Der Atem des Wanderers -  - E-Book

Der Atem des Wanderers E-Book

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Beschreibung

Die von Hans-Klaus Jungheinrich herausgegebene Publikation "Der Atem des Wanderers" versammelt Referate eines Symposiums über den Komponisten Helmut Lachenmann, das am 17. September 2005 in der Alten Oper Frankfurt am Main im Rahmen der Reihe "Auftakt" stattfand. Die Beiträge geben tief greifende Einblicke in das Schaffen des Komponisten und bilden insgesamt ein facettenreiches Porträt. Abgerundet wird es durch die wiedergegebene Schlussdiskussion des Symposiums. "Der 1935 geborene Nono-Schüler Helmut Lachenmann zählt zu den wichtigsten Komponisten des 20./21. Jahrhunderts. Seine Musik "ist eine Herausforderung der Wahrnehmungsfähigkeit des Hörers" (Martin Zenck). Lachenmann bezeichnete seine Musik als eine ,musique concrète instrumentale'. Es ist eine Musik, "bei der vom Hauch über den Atem bis zum gehechelten Wimmern, vom gesungenen Ton bis zum Schrei, vom Streichgeräusch am Instrument bis zum explosiven Aufschlagen einer Saite auf dem Steg, vom Ton als Geräusch bis zum Ton als Klang mit seinen obertonreichen Spektralfarben" alles dazugehört." (Zenck)

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Hans-Klaus Jungheinrich (Hg.):

Der Atem des Wanderers

Der Komponist Helmut Lachenmann

edition neue zeitschrift für musik

Herausgegeben von Rolf W. Stoll

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Bestellnummer SDP 96

ISBN 978-3-7957-8644-1

© 2015 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

Alle Rechte vorbehalten

Als Printausgabe erschienen unter der Bestellnummer NZ 5011

© 2006 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

www.schott-music.com

www.schott-buch.de

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung kopiert und in ein Netzwerk gestellt werden. Das gilt auch für Intranets von Schulen oder sonstigen Bildungseinrichtungen

Mit alleiniger Unterstützung der FAZIT-Stiftung

(Frankfurter Allgemeine Zeitung und Frankfurter

Societäts-Druckerei) Frankfurt am Main

Foto Vorderseite: Rolf W. Stoll; Foto Rückseite: Charlotte Oswald

Der Atem des Wanderers Der Komponist Helmut Lachenmann

Symposion, 17. und 18. September 2005, Alte Oper Frankfurt am Main

 

Herausgegeben von

Hans-Klaus Jungheinrich

Vorwort

Hans-Klaus Jungheinrich

Nach etlichen Jahren erfolgreicher Komponisten-Symposien (einschließlich ihrer jeweiligen Dokumentation in Buchform) stellt sich beim mit der Programmierung und Moderation dieser Veranstaltungen Betrauten vielleicht allmählich so etwas wie Routine ein. Eingeführterweise finden die ein- oder zweitägigen Gespräche jeden Herbst in Verbindung mit einem Komponisten-Schwerpunkt innerhalb der «Auftakt»-Reihe der Alten Oper Frankfurt statt. Als Publikum sind aufgeschlossene Konzerthörer aus dem Umkreis dieser großstädtischen Institution avisiert. Während des Kolloquiumgeschehens fühlt man sich jedoch immer ein wenig auch inmitten einer kleinen family von Experten. Gleichsam zur Routine der Symposiumsvorbereitung wurde es mir, vertraute Referenten jedes Mal mit für dieses Forum neuen Namen zu konfrontieren. Zu den regelmäßigen Kombattanten gehören aus dem Frankfurter Fundus alternierend Gerhard R. Koch und Wolfgang Sandner, aber auch namhafte Musikologen wie Jürg Stenzl und Siegfried Mauser sowie MusikjournalistInnen wie Éva Pintér, Hartmut Lück und Max Nyffeler.

Freilich ist Helmut Lachenmann ein Mensch und ein Künstler, der mit allen Arten von Routine kaum kompatibel scheint. Namentlich im Jahr seines 70. Geburtstags war es nicht immer einfach, eine geeignete planerische Kommunikation mit ihm einzufädeln. Sein Selbstmanagement war weitgehend improvisiert, spontan, mitunter nicht ganz reißfest. Umso befriedigender, ja beglückender dann die Momente ungeteilter, konzentrierter Präsenz. An den beiden Symposiumstagen waren es nicht bloß Momente, sondern viele Stunden geduldigen, aufmerksamen Zuhörens, dann aber auch Augenblicke des Eingreifens, Infragestellens, Zurechtrückens. Nicht zu allem, was da von den Referenten – aus dem Manuskript oder in freier, debattierender Rede – gesprochen und behauptet wurde, sagte Helmut Lachenmann Ja und Amen, und das war gut so. Hätte man doch die bekanntermaßen sperrige Persönlichkeit sonst kaum wiedererkannt, deren Selbstkommentare und Positionsbestimmungen hinter dem Anschein von Strenge, gar Unduldsamkeit, doch vor allem ein Bestreben nach Präzision, Deutlichkeit, Unmissverständlichkeit erkennen lassen. Wenn von Veränderungen, Abmilderungen auch im Selbstbild Lachenmanns die Rede ist (eher könnte man von einer zunehmenden Beweglichkeit sprechen, die mit einer plötzlichen Gesprächswendung eine vielleicht festgefahrene Argumentationsfigur auflöst), darf man diese Treue zu klarem, unterscheidendem («kritischen») Denken nicht unterschätzen. Sage jemand, irgendein bedeutender Künstler sei nicht zugleich ein unverwechselbarer, ungewöhnlicher, außerordentlicher, sich der begrenzenden, Maß anlegenden Identifizierung entziehender! Es ist aber doch wohl so, dass einem die Attribute der Unglätte und der Eigenwüchsigkeit bei Lachenmann so viel schneller einfallen als bei jedem anderen. So versteht sich, dass er sich für keine ästhetische (oder politische) Konzeption vereinnahmen lässt, auch nicht für die Kategorie der «Verweigerung», die ihm einst lieb gewesen sein muss. Die Kapazität und Erneuerungsfähigkeit dieses künstlerischen Bewusstseins war viel zu groß, als dass es sich von dieser einzigen Idee dauerhaft hätte ernähren können.

Die hier versammelten Texte kommen aus sehr verschiedenen Richtungen. Es war klar, dass einige Lachenmann-Spezialisten zu Wort kommen mussten, die sich schon lange und intensiv mit diesem Œuvre befasst hatten und auch bei dieser Gelegenheit mit weitverzweigten Detailkenntnissen aufwarten konnten. Das gilt für Ulrich Moschs kenntnisreiche Untersuchungen an Orchesterkompositionen wie für Martin Kalteneckers faszinierende Querverbindungen zur japanischen Philosophie.

Der journalistische Einblick und Zugriff funktioniert erfahrungsgemäß ganz anders als der musikwissenschaftliche und bezieht auch persönliche ästhetische Erfahrung ein: bei Hartmut Lück und Max Nyffeler, die sich beide mit geistigen Hintergründen, Beweggründen der Lachenmann’schen Poetik beschäftigen, ebenso wie bei Gerhard R. Kochs Rekonstruktion der Beziehung Lachenmann/Nono und meinen Erwägungen über das Thema Kindheit.

Reinhart Meyer-Kalkus und Albrecht Wellmer, zwei Freunde und Gesprächspartner Lachenmanns aus dem Berliner Wissenschaftskolleg, steuern Referate bei, die den musikwissenschaftlichen Modus weit hinter sich lassen und auf überaus fesselnde Weise kulturwissenschaftlich-anthropologische Gesichtspunkte (Meyer-Kalkus) oder solche einer philosophischen Ästhetik mit Lachenmann kurzschließen.

Nicht fehlen sollte die Wortmeldung eines Komponisten der jüngeren Generation (Jan Müller-Wieland), der sich gleichermaßen zu Lachenmann wie zu Henze hingezogen fühlt – was für sich genommen in diesem Zirkel schon für eine gelinde Aufschreckung sorgte.

Als gewissermaßen vorab und am Ende jeweils auf das Ganze den Blick freigebende bzw. resümierende Portale fungieren die Texte von Jörn Peter Hiekel und Jürg Stenzl.

Nicht ins Gedruckte übertragen ließ sich der Charme einer Lesung von Günter Herburger, in der die Figur Helmut Lachenmanns literarisiert erschien als Dankadresse eines hörenden Schreibers; ebenso wenig waren die – manchmal knappen, mitunter auch längeren und gehaltvollen – Diskussionsabschnitte nach den einzelnen Vorträgen reproduzierbar. Eine Gesprächs-Dreierrunde zwischen Helmut Lachenmann, Gerhart Baum und mir über das Thema «Das Prinzip Verantwortung – Was bedeutet es für den Komponisten?» fehlt ebenfalls in diesem Buch; es ging dabei vor allem um aktuelle bedenkliche Tendenzen der deutschen Kultur- und Musikpolitik, die nicht zuletzt auch den Spielraum der avancierten Musik weiter spürbar einengen. Baum und Lachenmann plädierten für entschiedene Gegenwehr.

Das finale Podiumsgespräch, das unter dem Motto «Zweifellos unterwegs» stand, bildet, von mir leicht gekürzt und redigiert, den Abschluss dieses Bandes. Bedauerlicherweise hatte die Aufnahmeapparatur der Alten Oper im Verlauf dieser Diskussion offenbar einen längeren Aussetzer, so dass die Statements von Jörn Peter Hiekel und Martin Kaltenecker sowie die letzte Hälfte desjenigen von Albrecht Wellmer nicht festgehalten wurden und für uns verloren gingen.

Am Symposiumstitel «Der Atem des Wanderers» war ein motivisches Sich-Abarbeiten nicht vonnöten. Die Titelformulierung kam mir beim Gedanken an die Höhenluft um Helmut Lachenmanns Haus viele hundert Meter oberhalb des Lago Maggiore. Eine Erinnerung an Luigi Nonos «atmendes Klarsein» – verbindlich, aber nicht ergeben – stellte sich dabei ebenso ein wie eine Nähe zu Nietzsches Höhen-Wanderer mitsamt seinem Schatten.

Frankfurt am Main, 26. Dezember 2005

Hans-Klaus Jungheinrich

Inhalt

Vorwort

Lachenmann verstehen

Jörn Peter Hiekel

Versuche über die Verständlichkeit

Helmut Lachenmanns Komponieren für Orchester um 1970

Ulrich Mosch

Philosophie und Literatur im Werk von Helmut Lachenmann

Hartmut Lück

Für Kinder

Hans-Klaus Jungheinrich

Nähe und Ferne

Helmut Lachenmann und Luigi Nono

Gerhard R. Koch

Himmel und Höhle

Transzendenz der Musik von Helmut Lachenmann

Max Nyffeler

Klangmotorik und verkörpertes Hören in der Musik Helmut Lachenmanns

Reinhart Meyer-Kalkus

Was nun?

Martin Kaltenecker

Über Negativität, Autonomie und Welthaltigkeit der Musik oder: Musik als existenzielle Erfahrung

Albrecht Wellmer

Aus dem Klang heraus

Farben, Risse, Prismen bei Helmut Lachenmann und Hans Werner Henze

Jan Müller-Wieland

«… Zwei Gefühle …» und mehr?

Jürg Stenzl

Zweifellos unterwegs

Abschließende Podiumsdiskussion

Autoren

Lachenmann verstehen

Jörn Peter Hiekel

«Erkenntnis als Kunst formuliert bleibt an Sinnlichkeit, Materialität, Partikularität und Zufälliges gebunden. Vor den Richterstuhl einer großen Theorie, vor die Allgemeinheitserfahrung eines Begriffes oder vor die ewige Geltungskraft einer Idee lässt sie sich nicht zerren, um dort ihrer Mängel überführt zu werden.»1 Diese Sätze des Kunsthistorikers Gottfried Boehm sollten in ihrer demonstrativen Zurückhaltung keineswegs als Absage an jede Theorie missverstanden werden. Aber sie drücken Zweifel aus gegenüber der Verengung von Kunstwerken auf bestimmte Aussagen und Theoriehorizonte. Sie entstammen einem Text, der andererseits gerade aufzuzeigen sucht, wie unübersehbar wichtig die Dimension der Erkenntnis für die Kunst der Moderne geworden ist.

Geht es um die Musik von Helmut Lachenmann, so scheint es zu den Grundeinsichten im Umgang mit ihr zu gehören, dass gerade sie – etwas formelhaft gesprochen – ein starkes Erkenntnis-Interesse in sich trägt und damit in emphatischer Weise an dem von Jürgen Habermas beschworenen «unvollendeten Projekt der Moderne»2 teilhat. Dennoch ist nicht ungeprüft davon auszugehen, dass sie das Bewusstsein mit sich führt, einer durch und durch konsistenten, widerspruchslosen Theorie verpflichtet zu sein. Oder gar einer dogmatischen Haltung – die dann im Falle von sichtbaren Abweichungen im Sinne des eben wiedergegebenen Zitats womöglich vor den Richterstuhl von wachenden musikästhetischen Scharfrichtern zu stellen wäre. Helmut Lachenmann steht im Ruf, ein vergleichsweise konsequenter Komponist zu sein. Doch gibt es in seinem Schaffen Entwicklungen und Weitungen, die leicht übersehen werden. Diese reichen bis zu punktuellen Reaktionen auf die musikalische Postmoderne, wie sie seit einiger Zeit auch im Musikbereich im Zusammenhang mit der so genannten «Zweiten Moderne» diskutiert werden, bis hin zur Auseinandersetzung mit interkulturellen Perspektiven der Gegenwartskultur und bis hin zu verschiedenen signifikanten Uneinheitlichkeiten seiner Musik. Das alles hat mit deren Verstehen zu tun, das – so viel dürfte klar sein – kein einfaches Verstehen ist.

Folgen wir Hans-Georg Gadamer, entspricht es der«Grundverfassung der Geschichtlichkeit des menschlichen Daseins»,«sich mit sich selbst zu vermitteln», also zu verstehen und Verstehbares hervorzubringen.3 Der Titel Musik als existentielle Erfahrung, den Helmut Lachenmann seinem 1996 erschienenen Schriftenband gab, lässt diese Grundverfassung bewusst anklingen oder ist zumindest in solcher Weise lesbar.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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