Demenz - Frank Schneider - E-Book

Demenz E-Book

Frank Schneider

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Beschreibung

Immer mehr Menschen leiden an Demenz, einer der schwersten psychischen Störungen. Nicht nur für die Erkrankten, auch für ihre Angehörigen beginnt ein schwerer Weg. Auf welchen Krankheitsverlauf muss man sich einstellen, welche Therapieformen sind möglich, welche rechtlichen Fallstricke zu beachten und welche Betreuungsform ist am ratsamsten? Prof. Dr. med. Frank Schneider bietet wertvolle Orientierung in allen wichtigen Fragen, beschreibt die Lebenswelt der Demenzkranken und zeigt Grenzen der häuslichen Pflege auf. Mit vielen hilfreichen Beispielen und Tipps aus der Praxis, einem ausführlichen Serviceteil und einer Checkliste dementieller Symptome. Der kompetente Leitfaden für hilfesuchende Angehörige.

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Die Ratschläge in diesem Buch sind von Autor und Verlag sorgfältig geprüft, dennoch kann keine Garantie übernommen werden. Jegliche Haftung des Autors bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Gesundheitsschäden sowie Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

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Inhalt

Einführung

Demenz: Was ist das?

Die unterschiedlichen Formen demenzieller Erkrankungen

Demenz bei Alzheimer-Krankheit

Vaskuläre Demenz

Frontotemporale Demenz

Lewy-Körperchen-Demenz

Demenz bei Morbus Parkinson

Sekundäre Demenzen

Psychische Veränderungen und Verhaltensauffälligkeiten

Schweregradeinteilung

Wie häufig sind Demenzen?

Lässt sich einer Demenz vorbeugen?

Zusammenfassung

Wie wird eine Diagnose gestellt?

Verschiedene Untersuchungen

Anamnese und körperliche Untersuchung

Psychologische Tests

Warum eine Blutabnahme?

Hirnwasseruntersuchung: Muss das sein?

Bilder vom Gehirn

Elektroenzephalografie (EEG)

Doppler-Untersuchung

Genetische Untersuchungen bei gesunden Angehörigen

Wie sicher ist die Diagnose des Arztes?

Zusammenfassung

Medikamentöse Behandlung

Pharmakotherapie der Alzheimer-Demenz

Acetylcholinesterase-Hemmer

Memantin

Ginkgo biloba

Andere Medikamente

Medikamente bei weiteren Demenzformen

Medikamente, die direkt auf das Erleben und Verhalten wirken

Antipsychotika

Benzodiazepine

Antidepressiva

Zusammenfassung

Psychosoziale Behandlung

Psychotherapie

Kognitive Verfahren

Ergotherapie

Körperliche Aktivität und Bewegungstherapie

Künstlerische Therapien

Sinnestherapien

Sprachtherapie

Wohnungsanpassung

Psychosoziale Maßnahmen bei psychischen und Verhaltensauffälligkeiten

Schlafstörungen

Depressive Symptome

Unruhe

Aggressive Verhaltensweisen

Zusammenfassung

Leichte kognitive Störung

Zusammenfassung

Diagnose Demenz: Konsequenzen für den Betroffenen

Informationen sind wichtig

Frühberentung und Fahrtauglichkeit

Zusammenfassung

Der Angehörige

Nur wer sich selbst pflegt, kann auch andere gut pflegen

Kritik und Widerworte?

Wie kann ich einen liebevollen Umgang pflegen?

Zusammenfassung

Pflegebedürftig in Deutschland

Wo werden Demenzkranke heute versorgt?

Hilfen aus der Pflegeversicherung und Sozialhilfe

Zusammenfassung

Recht und Gesetz: Wenn man nicht mehr selbst entscheiden kann

Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Gesetzliche Betreuung und Betreuungsverfügung

Testament

Schwerbehinderung

Zusammenfassung

Antworten auf häufig gestellte Fragen

Service

Glossar

Hilfreiche Adressen und Internetseiten

Quellenverzeichnis und weiterführende Literatur zu Spezialthemen

Einführung

»Die Untersuchungsbefunde sprechen für eine Demenz.«

Wenn der Arzt solche oder ähnliche Worte ausspricht, bricht für Betroffene – Erkrankte wie auch Angehörige – eine Welt zusammen.

Erschreckende Diagnose

Denn eine Demenz ist wie eine gemeine Diebin, die sich in unser Leben schleicht und uns – im schlimmsten Fall – unserer Selbstständigkeit, unserer Erinnerungen, Identität und Persönlichkeit beraubt. Es ist eine massivst in das bisherige Leben einschneidende Erkrankung, die nicht nur den Erkrankten selbst, sondern die ganze Familie betrifft und allen sehr viel abverlangt – körperlich und psychisch.

Nach einer solchen Diagnose sehen sich Betroffene verständlicherweise mit sehr vielen Fragen, Ängsten und Unsicherheiten konfrontiert. Der vorliegende Ratgeber soll helfen, Antworten und Hilfestellungen zu geben, und zwar Erkrankten und ihren Angehörigen und den pflegenden Personen.

Aber: Demenz ist nicht gleich Demenz. Es gibt viele verschiedene Unterformen der Demenz, von denen die gefürchtete Alzheimer-Demenz am häufigsten ist und der daher in dem vorliegenden Ratgeber am meisten Raum gegeben wird. Diese Form der Demenz ist unter anderem deshalb so gefürchtet, weil sie derzeit noch nicht heilbar ist. Es gibt aber einen kleineren Teil an demenziellen Erkrankungen (sogenannte sekundäre Demenzen), die auf eine andere Grunderkrankung (z. B. Stoffwechselerkrankung, Vitaminmangel) zurückgehen und die sich bei Behandlung dieser Grunderkrankung sehr wohl bessern bzw. heilbar sind.

Daher ist eine frühe Diagnose äußerst wichtig. Außerdem deshalb, weil auch bei Vorliegen einer Alzheimer-Krankheit nur die frühe Diagnose diese Erkrankung aufhalten kann – nicht im Sinne von Heilen, jedoch kann das Fortschreiten der Erkrankung auf Symptomebene deutlich hinausgezögert werden. Und in dieser gewonnenen Zeit können Erkrankte und Angehörige gemeinsam noch viele schöne, kostbare Momente ganz bewusst gestalten und erleben.

Das Vertrackte ist nur, dass Demenzen, und vor allem wenn sie vom Alzheimer-Typus sind, oft sehr schleichend beginnen und die ersten Krankheitszeichen häufig als »Altersvergesslichkeit« missgedeutet werden. Dies führt dazu, dass die wahre Ursache der alltagsrelevanten Gedächtnisstörungen und Leistungseinbußen dann nicht früh genug erkannt wird. Zwar kann das Denken im Alter durch normale Alterungsprozesse an Geschwindigkeit und Flexibilität einbüßen, eine richtige »Altersvergesslichkeit« gibt es aber nicht. Kommen Gedächtnisstörungen dauerhaft vor oder nehmen zu und schränken sie sogar übliche Alltagsaktivitäten ein (man kann beispielsweise nicht mehr wiedergeben, was man gerade in der Zeitung gelesen hat), sollte dies von Spezialisten untersucht werden.

In diesem Ratgeber bekommt der Leser erklärt, was die Zeichen einer Demenz sind, welche Unterformen es gibt und wie man eine Diagnose stellt.

An einer Demenz ist niemand schuld!

Manche Menschen reagieren auf die Diagnose Demenz auch mit Selbstvorwürfen: Habe ich durch meinen Lebensstil dazu beigetragen, dass die Erkrankung nun bei mir ausbricht? Doch die Entstehung einer demenziellen Erkrankung ist komplex und es ist keine Erkrankung, für die der Betroffene etwas kann. Erleichternd kann daher das Wissen um mögliche Ursachen der demenziellen Symptome sein, auf die hier ebenfalls eingegangen wird. Da allerdings für viele Demenzerkrankungen die Ursachen noch nicht abschließend geklärt sind, lassen sich diese und die hieraus abgeleiteten Therapien noch nicht vollständig und sicher beschreiben.

Nach der Diagnose kommt die Therapie: Diese sollte immer multimodal ausgerichtet sein, d.h. aus mehreren unterschiedlichen Bausteinen bestehen. Dies sind als zentrale therapeutische Maßnahmen Medikamente, Psychotherapie und die Gestaltung der Umgebung. Auch das wird in dem vorliegenden Ratgeber eingehend erläutert.

Ebenfalls sehr relevant: Nach der Konfrontation mit der Diagnose Demenz wissen Betroffene oft nicht, was alles auf sie zukommt, welche rechtlichen Probleme entstehen können. Wie soll ich mein Leben jetzt organisieren? Was kann ich regeln, solange ich es noch kann, was kann ich vorbereiten? Auch hierzu finden sich im Buch sehr nützliche Tipps.

Besonders wichtig für Angehörige und andere pflegende Personen ist nicht nur der richtige Umgang mit dem Erkrankten, sondern auch der richtige Umgang mit sich selbst. Denn die Betreuung und Pflege Demenzkranker bestimmt häufig das ganze Leben, den gesamten Tagesablauf, stellt eine äußerst kräftezehrende Aufgabe dar – sowohl im körperlichen als auch im seelischen Bereich. Und nur, wer selbst ausgeglichen und stark ist, kann auch für den Erkrankten adäquat da sein und ihm helfen. Angehörige und andere Pflegende müssen deswegen vor allem auch auf sich selbst achten und gesund bleiben. Dazu ist es besonders wichtig, auch die eigenen Grenzen zu erkennen und Hilfe anzufordern, wo sie notwendig ist. Manchmal wird auch die Versorgung des Erkrankten in einem Pflegeheim nötig. Was muss ich also als Angehöriger bzw. Pflegender tun, um adäquat und für alle Seiten positiv auf den Erkrankten einzuwirken, was muss ich wissen, was darf ich tun, was sollte ich besser lassen? Auch auf diese Fragen gibt das Buch hilfreiche Antworten.

Hilfe zur Selbsthilfe

Dieses Buch möchte informieren und aufklären und dadurch Hilfe zur Selbsthilfe für Angehörige, Pflegende und den Erkrankten selbst bieten.

Nur, wer die Krankheit versteht, wer erkennt, warum Diagnostik und Therapie wichtig sind, welche Konsequenzen wann gezogen werden müssen, wie was rechtlich geregelt werden sollte, wird selbst zur Fachfrau bzw. zum Fachmann der Erkrankung. Und gerade zu Beginn der Erkrankung können gut informierte Erkrankte selbst noch viele Weichen stellen!

Noch ganz wichtig: Sofern Sie (oder Ihr Angehöriger) ein in diesem Buch genanntes Medikament verordnet bekommen, möchte ich Sie dringend auffordern, zusätzlich zu den Hinweisen in diesem Buch auch die Beipackzettel sehr sorgfältig zu beachten und sich bei Ihrem Arzt über mögliche Risiken, Neben- und Wechselwirkungen zu informieren.

Von den beiden hier relevanten wissenschaftlichen Fachgesellschaften DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde) und DGN (Deutsche Gesellschaft für Neurologie) wurde die Diagnose- und Behandlungsleitlinie Demenz veröffentlicht. In dieser sind die Diagnose- und Behandlungsstandards für Demenzerkrankungen nach aktuellen wissenschaftlichen und klinischen Erkenntnissen detailliert festgeschrieben worden. Die Informationen, Empfehlungen und Hinweise im vorliegenden Buch beziehen sich auf diese veröffentlichte Diagnose- und Behandlungsleitlinie Demenz.

Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider

Demenz: Was ist das?

Das Wort »Demenz« stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie »Fehlen des Verstandes«. Was Mediziner unter einer Demenz verstehen, unterscheidet sich allerdings ziemlich von dieser wörtlichen Übersetzung des Begriffes. So ist weder nur eine einzige Erkrankung gemeint, noch umfasst der Begriff ausschließlich Zustände eines geistigen Abbaus.

Ein demenzielles Syndrom, eine Folge einer Erkrankung des Gehirns, verläuft gewöhnlich chronisch oder fortschreitend mit Beeinträchtigung vieler höherer geistiger Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprach- und Urteilsvermögen. Diese sogenannten kognitiven Beeinträchtigungen sind meist begleitet von Verschlechterungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation. Solche Symptome gehen auch gelegentlich voraus. Es findet sich keine Trübung des Bewusstseins (außer als mögliche Komplikation in einem späten Stadium der Erkrankung).

(Definition nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation [ICD-10])

Unter den Begriff Demenz werden verschiedenartige Erkrankungen zusammengefasst, die gemeinsam haben, dass es neben einer Abnahme des Gedächtnisses auch zu Beeinträchtigungen anderer sogenannter kognitiver Fähigkeiten (siehe diese Seite Kognitionen), der Sprache, des Verhaltens sowie damit einhergehend von Alltagskompetenzen kommt. Diese Beeinträchtigungen sind in der Regel fortschreitend.

Checkliste

Die wichtigsten Krankheitszeichen einer Demenz werden wie folgt beschrieben:

Symptome bestehen über mindestens sechs Monate im Bereich von Gedächtnis, Denken und Verhalten (modifiziert nach McKhann und Kollegen 2011):

Beeinträchtigung bei der Arbeit und/oder bei AlltagsaktivitätenVerschlechterung im Vergleich zum früheren »Funktionieren«Die Beeinträchtigungen sind nicht durch akute Verwirrtheitszustände mit einer Trübung des Bewusstseins (sogenanntes Delir) oder andere psychische Erkrankungen verursachtDie Störungen von Gedächtnis, Denken und Verhalten umfassen mindestens zwei der folgenden Bereiche:Beeinträchtigte Fähigkeit, neue Informationen aufzunehmen und zu erinnern – dies zeigt sich in Auffälligkeiten wie: wiederholt die gleichen Fragen stellen und die gleichen Gesprächsthemen ansprechen, Verlegen persönlicher Gegenstände, Vergessen von Ereignissen und Verabredungen, Verirren in bekannter UmgebungBeeinträchtigung des Denk- und Urteilsvermögens und der Bewältigung komplexer Aufgaben – hierzu gehören beispielsweise: mangelndes Verständnis für Risiken und Gefahren, Unfähigkeit, finanzielle Angelegenheiten adäquat zu regeln und angemessene Entscheidungen zu treffen sowie die Unfähigkeit, komplexe und mehrschrittige Handlungsabläufe zu planenVerminderte visuell-räumliche Fähigkeiten – Symptome umfassen: Unfähigkeit, Gesichter oder Alltagsgegenstände zu erkennen oder – trotz guter Sehschärfe – Objekte im Blickfeld zu finden, Unfähigkeit, einfache Geräte zu bedienen oder Kleidungsstücke richtig (herum) zu tragenBeeinträchtigte Sprachleistung (sprechen, lesen, schreiben) – hierzu gehören: Wortfindungsstörungen, stockende Sprache, Sprech-, Buchstabier- und SchreibfehlerVeränderungen von Persönlichkeit, Verhalten und Benehmen – Symptome sind: Stimmungsschwankungen, Agitation, verminderte Motivation und Initiative, Teilnahmslosigkeit, Antriebsverlust, sozialer Rückzug, Verlust von Einfühlungsvermögen, zwanghaftes oder sozial inakzeptables Verhalten

Die Beeinträchtigungen des Gedächtnisses und der anderen Störungen des Denkens sollten nachgewiesen werden durch

(1) eine Eigen- und Fremdanamnese (Befragen des Patienten und von Bezugspersonen zu den Störungen von Gedächtnis, Denken und den Alltagskompetenzen) sowie

(2) eine testpsychologische Untersuchung oder einen bewährten Kurztest

(siehe diese Seite).

Durch die oben skizzierten Krankheitszeichen sind Angehörige und Pflegepersonen, wenn sie nicht über die Erkrankung genauestens informiert sind, oft irritiert, entsetzt und reagieren nicht selten genervt und ablehnend. Daher ist es so wichtig, demenzielle Erkrankungen verstehen zu lernen.

Hier eine typische Fallgeschichte, wie sie landauf, landab täglich vorkommt:

Fallgeschichte

Der 63-jährige Peter F. merkt gelegentlich, dass er sich Dinge nicht merken kann. Seine Frau und seine Kinder finden dies in seinem Alter zunächst ganz normal. Herr F. merkt aber in seinem Beruf als kaufmännischer Angestellter, dass er sich immer mehr Dinge aufschreiben muss, Vorgänge nicht mehr so zügig bearbeiten kann wie früher und auch emotional unausgeglichener wird. Nach einem Jahr erkennt auch die Ehefrau die Veränderung, die sich bei ihm vollzieht, und reagiert zuweilen sehr schroff, wenn ihr Mann mal wieder die Autoschlüssel sucht oder ihr wiederholt die gleichen Dinge erzählt. Sie hat aber gehört, dass man gegen »so etwas« nichts machen kann. Sie rät dazu, zunächst abzuwarten. Nach einigen Monaten wird Herr F. zu einem Mitarbeitergespräch zu seinem Vorgesetzten gebeten. Dieser erklärt ihm, dass er sich mehr anstrengen müsse, seine Leistungen seien in den letzten Monaten völlig unzureichend. Was denn mit ihm los sei? Herr F. ist völlig entsetzt, versteht die Welt nicht mehr, hat ein ganz anderes Selbstbild. Er hat hin und wieder gemerkt, dass er sich Dinge nicht merken kann, aber dass es so schlimm sein soll, versteht er nicht. Mit lautem Fluchen, Schlagen der Türen und Schimpfen verlässt er sein Büro. Er hält diese Situation nicht mehr aus. Nun beschließt er, wegen der seit zwei Jahren auffälligen Probleme zum Hausarzt zu gehen. Dieser überweist ihn an eine Gedächtnisambulanz, wo Herr F. eingehend untersucht wird.

Diagnose: Demenz vom Alzheimer-Typ.

Früherkennung ist wichtig

Sie sehen, dass bei Herrn F. die Diagnosestellung aus Unkenntnis hinausgezögert wurde. Dies ist fatal, da nur bei einer frühen Diagnosestellung der Alzheimer-Krankheit noch ganz spezielle therapeutische Maßnahmen durchgeführt werden können. Dieses Buch soll dazu beitragen, dass Patienten selbst, ihre Angehörigen und die sie Pflegenden über die Erkrankung genau Bescheid wissen.

Die unterschiedlichen Formen demenzieller Erkrankungen

Es ist ganz wichtig, nicht nur die Gedächtnisstörung zu beschreiben, da es noch viele andere Krankheitszeichen gibt, die abhängig von der Art der Demenz auftreten. Soweit man weiß, haben alle Demenz-Unterformen verschiedene Ursachen, häufig einen anderen Verlauf, unterschiedliche Begleitsymptome und werden teilweise auch völlig unterschiedlich vom Arzt behandelt. Um herauszufinden, welche Unterform vorliegt, sind umfassende Untersuchungen notwendig, die weiter hinten beschrieben werden (siehe diese Seite).

Die wichtigsten Unterformen, die hier dargestellt werden sollen, sind die Demenz bei Alzheimer-Krankheit, die gefäßbedingte vaskuläre Demenz, die gemischte Demenz (Kombination aus Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz), die frontotemporale Demenz, die Lewy-Körperchen-Demenz und die Demenz bei der Parkinson-Krankheit.

Am häufigsten ist aber mit großem Abstand die Alzheimer-Demenz (ca. 60% aller Demenzen).

Demenz bei Alzheimer-Krankheit

Der Psychiater und Neuropathologe Alois Alzheimer (1864–1915) hat die am häufigsten vorkommende Altersdemenz, die Alzheimer-Demenz, im Jahre 1906 erstmals beschrieben und auf bestimmte Veränderungen im Gehirn zurückgeführt.

Professor Alois Alzheimer hatte seinerzeit genau aufgeschrieben, wie sein erstes Gespräch im Jahre 1901 mit der damals 51-jährigen Auguste Deter ablief, nachdem sie von ihrem Mann in die Klinik gebracht wurde:

»Wie heißen Sie?«

»Auguste.«

»Familienname?«

»Auguste.«

»Wie heißt Ihr Mann?« – Auguste Deter zögert, antwortet schließlich:

»Ich glaube… Auguste.«

»Ihr Mann?«

»Ach so.«

»Wie alt sind Sie?«

»51.«

»Wo wohnen Sie?«

»Ach, Sie waren doch schon bei uns.«

»Sind Sie verheiratet?«

»Ach, ich bin doch so verwirrt.«

»Wo sind Sie hier?«

»Hier und überall, hier und jetzt, Sie dürfen mir nichts übelnehmen.«

»Wo sind Sie hier?«

»Da werden wir noch wohnen.«

»Wo ist Ihr Bett?«

»Wo soll es sein?«

Zu Mittag isst sie Schweinefleisch mit Karfiol (Blumenkohl).

»Was essen Sie?«

»Spinat.« (Sie kaut das Fleisch)

»Was essen Sie jetzt?«

»Ich esse erst Kartoffeln und dann Kren.« (Meerrettich)

»Schreiben Sie eine Fünf.«

Sie schreibt: »Eine Frau«.

»Schreiben Sie eine Acht.«

Sie schreibt: »Auguste«. (Beim Schreiben sagt sie wiederholt: »Ich habe mich sozusagen verloren«.)

Das von Alois Alzheimer dokumentierte Gespräch mit seiner Patientin Auguste Deter skizziert sehr eindrücklich die Ratlosigkeit und den Gedächtnisverlust der Patientin, die auf die Frage nach ihrem Familiennamen und dem Namen ihres Mannes lediglich ihren Vornamen erinnern und auch sonst Ereignisse aus ihrem Leben nicht mehr ins Gedächtnis rufen konnte. Auch die örtliche Orientierung war massiv gestört.

Auguste Deter war bei Aufnahme in die Klinik zudem erst 51 Jahre alt, also in einem noch recht jungen Alter. Alzheimer beschrieb diese frühe Erscheinungsform der Erkrankung daher als präsenile Demenz und die späte Form als senile Demenz.

Auch heute noch findet sich in den internationalen Diagnosesystemen die Unterscheidung zwischen der Alzheimer-Demenz mit frühem Beginn (vor dem 65. Lebensjahr) und mit spätem Beginn (nach dem 65. Lebensjahr). Diese Unterteilung ist aber nur noch historisch begründet, denn allenfalls die Häufigkeit von Genmutationen (bei der frühen Form häufiger) rechtfertigt noch eine Unterscheidung, sonst gibt es keine relevanten Unterschiede zwischen beiden Erscheinungsformen, wie man heute weiß.

Die Beschreibung der Alzheimer-Demenz durch Alois Alzheimer basierte einerseits auf dem beobachteten Verhalten seiner Patientin, der sogenannten Psychopathologie, andererseits bekam Alzheimer 1906 die Möglichkeit, das Gehirn von Auguste Deter nach deren Tod genauestens zu untersuchen. Hierbei fand er spezifische Hirnveränderungen, auf die er die Erkrankung zurückführte: Außerhalb der Nervenzellen waren dies Eiweißablagerungen in Form von sogenannten Plaques. Aber auch innerhalb vieler Nervenzellen fand sich ein Gewirr von Eiweißsträngen (siehe diese Seite).

Im gleichen Jahr hielt Alzheimer seinen ersten Vortrag über die später nach ihm benannte Krankheit.

Inzwischen weiß man, dass die Alzheimer-Krankheit eine sogenannte primär-neurodegenerative Hirnerkrankung ist. Das bedeutet, dass die Erkrankung direkt im Gehirn beginnt und mit einem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen und Nervenzellkontakten und damit zusammenhängend einem Rückgang der Hirnmasse (sogenannte Hirnatrophie) einhergeht. Der Verlauf ist schleichend, langsam über mehrere Jahre.

Nach den wichtigsten internationalen Diagnosekriterien spricht für eine Alzheimer-Demenz z. B.:

Abnahme des Gedächtnisses und Beeinträchtigung in mindestens noch einem weiteren kognitiven Bereich, nachgewiesen durch eine klinische Untersuchung unter Einbeziehung testpsychologischer Verfahren (siehe diese Seite)Fortschreitende Störung des Gedächtnisses und anderer kognitiver Funktionen seit mindestens 6 Monaten und mit alltagsrelevanten AuswirkungenBeeinträchtigung der Affektkontrolle, des Antriebs und/oder des SozialverhaltensKeine BewusstseinstrübungBeginn zwischen dem 40. und 90. Lebensjahr, meist nach dem 65. LebensjahrKein Hinweis für eine andere Ursache der Demenz

Was sind Ursachen der Alzheimer-Krankheit?

Schon lange bevor der Patient selbst oder seine Angehörigen es merken, beginnt der Untergang von einzelnen Nervenzellen. Dieser ist nicht im ganzen Hirn gleich verteilt: Der Nervenzelluntergang beginnt bei der Alzheimer-Demenz im sogenannten Hippocampus (lateinische Bezeichnung für »Seepferdchen«; diese Hirnstruktur wurde nach ihrer Form so benannt), einer Hirnregion, die für Lernen und Gedächtnis besonders relevant ist. Von dort aus breitet sich das Absterben der Nervenzellen auch auf andere Hirnbereiche aus, im Besonderen zunächst auf die, die für Gedächtnis, Konzentration, Aufmerksamkeit und Emotionen wichtig sind.

Schädliche Eiweißablagerungen inner- und außerhalb von Nervenzellen