Der blaue Van - Hans G. Wende - E-Book

Der blaue Van E-Book

Hans G. Wende

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Beschreibung

Ein Spaziergänger erfreut sich des schönen Herbsttages. Im nahegelegenen Wald entdeckt sein Hund im Gebüsch, halbverdeckt von Laub, eine männliche Leiche. Sein Schädel ist zerschlagen. Er informiert mit seinem Handy die Polizei. Kriminalkommissar Colani ist alarmiert. Eine Mafiabande entführt Menschen, diese werden betäubt und deren Organe ausgeschlachtet und illegal verkauft. Spuren führen nach Tschechien. Die Polizei in Prag wird um Amtshilfe gebeten. Kriminalrat Jaroslav Bredon ermittelt jetzt ebenfalls. In den Wäldern, in Nähe von Prag, werden von Spaziergängern Leichenteile gefunden. Gehören diese zu den in Deutschland entführten Personen? Die Polizei vereitelt eine Geldübergabe. Die Gauner können entkommen und auf einer Autobahnraststätte kommt es zu einer Schiesserei. Einer der Ganoven konnte entfliehn und wurde später gestellt. Wer sind die Täter? Ein Mann wird auf einer Landstrasse erschossen neben seinem Auto aufgefunden. Der Verdacht fällt auf Drogenhändler, die von Colani bereits seit langen beobachtet werden. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Drogenmafia und den Organhändlern? Die Polizei steht vor einem Rätsel. Es werden Geschäfte mit dem Tod gemacht..

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Für meine Frau Sigriddie ein warmes undgrosses Herz hat.

Intelegências há poucas.

Quase sempre as violências

Nascem das cabeças ocas,

Por medo ás inteligências.

Intelligenzen gibt es wenige,

fast immer werden die Gewalttätigkeiten

aus hohlen Köpfen geboren,

aus Angst vor den Intelligenzen.

António Aleixo

Portugiesischer Dichter

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

1

Ein klarer Herbsttag zeigte sich an. Die Sonne schien strahlend nach den letzten verregneten Tagen. Die Luft war angenehm warm. Der Wald mit seinem farbigem Laub und bunten Blättern, das Grasgrün der Lichtungen passte wie von einem Künstler gemalt dazu. Viele Menschen nutzten diesen herrlichen Tag zu einem ausgedehnten Spaziergang.

Auch Jochen Krüger zog es hinaus in den nahen Wald, um hier die angenehme, aromatische und frische Luft zu genießen. Außerdem musste Rex, der Schäferhund, seinen täglichen Auslauf haben. Heute gingen beide einen anderen Waldweg als sonst. Nach einem längeren Marsch wurde der Hund plötzlich unruhig und zog stark an der Leine, bellte laut und wollte vom Weg ab in das seitliche Gebüsch.

»Was ist los Rex, warum machst du so einen Krach? Ich kann dich ja kaum noch halten.«

Der Hund zog ihn weiter in das seitliche Gebüsch. Da entdeckte Jochen Krüger, halb verdeckt unter herab gefallenen Blättern und Zweigen, eine männliche Gestalt auf dem Waldboden. Diese Gestalt sah äußerst merkwürdig aus. In dem Mund steckte ein Geldschein. Soweit er erkennen konnte, musste es eine Fünf-Euro-Note sein. Es war ein schrecklicher Anblick. Der Kopf des Mannes war zur Hälfte zertrümmert und die Hirnflüssigkeit quoll seitlich heraus.

Krüger musste sich beinahe übergeben. Zum Glück hatte er sein Mobilfunktelefon dabei. Er zog es aus seiner Jackentasche und rief die Polizei an.

Die Verbindung war sofort da. Er meldete sich sehr aufgeregt: »Spreche ich mit der Polizei?«

Die Antwort kam umgehend: »Hier Polizeidienststelle in Plauen. Um was geht es? Nennen Sie mir Ihren Namen, um was es sich handelt und von wo Sie sprechen.«

»Mein Name ist Jochen Krüger. Ich bin hier mit meinem Hund im Wald. Vor mir liegt ein toter Mann im Gebüsch, mit Blättern und Zweigen bedeckt. Schicken Sie möglichst schnell Ihre Kollegen.«

»In welchem Wald befinden Sie sich genau? Wie ist der kürzeste Weg dorthin«, wollte der Beamte wissen.

»Ich befinde mich am Ortsausgang von Klingenthal. Ganz in Nähe liegt das Waldhotel.«

»Warten Sie dort, ich schicke sofort jemand zu Ihnen.«

Der Beamte verfasste seinen Eintrag in das Tagebuch, notierte das Datum und die Uhrzeit des Anrufs.

Über das Notruftelefon verständigte er anschliessend Hauptkommissar Colani vom Polizeirevier in Plauen.

»Hallo, spreche ich mit Hauptkommissar Colani?«

»Am Apparat. Was gibt`s?«

„Herr Colani, ich wurde soeben von dem Fund einer männlichen Leiche in Klingenthal unterrichtet«.

»Wo ist der Tatort? Schildern Sie Näheres.«

»Ein Jochen Krüger fand mit seinem Hund den Toten. Er meinte, er liegt hier im Wald, hinter dem Waldhotel. Ich habe ihm gesagt, er soll dort auf Sie warten.«

Colani antwortete: »Wir fahren sofort hin.«

Hauptkommissar Colani ruft seinen Kollegen Peter Ringer zu sich.

»Peter, wir haben einen Toten in Klingenthal. Kommst du bitte, wir müssen sofort los«.

Peter Ringer wollte wissen: »Wo ist der genaue Tatort?«

»Ich sagte es schon, in Klingenthal in der Nähe des Waldhotels.«

Ringer packte seine Sachen zusammen und meinte: »Ich bin so weit, wir können fahren.«

Die beiden Beamten stiegen in ihren Wagen und fuhren sofort in Richtung Klingenthal.

Klingenthal liegt abseits einer Hauptstraße und etwa dreißig Kilometer von Plauen entfernt. Auf der Fahrt dorthin unterhielten sich beide über die immer zahlreicher werdenden Verbrechen.

Colani betrachtete seinen Kollegen von der Seite: »Peter, du machst so ein nachdenkliches Gesicht, was beschäftigt dich?«

»Ich dachte an meinen Feierabend, es ist schon vier Uhr nachmittags. Wir erwarten doch Nachwuchs, unser erstes Kind. Ich habe meiner Frau versprochen, mit ihr noch einige Besorgungen zu machen. Sie möchte sich unbedingt einige dringende Sachen kaufen.«

Die angegebene Stelle im Wald wurde bald von ihnen gefunden. Sie sahen einen Mann mit Hund am Waldrand stehen. Colani hielt an und beide stiegen aus.

»Guten Tag, mein Name ist Hauptkommissar Colani vom Polizeikommissariat in Plauen. Das ist Kommissar Ringer. Wo liegt der Tote? Sie haben ihn entdeckt?«, fragte Colani.

»Ja, ich habe den Toten entdeckt und sofort gemeldet.«

„Wie ist Ihr Name?“

»Mein Name ist Krüger, Jochen Krüger. Eigentlich hat mein Hund ihn gefunden.«

»Geben Sie uns bitte Ihre genaue Adresse.«

»Peter, übernimmst du das Protokoll?«

Krüger nahm seinen Hund an die kurze Leine und zeigte ihnen den Platz. Colani wandte sich zu ihm und sagte: »Sie können jetzt gehen. Wenn wir noch Fragen haben sollten, kommen wir auf Sie zu. Sie können mich auch jederzeit anrufen. Hier ist meine Karte.«

Die Beamten schauten sich den fürchterlich zugerichteten männlichen Toten an. Colani machte sich so seine Gedanken und zu Peter gewandt: »Der ist ja scheußlich zugerichtet und was bedeutet der Geldschein in seinem Mund? Verständige mal die Spurensicherung.«

Beide untersuchten die direkte und weitere Umgebung des Tatortes nach weiteren Spuren, aber sie konnten nichts Wesentliches entdecken. Der Waldboden war mit Zweigen und Laub bedeckt. Der Tote war bekleidet. Irgendwelche Hinweise, wie Papiere und andere Details, waren auf den ersten Blick nicht zu erkennen.

Colani meinte noch: »Das ist eine fürchterliche Tat und sie wurde auch mit großer Brutalität ausgeführt.«

»Frank, ich frage mich, was kann das Motiv für diese Tat gewesen sein? War es ein Racheakt und wer waren der oder die Täter. Es sieht mir fast nach Auftragsmord aus.«

Inzwischen traf die Spurensicherung ein und deren Leiter, Otto Dombrowski, begrüßte Hauptkommissar Frank Colani. Die beiden kannten sich schon seit vielen Jahren.

»Herr Colani. Was bieten Sie uns heute?«

»Schauen Sie her. Dieser Mann hier wurde ermordet.«

Dombrowski daraufhin: »Der sieht ja fürchterlich aus. Wir beginnen sofort mit unserer Arbeit.«

Dombrowski teilte seine Mitarbeiter ein. Es geht um das Fotografieren der Leiche und die Suche nach möglichen Fingerabdrücken. Es muss nach weiteren Spuren gesucht werden.

Colani hat sich mit Ringer alles genau angesehen. Sie verabschiedeten sich von Dombrowski:

„Herr Dombrowski, bis wann können wir etwas in dieser Sache hören?«

„Ich denke bis morgen Nachmittag kann ich Ihnen Näheres berichten.«

Colani äusserte sich noch: »Wenn Sie fertig sind, können Sie die Leiche in die Gerichtsmedizin bringen lassen.«

Dombrowski nickte mit dem Kopf und bestätigte dies. Colani wandte sich an seinen Kollegen: „Peter, wir fahren zurück nach Plauen.«

Es war schon sieben Uhr abends. Ringer rief seine Frau an: »Hallo, Schatz, ich bin es. Mit dem Einkaufen wird es heute leider nichts. Wir haben einen Mord zu bearbeiten. Es wird etwas dauern, bis ich nach Hause komme. Wie geht es dir? Ich hoffe, es ist alles in Ordnung mit euch beiden?«

Colani saß in seinem Schreibtischstuhl. Er schloss seine Augen und massierte mit den Fingerkuppen seine Schläfen. Er sprach noch mit Ringer über den Mord.

»Peter, der Tote gibt mir Rätsel auf. Keine Papiere, der Geldschein, der zertrümmerte Schädel. Was meinst du, war es ein Racheakt? Mir sieht das so danach aus.«

Ringer gab zurück: »Was für ein Motiv könnte der Täter gehabt haben. Was hat das Opfer wohl angestellt, ging es um Geld oder war eventuell Eifersucht im Spiel?«

Colani entgegnete: »Wir warten bis Morgen, was die Untersuchungen der Spurensicherung und der Gerichtsmediziner uns sagen werden. Also schönen Abend.«

Am nächsten Morgen rief Dr. Bernstein, der Pathologe von der Gerichtsmedizin, Colani an.

»Herr Kommissar, die Untersuchung der Leiche erbrachte noch Folgendes. Bevor der Mann getötet wurde, ist ihm ein Betäubungsmittel injiziert worden. Wir haben eine Einstichstelle am Hals gefunden. Der Tod muss vor etwa drei Tagen eingetreten sein. Die Suche nach Fingerabdrücken brachte keinen Erfolg. Er ist auch nicht in unserer Kartei. Aber wir haben Erde an seinen Schuhen entdeckt und Proben genommen. Die Erdproben haben wir archiviert. Vielleicht hilft Ihnen das auch weiter. Stellen Sie doch einmal fest, wo der Mann getötet wurde. Der Tote ist meines Erachtens zwischen fünfundvierzig und fünfundfünfzig Jahre alt. Alle weiteren Details müssen Sie dann selbst herausfinden.«

»Danke, das ist unsere Aufgabe, Dr. Bernstein.«

Colani rief die Spurensicherung an.

»Hallo, Herr Dombrowski, was haben Sie Neues in unserem Fall? Können Sie mir schon etwas Detailliertes über den Toten im Klingenthaler Wald sagen?«

»Oh ja, Hauptkommissar Colani, der Mord ist nicht an der Fundstelle geschehen, der Mann wurde dort nur abgelegt. Wir fanden aber in seiner Jackentasche eine Quittung über fünfundvierzig Euro auf den Namen Karl Radnitz. Die Quittung ist leider schwer lesbar, wir sind da noch dran. Vielleicht hilft Ihnen das aber ein Stück weiter. Der Geldschein im Mund des Ermordeten sagt uns leider nichts. Wir suchen aber noch nach Fingerabdrücken. Die Leiche haben wir fotografiert, die Fotos und das Protokoll bekommen Sie noch. Falls wir einen Fingerabdruck auf dem Geldschein finden, melde ich mich bei Ihnen.«

»Danke, Herr Dombrowski, schicken Sie mir das Protokoll möglichst bald rüber.«

Im Kommissariat holten sich die beiden Kommissare Colani und Ringer einen Kaffe.

»Peter, ich habe mit Dombrowski gesprochen, er sagte mir, daß der Ermordete vielleicht ein Karl Radnitz ist. Er hat eine Quittung in der Jackentasche gefunden. Jetzt untersucht er noch den blutigen Fünf-Euroschein nach Fingerabdrücken.«

»Was meint er, wann können wir den Bericht samt dieser Quittung bekommen. Die Quittung kann uns möglicherweise ein Stück weiterbringen, wer weiss.«

»Ja, das ist richtig. Was mag der Mörder für ein Motiv gehabt haben, um diesen Mann so brutal zu töten? Es muss meiner Meinung nach auch Abscheu mit im Spiel gewesen sein. Die Sache ist in der Tat sehr rätselhaft. Wir fangen am besten mit der gefundenen Quittung an. Vielleicht ist der Name Karl Radnitz der Name des Toten? Wir werden es bestimmt herausfinden. Sonst haben wir weiter noch keine brauchbaren Spuren.«

»Ja, Frank, und auch kein Motiv. Was steht auf der Quittung sonst noch alles drauf?«

»Dombrowski meint, sie wäre schwer zu entziffern. Er wird aber versuchen, die Quittung lesbar zu machen. Vor allem, was bedeutet der Geldschein im Mund des Ermordeten und warum wurde das Opfer vorher betäubt und aus welchem Grund wurde sein Kopf zertrümmert? Das sind Fragen, auf die wir eine Antwort finden müssen.«

»Peter, wir müssen so schnell es geht den oder die Täter finden. War es ein Auftragsmord? Hast du ein Konzept?«

»Nein, die Sache ist auch mir suspekt.«

Colani war ein wenig angespannt. Er rief seine Kollegen zu einer Besprechung zusammen.

»Kollegen, ihr habt bereits von dem brutalen Mordfall in Klingenthal erfahren. Wir werden diesen Fall unter dem Namen Radnitz bearbeiten. Es gibt noch eine Menge Unklarheiten. Wir müssen daher weiter in alle Richtungen ermitteln. Peter Ringer wird in diesen Fall als Sachbearbeiter euer Ansprechpartner sein. Sucht auch im Prostituiertenmilieu, im Drogenhandel und vor allem hört euch auch zum Beispiel bei den Nachbarn und Anwohnern um. Vielleicht könnt ihr dort etwas Verdächtiges erfahren. Wer von den Anwohnern oder Spaziergängern aus der Umgebung des Fundortes hat etwas Ungewöhnliches in den letzten drei Tagen bemerkt oder gesehen, oder es ist ihnen etwas zu Ohren gekommen, was wir wissen sollten. Also an die Arbeit, Kollegen.«

Als Colani abends nach Hause kam, sprach ihn seine Frau direkt an: »Frank, mir fiel heute ein Artikel in unserer Tageszeitung auf. Es wurde über Organspenden berichtet. Nach dem Bericht zu urteilen, ist es mittlerweile äußerst schwierig, im Notfall ein Organ zu bekommen. Es gibt inzwischen astronomische Wartelisten.«

Sie diskutierten eine Weile darüber.

»Was ist«, fragte sie ihren Mann, »wenn uns etwas passiert und wir ein Organ benötigen? Man darf gar nicht darüber nachdenken.“

Sie sprachen immer noch über dieses Thema, wussten aber keine Antwort. Seine Frau meinte daraufhin: »Wir sollten uns demnächst mal bei unserem Hausarzt darüber informieren. Aber ich bereite jetzt erst einmal unser Abendessen vor. Hast du großen Appetit?«

»Es geht, wo sind die Kinder?«

»Anja und Kai habe ich gerufen. Sie sind beide in ihrem Zimmer. Sie kommen auch gleich.«

Die Sache mit dem Mord im Wald ging Colani nicht aus dem Kopf. Er grübelte ständig darüber nach. Was war das Motiv und wo ist der Mann erschossen worden? Fragen über Fragen.

2

In Prag, im Büro der Firma IMPO, tagten die beiden Eigentümer, Igor Slawitsch und Jan Dutschek, die auch die Geschäftsführer sind. Das Büro befindet sich in der Innenstadt, in der Narodnistraße. Die Firma beschäftigt sich mit dem Import und Export von elektronischen Geräten sowie auch Rechnern, Waschmaschinen etc. Dutschek war schlecht drauf. Slawitsch fragte ihn:

»Was hast du nur, Jan, du bist nicht bei der Sache. Ist was passiert?«

„Mir geht seit Stunden im Kopf herum, wann der Container aus Brasilien endlich eintreffen wird. Er sollte schon vor zwei Tagen in Amsterdam sein und wir haben noch keine Nachricht.«

»Ich weiss, frag doch unseren Vertreter, den Zielke, vor Ort. Rufe ihn doch gleich an.«

Beide warteten unter anderem auf eine Schiffsladung mit Fernsehern und Gefriertruhen. So steht es jedenfalls in den Papieren.

»Jan, ich hoffe, dass das Kokain gut verpackt ist und alles gut durch den Zoll kommt. Wir können dann hier alles weiter verarbeiten.«

»Igor, es ist in unserem Zwischenlager in der Podskalská Straße alles gut vorbereitet.«

»Noch eine Frage, sind unsere Leute dort eigentlich verlässlich? Das solltest du immer kontrollieren.«

»Ich denke schon, sie werden bestens bezahlt und sie wissen auch, dass sie sich keinen Fehler leisten sollten. Das Kokain wird, wie immer, sorgfältig verpackt und in unser anderes Lager, in die Jatecni-Strasse, gebracht.«

»Jan, ich weiß, das Geschäft geht, Gott sei Dank, schon seit Jahren ohne grössere Probleme.«

»Mach dir keine Sorgen, Igor, unsere Händler in Deutschland und Österreich sind zuverlässig. Wie immer holen sie das Kokain und die anderen Drogen ab. Alles funktioniert reibungslos. Wie du weisst, erfolgt die Bezahlung bar, es gibt weder Quittungen noch irgendwelche Papiere, die uns verraten könnten. Die Händler verkaufen die Ware weiter an ihre Dealer.«

»Du hast mir aber berichtet, dass einer unserer Dealer mit der Bezahlung der Ware im Rückstand ist.«

»Ja, es ist einer unserer deutschen Händler. Ich werde noch ein paar Tage warten und dann eine Entscheidung treffen. Seine Versprechungen, die Ware zu bezahlen, hielt er nicht ein, mal sehen, wir müssen ihn auf seine Zuverläßigkeit überprüfen..«

»Wann telefonierst du mit Ziegler über das Einlaufen des Containers in Amsterdam?«

»Moment, ich rufe ihn gleich an.«

Jan Dutschek nahm sein Mobilfunktelefon und rief Ziegler an. Dann informierte er Igor Slawitsch.

»Er meinte, daß das Schiff in zwei Tagen ankommen wird. Er gibt uns dann telefonisch Bescheid.«

»Ich habe noch eine letzte Frage, Igor, hast du unsere Einnahmen aus dem letzten Monat auf unser Konto auf den Caiman Islands schaffen lassen? Wie hoch war die Summe dieses Mal?«

Dutschek holte einen großen Umschlag aus seinem Schreibtisch und reichte ihn Slawitsch mit den Worten:

»Es waren genau eine Million und siebenhunderttausend Euro. Unsere Schweizer Bank hat das, wie üblich, erledigt. Hier sind die Unterlagen für dich. Übrigens, wie geht es eigentlich deinem Bruder Pietro und seiner Frau. Man hört gar nichts mehr von ihnen.«

»Na, denen geht es sehr gut. Mir ist zumindest nichts Negatives zu Ohren gekommen. Außer, er ist ein ziemlicher Casanova. Ich vermute, seine Frau muss ihn des öfteren die Leviten lesen. Danke für die finanziellen Unterlagen. Das ist wieder mal ausserordentlich erfreulich.«

3

Karol Kubik und Josef Masny sind mit einem blauen Van unterwegs. Die beiden sind immer zusammen. Ihre deutsche Sprache lässt noch sehr zu wünschen übrig, da sie sich erst seit einem Jahr in Deutschland aufhalten. Sie fahren nicht zum Vergnügen, nein, sie haben einen lukrativen Auftrag. Ihr Auftraggeber ist die Personalvermittlung Stampa in Klingenthal, die wiederum mit der Firma Lager-Freud in Hof zusammenarbeitet.

Die Hauptaufgabe von Kubik und Masny ist, geeignete Personen, männlich oder weiblich, anzuwerben. Diese Personen sollten bis fünfzig Jahre alt und gesund sein. Für diese Arbeit erhalten die beiden richtig viel Geld in Euro.

Karol fragte seinen Kollegen: »Du, Josef, hast du schon mal gesehen andere Kollege, den Werner Meier?«

»Nein, Karol, ich auch nix gesehen Meier.«

»Stimmt, du sicher sein?«, antwortete Josef.

»Vielleicht er ist abgehauen, macht anderes, ich auch nix weiß.«

»Karol, ich oft darüber nachgedacht, ob ist gut was wir machen, ist Arbeit ist gut Arbeit hier. Wir Leute ansprechen auf Straße. Leute vielleicht suchen Arbeit und wir bringen zu Stampa. Was Stampa machen, wir nix wissen.«

»Du, Josef, ich gehört, Leute werden nach Prag gebracht und tot gemacht, warum?«

»Ich nicht wissen genau, aber es geht um menschliche Organe. Wir beide nix wissen, wenn andere Menschen uns fragen, wir nix wissen.«

»Josef, wenn Menschen fragen, wir gute Menschen und helfen andere, wenn Arbeit brauchen.«

»Karol, was wir wissen, müssen wir für uns behalten. Wir dürfen unser Wissen niemand, und noch einmal, niemand sagen.«

Beide wussten, dass sie Mitwisser sind und Helfeshelfer einer Mörderbande mit weißem Kragen. Sollten sie geschnappt werden, dann wandern sie beide für mindestens zehn Jahre ins Gefängnis.

»Josef, ich nix weiter nachdenken, besser wir Schluß machen.«

»Karol, ich gerne auch Schlußmachen und würde sofort mitmachen. Aber wenn jemand das weiß, man uns auch töten, weil wir sind gefährlich. Also, wir weitermachen, wir auch Geld brauchen.«

»Du, Josef, schau mal, dort links. Da geht Mann, wir mal ansprechen. Er gut für uns.«

»Ja, du recht haben, halten wir mal an, mal sehen«, antwortete Karol. Sie fuhren mit ihrem Van näher und hielten an. Karol stieg aus und sprach den Mann an.

»Entschuldigen Sie, wir nicht von hier und wir suchen Straße, die Straße heissen Alte Auerbacher Strasse. Wissen vielleicht, wo Strasse ist?«

»Ja, ich kenne diese Straße. Ich wohne in der Nähe, ich kann sie Ihnen zeigen.«

»Das ist wunderbar und für uns große Erleichterung.«

Der Mann stieg zu ihnen in den Van ein. Josef sass am Steuer und fuhr los. Karol unterhielt sich mit dem Mann über dies und jenes. Der Mann stellte sich vor und sagte:

»Mein Name ist Geller.«

Auch Kubik und Masny nannten ihre Namen. Während der Fahrt erzählte ihnen Geller, dass er momentan auf Arbeitssuche sei.

»Vielleicht wir können helfen«, meinte Kubik.

»Wir kennen Firma, die brauchen Leute. Wenn wollen, können wir Sie hin bringen. Vielleicht ist ja gute Arbeit für Sie. Allerdings hat die Firma Büro in Klingenthal. Wenn Sie wollen, können wir hinfahren, es ist ganz in der Nähe. Wir haben dort auch zu tun.«

Horst Geller war nach einigem Zögern einverstanden. Sie fuhren mit ihm in das Kontaktbüro der Firma Stampa. Nach einer kurzen Fahrt hatten sie ihr Fahrziel erreicht. Kubik und Masny brachten ihn zur Anmeldung und verabschiedeten sich von ihm. Sie überliessen Horst Geller seinem Schicksal. Beiden war bewusst, was mit Geller geschehen würde. Das aber kümmerte sie nicht weiter. Sie hatten ihren Auftrag erfüllt, denn dafür bekamen sie ja ihr Geld.

4

Colani hat in der Zwischenzeit weiter recherchiert und durch einen Zufall von einer Auto-Reparaturwerkstatt in Klingenthal erfahren, dass sich im Kofferraum eines roten Audi Blutspuren befanden. Colani informierte seine Sekretärin Stefani Wolff und fuhr direkt zur Werkstatt.

»Sind Sie der Chef?«, fragte er den jungen blonden Monteur, der ihm entgegenkam.

»Nein, mir gehört die Werkstatt nicht. Der Chef ist dort hinten.« Colani ging dort hin und sprach den Mann an.

»Mein Name ist Hauptkommissar Colani von der Kriminalpolizei in Plauen. Mit wem spreche ich?«

»Ich heiße Wilson, Joe Wilson. Sind Sie wegen des roten Audi hier? Wir haben im Kofferraum Blutspuren entdeckt und daraufhin sofort die Polizei benachrichtigt.«

»Ist das dieser Audi?«

»Das ist er. Hier, schauen Sie mal selbst rein. Was halten Sie davon, Herr Kommissar?«

»Sagen Sie, wer ist der Eigentümer dieses Wagens?«

»Den Audi hat ein Herr Geiger hergebracht. Er erzählte mir, dass ihm der Wagen gestohlen worden sei und nur durch die Benachrichtigung der Polizei hat er ihn zurückbekommen.«

»Das Fahrzeug und besonders der Kofferraum muss verschlossen bleiben. Ich schicke Ihnen umgehend unsere Spurensicherung, die dann das Weitere veranlassen wird. Auf Wiedersehen, Herr Wilson.«

»Auf Wiedersehen, Herr Kommissar.«

Colani rief die Spurensicherung an.

»Colani am Apparat, verbinden Sie mich bitte mit Herrn Dombrowski.«

»Hallo Herr Colani, hier ist Frau Bieber.«

»Hallo Frau Bieber, wie geht es Ihnen?«

»Danke der Nachfrage. Herr Dombrowski ist im Hause. Ich verbinde Sie mit ihm.«

»Guten Tag, Herr Colani. Gibt es was Neues?«

»Oh ja, Herr Dombrowski, wir haben einen Fall aufzuklären. Möglicherweise geht es dabei um Mord. Wir haben in der Autowerkstatt Joe Wilson einen roten Audi zunächst einmal sichergestellt. Im Kofferraum sind Blutspuren. Bitte untersuchen Sie alles und auch die weiteren Umstände.«

»Wird gemacht, Herr Hauptkommissar. Ich lasse Ihnen dann meinen Bericht zukommen.«

»Danke, Herr Dombrowski, und bis demnächst.«

Am nächsten Morgen setzte sich Colani sofort mit dem Labor in Verbindung, um nähere Details zu erfahren. Sein Anruf wird sofort angenommen.

»Hallo, Herr Dombrowski, können Sie mir jetzt schon nähere Einzelheiten Ihrer Untersuchungen mitteilen?«

»Ja, wir haben das Blut in dem roten Audi abgeglichen mit dem Blut des Ermordeten in Klingenthal und siehe da, es ist identisch. Der Tote hatte eine dunkelgraue Jacke an. Der Stofffetzen, den wir im Kofferraum gefunden haben, weisst darauf hin.«

Colani erinnerte sich, dass das Opfer im Wald von Klingenthal eine dunkelgraue Jacke anhatte. Auch die Aufnahmen vom Unfallort bewiesen das.

»Danke, Herr Dombrowski, das reicht mir erst einmal.«

Colani sprach Ringer an.

»Peter, ich hatte Dombrowski angerufen und er nannte mir Einzelheiten über die Untersuchung des roten Audi.«

»Was hat er gesagt, Frank?«

»Nicht so schnell. Sobald ich das Protokoll habe, unterhalten wir uns weiter.«

Kollege Heinrich Gruber meldete sich. Er hat der Unterhaltung zugehört und meint dazu:

»Ich habe durch Nachforschen erfahren, dass ein roter Audi des Nachts in Nähe der Fundstelle gesehen wurde. Ich habe hier den Namen und die Adresse des Zeugen.«

»Prima, Peter wird sich um den Zeugen kümmern.«

»Frank, was kann eigentlich das Motiv für diesen Mord gewesen sein?«, wollte Ringer wissen.

»Wenn ich das wüsste, wären wir einen großen Schritt weiter. Ja, Peter, die Sache wird immer komplizierter, vor allem deshalb, weil wir weder das Motiv kennen noch einen konkreten Anhaltspunkt haben. Ich überlege, ob wir nicht Interpol einschalten sollen, weil die Spuren nach Tschechien führen. So wie es aussieht, wird der Drogenhandel von dort aus gelenkt.«

»Ich denke«, erwiderte Ringer, »daß wir damit vielleicht noch etwas warten sollten.«

Am Abend unterhielt sich Colani auch mit seiner Frau über den Mordfall und darüber, was das Motiv für diese Tat sein könnte.

»Frank, ich denke, du erinnerst dich noch, als ich mit dir über den Zeitungsbericht sprach, der über Organspenden berichtete?«

»Natürlich, ich erinnere mich noch sehr gut daran«, erwiderte Colani.

Seine Frau meinte: »Was ist, wenn man sich Organe auf illegalem Weg beschafft und diese dann Krankenhäusern zur Verfügung stellt. Dann gibt es weniger Engpässe bei der Vergabe der Organe.«

„Du hast vielleicht Vorstellungen, wie so etwas geschehen kann? Ob da die Krankenhäuser mitspielen?«

Jetzt kam Sohn Kai ins Wohnzimmer. Er unterbrach das Gespräch seiner Eltern und sagte: »Ich habe Durst. Es ist ziemlich warm draussen. Gibt es was zu trinken?«

Das war verständlich, denn draußen war es für diese Jahreszeit, Anfang Herbst, noch sehr schön. Seine Mutter sah ihren Grossen liebevoll an und meinte: »Im Kühlschrank steht die Milch, aber wir haben auch noch Fruchtsaft. Der steht allerdings im Keller. Den musst du dir selber holen.«

»Danke, Mom, ich hole mir doch den Fruchtsaft«, war seine Antwort. Und schon verschwand er wieder.

5

Horst Geller wurde im Kontaktbüro der Firma Stampa in Klingenthal freundlich empfangen. Man fragte ihn, ob er etwas zu trinken wünsche. Der Chef, Herr Stampa, käme erst in einer halben Stunde. Geller war beeindruckt von der hochwertigen Einrichtung.

»Ja, gerne«, war seine Antwort.

Was Geller nicht wusste, in dem Getränk befand sich ein starkes Betäubungsmittel, das bald seine Wirkung tat. Als es dunkel war, brachte man Geller nach Prag. Dort, in den Orga-Laborities, war man bereits unterrichtet und traf die Vorbereitungen für die Organentnahme.

Die Organe werden dort sorgfältigst präpariert und einzeln in Human-Organ-Verpackungen nach Budapest in Ungarn gebracht. Das Labor nennt sich Orga-Laborities und wird von Dr. Soltan Dobozy geleitet. Die Firma ist wie ein Unternehmen aufgebaut. Der Verkauf der Organe wird von der Firma Eurotransplant durchgeführt, an der auch Dr. Dobozy beteiligt ist. Das Unternehmen ist hervorragend organisiert. Das ist besonders wichtig, um eventuelle Nachforschungen zu erschweren. Der Verkauf der Organe ist ein einträgliches Geschäft.

Man weiss, dass es in den meisten Krankenhäusern lange Wartelisten und Engpässe gibt, weil nicht genügend Organe für die Patienten vorhanden sind. Patienten bekommen derzeit nur dann ein Organ, wenn der Arzt des Krankenhauses die absolute Dringlichkeit bestätigt. Leider wird in einigen Krankenhäusern die Dringlichkeit gefälscht. Menschen mit großem Kapitalvermögen können sich ihre Gesundheit dort, allerdings teuer, erkaufen.

In der Angelegenheit des Klingenthaler Mordes wurde inzwischen der Fahrzeughalter ermittelt. Ein gewisser Geiger ist der Eigentümer. Er meldete schon vor vier Wochen sein Auto, den roten Audi, bei der Polizei und der Versicherung als gestohlen. Geiger wurde polizeilich überprüft. Er hatte aber eine saubere Weste. Colani schloss daraus, dass das Mordopfer in diesen gestohlenen Wagen transportiert wurde.

Colani und Ringer saßen mal wieder bei einer Tasse Kaffee beisammen und unterhielten sich ausführlich über den Fall.

»Ringer, mir geht diese Angelegenheit langsam auf die Nerven. Die Kollegen konnten auch nichts herausfinden. Ich glaube, wir müssen die ganze Sache neu überdenken.«

»An was denkst du, hast du eine Idee?«

»Ja«, erwiderte Colani.

»Mir fällt da ein Gespräch ein, das ich mit meiner Frau vor einigen Tagen geführt habe. Sie hat mir von einem Artikel in der Tageszeitung erzählt, bei dem es um Organspenden ging.«

»Was willst du damit sagen, wenn wir dieser Idee nachgehen. Wo sollen wir anfangen?«

Colani war in seinen Gedanken versunken. Er wusste in diesem Augenblick auch keine Antwort, meinte aber:

»Schauen wir uns doch einmal diese Vorgehensweise genauer an. Ein Patient braucht ein bestimmtes Organ, woher kommt es, wo wird es bestellt und wie funktioniert überhaupt die ganze Abwicklung?«

»Wir sollten einmal diese Richtung einschlagen, denn Probieren geht über Studieren. Also, machen wir uns an die Arbeit.«

Ringer fasste sich an den Kopf und überlegte, wo er zuerst anfangen sollte? Seine Gedanken gingen hin und her, dann fasste er einen Entschluss.

»Ich gehe zuerst in das Plauener Krankenhaus und rede dort mit der Verwaltung. Ich denke, dass wir dort einiges erfahren werden.«

»Das ist gut und sage mir Bescheid, wenn du mit den Leuten dort geredet hast, ich sehe mich mal in der Drogenszene um.«

Colani hat in der Drogenszene einen Informanten, den Kalle, der immer gut informiert war. Colani verabredete sich mit ihm an einem bestimmten Treffpunkt in Plauen, am Sternplatz, Ecke Moritzstraße Hier konnte man ungestört und fern ab der Szene miteinander reden. Kalle war pünktlich zur Stelle.

»Na, Kalle, wie geht´s?«

»Wie soll es schon gehen.«

»Kalle, du hast bestimmt schon von dem Mordfall in Klingenthal erfahren. Darüber wollte ich mit dir reden. Hast du in der Zwischenzeit irgend etwas gehört? Wir kommen in dieser Sache einfach nicht weiter.«

»Ja, von dem Leichenfund habe ich aus der Zeitung erfahren. Man hat den Mann ja schlimm zugerichtet.«

»Kalle, hör dich doch einmal um in der Szene. Vielleicht erfährst du etwas. Ich komme in ein paar Tagen wieder auf dich zu. Falls du was hast, kannst du mich anrufen. Also, bis dann.«

Colani wendete sich ab. Seine Gedanken gingen ihm weiter durch den Kopf. War es ein Auftragsmord oder ein Rachemord oder beides? Der Zustand des Opfers deutete eher auf einen Rachemord hin. Denn, wenn es ein Auftragsmord war, würde der Täter die Sache schneller erledigt haben. Also war es ein Rachemord. Aber warum der Geldschein im Mund des Opfers, was sollte das bedeuten? Colani fuhr zurück ins Büro, es gab noch andere Dinge zu erledigen.

Im Büro traf er Ringer an. Colani wendete sich an ihn. Er will aktuell informiert werden.

»Hast du etwas Neues in der Angelegenheit Organspenden in Erfahrung gebracht?«

»Ich habe mit der Krankenhausverwaltung gesprochen und erfahren, dass, wenn ein Organ für eine Transplantation benötigt wird, man sich mit einem internationalen Service in Verbindung setzt. Das Organ muss funktionsfähig und vital sein. Sollten alle Voraussetzungen gegeben sein und das gewünschte Organ zur Verfügung stehen, kann es sofort geliefert werden. Das Problem besteht darin, dass wegen mangelnder Organe für die Patienten oft sehr lange Wartezeiten entstehen. Die Patienten haben daher keine große Überlebenschance.«

»Das ist sehr interessant», meinte Colani. »Man könnte vermutlich sogar gute Geschäfte mit illegal erworbenen Organen durchführen. Welche weiteren Möglichkeiten gibt es noch?«

Die beiden Kommissare kamen zu keinem Ergebnis. Um das Thema weiter zu erörtern, fehlte für heute die Zeit. Sie verabschiedeten sich in den ungewohnten Feierabend.

Endlich war es möglich, den Einkauf mit seiner schwangeren Frau Rita zu erledigen. Peter Ringer rief sie an und meinte freudig:

»Schatz, ich wollte dir nur sagen, daß ich gleich nach Hause komme. Wir können dann ein wenig bummeln und deine Einkäufe erledigen.«

»Sehr schön, Peter, bis gleich. Ich freue mich.«

6

Es war schon Dienstschluss. Colani befand sich aber noch im Büro, als das Telefon klingelte.

»Hauptkommissar Colani am Apparat»

»Hier ist Schreiber, Drogenfahndung. Gut, dass ich Sie noch antreffe. Wir haben einen männlichen Toten. Sieht nach Mord aus. Er liegt im Parterre eines Miethauses in Falkenstein, in der Ellerfelder Strasse. Können Sie gleich kommen? Wir warten hier.«

»Wir können in etwa einer Stunde bei Ihnen sein.«

»Peter, es tut mir leid, ein vermutlich ermordeter Mann in Falkenstein. Die Drogenfahndung hat mich gerade unterrichtet und sie warten auf uns.«

Ringers Antwort war nicht besonders begeistert.

„Das gibt es doch nicht. Meine Frau wartet wieder mal umsonst auf mich. Ich muss sie gleich informieren.«

Das tat er auch und seine Frau war nicht erfreut.

»Mit dir verheiratet sein, erfordert schon Nerven. Wann wirst du nach Hause kommen?«

»Ich weiß es nicht genau, es kann bestimmt noch drei Stunden dauern. Es tut mir leid, Schatz, mein Beruf. Ich kann es nicht ändern, es geht um einen Mord.«

Rita kannte zu genüge die beruflichen Anforderungen ihres Mannes und sagte nur noch: »Ich mach uns dann ein schönes Abendessen.«

»Mensch Frank, wir haben den Klingenthal-Mord noch nicht aufgeklärt und jetzt dieser neue Fall. Ob es da vielleicht einen Zusammenhang gibt?« Colani entgegnete: »Wir müssen uns diesen neuen Fall einmal genauer ansehen, also fahren wir los.«

In Falkenstein angekommen, fanden die beiden eine ähnlich böse zugerichtete männliche Person. Auch hier war der Schädel eingeschlagen.

»Peter, ruf doch schon mal Herrn Dombrowski von der Spurensicherung an.«

»Bin schon dabei«, entgegnete Ringer.

Colani unterhielt sich mit Kommissar Schreiber von der Drogenfahndung und wollte mehr wissen.

»Warum und wann kamen Sie hierher. Wussten Sie etwa vorher schon etwas?«

»Herr Colani, wir haben das Haus hier schon einige Zeit observiert wegen des Verdachts auf Drogenhandel. Der Ermordete hier heißt Jochen Brandner. Er ist 34 Jahre alt und wohnt allein. Wir haben ihn auch in unserer Kartei. Unser Archivfoto stimmt mit dem Ermordeten überein. Wir wussten, dass er in seiner Wohnung ist. Auf unser Klopfen und Klingeln hin hat er nicht geöffnet und so sind wir in seine Wohnung eingedrungen. Die Wohnung ist, wie Sie sehen, großzügig und pompös eingerichtet. Wir hoffen, daß wir keine Spuren verwischt haben.«

Ringer entdeckte, dass ein Fenster in Richtung zum Garten geöffnet war. Er wies Colani darauf hin: »Frank, kann es sein, dass der Mörder durch dieses Fenster entkommen ist? Vielleicht können die Kollegen von der Spurensicherung Fingerabdrücke finden.«

Colani sprach Schreiber darauf an. »Sagen Sie, Herr Schreiber, war die Eingangstür verschlossen, als Sie hier ankamen?«

»Ja, wir fanden die Tür verschlossen vor. Wir haben sie mit unseren Schlüsselset geöffnet. Das war nicht sehr kompliziert, es ist ja nur ein einfaches Zylinderschloss.«

Colani überlegte laut: »Dann muss der Tote dem Mörder die Tür geöffnet haben und die beiden kannten sich, oder der Täter kam durch das geöffnete Fenster.«

Jetzt kam auch die Spurensicherung an. Colani erklärte die Umstände und wandte sich an Dombrowski:

»Gut, dass Sie da sind und nehmen Sie genau das geöffnete Fenster dort und die Gartenseite unter die Lupe. Ich möchte wissen, ob auf der Gartenseite irgendwelche Spuren zu finden sind, besonders Fingerabdrücke oder irgendwelche verdächtigen Gegenstände. Schicken Sie bitte alles gleich an die kriminaltechnische Untersuchung. Wann können Sie uns Genaueres sagen?«

»Ich denke, dass ich Ihnen morgen Nachmittag schon einiges sagen kann. Wenn wir hier fertig sind, werden wir den Toten in die Pathologie schaffen lassen.«

Wie immer in solchen Fällen ist es wieder mal spät geworden. Colani und Ringer fuhren ins Kommissariat.

»Peter, wir reden morgen Früh weiter über diesen Fall und wir warten ab, was die Spurensicherung findet.«

Ringer fuhr auf dem Nachhauseweg noch schnell in ein Blumengeschäft und kaufte für seine schwangere Frau als Überraschung einen bunten Blumenstrauß. Zu Hause angekommen bemerkte er: »Schatz, entschuldige meine Verspätung, aber es ist zum Mäusemelken. Wir haben schon wieder einen Mord in Falkenstein, es handelt sich um einen gewissen Jochen Brandner. Die Drogenfahndung hat uns hinzugerufen.«

Sie umarmten sich und sie gibt ihm einen Kuss.

»Oh, vielen Dank für die schönen Blumen. Wie sagtest du, heißt der Tote?«

»Jochen Brandner.«

»Den Namen habe ich schon mal gehört, als ich mich mit Claudia unterhalten habe. Du kennst ja Claudia, meine beste Freundin. Nur weiss ich nicht, ob es die gleiche Person ist. Ich werde sie Morgen einmal daraufhin ansprechen.«

»Ja, mach das bitte. Was hast du uns Schönes zum Abendessen gemacht, es duftet ja phantastisch.«

Peter Ringer und seine Frau waren noch nicht lange verheiratet. Sie hatten auch noch keine Kinder, obwohl beide sich Kinder wünschten. Sie hatten schon einige Tests bei den Ärzten hinter sich. Nun waren sie über gute Bekannte auf eine Idee gebracht worden. Und zwar sollte durch sorgloses Schlittenfahren in den Bergen eine Änderung herbeigeführt werden. Also verbrachten sie ein langes und sonnenreiches Wochenende in Oberwiesenthal. Bei viel Schlittenfahren, Lachen und Bewegung, besonders schönen Abendessen und ein Glas Wein mehr als sonst und viel Liebe kam es zu der ersehnten Schwangerschaft. Nun sind sie überglücklich, dass es geklappt hat und freuen sich auf ihren Nachwuchs. So genossen sie ihr gemeinsames heutiges Abendessen. Es gab Lachs, Nudeln und ein feines Gemüse. Sie unterhielten sich auch über den Mord in Klingenthal.

»Schatz, es war für mich heute ein schlimmer Tag. In Falkenstein gab es wieder einen Mord, das habe ich dir schon erzählt. Der Ermordete sah fürchterlich aus. Sein Schädel war eingeschlagen. Aber warum erzähle ich dir das. Das kann dich doch nur beunruhigen.«

»Es hört sich zwar schaurig an, aber erzähle nur ruhig weiter. Ich möchte auch teilhaben an dem, was du alles so tagsüber erlebst.“

»Den Einkauf machen wir Morgen gegen Abend. Es geht leider nicht anders.«

Seine Frau benötigte, wie sie sagt, dringend einige neue Sachen für ihren Nachwuchs und für sich selbst. Ihr Mann sollte unbedingt dabei sein. Erstens wegen der Farben und zweitens auch wegen des Bezahlens.

»Ja, ich weiss«, meinte seine Frau Rita, »wir verschieben den Einkauf auf morgen Abend.«

Als Colani nach Hause kam, fand er seine Frau etwas nervös und missmutig vor.

»Was gibt es, Elisabeth, geht es dir nicht gut? Hast du ein Problem? Sag mir, ob ich irgendwie helfen kann.«

»Helfen ist gut, mein Problem ist, dass ich und unsere Kinder dich zu wenig sehen. Ich habe ja Verständnis für deine Arbeit, aber kannst du nicht manches delegieren? Das müsste doch eigentlich möglich sein.«

»Ich verstehe dich ja, meine Liebe, aber mein Problem ist, dass wir zu wenig Personal haben. Mit der Verwaltung habe ich bereits mehrmals über diese Sachlage gesprochen, aber aus Kostengründen geht das im Moment wohl nicht. Ringer und ich und auch meine anderen Kollegen, wir sind im Rückstand mit unserer Arbeit. Gerade auch die beiden Mordfälle, an denen wir arbeiten, belasten uns noch zusätzlich. Es tut mir wirklich sehr leid, Liebling, und ich wünschte, ich könnte auch mehr für dich und unsere Kinder tun.«

Elisabeth konnte nur noch erwidern: »Auf der einen Seite verstehe ich dich schon, aber auf der anderen Seite versuche bitte im Kommissariat etwas zu ändern. Ich weiss nicht, wie es sonst mit dir und unserer Familie weitergehen kann.« Jetzt unterbrach Sohn Kai die Rede der Mutter: »Mama hat recht, wir unternehmen eigentlich gar nichts mehr. Wir können nicht einmal gemeinsam in die Ferien fahren. Anja ist auch schon ziemlich sauer.«

»Kai, ihr habt alle vollkommen recht. Ich werde versuchen, das zu ändern. Ich mache euch einen Vorschlag. Was haltet ihr von einem Besuch im Zoo und Tierpark hier in Plauen, am kommenden Wochenende. Wir nehmen Eis und Picknick mit?« Kai freute sich: »Oh, ja, das ist eine gute Idee, Papa.«

Colani hatte Schuldgefühle seiner Familie gegenüber. Dann war ihm die Idee gekommen mit dem Besuch im Zoo.

»Also machen wir das, wenn alle einverstanden sind. Was wird denn wohl deine Mutter dazu sagen?«

Die Antwort war schnell da: »Aber natürlich, ich freue mich schon darauf. Hauptsache, die ganze Familie ist mal gemeinsam unterwegs.«

7

Colani dachte an seinen Informanten Kalle, mit dem er unbedingt reden wollte. So fuhr er mit seinem Pkw zu dem Platz, wo er Kalle meistens antraf. Er sah ihn auch sofort. Kalle tat so, als dass er den Kommissar nicht kannte. Er konnte sehen, wie der Kommissar auf die andere Straßenseite ging. Das war für Kalle eine Aufforderung, ihm zu folgen. Er ging zu ihm, sie begrüßten sich nur mit Kopfnicken und Hallo. Aus Sicherheitsgründen vermied man einen Händedruck. Nur kurz nach der Begrüssung fiel ein Schuss. Die Kugel traf Kalle. Colani warf sich sofort schützend auf ihn und beide fielen zu Boden.

»Sind Sie verletzt?« Colani entdeckte bei Kalle Blut am rechten Oberschenkel. Er zog ihn weiter weg in die nächste Einfahrt. »Ich rufe sofort Verstärkung und die Ambulanz.«

Per Mobilfunkgerät forderte Colani die Ambulanz und polizeiliche Verstärkung an sowie die Kollegen vom Kommissariat. Der Schuss galt Kalle, das war ihm klar. Wusste der etwas, was er an die Polizei hätte verraten können? Colani war sich im Klaren, Informanten werden häufig getötet, wenn sie zu viel wussten. Als der Krankenwagen und seine Kollegen von der Polizei ankamen, wandte er sich an den Sanitätsdienst:

»Das ist Kalle, er heisst Kurt Schumacher, und er arbeitet für uns. Er hat eine Schussverletzung am rechten Oberschenkel. Bringen Sie ihn sofort ins nächste Krankenhaus. Einer unserer Beamten wird Sie begleiten.«

Wieder im Büro, sprach Colani auch mit Ringer.