Der Aufstieg des Osmanischen Reichs - Stefan Köhler - E-Book

Der Aufstieg des Osmanischen Reichs E-Book

Stefan Köhler

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Beschreibung

Das Osmanische Reich, gezeichnet von wirtschaftlichen Problemen und innenpolitischen Spannungen, ersucht den deutschen Kaiser um Unterstützung. Der schickt dem alten Verbündeten des Deutschen Reichs sofort zahlreiche Berater, darunter auch den KASTRUP-Mann Hans von Dankenfels und dessen Kriegskameraden Friedrich Ranke. Es dauert nicht lange und die Deutschen werden hineingezogen in politische Ränkespiele, die zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg führen. Der Kampf um das Osmanische Reich – und damit um Deutschlands strategische außenpolitische Interessen – hat begonnen... Stefan Köhler gibt mit diesem Kaiserfront-Buch seinen Einstand im Autorenteam.

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Seitenzahl: 248

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Kaiserfront Extra

 

 

Band 6

Der Aufstieg des Osmanischen Reichs

 

Military-Fiction-Roman

von

Stefan Köhler

Inhalt

Titelseite

Vorgeschichte

Kapitel 1: Vorspiel

Kapitel 2: Geplänkel

Kapitel 3: Die Schlacht um Irbid

Kapitel 4: Auswirkungen

Kapitel 5: Nachspiel

Epilog

Empfehlungen

Alternativer Beobachter

Inferno – Europa in Flammen

Aldebaran

Kaiserfront 1949

Impressum

Vorgeschichte

Nachdem das Deutsche Reich den Afrikafeldzug siegreich für sich entscheiden konnte, erstreckte sich das Kolonialreich der Deutschen von Alexandria bis Kapstadt. Zum Zeichen des Sieges ließ der deutsche Kaiser überall in Afrika prächtige Bismarck-Säulen errichten. Am 1. September 1924 wurde endlich der Friedensvertrag zwischen England und Deutschland unterzeichnet, womit der Erste Weltkrieg sein lange ersehntes Ende fand.

Kaiser Wilhelm III. hatte bereits während des Afrikafeldzuges den Aufbau des Nordischen Bundes vorangetrieben, welcher 1926 offiziell gegründet wurde. Dieser Bund sollte den Zusammenhalt der Völker in Europa stärken und Kriege zwischen ihnen vermeiden. Zudem wollte man die europäischen Länder dem Zugriff der Geldelite in Großbritannien und den Vereinigten Staaten entziehen, sowie gemeinsam dem Einfluss der Sowjetunion entgegentreten.

1919 führte Frankreich die Monarchie wieder ein und trat als erstes Land dem Bund bei. 1926 folgten Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Ein Jahr später, nachdem Finnland mit deutscher Unterstützung in einem blutigen Abwehrkampf gegen die angreifende Sowjetunion siegreich blieb, erfolgte neben dem Beitritt der Finnen auch der von Dänemark, Norwegen und Schweden. Der deutsche Kaiser nahm als Oberhaupt des Bundes den neuen Mitgliedern persönlich den Treueeid ab und hieß sie willkommen. Der große Erfolg des Nordischen Bundes erweckte sowohl Neid als auch Bewunderung in der restlichen Welt. Einer der Bewunderer war Mustafa Kemal Pascha. Pascha, der sich im Weltkrieg in der Schlacht von Gallipoli mehrfach ausgezeichnet hatte, träumte davon, das vom Verfall bedrohte Osmanische Reich zu reformieren. Der Kriegsheld, der nach Ende der Feindseligkeiten in der Politik größere Möglichkeiten sah, die Dinge in Bewegung zu setzen, wurde einer der wichtigsten Berater von Sultan Mehmed VI. und später dessen Nachfolgers.

Das Osmanische Reich, entstanden Anfang des 14. Jahrhunderts, hatte im Lauf des 18. und vor allem im 19. Jahrhundert erhebliche Gebietsverluste erlitten. Während des Ersten Weltkriegs wäre das Reich durch nationale Unabhängigkeitsbestrebungen und interne Streitigkeiten fast auseinandergebrochen. Besonders bitter war der Verlust der Gebiete nördlich des Bosporus aufgenommen worden, die nach dem Ende des Krieges an Griechenland gefallen waren. Pascha, inzwischen Berater des neuen Sultans Abdülmecid II., regte daraufhin die Verlegung der Hauptstadt von Istanbul nach Ankara an. Der Sultan war erwartungsgemäß von diesem Vorschlag wenig erbaut, jedoch gelang es Pascha, diesen notwendigen Schritt als Zeichen des Neubeginns für das Reich darzustellen. Am 13. Oktober 1923 wurde Ankara zur neuen Hauptstadt erklärt und Pascha in den Rang eines Kanzlers erhoben. Seine Bemühungen, das Reich zu stabilisieren, wurden vom neu geschaffenen Parlament als derart bedeutsam eingestuft, dass man ihm den Beinamen Atatürk (Vater der Türken) verlieh. Von diesem Tag an war der Kanzler als Mustafa Kemal Atatürk bekannt. Sowohl dem Sultan als auch seinem Kanzler war bewusst, dass die von ihnen angestrebten Reformen nicht ausreichen würden, um das Osmanische Reich vor dem Verfall zu bewahren. Das Haus Osman übte seine Herrschaft über die Kontrolle strategisch wichtiger Punkte aus, wie Städte, Befestigungen, Straßen und Handelswege. Insofern wurde die Herrschaft nicht einheitlich ausgeübt, sondern unterschied sich regional teils erheblich. Auch die Reformen lösten erheblichen Widerstand aus. Somit war es nicht verwunderlich, dass in einigen Gebieten die Unzufriedenheit immer weiter um sich griff. Ethnische und religiöse Gruppierungen waren ein stetiger Quell von Spannungen und teilweise gewalttätigen Übergriffen. Zudem übten auch externe Mächte einen erheblichen Einfluss auf bestimmte Volksgruppen innerhalb des Osmanischen Gebietes aus. Es musste etwas geschehen, und zwar rasch, bevor das Osmanische Reich unter dem inneren wie äußeren Druck zerbrach.

Kapitel 1: Vorspiel

Berlin, Frühjahr 1928

Oberstleutnant Hans von Dankenfels saß in seinem Lieblingsrestaurant Zum Löwen und freute sich, seinen alten Freund und Kameraden Friedrich Ranke wiederzusehen. Gemeinsam waren von Dankenfels und Ranke während des Afrikafeldzuges von der ersten Schlacht um Alexandria bis zum Sieg in Kapstadt quer durch den ganzen Kontinent marschiert und während dieser Jahre gute Freunde geworden. Der Zufall hatte sie an diesem Tag in Berlin, der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs, zusammengeführt. Um dieses Treffen zu feiern, suchten sie das in der Nähe gelegene Restaurant auf, in dem von Dankenfels gerne verkehrte.

»Erzähl mir doch bitte, mein guter Friedrich«, forderte der Oberstleutnant in der schwarzen Uniform der Kaiserlichen Schutztruppe sein Gegenüber auf, »wie ist es dir seit Afrika ergangen?«

»Recht gut, Hans«, erwiderte Ranke mit einem fröhlichen Grinsen. »Dir ist es beim Militär ja auch gut gegangen, wie mir scheint. Oberstleutnant, meinen Glückwunsch. Du hast Karriere gemacht.«

»Danke«, sagte von Dankenfels und hob abwehrend die Hand. »Aber das ist nichts Besonderes.«

»Von wegen!«, empörte sich Ranke. »Hans von Dankenfels, der Held von Helsinki. Ich weiß alles über die Rolle, die du beim Sieg der Finnen über die Sowjets gespielt hast.«

»Ach ja?« Der Oberstleutnant beugte sich vor und fasste seinen Freund scharf ins Auge. »Verzeih mir die Frage, aber woher weißt du das?«, erkundigte sich von Dankenfels.

»Erinnerst du dich zufällig noch daran, wie wir nach dem Sieg in Afrika über unsere Zukunftspläne gesprochen haben?«, fragte Ranke.

»Ja. Du wolltest ins Familienrestaurant einsteigen und nebenbei Bücher schreiben.«

»Genau. Nun, das hat nicht so geklappt, wie ich es mir vorgestellt habe«, gestand Ranke ein. »So half mir mein Schwiegervater, einen Posten beim Außenministerium zu bekommen. Heute arbeite ich im Stab des Stellvertretenden Außenministers. In dieser Position erhalte ich Zugriff auf viele interessante Informationen.«

»Ich verstehe.« Von Dankenfels lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Du hast anscheinend auch Karriere gemacht.« Dann legte der Oberstleutnant den Kopf schräg und ein spitzbübisches Grinsen schlich sich in seine Gesichtszüge. »Dein Schwiegervater hat dir den Posten besorgt? Hast du also doch die Braut gefunden, nach der du suchen wolltest? Erzähl, ist das die Braut, die du geheiratet hast, damit du nicht so alleine bist, oder war es die wahre Liebe?«

Ranke kämpfte gegen die aufsteigende Röte in seinen Wangen – und verlor. »Nun ja«, sagte der ehemalige Fähnrich etwas verlegen, »es ist die wahre Liebe. Ingrid heißt sie.«

Von Dankenfels lachte herzlich und schlug sich mit der Rechten auf das Knie. »Ausgerechnet du, der nicht an die wahre Liebe geglaubt hat, fand sie am Ende doch noch. Mein guter Friedrich, das freut mich für dich! Es hätte keinem besseren Mann passieren können.«

Ranke betrachtete seinen Freund eingehend. »Was ist mit dir? Hast du jemanden gefunden?«

»Bisher noch nicht«, gestand von Dankenfels ein. »Meine Familie spricht zwar immer wieder davon, wie schön es doch wäre, wenn ich endlich heiraten würde, aber es hat sich bisher halt nicht ergeben.« Seine Erinnerungen kehrten kurz zu seinem letzten Besuch bei seinen Eltern zurück. Vor dem heimeligen Feuer im Kamin hatte sein Vater von der Verantwortung gesprochen, die der älteste Sohn der Familie trug, vor allem dafür, dass der Name von Dankenfels an die nächste Generation weitergereicht wurde. Seine Mutter hatte ihrem Wunsch, endlich Enkelkinder im Hause zu haben, noch deutlicher Ausdruck verliehen. So ganz unbegründet war die Sorge seiner Eltern nicht, wie von Dankenfels zugeben musste. Während der zahlreichen Kämpfe, die der Kastrup-Soldat in den vergangenen Jahren hatte ausfechten müssen, war er dem Tod mehrmals nur knapp von der Schippe gesprungen.

Ranke riss den Oberstleutnant aus seinen trüben Gedanken. »Du darfst nicht den Mut verlieren, mein Freund. Irgendwo wartet bereits eine Frau auf dich, du wirst schon sehen.«

Die beiden Männer sahen sich an und lachten.

Der Kellner erschien und servierte die bestellten Gerichte. Während die beiden Männer es sich schmecken ließen, ahnten sie nicht, dass das Schicksal sie schon bald wieder zusammenführen sollte.

Berliner Stadtschloss

Nicht weit entfernt von dem Berliner Restaurant, in dem sich zwei Männer gerade an ihrer Mahlzeit gütig taten, saß Kaiser Wilhelm III. in seinem Arbeitszimmer. Der Kaiser fand es immer wieder erstaunlich, wie viele Depeschen sich in wenigen Stunden auf seinem Schreibtisch ansammelten. Obwohl er von einem umfangreichen Mitarbeiterstab unterstützt wurde, schien es ihm manchmal, dass die Last für die Geschicke Deutschlands und des Nordischen Bundes allein auf seinen Schultern lastete.

Die Führungsrolle im Bund lag beim Deutschen Kaiserreich, das hatten die Könige der anderen Mitgliedsstaaten bedingungslos anerkannt. Dies betraf jedoch nur die militärischen und außenpolitischen Entscheidungen. In die Innenpolitik seiner Verbündeten mischte sich der Kaiser nicht ein.

Dazu habe ich auch gar keine Zeit, dachte Wilhelm III. mit einer Portion Selbstironie, während er sich wieder den Berichten auf seinem Schreibtisch zuwandte. Was ist das hier? Aktuelle Produktionszahlen der landwirtschaftlichen Betriebe im Reich. Warum muss ich mich damit befassen? Ich erhalte regelmäßig zu allen möglichen Themen Berichte, und in den zahllosen Besprechungen werde ich über alle Vorgänge im Reich informiert.

Es klopfte. Der Kaiser blickte auf und sah seinen Vater in der offenen Tür stehen, die zu dessen eigenem Arbeitszimmer führte. »Hast du einen Moment Zeit für mich?«, fragte Wilhelm II. seinen Sohn.

Dankbar, den ungeliebten Papierkram ein wenig aufschieben zu können, antwortete der Kaiser: »Selbstverständlich, Vater. Für dich habe ich immer Zeit.«

In den Augen des älteren Mannes funkelte es amüsiert. »Ach, es wärmt mein altes Herz, dass mein Sohn sich so sehr über meine Anwesenheit freut. Oder liegt es vielleicht daran, dass du dem Papierkram entfliehen möchtest?«, fragte der ehemalige Herrscher des Reichs mit ironischem Unterton.

Der aktuelle Kaiser lächelte seinen Vater an.

Seinem Sinn für Humor kam Wilhelm II. nur selten nach und so freute sich sein Sohn natürlich, wenn dies einmal der Fall war. Auch wenn er selbst zur Zielscheibe des gutmütigen Spotts wurde. Aber das war nebensächlich. Viel mehr lag ihm an dem guten Verhältnis zu seinem Vater. Eine Zeitlang war dieses ziemlich zerrüttet gewesen, besonders, nachdem der alte Kaiser zum Rücktritt gezwungen worden war. Letzten Endes hatten beide Männer jedoch wieder zueinander gefunden. War ihr Verhältnis früher recht schwierig gewesen, so war es nun von Herzlichkeit geprägt.

»Ich freue mich, dich zu sehen, Vater«, gab der Kaiser zurück und fügte dann an: »Und ich bin froh, vom Papierkram wegzukommen.«

Sein Vater steuerte auf den Schreibtisch zu. »Das kann ich dir nachfühlen. Es gab Zeiten, da fürchtete ich, in den Papierbergen zu ertrinken.«

Wilhelm III. erhob sich und strich mit einer unbewusst ausgeführten Geste seine blaue Uniformjacke glatt. »Und was führt dich zu mir, Vater?«

»Oh, etwas Erfreuliches.« Der alte Kaiser hielt einige Papiere in den Händen und legte sie auf den Schreibtisch.

»Etwas Erfreuliches kann ich wahrlich gebrauchen«, meinte der Kaiser und griff nach den Papieren. »Was ist das?«

»Ein junger Architekt, Albert Lanze, hat mir einen Brief zukommen lassen. Er beschreibt den Entwurf für einen neuen Kaiserpalast und hat auch einige Skizzen beigelegt. Ich fand die Zeichnungen sehr imposant.«

»Eindrucksvoll«, kommentierte der Kaiser und kniff die Augen zusammen, als er die Maßangaben neben einer der Zeichnungen las. Er tippte mit dem Zeigefinger auf den Entwurf. »Das hier muss doch ein Fehler sein! Der Palast soll über vierhundert Meter hoch werden?«

»Das ist kein Fehler«, entgegnete sein Vater schmunzelnd. »Ich ging zunächst auch von einem Fehler aus, aber Lanze hat den Palast wirklich in dieser Größenordnung entworfen.«

»Unglaublich«, meinte der Kaiser und nahm wieder Platz. »Dieser Palast ist gigantisch. Ah – er soll auch Vertretungen der Mitglieder des Nordischen Bundes Platz bieten und zudem das Oberkommando aller Teilstreitkräfte beherbergen. Jeweils ein Flügel ist für Heer, Marine, Luftwaffe und Kastrup vorgesehen. Zweckmäßig, zugegeben, aber wohl kaum zu realisieren.«

»Wieso denn?« Der frühere Kaiser strich mit der Hand über die vor ihm liegenden Entwürfe. »Lanze hat sogar die notwendigen Bauabschnitte beschrieben. Das ganze Vorhaben scheint mir recht gut durchdacht zu sein.«

»Das möchte ich ja gar nicht bestreiten, Vater, aber wie soll man den Aufwand für einen solchen Palast rechtfertigen? Von den Kosten mal ganz zu schweigen.«

»Wir müssen für die Zukunft planen, mein Sohn.« Der ehemalige Kaiser nahm auf einem Sessel Platz und ließ sich in die Polster sinken. »Mit der Gründung des Nordischen Bundes haben wir den Kurs Europas entscheidend beeinflusst. Berlin ist nicht mehr nur länger die Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs, sie ist die Hauptstadt des ganzen Nordischen Bundes. Die Zukunft gehört dem Bund, davon bin ich fest überzeugt. Und für diese Zukunft gilt es, ein eindrucksvolles Zeichen zu setzen.« Wilhelm II. beschrieb mit der Hand einen weiten Bogen. »Stell dir doch nur mal vor, welchen Eindruck dieser Palast auf die Besucher unserer Hauptstadt machen würde. Der Palast wird stellvertretend für die Größe und Macht des ganzen Bundes stehen. Jeder potentielle Aggressor überlegt sich seine Handlungen ganz genau, wenn ihm die Stärke des Bundes so deutlich vor Augen geführt wird.«

»Ich verstehe, was du meinst, Vater«, sagte der Kaiser nachdenklich und betrachtete die Entwürfe, die vor ihm auf dem Tisch lagen. »Aber die Kosten …«

Jetzt machte die Hand des Ex-Kaisers eine wegwerfende Geste. »Humbug! Vergiss nicht: Ich bekomme die gleichen Zahlen zu sehen wie du. Unsere Wirtschaft hat sich nicht nur vom Krieg erholt, sie wächst und wird, sofern sie es inzwischen nicht schon ist, die stärkste der Welt werden. Weder die Amerikaner noch sonst jemand wird mit unserer industriellen Macht mithalten können. Dem Reich geht es gut. Wir haben die nötigen Mittel zur Verfügung.«

»Dann haben wir eben die Mittel«, räumte der Kaiser ein. »Die Frage ist nur, ob wir sie nicht für etwas Sinnvolleres verwenden sollten. Wie zum Beispiel, um unsere Marine wieder aufzubauen.«

»Du weißt, wie sehr ich die Marine liebe«, erwiderte sein Vater ernst. »Der Verlust all der Männer und Schiffe in der Schlacht bei Helgoland hat mich zutiefst getroffen. Aber auch die Wiederaufrüstung der Marine macht gute Fortschritte. Wir verfügen über zwei Flugzeugträger, die während des Krieges fertiggestellte Ausonia und die moderne, nach dem Fliegerhelden benannte Oswald Boelcke. Vier unserer neuen Schlachtschiffe sind bereits in Dienst gestellt worden und dazu auch viele kleinere Schiffe. Noch können wir es zwar nicht mit den Engländern aufnehmen, aber der Abstand verringert sich.«

Der Kaiser dachte mit Schrecken an die Schlacht bei Helgoland zurück. Die Briten hatten einen letzten, verzweifelten Versuch gestartet, den Krieg doch noch zu ihren Gunsten zu entscheiden. Ihr Plan sah vor, Truppen an der deutschen Küste zu landen und dann auf Berlin zu marschieren, um das Kaiserreich so zur Kapitulation zu zwingen. Vor Helgoland trafen die britischen und die deutschen Flotten aufeinander. In der verheerenden Schlacht gingen auf deutscher Seite fast alle größeren Schiffe verloren oder wurden schwer beschädigt. Auch die leichteren Flotteneinheiten und die U-Boot-Waffe hatten schreckliche Verluste erlitten. Tausende Männer waren gefallen. Aber ihr Opfer war nicht umsonst gewesen. Die englische Flotte erlitt ebenfalls hohe Verluste; von den Landungstruppen gelangten nur wenige Hundert Mann an die deutschen Ufer, wo sie jedoch schnell festgesetzt wurden. Zu Ehren der tapferen Männer beider Seiten war auf Befehl des Kaisers in Cuxhaven ein großes Denkmal errichtet worden, auf dem die Namen sämtlicher Opfer dieser Schlacht festgehalten waren. All diese verschwendeten Leben bereiteten dem Kaiser Kummer. Doch wenn er an die maßlosen Banker dachte, die all diese Männer nur für ihre Profite geopfert hatten, stieg Wut in ihm hoch. Menschenleben bedeuteten diesen skrupellosen Finanzhaien gar nichts, jedenfalls, sofern es sich dabei um die Leben anderer Leute handelte.

Der Kaiser dachte daran, was sein Vater zuvor gesagt hatte. Konnte dieser gigantische Palast des Kaiserreichs, nein, des Nordischen Bundes, allein durch seine Erscheinung dazu beitragen, in Zukunft Leben zu retten? Wenn dem so wäre, was bedeutete dann schon Geld?

»Ich werde in Ruhe über diesen Palast nachdenken müssen, Vater«, sagte der Kaiser.

»Mach das, mein Sohn. Du wirst die angemessene Entscheidung treffen.«

Beide Männer lächelten sich an.

Es klopfte an der Tür.

»Herein!«, rief der Kaiser.

Ein Adjutant öffnete die Tür und betrat den Raum. »Verzeihung, Euer Majestät. Es ist Zeit für Ihr Treffen mit dem Außenminister«, erinnerte der Mann den Herrscher.

»Danke. Ich komme sofort.«

»Etwas Wichtiges?«, fragte der ehemalige Kaiser.

»Das kann ich noch nicht genau sagen«, entgegnete sein Sohn. »Es geht wohl um die Osmanen.«

»Darf ich bei diesem Gespräch anwesend sein?«

»Aber natürlich. Dein Rat ist mir stets willkommen.«

Gemeinsam folgten sie dem Adjutanten in den nahe liegenden Besprechungsraum. Alle Anwesenden erhoben sich, als die kleine Gruppe den Raum betrat. »Guten Tag, Euer Majestät«, wurde der Kaiser begrüßt, gefolgt von einem weiteren »Euer Majestät«, das dem ehemaligen Herrscher galt.

»Guten Tag, meine Herren«, sagte der Kaiser aufgeräumt.

Feldmarschall von Hindenburg, der eigentlich schon lange im Ruhestand war, fungierte lediglich als Berater. Generalfeldmarschall von Stetten vertrat als ihr Kommandeur die Kaiserliche Schutztruppe. General Reinhard Gehlen repräsentierte den Geheimdienst. Admiral Schimmel stand für die Marine. Zusätzlich waren noch Baron Leopold von Hohenstaufen, der Außenminister des Reichs, sowie einige Adjutanten anwesend.

An einem Ständer neben dem großen Konferenztisch war eine Landkarte angebracht, die von Griechenland im Norden bis hinunter zur arabischen Halbinsel und vom Mittelmeer im Westen bis Indien im Osten reichte.

Der Kaiser umrundete den Tisch, nahm an dessen Kopfende Platz, und forderte alle anderen mit einer Handbewegung auf, sich ebenfalls hinzusetzen. »Baron, Sie haben um diese Unterredung gebeten. Also, was haben wir für ein Problem mit den Osmanen?«

»Es wird Sie freuen, zu hören, dass wir keinerlei Probleme mit den Osmanen haben, Euer Majestät«, sagte von Hohenstaufen. »Im Gegenteil – unsere Nachbarn haben uns um Unterstützung ersucht.«

»Unterstützung welcher Art?«

»Allgemeine Unterstützung, Euer Majestät.« Der Außenminister deutete auf eine Depesche. »Kanzler Atatürk fragt formell an, ob das Kaiserreich bereit wäre, dem Osmanischen Reich Berater für politische, wirtschaftliche und auch militärische Fragen zur Verfügung zur stellen. Die Reformen, die der Kanzler und der Sultan angestoßen haben, treffen auf unerwartet viel Widerstand innerhalb des Osmanischen Reichs.«

»Gewalttätigen Widerstand?«, fragte der Kaiser nach.

»Teilweise. Aber das ist das Fachgebiet der Herren von Stetten und Gehlen.«

Der Kastrup-Kommandant nickte Gehlen zu und der Geheimdienstchef übernahm die weiteren Ausführungen. »Soweit unsere Leute feststellen konnten, agieren im Osmanischen Reich gleich mehrere Interessengruppen. Im Nordosten versuchen die Sowjets die Unzufriedenheit der örtlichen Volksstämme zu schüren, haben dabei jedoch nur mäßigen Erfolg. Die Bewohner des Kaukasus haben den Kommunisten nicht verziehen, dass sie ihre Kirchen und Moscheen als Munitionsdepots oder Werkstätten nutzen. Von dieser Seite aus ist die Bedrohung also eher als gering einzuschätzen. Im Osten und im Süden sieht die Sache leider anders aus. Die Briten stehen nach wie vor in Persien und auf der arabischen Halbinsel. Sie unterhalten relativ gute Beziehungen zu verschiedenen Gruppierungen innerhalb des osmanischen Einflussbereichs. Ich habe hier eine umfassende Risikoeinschätzung meiner Abteilung vorliegen, die …«

»Danke«, unterbrach der Kaiser, der nicht noch mehr Papierkram durchsehen wollte. »Mir genügt Ihre Zusammenfassung.«

»Sehr wohl, Euer Majestät. Kurz gesagt: Das Haus Osman sitzt auf einem Pulverfass und die Briten werfen kräftig mit Streichhölzern nach der Zündschnur. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alles in die Luft geht.«

»Was bedeutet das konkret?«

Von Stetten beugte sich vor. »Nach unserer Einschätzung bedeutet das Bürgerkrieg im Osmanischen Reich, gefolgt vom Sturz des Hauses Osman. Das Reich wird in viele kleine, miteinander im Konflikt stehende Parteien zerfallen, die alle von unterschiedlichen Interessengruppen unterstützt werden. Und wenn alles in Trümmern liegt, werden die Briten einmarschieren, um das Blutvergießen zu beenden und die Ordnung wiederherzustellen. Und ganz nebenbei sämtliche Rohstoffvorkommen in Besitz nehmen und ausbeuten.«

»Und dabei werden sich die Geldsäcke der Londoner Börse von den ihnen gehörenden Medien feiern lassen, weil sie ja so human waren und den Bürgerkrieg und das Töten beendet haben«, sagte Wilhelm II. höhnisch.

»Das ist anzunehmen, Euer Majestät.«

»Die Türken sind 1914 an unserer Seite in den Krieg gezogen und haben tapfer gefochten«, ließ sich von Hindenburg vernehmen. »Bei Gallipoli haben sie den britischen Commonwealth-Truppen eine schwere Niederlage zugefügt.«

Das stimmte zwar, aber das marode Osmanische Reich bröckelte bereits seit fünfzig Jahren. Ebenso entsprach es den Tatsachen, dass die Armee nach Gallipoli erschöpft war und sich zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Zusammenbruch befand. Ihre Soldaten waren zu jener Zeit oft hungrig und in Lumpen gekleidet, ihr Sold im Rückstand und die Verwaltung fast gar nicht mehr vorhanden. Seitdem war eine starke deutsche Militärmission damit befasst, die Organisation und die Ausbildung zu verbessern. Und die türkischen Soldaten wussten in jedem Fall mit den Gegebenheiten des Krieges zurechtzukommen. In ihren Einheiten – einige der arabischen Divisionen ärgerte die türkische Dominanz, was für einen gewissen Wettbewerb sorgte – herrschte ein heftiger, nachtragender und wolfsähnlicher Stolz, der den türkischen Soldaten auf dem Schlachtfeld zu einem der stursten und erbittertsten Kämpfer der Welt machte.

»Ein politisch stabiles und wirtschaftlich wie militärisch starkes Osmanisches Reich wäre ganz in unserem Interesse«, fügte von Hohenstaufen an. »Es würde die Lage des Bundes deutlich verbessern, wenn wir einen zuverlässigen Verbündeten hätten, der in dieser Region die vorherrschende Macht darstellt.«

Von Stetten nickte zustimmend. »So wäre unsere Südostflanke gegen das Vordringen der Sowjets und der Briten gesichert. Zudem würden uns die Öllieferungen der Türken sehr gelegen kommen.«

Der Kaiser betrachtete die Landkarte. »Sie stimmen also alle mehr oder weniger darin überein, dass es in unserem ureigensten Interesse wäre, dem Wunsch der Osmanen nachzukommen?«

»Jawohl, Euer Majestät«, sagte Admiral Schimmel. »Sind Sie anderer Ansicht?«

»Nein, ich stimme Ihrer Einschätzung voll und ganz zu. Haben Sie schon Vorschläge, wie wir den Türken am besten helfen können?«

»Wir entsenden eine Delegation mit Vertretern aus der Politik, der Wirtschaft und dem Militär«, führte von Stetten aus. »Zudem würde ich empfehlen, zumindest einige Panzer und Flugzeuge mit auf den Weg zu schicken, um die türkische Armee zu verstärken und dem Hause Osman unseren Respekt zu erweisen.«

»Eine solche Geste wird ihre Wirkung nicht verfehlen«, stimmte von Hohenstaufen zu. »Mein Stellvertreter, Julius Semmerling, war während des Krieges als Berater der türkischen Armee vor Ort tätig. Zudem ist er seit dieser Zeit persönlich mit Kanzler Atatürk bekannt. Er hat sich bereits dazu bereit erklärt, Teil dieser Delegation zu sein. Auch mit den Vertretern von Krupp, Siemens und weiteren Firmen haben bereits erste Gespräche stattgefunden. Dort ist man ja immer auf der Suche nach weiteren Investitionsmöglichkeiten. Man wäre bereit, Vertretungen zu entsenden.«

»Sehr schön. Ich sehe, Sie waren fleißig, meine Herren«, meinte der Kaiser. »Gut, wir schicken also einige Waffen, dazu eine Delegation mit Vertretern aus allen Bereichen. Sonst noch etwas?«

»Wir sollten ein deutliches Zeichen setzen«, meinte Wilhelm II. und zeigte mit dem Finger auf die Landkarte. »Die Briten sollen verstehen, dass wir es nicht hinnehmen können, wenn sie in einer für uns wichtigen Region mit dem Feuer spielen.«

Der Kaiser dachte an das nur wenige Minuten zurückliegende Gespräch mit seinem Vater. »Welches Zeichen?«

»Ich gehe davon aus, dass wir einige Frachtschiffe zu den Türken schicken. Geben wir den Frachtern eine angemessene Eskorte mit, am besten eines unserer neuen Schlachtschiffe. Unsere Delegation reist an Bord des Kriegsschiffes. So würden die Briten sehen, wie wichtig uns unser Anliegen ist.«

»Im Ärmelkanal liegen starke britische Flottenverbände«, warnte Schimmel. »Ich schlage vor, wir ergänzen die Eskorte um zwei Kreuzer. Das würde passen, denn zufällig waren eines unserer neuen Schlachtschiffe und zwei leichte Kreuzer ohnehin zur Verstärkung der Mittelmeerflotte vorgesehen. Wir ziehen die Verlegung einfach um einige Wochen vor.«

»Werden die Briten die Anwesenheit von mehreren deutschen Kriegsschiffen im Ärmelkanal nicht als Provokation ansehen?«, sorgte sich von Hohenstaufen.

»Für die Briten wären bereits drei Matrosen in einem Ruderboot eine Provokation«, merkte Schimmel an, was einige Anwesende zum Grinsen animierte. »Ich kontaktiere unsere französischen Freunde. Sie sollen die Kanaldurchfahrt mit Schnellbooten absichern und vielleicht sogar einige Flugzeuge über den Schiffen kreisen lassen.«

Der Kaiser sah in die Runde. »Ich glaube, damit haben wir an alles gedacht. Dann machen wir es so. Ich danke Ihnen, meine Herren.«

*

Am folgenden Morgen wurde Hans von Dankenfels zu Feldmarschall von Stetten in den Berliner Stadtpalast gerufen.

Ein Adjutant öffnete dem Oberstleutnant die Tür und führte ihn zum Arbeitszimmer des Kastrup-Kommandeurs. »Oberstleutnant von Dankenfels, Herr Feldmarschall«, kündigte der Adjutant ihn an.

»Immer herein mit ihm«, ertönte von Stettens Stimme.

Außer Feldmarschall von Stetten befand sich noch ein recht junger General der Luftwaffe im Raum, der Dankenfels irgendwie bekannt vorkam. Unter diesen Umständen hielt der Kastrup-Soldat eine formale Meldung für angebracht. Er salutierte und sagte seinen Spruch auf: »Oberstleutnant von Dankenfels meldet sich beim Herrn Feldmarschall wie befohlen.«

»Na, na, von Dankenfels, wir sind hier doch unter uns«, rügte von Stetten sanft. »Ich glaube, Sie sind einander noch nicht persönlich bekannt. Ich darf vorstellen: General Manfred von Richthofen – Oberstleutnant Hans von Dankenfels.«

Dem Kastrup-Soldaten fiel es wie Schuppen von den Augen. Deswegen war ihm der Mann so bekannt vorgekommen! Es dürfte im ganzen Kaiserreich keine zehn Personen geben, die von Richthofen nicht gekannt hätten.

»Es ist mir eine große Ehre, Sie kennenzulernen, Herr General.«

Von Richthofen reichte ihm die Hand. »Die Ehre ist ganz meinerseits, Oberstleutnant von Dankenfels. Ich habe schon sehr viel von Ihnen gehört.«

»Der General hat ebenfalls mit der Angelegenheit zu tun, wegen der ich Sie herbestellt habe«, sagte von Stetten. »Bitte, nehmen Sie doch Platz.«

Die Männer setzten sich und der Kastrup-Kommandeur fasste seinen Untergebenen ins Auge. »Das Osmanische Reich hat bei uns um die Entsendung von Militärberatern gebeten. Jede Teilstreitkraft stellt eine kleine Beratergruppe zusammen, die das türkische Oberkommando bei seiner Arbeit unterstützen soll. Da Sie in Afrika und Finnland reichlich Gelegenheit hatten, Erfahrungen zu sammeln, dachten wir daran, Sie unserer Beratergruppe hinzuzufügen. Natürlich nur, wenn Sie damit einverstanden sind.«

Von Dankenfels überlegte nur wenige Sekunden. »Selbstverständlich, Herr Feldmarschall. Es wäre mir eine Ehre.«

»Das dachte ich mir bereits«, sagte von Stetten lächelnd und griff nach einigen Papieren auf seinem Schreibtisch. »Hier ist Ihr Marschbefehl. Sie haben die Anweisung, eine Gruppe von zwanzig Männern für diesen Einsatz zusammenzustellen. Bei der Auswahl der Kandidaten haben Sie freie Hand.«

»Verstanden, Herr Feldmarschall.«

Von Stetten deutete auf den Roten Baron. »Der General war gerade dabei, mir von unserem neuen Jagdflugzeug zu berichten.«

»Das würde mich auch interessieren«, meinte von Dankenfels.

Die Augen der Fliegerlegende begannen zu leuchten. »Ha, der neue Vogel von Focke-Wulf ist das beste Jagdflugzeug, das die Welt je gesehen hat. Das Fahrwerk des Hochdeckers lässt sich komplett in den Rumpf einfahren, was den Luftwiderstand erheblich reduziert. Dadurch ist die Fw 159 so flink und wendig wie ein Affe! Auch die Bewaffnung ist erstklassig. In der Nase befinden sich zwei Maschinengewehre, dazu gibt es noch eine durch den Propeller feuernde Oerlikon-Kanone. Und für uns Piloten bietet die Maschine auch noch den Luxus einer rundum geschlossenen Kanzel.«

Von Dankenfels grinste innerlich über den Enthusiasmus des siebenunddreißigjährigen Generals. Im Weltkrieg war der Rote Baron aus 104 Luftkämpfen als Sieger hervorgegangen. Sein legendäres Duell gegen den Kanadier Arthur Roy Brown kannte jedes Schulkind.

Obwohl von Richthofen durch Geschosse von Brown verwundet worden war, gelang es ihm nach langem und hartem Kampf, den Kanadier auszumanövrieren und ihn abzuschießen. Brown, ebenfalls verwundet, konnte sich mit dem Fallschirm retten. Nach seiner Landung hatte von Richthofen aufgrund des hohen Blutverlustes das Bewusstsein verloren. Keine vier Wochen später saß er bereits wieder in seinem roten Fokker-Dreidecker und flog Einsätze.

»Das klingt so, als hätten Sie die Maschine persönlich getestet«, merkte von Stetten an.

»Aber natürlich habe ich das«, erwiderte von Richthofen.

»Ich dachte, der Kaiser hätte Ihnen Flugverbot erteilt.«

»Ja, das hat er«, gab von Richthofen unumwunden zu. »Wie zuvor sein Vater, der mir im Krieg ebenfalls Flugverbot erteilte. Aber wenn ich unseren neuen Jäger nicht fliege, wie soll ich dann wissen, ob er auch wirklich das leisten kann, was uns die Eierköpfe versprochen haben?«

»Ich glaube, das verschweigen wir Seiner Majestät am besten«, meinte von Stetten.

»Oh, Seine Majestät ist schon darüber informiert«, winkte von Richthofen lässig ab. »Wie auch immer. Die Maschine lässt sich hervorragend fliegen, geradezu traumhaft. Wir überlassen den Türken da ein wirklich erstklassiges Jagdflugzeug, das keinen Gegner zu scheuen braucht. Zwanzig Exemplare sind bereits auf dem Weg nach Hamburg, wo sie an Bord der Frachter verladen werden sollen. Von unserem neuen Erdkampfflugzeug stehen ebenfalls zwanzig Stück zur Auslieferung bereit. Die Henschel Hs 123 ist ein gutmütiger und sehr robuster Doppeldecker, der sich bestens für Bodenangriffe eignet. Neben zwei MG kann er noch mit Bomben unter dem Rumpf und den Tragflächen bestückt werden. Meine Erprobungseinheit stellt zudem zwanzig Piloten bereit, jeweils zehn pro Flugzeugtyp. Alle sind als Fluglehrer qualifiziert und werden die türkischen Piloten ausbilden. Die sechzig Mann des Bodenpersonals werden das Gleiche bei den türkischen Mannschaften machen.«

»Sehr gut.«

Von Richthofen sah auf die Wanduhr. »Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen wollen? Ich werde in wenigen Minuten von Seiner Majestät erwartet. Wahrscheinlich«, sagte der Rote Baron mit einem fröhlichen Grinsen, »will man mit mir über das Flugverbot sprechen. Von Dankenfels, es hat mich gefreut. Guten Tag, meine Herren.«

Und damit verschwand der General.

Ein wenig benommen starrte von Dankenfels auf die nun wieder geschlossene Tür.

»Von Richthofen ist schon eine ganz besondere Nummer, was?«, fragte von Stetten seinen Untergebenen.

»Ja, das würde ich auch sagen.« Von Dankenfels streifte seine Benommenheit ab und blickte den Kommandeur der Kastrup an. »Haben unsere Techniker bei diesem Wunderflugzeug ihre Hände im Spiel?«

»Ein wenig«, gestand von Stetten ein. »Sie haben dem Ingenieur Kurt Tank bei Focke-Wulf zumindest ein paar Hinweise geliefert, die ganz nützlich gewesen sind.«

»Gefährdet das nicht unsere Vereinbarung mit dem CFR?«

»Solange wir nicht zu offensichtlich vorgehen, hat Feldmarschall von Lindenheim seine Genehmigung für derartige Technologiespritzen erteilt. Wenn wir das Kaiserreich und den Bund beschützen wollen, müssen wir jeden noch so kleinen Vorteil ausnutzen, der sich uns aus den Funden in Fort Charles bietet.«

Dem stimmte von Dankenfels zu, doch machte er sich Sorgen darüber, wie ihre Partner darauf reagieren würden, wenn sie es denn herausfänden. CFR war die Abkürzung für den Council on Foreign Relations, eine überaus mächtige und mit nahezu unbegrenzten Geldmitteln ausgestattete Geheimorganisation. Wie die Kastrup, hatte auch der CFR verlassene Stützpunkte von Außerirdischen gefunden, über die so gut wie nichts bekannt war. Beide Organisationen hatten sich zu einer Zusammenarbeit entschlossen, aber es war eine sehr unsichere Partnerschaft.

Von Stetten blickte auf die Unterlagen auf seinem Schreibtisch. »Dass die Luftwaffe hundert Männer und vierzig Flugzeuge verschickt, haben Sie ja nun mitbekommen. Das Heer sendet zehn K-Wagen mit Besatzungen und Technikern. Die sollten inzwischen ebenfalls auf dem Weg nach Hamburg sein. Am Zielort angekommen, müssen die K-Wagen natürlich erst zusammengesetzt werden, aber das kennen Sie ja schon aus Afrika.«