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Magie oder Gefahr – Liebe oder dunkle Versuchung? Als sich von ihrem Herzen schwarze Adern ausbreiten, ahnt Tiara bereits nichts Gutes. Sie befürchtet als verbotenes Kind eines Hexers und einer Sterblichen verflucht zu sein, und sucht Hilfe bei einem Auraseher. Durch seine Gabe ist Henrik blind, sodass er mit bloßem Auge nicht sehen kann, wie die schwarze Magie immer weiter Besitz von Tiaras Körper ergreift. Was er jedoch sieht, ist die Aura ihres Herzens und die Gefühle, die sie allmählich für ihn entwickelt. Doch diese Liebe ist bereits zum Scheitern verurteilt, denn was niemand auszusprechen wagt, ist, dass die schwarze Magie ihr Ende sein wird … Ein düster-romantischer Pageturner voll unerwarteter Wendungen für alle Fans von Jennifer L. Armentrout und Marah Woolf.
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Seitenzahl: 495
Veröffentlichungsjahr: 2025
Über dieses Buch:
Als sich von ihrem Herzen schwarze Adern ausbreiten, ahnt Tiara bereits nichts Gutes. Sie befürchtet als verbotenes Kind eines Hexers und einer Sterblichen verflucht zu sein, und sucht Hilfe bei einem Auraseher. Durch seine Gabe ist Henrik blind, sodass er mit bloßem Auge nicht sehen kann, wie die schwarze Magie immer weiter Besitz von Tiaras Körper ergreift. Was er jedoch sieht, ist die Aura ihres Herzens und die Gefühle, die sie allmählich für ihn entwickelt. Doch diese Liebe ist bereits zum Scheitern verurteilt, denn was niemand auszusprechen wagt, ist, dass die schwarze Magie ihr Ende sein wird …
Über die Autorin:
Saskia Reymann ist am 5. Dezember 1995 geboren und lebt in einem Dorf in Nordhessen. Angefangen hat es mit ausgedachten Geschichten zu Bildern in Kinderbüchern, bis sie Jahre später ihre Leidenschaft zum Schreiben entdeckte. Frei nach dem Motto: »Manchmal vergesse ich, wie man spricht. Dann schreibe ich.« Sie hat bereits Bücher in den Genres Dystopie und Romantasy veröffentlicht. Neben dem Schreiben tanzt sie gerne, schaut zu viele Serien und spielt mit ihrer Familie Gesellschaftsspiele.
Bei dotbooks veröffentlichte Saskia Reymann ihren Roman »Deadly Black Veins« im eBook. Die Printausgabe erscheint im Bookapi-Verlag, das Hörbuch bei Saga Egmont.
Die Autorin auf Instagram: saskiareymann/
Und auf Facebook: saskiareymann.autorin
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eBook-Lizenzausgabe 2025
Copyright © der Originalausgabe 2025 Bookapi Verlag e.K.
Theodor-Heuss-Str. 5, 89340 Leipheim
Copyright © der eBook-Lizenzausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nina Prömer
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ma)
ISBN 978-3-69076-094-2
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Saskia Reymann
Deadly Black Veins
Roman
dotbooks.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Epilog
Danksagung
Lesetipps
Für alle,
die sich nicht kampflos der Schwärze hingeben wollen.
Acht Jahre zuvor
Mein Fuß kribbelt unangenehm. Die Dämpfe, die in meine Nase dringen, belegen meine Zunge mit einem süßlichen Geschmack. Tante Louise brabbelt Beschwörungen und Zaubersprüche auf Französisch, wovon ich nur die Hälfte verstehe, obwohl ich die Sprache fast genauso gut beherrsche wie Deutsch. Aber die Aussprache fängt bei ihr immer dann an zu leiden, wenn meine Füße eingeschlafen sind. Das ist auch der Moment, in dem ich es mir erlauben kann, die Augen zu öffnen. Jedes Mal habe ich Angst vor dem, was ich dann zu Gesicht bekomme.
Als ich vor Kurzem verbotenerweise meinen ersten Horrorfilm gesehen habe, fragte ich Mama, ob wir ständig Dämonen beschwören. Sie hat es völlig entsetzt verneint. Im Kopf – später auch auf Papier – habe ich einen Vergleich angestellt.
Die Kerzen. Ja, die Kerzen sind bei jedem unserer Rituale dabei. Der Raum, der extra nach Tante Louises Vorstellungen eingerichtet wurde, ist mit Tüchern, runden, dicken Sitzkissen und Teppichen geschmückt. Wir sitzen immer im Dunklen, sodass ich beim Verlassen des Raumes jedes Mal erstaunt bin, wie hell es draußen ist. Auch im Winter. Nicht zu vergessen die Beschwörungen, die meine Tante mit geschlossenen Augen und leicht schwankendem Körper vorträgt. Komisch, dass sie dabei nicht von dem wackeligen Kissen fällt.
Das nenne ich eine hundertprozentige Übereinstimmung mit den Ritualen, die man zur Beschwörung eines Dämons durchführt. Glaube ich jedenfalls. Mein Wissen habe ich nur aus Horrorfilmen.
Es ist das dritte Ritual innerhalb einer Woche und ich bin eigentlich mit Carla verabredet. In einer Stunde oder vielleicht früher. Ich kann nicht abschätzen, wie lange ich schon in dem miefigen Zimmer sitze. Aber Carla kennt das bereits.
Meine Tante kann Dinge schweben lassen, Feuer aus dem Nichts entzünden, Wasser gefrieren und Blumen aus der Erde sprießen lassen. Sie sagte mir einst, dass sie vieles beherrsche, sich mit vielem auskenne. Außer mit schwarzer Magie. »Schade«, sagte ich damals, weil das die Phase war, in der ich Horrorfilme für mich entdeckte. Sie hat mich angesehen, als zweifle sie an meiner Psyche.
»Deine Hand, Krönchen«, fordert Mama mich leise auf.
Ich lege meine Hand in ihre, ohne zu fragen, warum. Meistens ist das der Part, in dem Tante Louise versucht, meine nicht vorhandenen Hexenkräfte zu aktivieren. Heute ist sie überzeugt, ein Ergebnis zu erzielen. Es gibt Wochen und Monate, da tut sie gar nichts, das mit dem Hervorkitzeln magischer Fähigkeiten zu tun hat.
Ich warte auf fliegende Kerzen, stürmische Windböen oder flüsternde Stimmen. Doch meine Erwartungen werden wie immer enttäuscht. Da ist nichts, was nur annähernd darauf hindeutet, dass durch meine Adern Magie fließt.
Also lasse ich meine Gedanken schweifen. Ich will nicht, dass das erfolglose Ritual mir wieder den ganzen Tag versaut. Ich überlege, was ich nachher am See anziehen werde. Mama hat mir einen neuen roten Bikini mitgebracht, der angeblich so schön zu meinen aschblonden Haaren passt. Die Taucherbrille will ich diesmal nicht mitnehmen. Carla hat mich beim letzten Mal ausgelacht, weil ich bescheuert aussah. Ich mag es zwar, den Boden unter Wasser zu erkunden, aber wie eine Zehnjährige aussehen will ich nicht. Mit vierzehn ist man zu alt für Taucherbrillen, hat Carla gesagt.
Ich erinnere mich daran, dass ich noch mein Buch einpacken muss, als das Ritual jäh unterbrochen wird. Grelles Licht durchflutet das Zimmer erbarmungslos. Papa erscheint völlig aufgelöst im Türrahmen. Er ist sonst immer die Ruhe selbst. Ich weiß nicht, wann und ob er jemals geflucht, geschweige denn Hektik an den Tag gelegt hat. Außerdem hat er noch nie ein Ritual unterbrochen.
Louise hatte ihm das strengstens untersagt. Auch jetzt höre ich schon beinah, wie sie mit lauter, dominanter Stimme Papa in die Schranken weist und ihm mit einer harschen Handbewegung die Tür vor der Nase zuschlägt. Doch dazu kommt sie nicht.
Papa schiebt meinen vierjährigen Bruder Mick in den Raum, der von der mystischen Einrichtung hellauf begeistert ist. Unter normalen Umständen dürfen meine zwei kleinen Brüder nicht einmal in die Nähe des Raumes. Chaos pur würde dann herrschen.
»Marvin hatte einen Unfall.«
Papas Satz lässt mich in ein bodenloses Loch fallen. Meine untere Körperhälfte fühlt sich taub an, als wäre sämtliches Blut zum Herzen geflossen, um dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.
»Ich laufe zur alten Lagerhalle. Der Krankenwagen ist schon da«, erklärt Papa undeutlich. Vereinzelte Wörter verschluckt er während des Sprechens.
Mehr Informationen erhalten wir nicht. Er verlässt uns so schnell, wie er gekommen ist.
Ich rede mir ein, dass der Unfall nicht so schlimm ist wie im ersten Moment vermutet. Bleibe ruhig, als Mama Papa eilig folgt. Bleibe so lange ruhig, bis ich Stunden später von seinem Tod erfahre.
Meine Eltern halten mich weinend im Arm. In dem Moment breitet sich ein heftiger stechender Schmerz auf meiner linken Brust aus. Das Schluchzen meiner Eltern wird immer dumpfer, bis kein Laut mehr an meine Ohren dringt. Als hätte mir jemand Ohrenschützer aufgesetzt. Ich klammere mich an meiner Mutter fest und versuche mit aller Macht, den Schmerz an meiner Brust auszublenden, während mir Tränen die Wangen hinablaufen. Sie sollen sich jetzt nicht auch noch um mich sorgen.
Ich versuche mich innerlich selbst zu beruhigen. Sowas ist sicherlich normal, wenn man seinen Bruder verliert. Es kommt von meinem gebrochenen Herzen.
»Wenn Sie kein Kombi-Ticket haben, können Sie am Wald-Parcours nicht teilnehmen.« Ich sollte mir diese Phrase auf die Stirn tätowieren.
»Aber …« Die Dame blinzelt und sieht zum wiederholten Mal auf ihr Ticket. Die kleinen Kinder an ihrem Rockzipfel werden langsam ungeduldig. »Dann ist in dem Preis, den ich bezahlt habe, nur die Burgruine mit inbegriffen?« Fragend richtet sie die Augen wieder auf mich. Kurz darauf zieht sie die Brauen zusammen und blickt zu ihren Füßen. »Mariella, jetzt ist aber mal gut. Mama fragt doch gerade nach.«
»Richtig. Wenn Sie den Parcours noch machen wollen, können Sie das gerne nachträglich zahlen«, erkläre ich höflich, erwähne dabei natürlich nicht, dass sie damit die Chance verpasst hat, zu sparen.
Das Kombi-Ticket wäre billiger gewesen. Ich bin nach wie vor dafür, die Informationstafeln erneuern zu lassen. Offensichtlich verstehen die Besucher die Tickets immer erst durch ausführliches Nachfragen.
»Ach so. Ja, gut«, sagt die Frau vage und fummelt in ihrer Tasche herum. Als ihr Kopf wieder hochschnellt, lächelt sie. »Dann bitte eines für mich und meine zwei Kinder.«
Heute habe ich Glück. Manche Besucher wollen mich dafür verantwortlich machen, dass sie extra zahlen müssen und dass der Preis allein für die Ruinenbesichtigung viel zu hoch sei. Sie führen sinnlose Diskussionen, die sie nie gewinnen, und kaufen am Ende entweder das Parcours-Ticket oder verschwinden mit schreienden Kindern im Gepäck.
Nachdem die formellen Dinge erledigt sind, hole ich aus dem Fach unter dem Tresen zwei vorgedruckte Landkarten heraus. Ich gleite um die Theke herum und stehe urplötzlich einem Zwerg gegenüber. Vermutetes Alter liegt bei sechs oder sieben.
Mit großen blauen Augen schaut er zu mir auf, wobei sein Mund unweigerlich offen steht. Ich halte mich am Tresen fest und gehe langsam in die Hocke. Ich hasse und liebe kleine Jungs gleichermaßen. Hass, weil ich jedes Mal an Marvin erinnert werde. Liebe, weil ich Kinder in meiner Nähe besser ertrage als Erwachsene. Kinder entziehen mir nicht jegliche soziale Energie.
An die Seite des Jungen tritt seine Schwester, die scheinbar ein wenig älter ist als er. Ich überreiche den beiden jeweils eine Karte und beginne mit meiner üblichen Erklärung, während derer die Eltern entweder strahlend und nickend zwischen ihren Kindern und mir hin- und hersehen oder geschäftig die Umgebung begutachten, aber trotzdem zuhören. Diese Mutter gehörte zu der ersten Sorte.
»Seht ihr den roten Kreis?«, frage ich.
Allgemeine Ja-Rufe.
»Da startet ihr. Von dort aus müsst ihr auf den Wegen im Wald nach Pfeilen Ausschau halten. Wenn ihr an einem Baum, auf einem Schild oder an einem Zaun ein Kreuz seht, heißt das, ihr müsst eine Aufgabe erledigen.« Ich mache eine Pause, damit die Kleinen mitkommen. Das Mädchen hat schon weiter gedacht – scheinbar auch gelesen – und übernimmt meinen nächsten Part.
»Die Aufgaben stehen hier drauf«, sagt sie.
Ihr Bruder sieht mich immer noch aus großen Augen an.
»Genau. Das kann dir deine Schwester dann vorlesen«, richte ich mich an ihn.
»Ich kann auch schon lesen!«, verkündet er empört.
Ich muss lachen. »Das ist ja noch besser. Dann könnt ihr euch nämlich abwechseln. Die Aufgaben sind zum Beispiel, dass ihr Fragen über den Fuchs beantworten oder über eine Hängebrücke laufen müsst. Oder Tierspuren ausbuddeln -«
»Cool!«, ruft der Junge und schaut zu seiner Mutter auf.
»Den Fuchs hatten wir in der Schule«, sagt das Mädchen aufgeregt und zerrt schon wieder an der Jacke der Mutter.
Ich bin fertig mit der kleinen Einführung und richte mich auf. Nach einer kurzen Verabschiedung werfe ich einen Blick auf die schmucklose Uhr hinter dem Tresen.
Meine Kollegin übernimmt nun die Schicht. Ich mache mich nach einer kurzen Pause auf den Weg zu Mama. Mick müsste auch schon Schulschluss haben. Ihr Büro liegt im ersten Stock des Eingangsgebäudes. Direkt neben Papas.
Seit drei Jahren arbeite ich in unserem Familienunternehmen. Die Burgruine ist die Hauptattraktion auf dem Freizeitgelände. Als Kind habe ich gerne vor der Ruine mit meinen Brüdern auf der großen Wiese gespielt. Man kann sie mit Audioguides besuchen, die etwas zur Geschichte, zu Legenden und anderes Wissenswertes erzählen. Mein Opa übernahm die Sehenswürdigkeit und vererbte sie nach seinem Tod vor siebzehn Jahren an Papa weiter. Meine Eltern haben die Aktivitäten mit einem Waldparcours für Kinder und einem Escape Room in der Burg für die Älteren erweitert. Dort dreht sich alles um das Mittelalter, Rätsel, Hinweise und Gegenstände, um letztendlich in einer bestimmten Zeit den Raum erfolgreich zu verlassen.
Meine Eltern und ich werden uns heute den restlichen Tag freinehmen. Es ist leider selten, dass Mama und Papa vor zwanzig Uhr unser Haus betreten. Der arme Mick bekommt seine Eltern und seine Schwester kaum zu Gesicht und darf nach der Schule entweder allein zu Hause herumgammeln – wobei beim Zocken die Zeit wahrscheinlich nur so dahin fliegt – oder zu Freunden gehen. Früher musste er nach der Schule in die Betreuung. Je nach Jahreszeit variieren die Arbeitszeiten, da schlechtes Wetter weniger Besucher bedeutet. Aber die Anlage muss trotzdem verwaltet werden.
Auf dem Weg zum Friedhof bereue ich es, heute Morgen nicht in meine Winterjacke geschlüpft zu sein. Natürlich bin ich Anfang März nicht so optimistisch, um die Jacke in den Schrank zu verbannen. Aber so langsam dürfte der Frühling wenigstens versuchen, sich anzukündigen. Ich schlinge bibbernd die Arme um meinen Körper und überkreuze die Beine.
»Reden wir jetzt mit ihm?«, fragt Mick.
Er hat von uns vieren den Verlust am besten weggesteckt. Vielleicht liegt es daran, dass er damals erst vier Jahre alt war. Oder daran, dass ich den stärksten Bruder der Welt zu haben scheine.
»Ja, Mama fängt an, okay?« Sie zieht Mick vor sich und legt die Hände auf seinen Schultern ab.
Ich schiele in Papas Richtung, der betrübt auf den Grabstein starrt. Neben dem schlichten Marmorstein sitzt ein kleiner weißer Engel vornübergebeugt auf einer Kugel und bedeckt mit den Händen die Augen. Papas Hand fährt unruhig über seinen Mund. Bei jedem Besuch auf dem Friedhof, die trotz des Zeitmangels mindestens drei Mal pro Woche stattfinden, bekommt er keinen Ton heraus. Allerdings weiß ich nicht, wie er an den Tagen, an denen er allein hierher geht, mit seinem Sohn kommuniziert.
Statt Erde ist das Grab überwiegend mit weißen Kieselsteinen ausgelegt. Viele bunte Blumen wachsen in den zwei Töpfen, die auf Marmorplatten stehen. Mamas Worten zu lauschen, beruhigt mich auf eine Weise, wie nur sie es beherrscht. Während sie von Erlebnissen aus den letzten Tagen spricht oder davon, dass wir Marvin jede Sekunde vermissen, unterbricht Mick sie von Zeit zu Zeit. Im Gegensatz zu meiner Mutter ist seine Stimme aufgeregt, fröhlich. Beinah so, als würde Marvin tatsächlich vor ihm stehen und mit einem fetten Grinsen Micks Worten Gehör schenken.
Mein kleiner Bruder hat nie um Marvin geweint. Dabei heulte er bis vor einem Jahr wegen jeder Kleinigkeit. Weil er kein Fernsehen gucken durfte, weil er keine Lust auf einen Spaziergang hatte, weil er ein sinnloses Spielzeug nicht kaufen durfte. Aber unter all den Tränen galt scheinbar keine einzige seinem Bruder. Womöglich zeigen sich die psychischen Auswirkungen erst, wenn er älter ist.
Ich hingegen bin an Marvins Tod zerbrochen. Die Schule konnte ich geradeso mit einem Realschulabschluss beenden, nachdem ich ein Jahr wiederholt habe. In den ersten Jahren nach seinem Tod gingen wir alle regelmäßig zur Therapie. Direkt nach dem Schulabschluss bin ich erneut in ein Loch gefallen und konnte das Haus nicht verlassen, geschweige denn arbeiten. Mit achtzehn stellten mich meine Eltern für wenige Stunden an, die die Arbeit schon immer als Ausgleich und Ablenkung gebraucht haben. Dadurch hat mein Leben wieder etwas Struktur bekommen und es ging bergauf.
Den nächsten Satz meiner Mutter unterbricht nicht Mick, sondern das Friedhofstor. Es quietscht unangenehm, als eine ältere Dame mit Gehstock es öffnet. Aufgrund der langsamen Geschwindigkeit, mit der sie diese Aufgabe bewältigt, plärrt das rostige Tor um einiges länger. Meine Familie und ich beobachten sie mit Blicken über die Schulter. Völlig unpassend entschlüpft mir ein Lacher, von dem Mick sich anstecken lässt. Mir vergeht es augenblicklich. Mein Gehirn hat mich eilig an den Grund für unseren Besuch erinnert, damit ich es ja nicht wage, am heutigen Tage auch nur ein Fünkchen positive Gefühle zu empfinden.
Heute wäre Marvin siebzehn Jahre alt geworden.
Technische Geräte haben ein Eigenleben und ärgern liebend gerne ihre Besitzer. Mein Laptopakku, der Akku meines Handys und der meiner Bluetooth-Box sind meistens zur gleichen Zeit erschöpft. Somit sitze ich umringt von Kabeln auf dem Sofa, stolpere beim Aufstehen jedes Mal und habe in meiner Umgebung nicht einmal ausreichend Steckdosen.
Abgesprochen haben sich heute auch die Wasch- und die Spülmaschine. Beide piepen zur selben Zeit und verkünden das Ende des Waschgangs. Als wäre Hausarbeit nicht schon ohne hinterhältigen Technikkram schlimm genug.
Ich begebe mich vom Wohnzimmer aus zuerst in die Küche, weil die Wäsche unten im Keller auf mich wartet. Für meine Eltern endet die Arbeit auch am Wochenende nicht. Zwei Tage in der Woche nehmen sie sich abwechselnd frei. Einer von beiden muss immer Vorort sein. Und am Wochenende erst recht. Deshalb liegt es an mir, den Haushalt zu schmeißen. Mick hilft mir oft. Aber heute ist er auf dem Geburtstag eines Schulfreundes.
Aus dem Wohnzimmer dringen die Klänge eines Hip-Hop-Songs, in den ich vor mich hin murmelnd einstimme. Als ich das vierte Lied mitsinge, ist die Arbeit in der Küche beendet und ich marschiere zur Kellertreppe. Mit vollem Wäschekorb gehe ich auf die Terrasse, um die Wäscheleine mit den feuchten Kleidungsstücken zu schmücken.
Ich versehe meinen BH mit einer Klammer. In diesem Moment bekomme ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung in unserer Einfahrt mit. In Erwartung den Postboten zu sehen, lasse ich meine Augen flüchtig über den Hof huschen – und entdecke sie.
Ich halte einen Augenblick inne. Dann breche ich das Aufhängen der Wäsche kurzum ab und flüchte zurück ins Haus. Erst auf dem Sofa gestatte ich mir, darüber nachzudenken, wen ich gerade gesehen habe.
Tante Louise.
Wiedergekehrt.
Nachdem sie uns alle auf Nimmerwiedersehen verlassen hat.
Trotz Marvins Tod.
Ich fühle mich zittrig, als hätte ich schlagartig Fieber. Ich weiß, sie wird in den nächsten Sekunden vor der Haustür stehen. Mein erster Gedanke ist, so zu tun, als wäre ich nicht da. Als würden verschlossene Türen ein Hindernis für sie darstellen.
Und dann klingelt es tatsächlich. Ich stoße einen leisen Fluch aus und springe vom Sofa auf. Nicht, um die Tür zu öffnen, sondern weil ich es nicht schaffe, ruhig sitzen zu bleiben. Nach und nach kriecht die Wut an die Oberfläche. An ihrer Stelle hätte ich mich nicht einmal getraut, einen Brief zu schicken. Jahrelang bestand gar kein Kontakt. Keine Geburtstagsgratulationen, keine Weihnachtswünsche. Nichts.
Damals musste meine Mutter mit mir als neugeborenes Kind fliehen. Louise begleitete sie zu unserem Schutz. Sie passte sich an die menschlichen Sitten an und fand sogar Gefallen an den Festen. Hexenwesen tragen nämlich andere Feierlichkeiten aus. Ich wusste ihre Aufopferung immer zu schätzen. Im Gegensatz zu ihrem Bruder, meinem leiblichen Vater, war sie für uns da, obwohl sie dazu nicht verpflichtet war. Sie tat alles dafür, uns zu beschützen und meine Magie hervorzukitzeln. Und dann war sie plötzlich einfach fort. Abgesehen von meinem Stiefvater und meinen Halbbrüdern ist auch Mama ein Mensch. Es wäre deshalb nicht verwunderlich, wenn ich keine Hexenkräfte in mir trage.
Hexenwesen ist es strengstens untersagt, Kinder mit Menschen zu zeugen. Mutter, Vater und Kind werden umgehend getötet, wenn die Sache ans Licht kommt. So gesehen ist es logisch, dass mein leiblicher Vater keinen regen Kontakt mit seiner Tochter pflegt. Vor mehreren Jahrhunderten konnten Hexenwesen mit Menschen überhaupt keine Kinder zeugen. Bis irgendwann vereinzelt doch welche entstanden, die jedoch noch im Mutterleib oder spätestens bei der Geburt verstarben. Woher ich das weiß? Von Louise natürlich. Warum die Zeugung von menschlichen Hexenbabys seit über fünfzig Jahren verboten ist, weiß aber nur der Hexenrat und der hält es streng geheim. So oft kommt es ohnehin nicht vor, dass Hexenwesen und Menschen aufeinandertreffen. Von magischen Wesen wissen die meisten nichts. Die Wesen, denen man ihre Magie auf den ersten Blick nicht anmerkt, leben gerne unter den Menschen. Die Hexenwesen halten sich in der Regel am weitesten von Menschen fern. Die meisten von ihnen können Menschen absolut nicht leiden und denken, sie wären etwas Besseres.
Es klingelt ein drittes Mal. Ich werde nicht an die Tür gehen. Was ich allerdings tun werde, wenn sie sich trotzdem Zutritt verschafft, steht in den Sternen. Notfalls könnte ich mich verstecken. Ich scanne unser Wohnzimmer nach einem geeigneten Platz und wäge ab, ob ich die Treppe hoch rennen könnte, ohne von ihr gesehen zu werden. In der dämlichen Haustür sind nämlich Milchgläser eingebaut.
»Hallo?«
Ich ziehe unwillkürlich den Kopf ein und verkrümle mich in die hinterste Ecke des Wohnzimmers. Ihre Stimme klingt zu deutlich. Nicht so, als würde eine Tür zwischen uns stehen. Sie ist im Haus. Mit einem Mal werde ich mir der Musik bewusst, die beständig das Erdgeschoss beschallt. Aus der Box dringt der Gesang eines Rappers begleitet von der zarten Stimme einer Sängerin. Ich fluche erneut.
»Merle?«, fragt meine Tante.
Ich lausche auf Schritte, höre aber nur das verdammte Lied. Nach dem heutigen Tag werde ich es wahrscheinlich nie wieder hören können. Die Erinnerung, die ich damit verbinde, ist keine gute. Ich starre so lange auf die offen stehende Wohnzimmertür, bis das Unvermeidliche geschieht. Meine Tante betritt den Raum.
Ihr Äußeres hat sich nicht verändert. Dieselben hüftlangen Haare, dasselbe dunkelbraune Kleid, das sie so gerne trägt, dieselben Stiefel, dieselben zahlreichen Schmuckstücke in Form von Armreifen, Ohrringen, Ketten und Ringen. Dasselbe blutjunge Gesicht, obwohl sie über zweihundert Jahre alt ist.
Ich höre nach einigen Sekunden gar nichts mehr. Vermutlich wegen des Schocks. Aber dann merke ich, dass der Player auf meinem Laptop pausiert wurde. Meine Augen zucken wieder zu Louise.
»Geht’s dir gut, Tiara?«, fragt sie nach einer langen Pause. »Ich habe mir hin und wieder Sorgen um dich gemacht.«
»Hin und wieder? Das ist aber großzügig von dir.«
Innerhalb von Sekunden habe ich eine Entscheidung getroffen. Ich eile an ihr vorbei in den Flur und zerre meine Jacke vom Kleiderhaken. Dann reiße ich die Tür vom Schuhschrank auf und hole meine Turnschuhe heraus. Genauso aggressiv knalle ich die Schranktür zu. Ich sehe Mamas Gesicht vor mir, wie sie mich dafür mit einem bösen Blick rügt.
»Mein langes Wegbleiben war so nicht geplant, Krönchen. Bitte lauf nicht weg vor mir«, fleht sie.
Ich erstarre und kralle meine Nägel in den Schuh, während die Jacke unter meinem Arm geräuschvoll zu Boden fällt. Ich wirble herum. Ein Turnschuh fliegt auf Louise zu, bevor ich meine Handlung überdenken konnte. Mitten in der Luft stoppt der Schuh unvermittelt und schwebt in einem deutlich langsameren Tempo zu Boden. Aus traurigen Augen blickt Louise mich an.
Ich senke den Kopf und beiße mich in meiner Unterlippe fest. »Ich kann nicht mit dir reden. Nicht, wenn gestern sein Geburtstag war.«
Das letzte Mal, als ich sie nach Marvins Tod gesehen habe, habe ich sie gefragt, ob sie ihn zu uns zurückholen kann. Konnte sie nicht. Offensichtlich.
»Ich verstehe, ma chérie«, sagt Louise und belässt es einige Augenblicke dabei.
Augenblicke, in denen ich schon längst hätte abhauen können. Wahrscheinlich würde sie es zunächst zulassen und uns zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufsuchen. Oder hier warten. Mick wäre sicherlich begeistert von ihrer Rückkehr. Bei meinen Eltern tendiere ich eher zu einer negativen Reaktion. Vielleicht sind sie aber auch froh, dass es ihr gut geht. Sollte ich das nicht auch sein?
»Es steht dir frei zu gehen.« Louise nickt in Richtung Tür. »Ich werde dir kein Gespräch aufzwingen.«
Mein Inneres droht auseinanderzureißen. Die eine Hälfte möchte so schnell wie möglich das Haus verlassen, die andere verlangt nach Antworten. Auf die Gefahr hin, innerlich zu zerreißen, bleibe ich an Ort und Stelle stehen. Meine Tante sieht das als Grund, mir Erklärungen zu liefern.
»Dass ich euch verlassen habe, hatte nichts mit Marvins Tod zu tun. Ich habe die Reise schon Monate vor seinem -«
»Acht Jahre! Ohne ein einziges Lebenszeichen von dir!«, fahre ich sie an.
Louise seufzt schwer und begibt sich mit zögerlichen Schritten in meine Richtung. Der Stoff ihres Unterkleides schleift leise über die Fliesen und wird beinah von den dumpfen Absatzgeräuschen der Stiefel übertönt.
»Acht Jahre sind für jemanden, der das fünfhundertste Lebensjahr erreichen kann, nur ein Augenblick. Ich vergesse völlig …« Sie atmet erschrocken ein. »Wie sehr muss sich Mickael verändert haben.«
Ich schiebe den übriggebliebenen Schuh zurück in den Schrank und sammle die Jacke vom Boden auf. Ich ahne, dass bei einer körperlichen Flucht vor ihr keine innere miteinbegriffen ist. Sämtliche Gedanken würden sich weiterhin um Louise drehen. Sie beäugt mich neugierig, als wartete sie auf eine Äußerung meinerseits. Aber ich bin nicht diejenige, die ihr eine Erklärung schuldig ist. Somit belasse ich es dabei, den Teppichrand ausgiebig zu begutachten.
»Du hast meine Frage noch gar nicht beantwortet. Wie geht’s dir?«, versucht Louise es erneut.
»Alles wie immer«, antworte ich knapp. Ich bin mir meines kindischen Verhaltens durchaus bewusst. Ändern kann ich es im Augenblick nicht.
Louises Blick intensiviert sich. »Keine ungewöhnlichen Vorfälle?«
»Denkst du immer noch, du kannst meine Hexenkräfte erwecken?«, stelle ich eine Gegenfrage.
Vor ein paar Jahren offenbarte sie mir, dass sie während der Rituale des Öfteren die Präsenz von schwacher Magie gespürt habe.
Sie schmunzelt kaum merklich. »Was glaubst du, wonach ich gesucht habe? Oder besser gesagt, wen ich gesucht habe?«
Ich balle die Hände zu Fäusten und versenke meine Nägel in den Handflächen. »Keine Ahnung«, lüge ich.
»Nach deinem Vater.«
Perceval de Chantraine. Ein Name. Mehr nicht. Jemand, den ich nicht einschätzen kann. Von dem ich nicht weiß, ob ich wütend auf ihn sein soll, weil er meine Mutter und mich im Stich ließ. Oder ob er dafür gute Gründe hatte, die ich nicht kenne. Andererseits ist Louise hier bei uns. Wenn sie uns beschützen kann, warum er nicht?
Ich stelle mich weiterhin dumm. »Mein Vater? Der ist zurzeit an der Arbeit. Aber wenn du kurz wartest –«
»Ich rede von deinem leiblichen Vater«, sagt Louise sanft. »Leider bin ich nicht fündig geworden.«
Schon wieder bin ich hin- und hergerissen. Ich weiß nicht, ob ich ihn kennenlernen will oder ob das neue Probleme mit sich bringen und vielleicht sogar mein Leben und das meiner Mutter gefährden würde.
»Er und die anderen Septem wissen durchaus, wie sie sich im Verborgen halten können«, fährt Louise nachdenklich fort.
Die Septem sind die sieben mächtigsten Hexenwesen aus allen Ländern der Welt, die als Hexenrat die Regierung der magischen Wesen bilden. Mein leiblicher Vater ist einer von ihnen. Für ihn gelten in Bezug auf meine Zeugung jedoch die gleichen Regeln wie für normale Hexenwesen.
»Lebt er nicht mehr in der Öffentlichkeit?«, frage ich.
»Nein«, versichert Louise sofort. Sie wirkt, als wollte sie etwas hinzufügen. Tut sie aber nicht.
»Nicht mehr, seitdem ich geboren wurde«, schlussfolgere ich, weil ich ahne, dass sie das nicht aussprechen wollte. Sie hütet sich stets davor, ihren Bruder in ein schlechtes Licht zu rücken.
Auch jetzt neigt sie bloß den Kopf und lächelt verhalten. »Er hat Verpflichtungen. In den letzten Jahrzehnten nahm er sich davon gelegentlich eine Auszeit. Derzeit ist diese Pause vorüber.«
»Mehr hast du in den acht Jahren also nicht getan?«, frage ich. »Außer noch mehr Schmuck zu kaufen?«
Louise schüttelt den Kopf. Ihre Halsketten klimpern wie zur Bestätigung meines Scherzes. »Nicht vieles. Alte Freunde aufgesucht, umhergereist, Recherche betrieben. Hauptsächlich ging es dabei um die Suche nach Perceval.«
»Und jetzt denkst du, du kannst einfach wieder hier wohnen?« Ich ziehe meinen Pferdeschwanz fest und fixiere sie düster.
In meiner hinteren Hosentasche vibriert etwas. Ich erschrecke und presse meine Hand auf meine Pobacke. Dann fische ich das Handy heraus. Meine beste Freundin Carla hat mir geschrieben. Ich habe heute Abend vor, mit Mick einen Film anzuschauen. Zumindest war das der Plan, bis meine Tante unerwünscht im Haus stand.
»Alles in Ordnung?«, fragt Louise.
Ich spiele an der Handyhülle herum und spähe ins Wohnzimmer. »Da du sowieso nicht wieder gehen wirst, kannst du ja die Wäsche aufhängen und das Erdgeschoss saugen.« Ich nehme meine Jacke abermals vom Haken. »Ach und die Fenster, sämtliche Spiegel und die Fußböden sollte ich eigentlich auch putzen.« Lüge. »Ich muss zu Carla.«
Ich schlüpfe in meine Turnschuhe und hole den Schlüssel aus dem Kasten an der Tür. Dann drehe ich mich noch mal zu Louise um. »Mick kommt um sieben nach Hause. Meine Eltern so um acht. Schone deine Hexenkräfte lieber, falls sie auch mit Sachen nach dir werfen sollten.«
Louise sieht mich leicht konfus an, sagt aber kein Wort.
»Schön, dass du wieder da bist, Lou.«
Lüge?
Ich quäle mich die Treppenstufen zu Carlas Wohnung empor und nutze die Zeit, um über Louise nachzudenken. Und darüber, dass ich meine Familie allein mit ihr gelassen habe. Aber nach dem kurzen Austausch über meinen Erzeuger war ich nicht in der Lage, weitere Einzelheiten zu ihrer Reise zu erfahren.
»Guten Abend, die Dame.« In der offenen Wohnungstür steht die feixende Carls. »Macht sich die Unsportlichkeit mal wieder bemerkbar?«
Ich will antworten, bin aber zu sehr außer Puste. Carla quittiert das mit einem Lachen. Sie kommt mir entgegen und schließt mich in eine Umarmung. Der Duft ihres Duschgels steigt mir in die Nase. Feuchte dunkle Haarsträhnen kitzeln meine Wange. Abgesehen von schwarzer Spitzenunterwäsche und einem schwarzen durchsichtigen Kimono trägt sie nur rosa Filzhausschuhe.
Sie lässt eine Kaugummiblase platzen. »Und du willst heute Abend also mit ins Smash?« Ihre Augen fahren über meinen Körper. »Ich kann dir was zum Anziehen leihen.«
Es länger zu verschweigen, schaffe ich nicht. »Meine Tante ist wieder da.«
Carla hält während des Kauens inne. Ihre Augenbrauen wandern in die Mitte. Nach dem kurzen Schock erhellt sich ihre Miene. »Ehrlich? Das muss dich doch … Freust du dich nicht?«, fragt sie sanft.
Die Freude kennt keine Grenzen.
»Du weißt, dass sie uns ohne viele Worte verlassen und sich niemals gemeldet hat«, erinnere ich meine beste Freundin.
»Ja, aber sie hätte tot sein können«, erwidert sie.
In Kurzfassung gebe ich das Gespräch wieder, das sich überwiegend um Perceval gedreht hat. Carla hört aufmerksam zu. Sie weiß Bescheid. Über alles. Louise hat mir erlaubt, eine Person aus meinem Leben über die Wahrheit meines leiblichen Vaters aufzuklären und wie sich diese Verwandtschaft auf mich auswirkt. Oder auswirken sollte.
»Ich habe heute Abend Schicht«, ruft Carla mir wenig später aus dem Schlafzimmer zu. »Aber du kannst gerne an der Theke sitzen und Leute beobachten.«
Besser, als mit ihnen zu kommunizieren. Ich drücke mich in die weichen Kissen ihres Sofas und füttere mich mit Keksen von ihrem Wohnzimmertisch. In dem Club, in dem Carla am Wochenende arbeitet, herrscht immer reges Treiben. Die meisten Besucher sind fragwürdige Gestalten. Aber nach Hause gehen kommt für mich nicht infrage.
Somit finde ich mich später am Abend mit schlechter Laune auf einem Barhocker umgeben von lauter Musik und vielen Menschen bei Carla an der Theke wieder. Eine Weile vertreibe ich mir die Zeit mit dem Beobachten von Carla und ihrer Kundschaft. Jeder zweite Typ versucht mit ihr zu flirten. Auch eine junge Frau hat Interesse gezeigt. Carla nimmt es wie immer gelassen, da zum Glück niemand aufdringlich ist. Sie hat die langen schwarzen Haare zu einem unordentlichen Dutt hochgebunden. Der fransige Pony reicht bis über ihre Brauen. Ihre Lippen und ihre Wangen sind leicht rötlich geschminkt. Ein Eyeliner betont ihre hübschen mandelförmigen Augen.
Ich mache mir einen Spaß daraus, Carla jedes Mal etwas zu fragen, wenn ein junger Herr mit ihr flirtet. Sie ist so beschäftigt mit dem Befüllen von Gläsern und Entgegennehmen von Bestellungen, dass sie gar nicht mitbekommt, wie ich den Kerlen die Tour versaue. Nur mir schenkt sie stets ihre volle Aufmerksamkeit.
Irgendwann gehen mir leider die Fragen und Gesprächsthemen aus. Da Carls aber ohnehin zu viel zu tun hat, um sich mit nervigen Typen zu unterhalten, ändere ich auf dem Stuhl die Sitzposition und schaue den Menschen beim Tanzen zu. Nach kurzer Zeit haften meine Augen zwar noch immer auf der tanzenden Menge, nehmen die schwitzenden Leiber aber nicht mehr wahr.
Meine Familie hat die Rückkehr meiner Tante mittlerweile hinter sich. Wie haben sie reagiert? Schläft sie in ihrem alten Zimmer, das wir in den letzten Jahren nur zum Putzen betreten haben? Bevor sie fortging, hieß es, dass sie in jedem Fall zurückkehren würde, weshalb dort alles so blieb, wie sie es zurückließ. Selbst der leicht süßliche Geruch, der mich an eine Mischung aus Ahornsirup und Zimt erinnert, liegt nach all der Zeit noch in der Luft. Louise riecht genauso. Es zu betreten, hat nie so sehr geschmerzt, wie es bei Marvins Zimmer der Fall ist. Dennoch tat ich es nicht gern und war froh, wenn es sich vermeiden ließ. Durch eine Aufgabenaufteilung, zum Beispiel. Ich räumte die Küche auf und Mick wischte Staub in Louises Zimmer. Wobei es eine Kunst ist, in dem überfüllten Raum, in dem wir damals auch die Rituale abhielten, eine freie Stelle zum Staub wischen zu finden. Vielleicht schnappt Mick sich deshalb in einem Affenzahn das Staubtuch. Viel zu tun hat er bei dieser Aufgabe nämlich nicht.
Um kurz vor zwölf Uhr nachts mache ich mich auf den Weg zu Carlas Wohnung, die nicht weit von hier entfernt ist. Carla muss noch zwei Stunden arbeiten. Ich bin so in Gedanken, dass ich die Straßenabzweigung zu ihrer Wohnung verpasse. Als ich aufschaue, bin ich schon mindestens fünf Straßen zu weit gegangen. Meine Unachtsamkeit hat mich zu dem Ort geführt, dem ich mich seit Jahren bewusst nicht nähere. Der Anblick katapultiert mich innerlich zu dem Tag, an dem Marvin starb. Der Tag, an dem mein Herz in Flammen stand.
In meinem Kopf spielen sich in grausamer Dauerschleife Bilder ab, die ich so niemals erlebt habe. Ich kenne lediglich die wirren Erzählungen von Marvins Freunden und Papa. Mich quält seit Jahren die Vorstellung des Unfalls, die sich manchmal unerlaubt in meine Gedanken schleicht und die ich meistens sofort verdränge.
Die heruntergekommene Lagerhalle besitzt nur noch einen Teil des Daches. Der Rest ist vor Jahren aus Sicherheitsgründen entfernt worden. Gesperrt ist das verfallene Gebäude auch. Aber dämliche Warnschilder können neunjährige Kinder leider nicht vom Spielen abhalten. Selbst nach dem Unfall hat die Stadt nicht in Erwägung gezogen, die nutzlose Lagerhalle abzureißen. Es waren keine herabfallenden Gebäudeteile, die meinen Bruder das Leben kosteten, lautete die Begründung der Stadt. Ein Mitarbeiter besaß sogar die Dreistigkeit zu behaupten, dass Marvins Unfall ebenso bei uns auf der Burgruine hätte passieren können. Und die wird ja schließlich auch nicht abgerissen. Mich überkommt ein Gefühl der Schwäche. Die grausame Vorstellung von Marvins Tod treibt mir Tränen in die Augen. Meine Atmung wird immer hektischer. So überwältigend habe ich die Trauer um ihn schon lange nicht mehr wahrgenommen. Und dann ist da dieser stechende Schmerz. Genauso wie damals.
Diesmal wandert er scheinbar von meiner linken Brust weiter bis zu meinem linken Rippenbogen. Keuchend schwanke ich und halte mich an einer Straßenlaterne fest. Ich schließe die Augen, versuche gleichmäßig weiter zu atmen und nicht noch mehr durchzudrehen. Die andere Hand presse ich auf meine Brust. Um mich abzulenken, denke ich an meine Familie. Bis der Schmerz endlich nachlässt. Ich sinke schwer atmend und zitternd zu Boden. Früher oder später werde ich mit Louise darüber reden müssen.
Den ganzen Weg zur Carlas Wohnung laufe ich mit starrem Blick zu Boden und steifen Muskeln. Meine Umgebung nehme ich nur am Rande wahr, verfehle mehrmals das Türschloss mit dem Schlüssel und eine Treppenstufe, sodass ich nach oben stolpere. Kaum bin ich in der Wohnung angekommen, reiße ich meine Jacke und mein Oberteil hektisch von meinem Körper und eile in ihr Schlafzimmer vor den Spiegel. Mit bebenden Händen greife ich hinter mich und öffne den BH. Dünne schwarze Linien überziehen meine linke Brust und meine linke Seite hinab fast bis zum Hüftknochen. Mich überrollt eine Welle der Panik. Ich will nicht hinsehen, starre aber gleichzeitig wie bei einem Unfall.
Ich reibe darüber. Hoffe, dass sie verschwinden. Meine Mutter weiß stets, welche Medizin man bei welchem Problem nehmen muss. Ich will an der Hoffnung festhalten, dass mit etwas Creme die Verfärbung verschwindet. So war es immer. Jede Krankheit, jede Wunde ist verschwunden, wenn Mama sich darum gekümmert hat. Ich fühle mich plötzlich klein und hilflos. Obwohl ich versuche an dem Glauben festzuhalten, dass die Linien wieder verschwinden, weiß ich, dass sie das nicht tun werden – und es eher noch schlimmer werden wird.
Magie. Sie ist schuld und dagegen gibt es kein Heilmittel.
Carla musste für mich die Klingel betätigen. Ich stehe vor meiner eigenen Haustür und schaffe es nicht. Letzte Nacht habe ich keine Sekunde geschlafen. Carla kam nach Hause, bemühte sich, die Lautstärke ihrer Tätigkeiten auf ein Minimum zu beschränken, und kroch dann zu mir in ihr Bett.
»War ja klar, dass du bei Carla pennst«, begrüßt mich mein kleiner Mick. Er verzieht missbilligend den Mund und ich muss lachen.
»Sie ist meine einzige Freundin. Wo soll ich sonst sein?« Ich klopfe sanft mit der flachen Hand auf seinen Kopf und gehe ins Haus. Kurzzeitig habe ich vergessen, woher das unwohle Gefühl kam. Mit Betreten des Hauses fällt es mir wieder ein.
»Ich darf nicht einfach so zu Lukas abhauen«, murrt Mick im Hintergrund.
»Sei froh, dass du noch jung bist«, meint Carls. »Ich würde es an deiner Stelle genießen.«
Ich spähe beiläufig ins Wohnzimmer. Lange warten muss ich nicht. Meine Mutter kommt mit ungläubiger Miene um die Ecke. Dicht gefolgt von Papa.
»Weißt du, wie oft ich dich angerufen habe? Sonst guckst du alle drei Sekunden aufs Handy«, sagt Mama vorwurfsvoll. Ihre Stimme gewinnt an Lautstärke. »Ich habe dann Carla eine Nachricht geschrieben und sie hat zum Glück geantwortet.«
Diese Begebenheit ist mir neu. Carla lächelt zerknirscht. Mir nichts von Mamas Nachricht zu erzählen, ist wohl die beste Entscheidung gewesen. Gestern habe ich kein Interesse an familiären Konflikten gehabt. Obwohl meine Eltern natürlich nichts für den unerwarteten Besuch können.
»Ist es so schwer, uns mal kurz zu schreiben?«, schimpft Papa.
Seit Marvins Tod wollen sie stets und ständig wissen, wo ich wann wie lange bin. Obwohl ich ihnen keine Rechenschaft schulde. Dennoch halte ich mich meistens daran, weil sie sich nicht sorgen sollen. Mehr als zu Carla gehen und eventuell mit ihr etwas unternehmen, mache ich allerdings nicht. Lieber verbringe ich ungestört Zeit zu Hause mit Serien oder in der Natur. Letzteres habe ich zum Glück an der Arbeit.
»Wo ist sie?«, frage ich.
»Wer?«, fragt Mama im Gegenzug.
Mit einem Mal ziehe ich die Möglichkeit in Erwägung, mir den Besuch von Louise eingebildet zu haben. Oder vielleicht ist sie nach meinem Verschwinden abgehauen. Bevor ich weitere Theorien aufstellen kann, kommt Mama mir zuvor. »Im Wohnzimmer«, sagt sie und tritt beiseite.
Louise sitzt auf dem Sofa. Als sie mich hereintreten sieht, erhebt sie sich eilig.
»Wir haben uns Sorgen –«
»Du bist wieder eingezogen?«, unterbreche ich sie harsch.
Louise legt den Kopf schräg. »Bist du wirklich so sauer auf mich? Die anderen haben sich gefreut.«
»Marvin ist gestorben und wenige Tage später warst du fort«, erwidere ich wütend. »Es gibt nicht viele Menschen in meinem Leben. Es hätte mich fast zerstört, als ich einen von ihnen verloren habe. Das wollte ich nicht noch einmal durchmachen.«
»Och, Schatz«, sagt Louise mitfühlend. Sie kommt näher, entscheidet sich im letzten Moment aber gegen eine Umarmung. »Ich habe mein Leben für dich und deine Familie aufgegeben. Ich habe meine Familie verlassen. Natürlich war das meine Entscheidung und ich bereue sie auch nicht. Ich will damit sagen, dass du mich nicht verloren hast, Krönchen. Ich bleibe.«
Ich bin innerlich so aufgewühlt, dass ich kaum atmen kann. Als würde meine Atmung stoppen, wenn ich es nicht bewusst täte.
»Darf ich von meinen Neuigkeiten berichten, die sicher nichts mit meinem Bruder zu tun haben?« Louise beäugt mich mit den durchdringenden Augen einer Hexe. Ein funkelndes Smaragdgrün, in denen ich bereits einige Male das Glitzern ihrer Magie sehen konnte.
»Was passiert, wenn ich Nein sage?«
»Eine gute Frage. Ich schätze, dann wird es dennoch dazu kommen, Minette.« Wenn sie mich Kätzchen nennt, muss ich daran denken, dass ich gerne eine Katze hätte, stattdessen aber eine Allergie habe. Zum Glück ist das nicht ihr bevorzugter Kosename für mich.
Mama legt den Arm um meine Schulter und drückt mich an sich. »Was hast du zu erzählen, Lou?«
Meine Tante lässt ihre Augen ein wenig länger auf mir ruhen. »Tiara, ich habe dich verletzt. Bevor ich dir erzähle, was ich mit dir vorhabe, brauche ich dein Vertrauen.«
Früher wurde sie manchmal für meine ältere Schwester gehalten. So lange, bis man sich mit ihr unterhält. Sie spricht nicht wie eine verschrumpelte Hexe, die in einer mystischen Hütte in einem unheimlichen Wald lebt. Zumal das ein schreckliches Vorurteil ist. Aber ab und zu merkt man ihr das Alter an. Da sie jedoch stets mit der Zeit gegangen ist, hat sie sämtliche gesellschaftlichen Änderungen zum Großteil übernommen.
»Ich bin sauer, aber mein Vertrauen hast du nie verloren«, stelle ich klar.
Louise scheint so erleichtert darüber zu sein, dass sie lächeln muss.
»Du sagtest, du hast etwas mit mir vor?«, hake ich nach. Ich formuliere in Gedanken Vermutungen. »Bitte fang nicht wieder mit Ritualen an.« Beim letzten Mal ist Marvin …
»Schade, ich wollte auch mal mitmachen«, wirft Mick ein. Er sitzt auf dem Esszimmertisch, die Füße auf einem Stuhl, den er an der Lehne nach hinten kippt. »Ist das so ähnlich wie Gläserrücken?«
»Fast«, sage ich trocken.
»Cool«, haucht Mick.
»Es hat nichts mit Ritualen zu tun«, erklärt Louise. Sie blickt aufmerksam in die Runde, lässt ihren Blick über jeden von uns streifen. Dann lächelt sie. »Habt ihr schon mal vom Armband der Sieben gehört? Es wird oft als Rettung für Geschöpfe, deren Magie ein böses Spiel mit ihnen treibt, bezeichnet.«
Louise lässt die Worte kurz wirken. Ich werfe Carla einen flüchtigen Blick zu. Sie lauscht konzentriert Louises Worten. Ich war nie fähig zu begreifen, wieso Carls mich voll und ganz unterstützt. Warum sie mich nicht schon längst links liegen gelassen hat, weil ihr die Sache mit der Magie zu abgedreht wird. Freunde findet sie innerhalb eines Wimpernschlages. Im Gegensatz zu mir.
»Meine Reise hatte auch das Ziel, eine Armbandbesitzerin zu finden. Solche sind nämlich für das Wohl der Wesen verantwortlich, deren Fähigkeiten nicht mehr zu kontrollieren sind. Das passiert zum Beispiel durch einen Schicksalsschlag, den das Wesen erlebt hat, oder anderweitige Behinderungen, die sie meist seit der Geburt haben.«
»Also sind das quasi Ärzte für magische Wesen«, mutmaßt Mick.
Louise nickt. »Vor ein paar Jahrhunderten erschuf der damalige Hexenrat, darunter mein Vater, sieben Armbänder bestehend aus den zwei starken Heilsteine Larimar und Kallait. Sieben Armbänder, sieben Besitzer, sieben Steine an jedem Armband. Und somit je Armband sieben Wesen, die die heilenden Kräfte des Armbandes erfahren können. Dabei sucht sich das Armband die Wesen. Diese finden nach der Bindung an das Armband zu den Besitzern. Von da an ist eine Entfernung von mehreren Kilometern nicht mehr möglich. So lange, bis das Wesen geheilt ist, es selbst oder der Besitzer verstirbt oder das Armband an die nächsten Generationen vererbt wird. Das Wohnen bei den Besitzern ist daher nicht unüblich, meistens sogar selbstverständlich. Allerdings ist das abhängig vom Wesen. Einen blutrünstigen Vampir möchte man nicht im Haus haben. Wenngleich der Besitzer sich die Wesen nicht aussuchen kann, so kann sie oder er jedoch sagen, wie nah es sich ihr oder ihm näheren darf. Wobei die Hilfe und das Vertrauen der Besitzer vorausgesetzt werden. Es ist also nicht immer einfach zu handhaben. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Wesen weiterhin im Verborgenen unter den Menschen leben müssen.«
Louise beendet vorerst ihre Erläuterungen und blickt erwartungsvoll lächelnd in die stille Runde. Ich gehe das Gesagte noch einmal durch und versuche Rückschlüsse zu ziehen, inwiefern sich die Sache um mich drehen könnte. Selbst wenn ich an solch ein Armband gebunden wäre – was ich offensichtlich nicht bin –, wäre es mir zuwider, bei dieser fremden Person auf unbestimmte Zeit zu leben. Wäre das noch in Deutschland, in Europa oder gar auf einem anderen Kontinent?
»Louise, das kannst du doch nicht ernsthaft in Erwägung ziehen«, sagt Mama. Ich danke ihr im Stillen für die Worte.
»Das ist die letzte Möglichkeit, die mir betreffend Tiara in den Sinn gekommen ist«, meint Louise.
»Hast du mit anderen Hexenwesen darüber gesprochen?«, fragt Mama.
»Sicher«, bestätigt Louise. Sie wirkt, als wolle sie etwas hinzufügen.
Als sie es nicht tut, hakt Mama nach. »Und halten sie das für eine Lösung?«
»Ja.« Lou zieht das Wort unnötig in die Länge. Es steckt scheinbar mehr dahinter, aber sie belässt es bei der kurzen Antwort.
»Hast du so ein Armband gefunden?«, frage ich.
»Ja, das habe ich in der Tat«, meint Louise stolz. »Würdest du wenigstens ein paar Mal mitkommen und dir ein Bild davon machen?«
Ich lasse den Blick zu Carla schweifen, die daraufhin kaum merklich mit den Schultern zuckt und scheinbar nicht abgeneigt von Louises Vorschlag ist. Papas Gedanken sind nicht zu erraten. Er sieht wie immer liebenswürdig und entspannt aus. Mick grinst unentwegt.
»Du hast einen Besitzer gefunden?«, fragt Mama. »Aber Tiara ist nicht daran gebunden, oder?«
»Das ist sie leider nicht. Allerdings wohnt die Besitzerin bloß eine Stunde Autofahrt von uns entfernt. Wenn wir diese Chance nicht ergreifen, kann man nur von Dummheit sprechen. Ich habe mich bereits bei Familie De Lyn vorgestellt, deren Tochter die Besitzerin ist. Derzeit sind zwei Wesen daran gebunden.«
Mama fixiert Louise wütend. »Hast du ihnen etwa von Tiara erzählt?«
»Ja, habe ich –«
»Sie wissen, dass Tiaras Existenz eigentlich verboten ist?«, fährt Mama aufgebracht fort.
Das wirft ein neues Licht auf Louises Vorhaben. Eventuell ist es doch zu riskant.
»Merle, die Besitzerinnen sind für den Schutz der Wesen zuständig und nehmen das von Natur aus sehr ernst. Es besteht nicht die Gefahr, dass Tiara an die Septem verraten wird.«
»Ich habe die Rituale unterstützt«, sagt Mama. »Wir waren unter uns und taten es als Vorsichtsmaßnahme, weil wir nicht sicher waren, wie Tiara sich entwickeln wird.« Sie lässt geräuschvoll die Luft entweichen. »So sehr ich deine Bemühungen schätze, Louise, das ist viel zu riskant.«
Stille.
Keiner weiß scheinbar, wie die Diskussion fortzusetzen ist und schließlich zu einem Ende kommen soll. Louise spielt nervös an einer Kette herum. Es handelt sich um die Silberne, deren Anhänger unterhalb ihrer Brüste baumelt. Ich habe sie ihr als Kind zu Weihnachten geschenkt. Der Anhänger stellt eine Hexe mit Spitzhut auf einem Besen dar. Ich habe mich damals minutenlang über die klischeehafte Darstellung lustig gemacht, als sie es ausgepackt hat. Im positiven Sinne. Sie hat mitgelacht.
»Es wäre aber meine Entscheidung«, breche ich schließlich die Stille.
Louises Miene erhellt sich. Mama sieht nicht besonders zufrieden, aber nicht völlig unglücklich aus. Okay, es ist nicht zu hundert Prozent meine Entscheidung, weil Mamas Leben auch in Gefahr wäre, wenn die Falschen von meiner Existenz erfahren.
»Kann die Besitzerin nicht allein zu uns kommen?«, frage ich.
»Ihre Wesen müssten sie begleiten«, entgegnet Louise.
»Was würde passieren, wenn sie sich zu weit von ihr entfernen?«
»Die Verbindung würde reißen und dem Wesen wäre es nicht mehr möglich, sich jemals wieder an das Armband zu binden. Wenn ein Wesen aus irgendeinem Grund die Verbindung trotzdem trennen möchte, so kann es das natürlich tun.«
Ich nehme mir einen Moment Zeit, um alles zu verarbeiten, was meine Tante mir über das Armband erzählt hat. Wenn Lou über die schwarzen Linien auf meinem Oberkörper Bescheid wüsste, wäre dies für sie ein weiterer Grund, Hilfe von außerhalb anzunehmen? Oder eher das Gegenteil? Aber es geht nicht um Louise, sondern um mich. Um meine Hexenmagie, die sich mir nicht zeigen will, über die ich keine Kontrolle habe und die neuerdings schwarze Linien auf meinem Körper verursacht. Deshalb fühlt es sich für mich trotz der Zweifel richtig an, die Armbandbesitzerin aufzusuchen. Louises Kenntnisse helfen mir schon seit Jahren nicht mehr weiter. Wenn sich etwas an meiner Situation ändern soll, muss ich etwas anderes ausprobieren.
Doch zuerst sollte ich die neue Entwicklung gegenüber meiner Tante ansprechen.
»Ich muss dir noch etwas erzählen, Lou«, beginne ich vorsichtig. »Gestern sind die hier entstanden.« Ich hebe mein Shirt an und offenbare ihr die schwarzen Linien an meiner linken Oberkörperseite.
Ihre Augen weiten sich und sie starrt mehrere Sekunden entsetzt auf die Stelle.
»Gestern Abend bin ich aus Versehen an der alten Lagerhalle vorbeigekommen und da habe ich gespürt, wie sie sich ausgebreitet haben«, erkläre ich.
»So etwas ist mir noch nie untergekommen.« Lou schüttelt ungläubig den Kopf.
»Ist das gut oder schlecht?«, wage ich zu fragen.
Louise zögert. »Ich weiß es nicht.«
»Wenn du dich jetzt umdrehst, steht jemand hinter dir.«
Mick tut es trotz meiner Warnung. Oder gerade deswegen. Die weiße Gestalt, die unvermittelt in Erscheinung tritt, gibt einen schrillen Ton von sich und verschwindet wieder. Mick und ich schrecken zusammen, wobei Mick die Tüte Chips vom Sofa pfeffert und ich in Gelächter ausbreche.
»Mann, ist das geil«, stößt er aus.
Ich bücke mich nach den auf dem Boden verstreuten Chips und sammle sie auf. »Fast so gruselig wie unser Hausgeist«, meine ich und lege die Tüte auf den Tisch.
Mick grunzt amüsiert.
»Hier ist ein Geist im Haus?«
Abermals zucken Mick und ich zusammen. Ich presse mir die Hand aufs Herz und blicke zu meiner Tante auf, die soeben das Wohnzimmer betreten hat.
»Nicht wirklich«, sage ich.
Mick und ich machen darüber gerne Witze. Früher habe ich ihm mit der Geschichte eines Hausgeistes ein wenig Angst einjagen wollen. Aber er hat es nicht geglaubt. Sonst hätte er ihn schon längst gesehen, lautete seine Begründung.
»Wäre nicht sehr angenehm, wenn es tatsächlich so sein sollte.« Louise stellt sich neben das Sofa. »Was macht ihr da eigentlich?«
»Horrorspiel«, antwortet Mick kurz angebunden.
»Bist du nicht zu jung dafür?«
Er zuckt mit den Schultern. Seine Augen haften auf dem Fernseher. Seit Louise aufgetaucht ist, kann ich mich nicht mehr auf das Konsolenspiel konzentrieren. Ich lasse mein rechtes Bein unruhig auf und ab federn. Im Spiel befindet sich Mick in einem unheimlichen Raum, der mit gruseliger Musik untermalt wird.
»Solche Spiele verharmlosen schwarze Magie«, meckert Louise.
»Es ist nur ein Spiel«, seufze ich.
»Damit ist trotzdem nicht zu spaßen«, meint sie. »Bist du fertig? Wir wollen los.«
Mein Herz schlägt schneller, als ich nicke. Ich will das. Aber nervös bin ich dennoch.
Abgesehen von Lou fährt meine Mutter mit. Wir reden auf der gesamten Fahrt recht wenig. Ich habe Kopfhörer in den Ohren und döse vor mich hin. Mittlerweile bin ich bei der Playliste angekommen, die durchgehend traurige Lieder enthält.
Mama reißt mich aus den Tiefen meiner Gedanken, indem sie laut meinen Namen wiederholt. Ich stoppe das Klavierstück, ziehe die Stöpsel aus den Ohren und schaue zwischen den beiden Vordersitzen hindurch. Hinter der Windschutzscheibe offenbart sich mir ein Haus in beachtlicher Größe, umgeben von einem ebenso großen grünen Grundstück. Das dreistöckige Haus besitzt zwei Balkons. Rechts von uns befindet sich ein Hügel, auf welchem man zu einem Stück Wald und den davor parkenden Autos gelangt. Auf der linken Seite erahne ich einen kleinen Abhang, an dessen Rand ein paar Bäume und Pflanzen wachsen. So zu leben, plane ich in der Zukunft. Mitten in der Natur.
Louise hat mir erzählt, dass Nova und ihre Familie vor Novas Geburt von Frankreich nach Deutschland ausgewandert sind. Mit siebzehn erbte sie das Armband. Sie ist jetzt in meinem Alter und hilft, ähnlich wie ich, hin und wieder in dem Immobilienunternehmen ihrer Eltern aus. Hauptsächlich, um den Betrieb später weiterzuführen. Das wird aber erst der Fall sein, wenn sie das Armband an eines ihrer Kinder weitervererbt hat. Ich habe Lou gefragt, wie es sich verhält, wenn sie keinen Kinderwunsch hat. Darauf wusste meine Tante keine Antwort. Typisch, dass die magischen Traditionen von einer veralteten Norm ausgehen. Vielleicht darf Nova dann selbst einen Erben bestimmen.
Um den Eingang zu erreichen, müssen wir rund zehn Stufen hinaufsteigen. Wir finden uns kurz darauf auf dem ersten Balkon wieder, von welchem man zur Haustür gelangt. Als Louise klingelt, kriecht Nervosität durch meinen Körper und manipuliert meinen Pulsschlag. Ich beiße mir mit einem Mal so heftig auf die Innenseiten der Wangen, dass ich im Gegenzug die Hände zu Fäusten balle, um meine Energie stattdessen in diese Tätigkeit zu stecken.
Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Wesen, die eine ähnlich mystische Atmosphäre, wie Louise sie besitzt, ausstrahlen? Schimmernde Wesen, die uns singend mit einem Tanz in Empfang nehmen? Vermummte Gestalten, die uns ins Haus ziehen und kein Wort von sich geben? Doch dann ist die Situation so unmagisch, dass ich schlichtweg verwirrt bin.
Ein hellblondes Ehepaar in den Fünfzigern öffnet uns die Tür. Obwohl im ersten Moment alles menschlich wirkt, bereitet mir ihre Gesellschaft Unbehagen.
»Madame de Chantraine«, sagt die Frau erfreut.
Das Lächeln, das sie Louise schenkt, wirkt erzwungen, aber das ist bei einem Lächeln aus reiner Freundlichkeit oft der Fall. Sie sieht erst Mama und dann mich an. »Und Sie haben Ihre Familie mitgebracht.« Sie hat einen leichten französischen Akzent, mit dem sie bei mir Sympathiepunkte sammelt. Die meisten magischen Wesen sind in der Lage, ausgewählte Sprachen zu verstehen und akzentfrei zu sprechen. Deshalb besitzt Louise solch einen Akzent nicht.
»Nicht die ganze Familie, aber ja.« Louise deutet in unsere Richtung. »Das sind meine Nichte Tiara und ihre Mutter Merle.«
Es folgt eine kurze Begrüßung durch Händeschütteln und eine Vorstellung. Estelle und Jérôme de Lyn geleiten uns in ihr Wohnzimmer. Fotos von Landschaften und der Familie hängen an den Wänden oder zieren die weißen edlen Schränke. In den Ecken finden sich Blumen in schlichten Farben. Stifte und Papierblätter liegen auf dem großen Esszimmertisch neben einem Paar Ohrringen und einem Handy. Wir setzen uns auf die angebotenen Plätze auf dem beigefarbenen Sofa. Louise hat ihnen bei ihrem ersten Besuch von mir erzählt. Ich hoffe, dass das heutige Treffen dadurch nicht so lang ausfallen wird. Dass es außerdem schon fünf Uhr am Abend ist, spricht auch für einen kurzen Aufenthalt, bei dem wir nur die wichtigsten Dinge klären. Beispielsweise, ob sie mir überhaupt mit meinem Problem helfen können.
»Guten Abend.« Als eine glockenklare Stimme erklingt, muss ich wieder an die singenden und tanzenden Wesen aus meiner Vorstellung denken.
Aber die Person, die mit einem steifen Gang das Wohnzimmer betritt, wirkt nicht so, als würde sie jemals tanzen oder singen. Der erste Eindruck kann natürlich täuschen. Ich betrachte die junge Frau und lächle schwach zur Begrüßung. Sie hat die gleichen hellblonden Haare wie ihre Eltern. Außerdem kann ich ihr Alter schlecht einschätzen. Es liegt wohl zwischen achtzehn und fünfundzwanzig. Ihr Gesicht erinnert an das einer Elfe. Eine filigrane Nase, kleine runde Augen, hellrosa und gepflegt aussehende Lippen und hohe Wangenknochen. Selbst ihre perfekt geschwungenen Augenbrauen fallen mir auf. Diesen Part des Gesichtes blende ich normalerweise aus.
»Das ist unsere Tochter Nova«, stellt ihr Vater sie vor. »Die aktuelle Besitzerin des Armbandes in unserer Familie.« Er strahlt, als wäre dies eine große Ehre. Womöglich ist es das auch.
Nova begrüßt Lou und Mama mit einem knappen Handschlag. Beide erheben sich dabei vom Sofa, weshalb ich mich genötigt sehe, Selbiges zu tun. Novas zierliche Hand ist warm und trocken. Sie hat wider Erwarten einen kräftigen Griff. Meine Hand lässt sie nicht nach einer Sekunde wieder los. Auch nicht nach drei.
»Du bist also Tiara Louise de Chantraine?« Der schöne Akzent fehlt.
»Decker«, korrigiere ich. »Ich trage den Namen meiner Mutter.« Genauso wie mein Stiefvater und meine Halbbrüder.
Nova lässt meine Hand los und hält meinen Blick einige Sekunden fest, äußert sich aber nicht dazu. Ich sinke so leise wie möglich zurück aufs Sofa. Während Nova sich auf einem Sessel niederlässt, sehe ich es zum ersten Mal. Es hängt an ihrem linken Armgelenk und besteht ausschließlich aus sieben türkisfarbenen Steinen. Louise hat die heilenden Edelsteinarten erwähnt, aber die Namen sind mit entfallen. Vier der Steine haben eine glatte schimmernde Oberfläche, während die restlichen drei matt und von schwarzen Kerben durchzogen sind.
»Ein Jammer, dass du nicht an das Armband gebunden bist«, meint Estelle.
Ich brauche einen Augenblick, ehe ich begreife, dass sie mit mir spricht. Ich habe das Armband angestarrt und Nova hat das Gleiche bei mir getan. Allerdings mit dem Blick einer strengen Mutter, die ihr Kind bei etwas Ungehörigem erwischt hat.
»Inwiefern würde mir das helfen?«, frage ich.
»Dann könntest du womöglich auf deine Kräfte zugreifen«, antwortet Nova. »Wenn ich es richtig verstanden habe, schaffst du das aus irgendeinem Grund nicht.«
Ich bejahe und belasse es dabei.
»Was kann Nova stattdessen für meine Tochter tun?« Mama schlägt einen freundlichen Tonfall an. Andernfalls hätte die Frage wohl unhöflich geklungen.
»Wenn Tiara an einer Zusammenarbeit interessiert ist, klären wir das.« Novas Entschlossenheit und ihr Selbstbewusstsein schüchtern mich ein klein wenig ein.
»Aber worin besteht –«
»Frau Decker«, beginnt Nova, »Sie werden verstehen, dass ich Tiara einen großen Gefallen tue, wenn ich mich mit ihr beschäftige. Eigentlich bin ich nur für meine Wesen zuständig. Also sollten Sie nicht diejenige sein, die Forderungen stellt.«
»Nova«, ermahnt ihre Mutter sie.
Meine Selbstbeherrschung kommt mir zugute. Sonst würde ich mit offenem Mund die junge Frau vor mir angaffen. Ich hoffe, dass wir sie an einem schlechten Tag erwischt haben. Allerdings kann ich mich nach dem heutigen Besuch immer noch gegen das Armband entscheiden. Keiner verpflichtet mich dazu, mich mit jemandem herumzuschlagen, in dessen Gegenwart ich mich nicht wohlfühle.
»Ich werde Tiara nicht schaden, falls Sie das befürchten«, fährt Nova fort.
»Warum willst du mir überhaupt helfen?«, frage ich.
»Zurzeit sind nur zwei Wesen an mich gebunden, die von Natur aus friedlich und umgänglich sind. Daher habe ich genügend Freizeit.« Sie spitzt die Lippen. »Und ich bin neugierig. Mit einem Problem wie deinem hatte ich es noch nie zu tun. Es stellt mich vor eine Herausforderung.«
Ich bin noch immer skeptisch, aber mein Entschluss, dem Ganzen wenigstens eine Chance zu geben, steht weiterhin fest. Ich kann das hier jederzeit abbrechen.
In dem Moment spüre ich, wie etwas meinen Oberarm berührt. Zunächst reagiere ich verwundert, drehe den Kopf zur Seite und suche nach der Ursache. Nada. Ich streiche über die Stelle an meinem Arm und sehe zu Louise und Mama, die jedoch beide nichts damit zu tun haben zu scheinen. Diesmal bin ich mir sicher, dass etwas an einer meiner Haarsträhnen zugange ist. Aus Reflex reiße ich den Kopf zur anderen Seite. Der Zug an meinem Haar nimmt zu. Ich schaue aus dem Augenwinkel nach links und erstarre. Eine Strähne meiner Haare schwebt ohne sichtbare Einwirkungen nach oben. Dabei verspüre ich ein leichtes Ziehen, als würde etwas oder jemand die Strähne anheben.
Von der Angst gepackt rutsche ich zur Seite und lande dabei fast auf Louises Schoß. Ich stoße quietschende Laute aus und scanne die Umgebung. Was zum …?
»Eddy?« Nova beäugt den Platz neben mir. Den leeren Platz. »Du bescherst Tiara einen halben Herzinfarkt. Zeig dich, Liebes.«
Ich kann nicht anders, als neben mich zu starren. Dabei presse ich mich an Louise, als würde ich mit einer Spinne rechnen. Wobei das gar nicht so unwahrscheinlich ist. Eine Riesenspinne vielleicht. O Gott, bitte lass es keine Spinne sein.