schaden, oder? Ich kann ja nachher Weiterarbeiten. Also, ich schlage Folgendes vor«, verkünde ich mit fester Stimme. »Ein schnelles Gläschen, und in einer halben Stunde sitze ich wieder an meinem Schreibtisch.«
»So ist’s recht. Ich hab grade meinen Job verloren, und in meiner momentanen Verfassung ist Bollinger mein einziger Verbündeter.«
»Ich bin nicht wirklich betrunken, sondern eher ... eher benommen von meinem Elend. Aber ich möchte nicht, dass ihr euch Sorgen um mich macht, Ladys. Wenn ich mich erst mal um den Verstand getrunken habe, ist alles wieder in Ordnung.«
Inzwischen ist es sechs Stunden später, und ich lagere immer noch auf dem gleichen großen, gemütlichen Sofa, auf dem ich mich schon den ganzen Abend fläze, umringt von meiner Herde, oder – wie Charlene uns gern nennt – unserem kleinen Kreis von Liebe und Dysfunktion. Wir lauschen den Geschichten von Charlenes bestem Freund und Personal-Trainer, der uns von seiner letzten Trennung erzählt und dabei so unbeabsichtigt komisch wirkt, dass wir uns vor Lachen die Bäuche halten.
Er ist kräftig gebaut, durchtrainiert, dauergebräunt. Obwohl er einfach Marc heißt, nennen alle ihn nur »Marc mit C«. Und er ist nicht nur sehr witzig, sondern sieht auch noch unglaublich gut aus. Er ist schwul, was in dem Fitnessstudio, in dem er arbeitet, häufig zu Verwirrung führt, denn zu seinen Klienten gehören jede Menge kürzlich geschiedener oder getrenntlebender Frauen, die einerseits auf einen Superkörper und andererseits auf einen netten altmodischen Flirt scharf sind, um ihr angeschlagenes Selbstwertgefühl wieder aufzubauen. Marc mit C erfüllt solche Wünsche mehr als gern, denn unter all den Muskelschichten und dem sportgestählten Äußeren wohnt eine freundliche, sensible Seele, weshalb es eigentlich auch kein Wunder ist, dass seine engsten Freunde allesamt Frauen sind. Wenn er hetero wäre, würde ich es vielleicht auch bei ihm probieren, und ich muss mir dauernd in Erinnerung rufen, dass er für mich nicht in Frage kommt. Das Leben wäre viel einfacher, wenn er ein bisschen weniger attraktiv und dafür umso tuntiger wäre.
Wir kennen ihn schon seit Jahren, seit der Zeit, als Charlene ein Zimmer in ihrem Haus zu ihrem persönlichen Fitnessstudio umgebaut und ihn angeheuert hat, um sie dort viermal die Woche zu trainieren. Er heizt ihr ordentlich ein und hält ihr immer wieder unter die Nase, dass sie nur deshalb nicht in ein öffentliches Studio geht, weil sie nicht will, dass jemand sie a) verschwitzt und b) ohne Komplett-Make-up sieht.
»Sind wir immer noch bei dem Thema?«, fragt Charlene vom Sessel gegenüber und klingt dabei noch betrunkener, als ich mich fühle. »Du hast dich von einem Typen getrennt, mit dem du drei Dates hattest, und eines davon bestand darin, dass er in deinem Spinning-Kurs war, das zählt also nicht. Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?«
»Volle vier Tage ist das her«, antwortet Marc mit einem C.
»Und wann war die letzte Kontaktaufnahme?«
»Gestern mittels einer SMS von mir, in der ich ihn ganz beiläufig an den Fitness-Check erinnert habe, den wir für gestern abgemacht hatten und den er tunlichst ignoriert hat.«
»Sag die Wahrheit.«
Pause.
»Okay, es waren sieben SMS. Aber bevor du mich aburteilst, denk bitte daran, dass du in den Neunzigern einen Pony hattest.«
»Entschuldige, Süßer, aber das ist wohl kaum eine Tragödie.«
»Cassie, ich möchte, dass du die Fuselprinzessin da drüben mal ignorierst und mir sagst, ob du in meiner Zukunft vielleicht einen Ritter in glänzendem Armani siehst«, wendet er sich an mich. »Ich verlange ja nicht viel von diesem Leben, ich möchte weiter nichts, als eine zuverlässige, liebevolle Beziehung, die ungefähr, hm, ich weiß nicht, ungefähr eine Woche hält oder so.«
»Ich würde mir deine Zukunft ja gern anschauen«, entgegne ich, an meinem halb leeren Sektglas nuckelnd, und alle Gedanken an meinen Termin sind längst aus dem Fenster geflogen, »aber wenn ich was trinke, kann ich nie etwas sehen. Schließlich kann man in alkoholisiertem Zustand ja auch nicht Auto fahren oder schwere Maschinen bedienen, und genauso ist das auch mit der Hellseherei, weißt du – man kann keine Vorhersagen machen. Tut mir echt leid, Schätzchen.«
»Ja, trink jetzt dein Abendessen und lass sie in Ruhe«, lacht Jo, meine beste Freundin und Mitbewohnerin. »Cassie ist schließlich kein dressierter Seehund, der auf Kommando seine Kunststückchen zeigt. Außerdem hat die Woche grade erst angefangen, und du weißt ganz genau, dass du bis zum Wochenende wieder obenauf bist, du alter Mannoholiker. Versetz dich mal ein bisschen in meine Lage, dann wird dir schnell wieder klar, wie gut du es hast.«
Alle lachen, und wir bestellen noch eine Runde. Heute ist einer dieser vollkommen spontanen Abende, die immer so viel mehr Spaß machen als jede geplante Veranstaltung, und ich bin sehr froh, dass Jo auf dem Heimweg auf ein paar Drinks vorbeigeschaut hat.
Ich erzähl mal ein bisschen was über Jo. Sie ist in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von Charlene, sowohl körperlich als auch in ihrer Persönlichkeit. Ebenso scharfsinnig wie scharfzüngig, intelligent wie Einstein, mit einem staubtrockenen Humor. Eine Frau, der man den schwarzen Gürtel im Rede-Kung-Fu verleihen sollte. Ehrlich, sie kann unglaublich witzig sein, aber es ist echt nicht lustig, wenn man zur Zielscheibe ihres gnadenlosen Spotts wird – wie das Charlene des Öfteren passiert. Jo ist klein und auf eine natürliche Art hübsch, hat kurze, hellbraune Haare, die ich ihr (leider ziemlich schlecht) schneide, da sie sich strikt weigert, einen Friseursalon zu betreten, solange Tibet nicht befreit ist. Als schnelles mentales Blitzlicht stellt euch vor, man sucht für einen Film Jodie Fosters kleine Schwester: Dafür ist Jo die Idealbesetzung. Sie sammelt Spenden für Amnesty, engagiert sich leidenschaftlich für Menschenrechte, und auf ihr soziales Gewissen wäre sogar Nelson Mandela stolz.
Sagen wir es mal so: In Jos Glaubenssystem ist mangelndes politisches Engagement beim Thema Abrüstung die Grundlage für die Menschenrechtsvergehen in aller Welt, während Charlene sich fragt: Wenn nicht mal Paris Hilton und Nicole Ritchie miteinander auskommen, welche Hoffnung gibt es dann für den Nahen Osten? Jo arbeitet samstags ehrenamtlich im Oxfam-Shop, während Charlene überzeugt ist, dass man Hepatitis kriegt, wenn man Secondhand-Klamotten anzieht. In ihrer unendlichen Großzügigkeit würde Jo euch ihren letzten roten Heller schenken, während Charlene, wenn du dir etwas von ihr zu leihen wagst, am liebsten deinen Führerschein als Pfand dafür einziehen möchte. In ihrem Haus sind zwei Räume ausschließlich für ihre Klamotten reserviert, nach Jahreszeit/Tag und Jahreszeit/Nacht geordnet (ihre Schuhkollektion erwähne ich erst gar nicht; sie ist in einem separaten begehbaren Wandschrank untergebracht, der etwa so groß ist wie unser Wohnzimmer), während die gute alte Jo immer noch die verschlissenen Jeans von vor fünf Jahren aufträgt.
Ich habe sie beide von Herzen lieb, aber man kann sich wirklich kaum zwei gegensätzlichere menschliche Wesen vorstellen. Trotzdem hat Jo immer noch einen Rest missionarischen Eifer, Charlene zu verändern. (Natürlich ohne Erfolg – bisher hat sie es nicht mal geschafft, sie dazu zu bringen, dass sie sich fair gehandelten Kaffee kauft.)
Aber zurück zur Odessa Bar.
»Ist euch eigentlich klar«, sagt Marc mit C, »ist euch klar, dass wir alle vier zum ersten Mal, seit ich denken kann, genau im gleichen Moment partnerlos sind?«
»O toll«, faucht Charlene. »Herzlichen Dank für diese inspirierende Erkenntnis! Jetzt habe ich endlich meinen inneren Frieden wiedergefunden. Ich denke, euch allen ist mein persönliches Ziel bewusst.«
»Einen Ehemann zu finden, bevor du dreißig bist«, erwidert Jo sachlich. »Ja, das wissen wir.«
»Ich korrigiere: Einen reichen, brauchbaren Ehemann«, feuert Charlene ein bisschen gereizt zurück. Gerade letzte Woche hat sich eine der Erbinnen-Tussen verlobt, mit denen sie befreundet ist, und das ärgert sie ungemein. »Ich meine, was stimmt nicht mit mir? Seht mich doch mal an, Herrgott nochmal! Wenn ich ein Mann wäre, würde ich mich sofort heiraten.«
»Ach, kannst du nicht mal ein bisschen weniger melodramatisch sein?«, erkundigt sich Jo. »Und können wir jetzt bitte das Thema wechseln? Dieses Gespräch ist erniedrigend für das ganze weibliche Geschlecht.«
»Außerdem hast du noch fast zwei volle Jahre Zeit, genau wie wir alle, nebenbei bemerkt«, sagt Marc mit C hilfsbereit.
»Also eins verstehe ich einfach nicht«, beginne ich und trinke noch einen großen Schluck Sekt, der mir augenblicklich in die Nase steigt, sodass ich husten muss, und die anderen kichern. »Was soll denn überhaupt das ganze Theater ums Heiraten? Habt ihr überhaupt eine Ahnung, wie viele Briefe ich von zutiefst unglücklichen Frauen kriege, die in einer deprimierenden Ehe festsitzen und wissen wollen, ob vielleicht am Ende des Tunnels ein Lichtschimmer zu sehen ist? Ich sage euch, Mädels, ihr müsstet ein Herz von der Größe einer Glasmurmel haben, um kein Mitleid mit diesen armen Frauen zu haben. Ich wäre viel lieber allein als in einer beschissenen Beziehung – ihr nicht?«
»Mit einem Wort: Nein«, antwortet Charlene pedantisch. »Wenn das derzeitige Jahrzehnt uns eins gelehrt hat, dann dass die Generation unserer Mütter einem großen Irrtum aufgesessen ist. Sie haben den Feminismus ausprobiert und gemerkt, dass sie nicht alles haben können. Wenn man mich also vor die Wahl stellt, entscheide ich mich, sobald ich einen Ring am Finger habe, für die Rolle der glücklich verheirateten Haus- und Heimgottheit. Wo liegt da das Problem?«
»Schätzchen, darf ich dich daran erinnern, dass du deinen Kühlschrank hauptsächlich für die Aufbewahrung deiner Augencreme benutzt, und den Backofen als Vorratsschrank?«, wirft Marc mit C ein, und wir lachen alle.
»Deiner Satzmelodie nach sollte das wohl eine Frage und obendrein witzig sein, aber ... die Antwort lautet nein«, kontert Charlene.
»Charlene, was immer du auch tun magst, rühr dich nicht aus deinem Sessel«, neckt Jo sie weiter. »Ich glaube, du bist grade durch ein Zeitfenster in die fünfziger Jahre zurückgestolpert.«
»Ach Quatsch.«
»In deinen Augen war die Frauenbewegung etwas, was nur anderen Menschen passiert ist, richtig?« Jetzt klingt Jo richtig spitz, denn sie spürt Charlenes Schwachpunkt und macht sich zum Zuschlagen bereit.
»Entschuldige, Josephine, was ist denn so falsch daran, dass ich gern ein Leben als Ehefrau möchte?«
Inzwischen haben wir alle ganz schön einen im Tee, und in diesem Zustand wird Charlene defensiv und Jo aggressiv. Das passiert oft mit den beiden, aber das ist in Ordnung, ich bin daran gewöhnt, in solchen Fällen die Schiedsrichterin zu spielen. Fünf Minuten später sind sie wieder die besten Freundinnen. Ehrlich.
»So meint sie das gar nicht, Charlene«, sage ich beschwichtigend.
»Dann sind wir eben alle single«, fährt Jo nüchtern fort. »Was soll’s? Ich werde garantiert kein Gramm abnehmen aus Sorge darüber. Und ich hatte genug blöde Verabredungen mit irgendwelchen Typen, das reicht mir fürs ganze Leben.«
»Außerdem sind wir erst achtundzwanzig«, werfe ich ein. »Vor uns liegen noch viele Jahre mit blöden Verabredungen, auf die wir uns freuen können.«
»Entschuldigt, dass ich ungemütlich werde, Leute«, sagt Charlene und erhebt sich abrupt und immer noch ein wenig verschnupft. »Ich muss aufs Klo.«
Das gehört auch zu Charlenes Besonderheiten: Sie bringt es nicht fertig, eine öffentliche Toilette zu benutzen, und fährt deshalb jedes Mal mit dem Taxi nach Hause, wenn sie pinkeln muss.
»Ihre Majestät hat gesprochen«, verkündet Jo. »Wenn Ihre Majestät beschließt, dass der Abend vorbei ist, was tun wir dann? Wir beugen uns ihrem Willen.«
»Josephine, ist dir eigentlich klar, was für ein Gesundheitsrisiko öffentliche Toiletten sind?«
»Du brauchst dir nicht gleich in dein Fitnessoutfit zu machen, Charlene. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass ...«
»Okay, okay, okay, ihr Süßen, für diesen Fall hab ich einen ganz schlauen Plan, mit Erfolgsgarantie«, geht Marc mit C dazwischen, erstickt taktvoll das Geplänkel, das jede Sekunde in ernsthaftere Bahnen geraten könnte, und fügt mit Schmierentheater-Schurkenstimme hinzu: »Ich will nichts davon hören, dass du allein nach Hause gehst, Charlene, Schätzchen! Wir könnten doch alle mit dir kommen, ein kleines Getränkchen nehmen, während du Pipi machst, dann alle zusammen wieder hierher zurückkommen und uns noch ein wenig im Nachtclub unten amüsieren, ja? Odessa ist im Moment so was von angesagt. Hier findet man alles, was das Singleherz begehrt. Einverstanden, Ladys?«
In dem nun folgenden Schweigen sehen wir uns an und taxieren, wer noch Energie für weiteres Über-die-Stränge- Schlagen hat und wer nicht. Schließlich richten sich alle Augen auf mich, denn normalerweise bin ich diejenige, die sich als Erste in jede verfügbare Albernheit stürzt.
»Tut mir leid, Leute, aber ich fürchte, auf mich müsst ihr verzichten«, sagt Jo schließlich, als ich nicht reagiere, streckt sich und gähnt ausgiebig. »Ich krieg nichts mehr runter. Außerdem hab ich morgen früh um acht ein Spendentreffen, deshalb muss ich leider passen.«
»Ich mach auch Schluss«, erkläre ich, begleitet von Buhrufen. Charlene kann sich ihren Lieblingsspruch nicht verkneifen: »Komm schon, Cassie, gib dich dem Zufall hin.«
»Ach, Leute, ich würde liebend gern mit euch weiterfeiern, aber ich muss mich wirklich zusammenreißen ...«
»Bist du ganz sicher, dass wir dich nicht rumkriegen können?«, fragt Marc mit C, ein irres Glitzern in den Augen. »Denk dran, Schatzi, man ist nur einmal im Leben richtig heiß.«
»Das ist wirklich verlockend, aber ... nein, heute lieber nicht. Im Augenblick bin ich nicht nur spät dran für meinen Abgabetermin, sondern befinde mich schon auf dem besten Weg in die totale Katastrophe und hab noch sooo viel zu tun ...«
»Na gut, wie du möchtest«, sagt Marc mit C und zieht sich umständlich sein Jackett über. »Dann geh doch heim zu einer schönen Tasse Darjeeling und einem Butterkeks. Bleib single. Uns juckt das nicht.«
Also eigentlich bin ich viel zu müde und betrunken, um heute Abend noch arbeiten zu können, aber ... ach, was soll’s, denke ich, als wir alle beduselt nach unseren Taschen und Jacken fahnden. Wenn ich morgen ganz früh aufstehe, schaffe ich es noch. Richtig früh muss ich raus, so gegen sechs.
Ja, toller Plan. Wenn ich jetzt direkt heimgehe, komm ich morgen locker um sechs aus dem Bett.
Na ja, vielleicht doch eher um sieben.
Jedenfalls kann ich mir im Gegensatz zu Charlene wie gesagt nicht erlauben, meinen Job zu verlieren.
Wir hüpfen alle vier in ein Taxi, das Jo und mich vor unserem süßen kleinen Häuschen ablädt, das wir uns teilen, und die anderen beiden dann zu Charlenes Villa in der Millionärallee fährt, wie wir ihre Straße im schicksten, grünsten und exklusivsten Teil der Stadt getauft haben (Charlenes Vater hat ihr die Hütte zum einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt, ohne Scheiß). Jo und ich stolpern nach oben, umarmen und wünschen uns beduselt Gute Nacht, und fünf Minuten später liege ich mehr oder weniger bewusstlos in meinem warmen Bettchen.
Also, ein kluger Mann hat mal gesagt, dass der Unterschied zwischen Bestimmung und Schicksal der folgende ist: Unsere Bestimmung, das sind sozusagen die Karten, die bei unserer Geburt gemischt und an uns ausgeteilt werden – die Grundlage für unser Schicksal. Aber wie wir diese Karten ausspielen, ist zum Teil auch unsere eigene Entscheidung, da haben wir immer eine Wahl. Denn wir können unser Schicksal beeinflussen – das ist unser freier Wille, oder wie man es sonst nennen möchte. Leute wie ich können also ohne Ende Ratschläge erteilen und Dinge prophezeien, die wir in der Zukunft sehen, aber letztlich hat jeder die Option, ins Flugzeug zu steigen, zu den Äußeren Hebriden zu fliegen und dort ein neues Leben zu beginnen. Gleich morgen früh.
Deshalb muss ich so vorsichtig sein. Wenn ich den Leuten sage, was ich sehe, betone ich immer, dass jeder Mensch die Kraft besitzt, seine Zukunft zu verändern, und zwar im Handumdrehen. Ein Beispiel: Ich musste entscheiden, ob ich mit den anderen die Nacht durchmache oder nicht. Und ich habe beschlossen, nach Hause zu gehen.
Um vier Uhr früh fahre ich im Bett hoch und bin plötzlich hellwach, weil ich sehe, was gerade im Odessa abläuft. So deutlich, als wäre ich selbst dabei. Und ich weiß mit absoluter Sicherheit, dass das, was ich sehe, mein Leben für immer verändern wird ...
Symbolisiert ein glückliches Paar. Eine neue Liebe wird auftauchen, möglicherweise innerhalb der nächsten zwei Wochen. Wenn du Single bist und eine Liebesbeziehung suchst, könnte diese Person sich als dein Seelenpartner herausstellen.
Der große Nachteil daran ist, dass er mit jemand anderem liiert ist, und in diesem Fall wirst du den Rest deines Lebens in dem Bewusstsein verbringen müssen, dass die Liebe deines Lebens mit jemand anderem zusammen ist und dass du schlicht und ergreifend Pech hattest, denn – hey, sie war als Erste da ...
Einer der Gründe, warum Jo und ich so gut miteinander auskommen (wir wohnen inzwischen schon seit vier Jahren zusammen und haben uns echt noch kein einziges Mal ernsthaft gestritten), ist, dass wir beide nicht nur Singles sind, sondern Seriensingles, chronische Singlefälle. Bei Jo kann ich mir eigentlich nicht erklären, warum. Vielleicht hat sie das Gefühl, dass es nicht richtig ist, auch nur daran zu denken, sich auf eine feste, intensive Beziehung einzulassen, bevor nicht der Dritten Welt die Schulden erlassen worden sind. Sagen wir es mal so: Wenn jemand mit einem sozialen Gewissen im Stil eines Bono oder Bob Geldof in der Dubliner Datingszene aktiv wäre, würde er sich hervorragend als Partner für sie eignen.
Mein Problem ist eine Spur peinlicher, wer hätte es gedacht. Schon eine Ewigkeit bevor es wirklich so weit ist, sehe ich das Ende einer Beziehung nahen, und da ich einen recht gut entwickelten Selbsterhaltungstrieb habe und verhindern möchte, dass mir das Herz gebrochen wird, entscheide ich mich meistens dafür, den Schaden möglichst gering zu halten und rasch das Weite zu suchen. Es ist sicher kein besonders rühmliches Eingeständnis, aber ich glaube, trotz meines ehrwürdigen Alters von mittlerweile achtundzwanzig Jahren war ich noch nie verliebt. Ich meine, so richtig verliebt, verliebt wie im Kino. Die Art von Verliebtheit, die einem endlich klar macht, wovon James Blunt da eigentlich dauernd so vor sich hin schnulzt.
Positiv zu vermerken ist aber, dass ich es inzwischen wenigstens geschafft habe, meinen Singlestatus nicht mehr als ein riesiges Neonschild anzusehen, auf dem zu lesen steht, dass ich einfach ein Versager bin. Nein, ich rede mir gut zu und beruhige mich damit, dass ich noch nicht dem Richtigen begegnet bin ... noch nicht.
Aber denkt jetzt bloß nicht, ich hätte es nicht versucht.
Nehmen wir den letzten Typen, mit dem ich zusammen war, vor fast einem Jahr. Ich war total verrückt nach ihm und hatte die drei klassischen Symptome einer verliebten Frau vorzuweisen: (a) Ich konnte nichts essen, (b) ich konnte nicht schlafen, und (c) ich bin losgezogen und hab mir komplett neue Unterwäsche besorgt.
Wir waren noch nicht sehr lange liiert, da planten wir eine Parisreise, ein romantisches Wochenende weit weg, ganz für uns alleine. Ich werde es nie vergessen – ich kramte in einem von Charlenes sensationellen begehbaren Wandschränken und suchte mir Handtaschen und Schuhe für unseren Ausflug aus, überglücklich, dass ich von ihr eine Sonderlizenz bekommen hatte und mir wirklich und wahrhaftig etwas ausleihen durfte. Aber auf einmal hatte ich eine meiner Visionen. Glasklar sah ich mich am Check-in-Schalter von Air France auf meinem Koffer kauern, mutterseelenallein, Rotz und Wasser heulend – ohne Zweifel versetzt.
Ich brauche wohl nicht eigens zu erwähnen, dass die Sache damit beendet war. Und ich konnte dem Kerl nicht mal den wahren Grund nennen, warum ich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte (»Ich hatte da so eine Vorahnung, deshalb möchte ich mich lieber von dir trennen«, klingt doch so was von schlecht erfunden). Also hab ich ihm am Ende einen Haufen Gelaber präsentiert: Dass ich mich auf meine Karriere konzentrieren und lieber eine Weile allein sein möchte, blablabla, was er natürlich nicht mal ansatzweise geglaubt hat. Aber trotzdem fand ich, dass alles besser ist, als am Schluss einsam, heulend und verlassen auf dem Flughafen zu hocken.
Na dann. Hilft wohl nichts, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, mein alterprobtes, gesichtswahrendes Motto aufzutischen und mit dem Leben weiterzumachen: Ich fand ihn eigentlich gar nicht so toll.
Glaubt mir, wenn man sich das oft genug sagt, fängt man irgendwann an, es zu glauben.
Außerdem, wie Jo es ausdrückte, als sie rückblickend die Kosten/Nutzen-Analyse über ihn als Freund aufstellte (ein ungeschriebenes Gesetz und unbedingtes Pflichtprogramm für jede beste Freundin): Der Knabe hatte den Charme und das Charisma eines Fleisch fressenden Ebola-Virus.
Sie ist ein echter Schatz – ich glaube, sie wollte mich hauptsächlich aufheitern.
Vor ihm war ich kurz mit einem Kerl zusammen, den ich in Marc mit Cs Fitnessstudio kennengelernt hatte – ein wahnsinnig attraktiver Mann, Typ Matthew McConaughey, Anwalt –, der mir eines Abends eine SMS geschickt hat, dass er wegen eines Klientengesprächs länger im Büro bleiben müsste. Leider hatte ich umgehend eine Vision von ihm in einem Club, genau in diesem Moment, in den Armen einer sehr jungen, sehr hübschen und sehr blonden »Klientin«.
Natürlich war ich kurz darauf wieder single, aber das war auch ganz gut so. Denn: Ich fand ihn eigentlich gar nicht so toll.
Eins sollte man jedenfalls daraus lernen: Lügt niemals eine Hellseherin an, nie und nimmer! Das ist nämlich eine wirklich schlechte Idee, in jeder Hinsicht.
Davor kam James. Ach, der arme James. Anfangs glaubte ich wirklich, dass mein Glück sich gewendet hätte und dass ich schließlich und endlich doch einen A.S.M. (einen anständigen Single-Mann) gefunden hätte. Als ich ihn kennenlernte, hatte ich gerade einen Artikel in Tattle gelesen, in dem stand, man soll sich, bevor man sich zum ersten Mal mit jemandem verabredet, klarmachen, dass man nicht auf der Suche nach einem Seelenpartner ist, sondern lediglich nach einer potenziellen Freundschaft. Angeblich nimmt das etwas von dem Druck weg und verhindert, dass man sich mit einem Typen schon übers Kinderkriegen unterhält, ehe der Kellner auch nur Zeit hatte, Pfeffer und Parmesan auf den Tisch zu stellen.
Jedenfalls lud James mich zum Essen in seine Wohnung ein, meine neue Einstellung funktionierte wie ein Zauberspruch, und schwuppdiwupp verabredeten wir uns öfter. Er gefiel mir, meine Freundinnen mochten ihn auch, und es dauerte mehrere Wochen, bis ich schließlich begriff, was mit ihm nicht stimmte.