Der besondere Weihnachtswunsch - Rosemarie Keil - E-Book

Der besondere Weihnachtswunsch E-Book

Rosemarie Keil

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Beschreibung

Familie Unruh aus der Bergstadt Freiberg am Fuße des Erzgebirges erlebt einen spannenden Advent. Für die sechsjährige Susi, ihre neunzehnjährige Schwester Franziska und die Eltern Anne und Christian sind in der stressigen Vorweihnachtszeit einige Zwischenfälle vorprogrammiert. So läuft auch bei den Ausflügen nach Seiffen und Dresden nicht alles glatt. Außerdem ist ein besonderes Krippenspiel vorzubereiten, und die erzgebirgischen Bräuche werden liebevoll dem Familienalltag angepasst. Sehnsüchte, Hoffnungen und Zweifel treten gerade in der Weihnachtszeit in den Vordergrund. Ob es für Anne zu einer lang ersehnten Versöhnung kommen wird? Einfühlsam und humorvoll erzählt die Freiberger Autorin eine Geschichte für die ganze Familie. Die 24 Kapitel sind auch zum Vorlesen im Advent geeignet.

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Seitenzahl: 77

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Rosemarie Keil

Der besondereWeiknacktswunsck

Eine Erzählung aus dem Erzgebirge

Rosemarie KeilDer besondere WeihnachtswunschEine Erzählung aus dem ErzgebirgeTredition 2018

Umschlaggestaltung: Falk-Uwe KeilFoto Umschlag: Ralf Menzel

Satz: Falk-Uwe Keil

© 2018 Rosemarie Keil

Verlag: Tredition GmbH, Hamburgwww.tredition.de

ISBN Taschenbuch: 978-3-7469-6417-1ISBN Hardcover: 978-3-7469-6418-8ISBN e-Book: 978-3-7469-6419-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlagesund der Autorin unzulässig.Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung‚Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar

Rosemarie Keil

Der besondereWeihnachtswunsch

Eine Erzählung aus dem Erzgebirge

Jedes Mal, wenn zwei Menschen einander verzeihen,

ist Weihnachten.

Jedes Mal, wenn ihr Verständnis zeigt für eure

Kinder, ist Weihnachten.

Jedes Mal, wenn ihr einander anseht mit den Augen

des Herzens, mit einem Lächeln auf den Lippen,

ist Weihnachten.

Aus Brasilien

1

Schon wieder hatte es angefangen zu regnen. Schwere Tropfen rannen wie Tränen in langen Bahnen an den Fensterscheiben entlang. Mächtige Nebelschwaden zogen vom Tal herüber und verwandelten die Bäume im Garten in bedrohliche Gespenster-Gestalten. Eigentlich wollte Anne heute noch Tannen-und Fichtenzweige abschneiden, denn übermorgen war ja schon der erste Advent! Doch bei dem Wetter …

Und überhaupt: Advent – ihr war noch gar nicht danach zumute. Keine Spur von Ruhe und Besinnung.

Da fiel die Haustür schwer ins Schloss, und kurz darauf stürmte die knapp sechsjährige Susanne, von allen Susi genannt, ins Zimmer:

„Mami, schmücken wir jetzt das Haus? Guck mal, wir haben heute nachmittag im Kindergarten Papiersterne gebastelt!“

„Oh, die sind aber toll! Wollen wir die gleich ans Fenster hängen? Oder lieber an den Lampenschirm? Doch weißt du, mit dem richtigen Schmücken beginnen wir lieber erst morgen oder übermorgen. Da soll es vielleicht etwas kälter werden. Für eine echte Adventsstimmung wäre es doch schöner, wenn draußen alles weiß aussehen würde oder wenn wir wenigstens ein paar Schneeflocken statt dieses endlosen Regens hätten. Meinst du nicht auch?“

„Nö, Frau Klugmeyer hat gesagt, dass es damals in Bethlehem zum allerersten Weihnachtsfest auch keinen Schnee gab. Stimmt’s, Papa?“

Christian, der Susi nach der Arbeit vom Kindergarten abgeholt hatte, bemühte sich, ernst zu bleiben und schloss die Tür.

„Na, wenn es Frau Klugmeyer gesagt hat, muss es ja wohl stimmen!“

Belustigt zwinkerte er Anne zu. In Susis Alter kam man gegen die Meinung der Erzieherin sowieso nicht an. Bisher jedenfalls.

Inzwischen hatte sich auch der schwarze Kater Moritz hereingeschlichen und machte es sich auf dem Schoß der Kleinen gemütlich. Sie streichelte zärtlich seine weiße Schwanzspitze, die einzige helle Stelle an ihm.

„Also gut, da muss sich euer Vater wieder einmal opfern. Ich gehe am besten gleich in den Garten, bevor es ganz dunkel wird, und hole Zweige für euern Adventsstrauß herein. Dann trocknen sie im Keller bis morgen, und ihr beide könnt gleich nach dem Frühstück mit dem Schmücken loslegen!“

„Au ja! Und zum Mittagessen will Franzi auch da sein. Die hat immer so tolle Ideen!“

Franziska, Susis große Schwester, hatte im Oktober ihr Studium in der Landeshauptstadt begonnen. An diesem ersten Adventswochenende wollte sie unbedingt wieder einmal in „ihrem“ Erzgebirge und zu Hause in Freiberg sein. Außerdem war es da viel gemütlicher als im WG-Zimmer mit der chaotischen Gemeinschaftsküche.

„Aber die Männeln!“, rief Susi plötzlich ganz aufgeregt, und ihre dunklen Augen unter den braunen Locken wurden immer größer. „Wir müssen doch die Männeln noch aufwecken!“

„Ach ja“, seufzte Anne. „Das hätte ich beinahe vergessen. Da werden wir beide wohl oder übel heute noch auf den Dachboden klettern müssen!“

Also hatte sich die Kleine diesen alten erzgebirgischen Brauch vom vorigen Jahr gemerkt, wirklich erstaunlich!

„Prima, ich bin die Erste auf der Leiter!“, verkündete Susi und lief los.

„Na, nun mal langsam“, meldete sich Christian von der Kellertreppe her und kam zurück.

„Zuerst öffne ich euch die Klappe und lasse die Leiter herunter. Das mache ich lieber selber!“

Dann konnte es losgehen. Susi war wie der Blitz oben und sah sich neugierig um.

„Sind die Männel-Kartons nicht da hinten im alten Holzregal?“

Auch das wusste sie noch ganz genau. Ungeduldig wollte sie sich sofort daran zu schaffen machen.

„Pssst! Wir müssen ganz leise und vorsichtig sein, sonst erschrickst du doch die Männeln! Sie haben schließlich ein ganzes Jahr lang geschlafen und wollen nun behutsam geweckt werden!“, versuchte Anne flüsternd, ihre Tochter zu bremsen.

Hier in der Region war es von alters her so üblich, dass die Manneln oder Männeln, also all die traditionellen hölzernen Figuren, vor dem ersten Advent von den Dachböden oder aus den oberen Schrankfächern geholt, von ihrer Verpackung befreit und liebevoll „aufgeweckt“ wurden. Das Lied vom Raachermannel, dem Räuchermännchen, erzählt davon. Anne kannte die Verse des erzgebirgischen Mundartdichters Erich Lang seit ihren Kindertagen und sang leise:

Gahr für Gahrgieht’s zun Advent of’n Buden nauf,

wird e Mannei aufgeweckt: „Komm, nu stehste auf!“

Sie konnte sich noch gut erinnern, wie sie als Kind zum „Manneln-Aufwecken“ mit in die schmale, finstere Dachschräge bei Oma kriechen durfte. Ihr Bruder Matthias war damals noch ein Baby. Dort in der winzigen Bodenkammer hingen an jedem Weihnachtskarton, den man hervorkramte, etliche Spinnweben. Manchmal huschte auch eine Spinne eilig ins Dunkel zurück oder es raschelte in einer Ecke! Ob das Mäuse waren?! Ein wenig gruslig war das für so ein kleines Mädchen schon.

„Mami, ich möchte meinen Räucher-Schneemann aber ganz allein runtertragen!“Susi holte Anne aus ihren Träumen zurück in die Gegenwart.

„Na gut, aber sei vorsichtig auf der Treppe!“

Es wäre nicht das erste Mal, dass Christian als „Männel-Doktor“ einspringen müsste.

Doch wenig später waren alle Männeln wohlbehalten auf dem großen Tisch in der Diele angekommen und konnten eins nach dem anderen vorsichtig „aufgeweckt“ werden. Es war auch für Anne immer wieder eine Freude, jedes einzelne sorgfältig aus dem Papier zu wickeln und zu begrüßen: Engel und Bergmann, Nussknacker, Räuchermann, die Krippenfiguren und viele weitere.

Auch eine Pyramide und eine Spieldose waren dabei. Letztere hatte es Susi besonders angetan. So durfte sich die Seiffener Kirche darauf schon heute ein paar Runden drehen. Leise erklang die Melodie von „Stille Nacht“, und beide lauschten andächtig.

2

Als Franziska am Samstagmittag vom Bus kam, erfuhr sie sofort alle Neuigkeiten. Anne und Susi waren mit dem Schmücken von Diele und Wohn-zimmer zunächst gut vorangekommen. Viele der Män-neln erhielten dabei einen würdigen Platz auf Omas alter, von Christian sorgsam restaurierter Kommode. Allerdings war es dann zu einem kleinen Zwischenfall gekommen.

Anne hatte nur ganz kurz das Wohnzimmer verlassen, und gerade da wollte der neugierige Kater ausprobieren, ob sich die kleinen roten Kugeln am Strauß in der Bodenvase zum Spielen eigneten. Natürlich hielt das dünnwandige Glas seinen scharfen Krallen nicht stand, und im Nu waren gleich zwei von ihnen in Scherben gegangen. Susi wollte die restlichen Kugeln vor ihm in Sicherheit bringen, doch Moritz verstand dies wohl als Spiel. Eine weitere Kugel zerbrach, die Krallen des Katers trafen die Hand des Mädchens und eine Scherbe verletzte ihren Finger. Auf Susis gellenden Schrei und Moritz’ erschrockenes Fauchen hin stürzte Anne ins Zimmer. Zum Glück war die kleine Schnittwunde nicht schlimm und wurde von ihr fachgerecht verarztet. Die Katzen-Kratzer würden auch ohne buntes Dino-Pflaster schnell heilen.

Franziska hob nun eine kleine, übersehene Scherbe vom Teppichboden auf, schüttelte den Kopf und meinte lakonisch:

„Na, wenn bei Familie Unruh mal nichts los wäre, würde es ja auch langweilig!“

Nebenbei hatte sie mit leichter Hand die immer noch traurig in einem Kästchen liegenden kleinen Engel aus Papier, Holz, Keramik oder Naturmaterial am Treppengeländer in der Diele arrangiert.

„Toll, wie du das wieder gemacht hast!“, rief die kleine Schwester bewundernd.

Christian wirtschaftete schon eine ganze Weile in der Küche herum und hatte heute sogar daran gedacht, die rote Kochschürze umzubinden. „Et hät noch emmer jotjejange“, stand in großen, weißen Buchstaben auf dem Latz. Seine Kölner Kollegen hatten ihm die Schürze zum Geburtstag geschenkt.

Und tatsächlich ging fast ausnahmslos immer alles gut, wenn Christian kochte. Das konnte er ganz hervorragend! Franziska kam näher und schnupperte neugierig.

„Hmmm, was gibt’s denn heute Feines? Ich hab einen Bärenhunger! Hast du etwa was Neues ausprobiert, Paps?“, fragte sie grinsend.

Christian verdrehte brummend die Augen und drohte ihr mit dem Kochlöffel. Immer wieder musste sie auf dieses eine einzige Mal anspielen, als ihm der Test eines neuen Gerichts zunächst misslang und das Ergebnis auf dem Komposthaufen landete! Allerdings war jener Tag ausgerechnet Franziskas Geburtstag gewesen.

Aber heute bestand keine Gefahr für den Hausfrieden. Christian hatte diesmal kein exotisches Gericht, sondern einen seiner heiß begehrten erzgebirgischen Klassiker gekocht: Bratwurst mit Kartoffelbrei und Sauerkraut.

3

Bis zum Nachmittagstee am ersten Advent hat-te Christian die Außenbeleuchtung an den mit Zweigen und Zapfen geschmückten Blumenkästen angebracht. Die vielen kleinen Kerzen funkelten nun mit den Lichtern des Schwibbogens und des großen, gelben Adventssterns im Zimmer um die Wette. Susi betrachtete die hölzernen Verzierungen am Lichter-bogen ganz genau: die gedrungene, achtseitige Seif-fener Kirche mit dem Türmchen auf dem Dach, die niedrigen kleinen Häuschen, die Spanbäume und die Kurrende-Sänger. Vier von ihnen hatten winzige Lie-derbücher in den Händen, und einer trug eine Laterne und einen Stern.

„Paps, warum heißt das eigentlich ‚Schwibsbogen‘?“, fragte Susi dann.

Christian amüsierte sich insgeheim über seine kleine Tochter und meinte dann: