Der Dämonenjäger von Rom - Peter Dubina - E-Book

Der Dämonenjäger von Rom E-Book

Peter Dubina

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Beschreibung

"Er war ein Bollwerk des Lichts gegen die Mächte der höllischen Finsternis. Nun, da er tot ist, kommen die Dämonen aus der Nacht der ewigen Verdammnis hervorgekrochen!" Die Christenheit trauert um den Papst. Auch der Jesuitenpater John Ermin ist tief betroffen – und schockiert, als man ihm ein Gerücht zuträgt: Der Heilige Vater soll keines natürlichen Todes gestorben, sondern Opfer eines heimtückischen Giftmordes geworden sein! Zunächst will Ermin dies nicht glauben. Doch dann geschehen vor seinen Augen merkwürdige Dinge. Hat sich tatsächlich eine uralte Prophezeiung erfüllt – und bedeutet dies, dass der Antichrist aus der tiefsten Hölle emporsteigen wird, um die Welt zu unterwerfen? Es gibt nur einen Menschen, der Ermin bei seinen fieberhaften Ermittlungen helfen kann: Privatdetektiv Hal Amico, ein exkommunizierter Benediktinermönch … Ein actionreicher Horrorthriller – Gänsehaut garantiert. Jetzt als eBook: "Der Dämonenjäger von Rom" von Peter Dubina. dotbooks – der eBook-Verlag. JETZT BILLIGER KAUFEN – überall, wo es gute eBooks gibt!

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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Über dieses Buch:

 

Die Christenheit trauert um den Papst. Auch der Jesuitenpater John Ermin ist tief betroffen – und schockiert, als man ihm ein Gerücht zuträgt: Der Heilige Vater soll keines natürlichen Todes gestorben, sondern Opfer eines heimtückischen Giftmordes geworden sein! Zunächst will Ermin dies nicht glauben. Doch dann geschehen vor seinen Augen merkwürdige Dinge. Hat sich tatsächlich eine uralte Prophezeiung erfüllt – und bedeutet dies, dass der Antichrist aus der tiefsten Hölle emporsteigen wird, um die Welt zu unterwerfen? Es gibt nur einen Menschen, der Ermin bei seinen fieberhaften Ermittlungen helfen kann: Privatdetektiv Hal Amico, ein exkommunizierter Benediktinermönch …

eBook-Neuausgabe September 2025

Copyright © der Originalausgabe 1981 BASTEI-VERLAG, Gustav H. Lübbe GmbH.

Copyright © der Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, MünchenAlle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Motivs von rangizzz/shutterstock.com

eBook-Herstellung: dotbooks GmbH unter Verwendung von IGP (ma)

 

ISBN 978-3-95520-431-0

 

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Peter Dubina

Der Dämonenjäger von Rom

Horror-Thriller

 

dotbooks.

Kapitel 1

 

Der Papst war tot. Als er starb, hatte die größte aller Glocken in der Peterskirche einen dumpf dröhnenden Schlag getan, ohne daß eines Menschen Hand sie berührte – ein böses Omen.

Er hatte den Heiligen Stuhl nur dreißig Tage inne, dann hörte sein Herz auf zu schlagen. Die Zeremonienmeister, Notare und Ärzte hatten seinen Heimgang mit ihrer Unterschrift bestätigt. Sein Ring und sein Siegel waren zerbrochen worden. Während der ganzen Nacht hatten es die Glocken aller Kirchen von Rom mit ihren langsamen, rhythmischen, düsteren Schlägen verkündet: Der Papst ist gestorben.

Der Jesuitenpater John Ermin, Sekretär der Ritenkongregation, die sich mit Dogmen- und Glaubensfragen befaßte, stieg die breite Freitreppe herunter, die vom Hauptportal des Petersdoms zum Petersplatz hinabführte. John Ermins Gesicht wirkte müde, denn er hatte die halbe Nacht in einer Seitenkapelle der Basilika für die Seele des toten Papstes gebetet.

Es war noch früh am Morgen. Teile der Kuppel des Petersdoms, des Vatikanischen Palastes und – gegen den Tiber-Fluß hin – der Festungswerke der mittelalterlichen Engelsburg lagen schon im fahlgelben Schein der Frühsonne. Aber die von dem Barockbaumeister Bernini geschaffenen Säulengänge, die den Petersplatz umschließen, der Obelisk mitten auf dem Platz, die beiden Springbrunnen und die schwarzen, eisernen Kandelaberlaternen waren noch in erdbraune Schatten gehüllt. Ebenso die überlebensgroßen steinernen Heiligenfiguren, die die Kolonnaden krönten.

Jedesmal, wenn John Ermin diese riesigen, scheinbar mitten in der Bewegung zu ewigem Schweigen erstarrten Gestalten sah, überkam ihn ein Schaudern. Es war, als weckte dieser Anblick eine unbestimmte Angst vor einer mit Worten nicht auszudrückenden, drohenden Gefahr in ihm. Um diese frühe Stunde wirkte der Petersplatz wie ausgestorben. Doch als John Ermin für einen Augenblick auf der Freitreppe innehielt, sah er, daß der große Platz, der im ersten Morgenlicht eine bedrückende Weite atmete, doch nicht völlig leer war. Auf den Stufen des östlichen der beiden Springbrunnen saß ein Mann – in sich zusammengesunken, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, das Gesicht in den Händen verborgen.

Trotzdem erkannte ihn John Ermin sofort. Es war Giuliano Boscati, ein alter Gärtner aus den vatikanischen Anlagen, der im Ruf stand, das ›Zweite Gesicht‹ zu haben – also ein Geisterseher zu sein –, und der deshalb von den meisten Menschen gemieden wurde.

Unter den abergläubischen Römern galt Giuliano Boscati als ein Mann mit dem ›bösen Blick‹. Die Menschen wichen ihm aus, wenn sie ihm begegneten, und bekreuzigten sich hinter seinem Rücken. John Ermin aber war Ire, und er glaubte nicht an den ›bösen Blick‹. Er wußte, daß diese seltsame Veranlagung wie ein Fluch auf dem alten Mann lastete, der ihn sein ganzes Leben hindurch wie ein zweiter Schatten begleitet hatte. Das ›Zweite Gesicht‹ zwang ihn, ein einsames, menschenscheues Leben Zu führen.

»Trauerst du um den Toten, Giuliano?« fragte John Ermin, als er den Alten erreicht hatte. Er legt ihm eine Hand auf die Schulter. »Daran tust du gut, denn er war ein großer Mensch und ein großer Papst. Aber nach ihm wird einer kommen, der die Kirche hoffentlich ebensogut regiert. So ist es nun einmal im Leben eingerichtet: Niemand ist unersetzlich. Wir alle werden geboren, um uns einem höheren Willen zu unterwerfen.«

Der alte Mann hob den Kopf.

»Dieser Papst wird schwer zu ersetzen sein, Pater John«, sagte er. »Er war ein Bollwerk des Lichts gegen die Mächte der höllischen Finsternis. Nun, da er tot ist, kommen die Dämonen aus der Nacht der ewigen Verdammnis hervorgekrochen und strecken ihre mit Blut und Unrat besudelten Klauen nach dem Stuhl des Heiligen Petrus – dem Herz der Christenheit – aus. Pater, ich habe Satan heute nacht über den Petersplatz schreiten sehen. Er schien so siegesgewiß, als hätte er die Grundfesten der Kirche schon mit seinen Krallen gepackt und zum Einsturz gebracht. Als hätte er schon das gotteslästerliche Zeichen seines höllischen Triumphs auf ihren Trümmern aufgerichtet. Es war ein entsetzlicher Anblick.«

»Es wird ein schlimmer Traum gewesen sein, der dich heimgesucht hat, Giuliano«, entgegnete John Ermin. »Aber jetzt geht die Sonne auf und verscheucht die Schatten der Nacht. Du brauchst keine Furcht mehr zu haben.«

»Es war nicht die flüchtige Gestalt eines bösen Traums, die mich geängstigt hat, Pater«, beharrte der Alte. »Es war der leibhaftige, aus der Hölle aufgestiegene Satan. Er kam so dicht an mir vorbei, daß ich ihn mit ausgestreckter Hand hätte berühren können.«

John Ermin fühlte, wie der alte Mann unter seiner Hand zusammenschauderte und erzitterte. Er suchte in der Tasche seiner Soutane nach einem Lire-Geldschein und drückte ihn Boscati in die Hand.

»Hier – geh und kauf dir ein Glas Wein oder Schnaps. Vielleicht wird das die Schatten vertreiben, die dich quälen«, sagte er.

»Ja, sie quälen mich. Mein ganzes Leben hindurch haben sie mich gequält. Sie verfolgen mich, wohin immer ich gehe«, stöhnte der Alte. »Aber was ich sehe, Pater, sind nicht Schattengestalten des Wahnsinns. Es sind wirkliche Dinge, auch wenn andere Menschen sie nicht sehen können. Viele Leute halten mich deshalb für wahnsinnig oder für einen Lügner. Aber Sie, Pater John, wissen, daß ich nicht verrückt bin und daß ich die Wahrheit sage. Sie glauben mir doch, nicht wahr? Sie lachen nicht über mich.«

»Nein, ich lache nicht über dich, Giuliano«, entgegnete John Ermin ernst. »Aber ich muß jetzt gehen und in …«

Weiter kam er nicht, denn Boscatis Gesicht verzerrte sich plötzlich zu einer Maske nackter Angst. Sein Blick war auf einen Punkt hinter John Ermins Rücken gerichtet. Seine plötzlich kraftlose Hand ließ den Geldschein fallen, der zu Boden flatterte.

»Da – da – da!« war alles, was er hervorbrachte. Seine zitternde Hand deutete zum Dach der Säulengänge um den Petersplatz empor. Unwillkürlich fuhr John Ermin herum, doch seinen Augen bot sich nur der vertraute Anblick der steinernen Heiligenfiguren.

»Was siehst du, Giuliano?« fragte er, den Alten mit beiden Händen an den Schultern ergreifend. Er hatte den deutlichen Eindruck, daß der alte Mann von einer Vision heimgesucht wurde. Boscati log nicht, das Entsetzen auf seinem Gesicht war nicht gespielt.

»Ich sehe Satan dort oben zwischen den Heiligenfiguren stehen«, brachte der andere stockend über die blutleeren, bleichen Lippen. »Er sieht aus wie ein Schatten, schwärzer als die finstere Nacht, aber seine Augen lodern wie Höllenfeuer.«

»Ich glaube, du solltest diesen Platz besser verlassen«, sagte John Ermin. »Es ist nicht gut für dich, noch länger hierzubleiben. Er übt keinen, guten Einfluß auf dich aus. Dort oben stehen nur dieselben Steinfiguren wie schon seit Jahrhunderten.«

Der alte Mann ließ den Kopf sinken.

»Ich sehe schon, daß auch Sie mir nicht glauben, Pater«, murmelte er. »Aber ich lüge nicht. Und es wird der Tag kommen, da werden Sie begreifen, daß ich die Wahrheit gesagt habe. Lassen Sie mich nur noch eine kurze Weile hier sitzen. Dann werde ich gehen, bevor all die Menschen kommen, die von dem toten Papst Abschied nehmen wollen.«

Fernes, dumpfes Donnergrollen bildete den Hintergrund für seine Worte. Im Norden, über der lichtblauen Bergkette der Abruzzen, stiegen violette Wolkenschleier und -türme auf.

Ein Gewitter nahte.

»Tu was du willst, Guiliano«, sagte John Ermin. »Aber je eher du den Petersplatz verläßt, um so besser wird es für dich sein.«

Er wandte sich von dem alten Mann ab und schritt durch plötzlich einsetzende Windstöße auf den Vatikanischen Palast zu, in dem er einen kleinen Raum bewohnte. Die Worte Boscatis waren nicht ohne Eindruck auf ihn geblieben – Boscatis Visionen hatten immer auf irgendwelche Weise ihre Erfüllung im wirklichen Leben gefunden –, doch John Ermin zwang sich, nicht mehr daran zu denken.

Als er den Vatikanischen Palast betreten hatte, hielt ihn der Pförtner auf.

»Es ist Besuch für Sie da, Pater John«, sagte er. »Ein Mann. Er wollte seinen Namen nicht nennen. Er wartet in dem kleinen Besuchsraum neben dem Blauen Zimmer auf Sie.«

Als John Ermin die Tür zum Besuchsraum öffnete, drehte sich der Mann, der bisher aus dem Fenster geblickt hatte, nach ihm um.

Ermin wußte sofort, wem er gegenüberstand.

Er war Hal Amico schon einmal begegnet. Aber die verächtliche, abschätzige Haltung dieses Mannes gegenüber der Kirche hatte ihn tief verletzt. Von da an hatte er es vermieden, auch nur ein Wort mit Amico zu reden. Er war überrascht und verblüfft, daß der Mann ausgerechnet ihn – noch dazu um diese Stunde –aufsuchte.

Hal Amico war ein Italo-Amerikaner, ein dunkelhaariger, gutaussehender Mann, dem es die Frauen leicht machten, ihre Gunst zu gewinnen. Früher war er ein Angehöriger des Benediktiner-Mönchsordens gewesen, aber er hatte weder das Gelübde der Armut noch das der Enthaltsamkeit einzuhalten vermocht. Er war deshalb aus dem Orden ausgestoßen und exkommuniziert worden. Jetzt arbeitete er als Privatdetektiv in Rom. Er hatte ein hartes, scharfgeschnittenes Gesicht, und der Zug um seine Mundwinkel verriet Brutalität.

Aber es gab Frauen, die gerade das liebten.

Als er sich umdrehte, klafften sein Mantel und sein graues Jackett auseinander und ließen die Pistole sehen, die Amico mit sich führte.

»Amico, was suchen Sie hier?« fragte John Ermin. »Jetzt verstehe ich, warum Sie an der Pforte Ihren Namen nicht nennen wollten. Man hätte Sie weggejagt …«

»… weil ich ein Abtrünniger bin«, vollendete Amico Ermins Satz. »Das wollten Sie doch sagen?« Bitterkeit und Feindschaft brannten wie eine verzehrende Flamme in seinen Augen. »Sie haben recht. Einem exkommunizierten ehemaligen Mönch würde sich die Tür des Vatikanpalastes nicht geöffnet haben. Deshalb verschwieg ich meinen Namen. Ich bin gekommen, um Sie von einem Gerücht in Kenntnis zu setzen, das in der römischen Unterwelt die Runde macht – zwischen Mördern, Zuhältern, Prostituierten und üblen Ganoven. Wie gesagt, es handelt nur um ein Gerücht. Aber ich dachte, Sie sollten es wissen. Nur frage ich mich jetzt – da ich Ihre unversöhnliche Feindschaft spüre –, ob es richtig von mir war, herzukommen.«

»Ich hege keine Feindschaft gegen Sie«, sagte John Ermin. »Sie selbst –nicht ich – haben sich als Abtrünniger bezeichnet. Die Kirche hat Sie erst exkommuniziert und ausgestoßen, nachdem Sie sich schon selbst von der Kirche entfernt hatten. Was wollen Sie von mir, Amico?«

Hal Amico blickte John Ermin ins Gesicht, und ein halb verächtlicher, halb höhnischer Zug des Triumphs zuckte um seine Mundwinkel.

»Es heißt in der römischen Unterwelt, der Papst sei ermordet worden«, entgegnete er. »Er sei durch Gift umgekommen, das sich in dem Kelch befunden hätte, den er bei der letzten Meßfeier benützte.«

Ermin fühlte, wie alles Blut aus seinem Gesicht wich.

»Haben Sie den Verstand verloren?« fuhr er den anderen an. »Wie können Sie einem solchen Gerücht Glauben schenken? Damit kommen Sie zu mir? Sie müssen wirklich verrückt sein.«

Ein gefährlicher Funke leuchtete in den Tiefen von Amicos Augen auf, ein Funke, der jedem, der ihn kannte, als Warnung gedient hätte.

»Ich habe weder den Verstand verloren, noch bin ich ein Lügner«, entgegnete er scharf. »Ich bin mit diesem Gerücht zu Ihnen gekommen, weil Sie mir weniger in Riten und Dogmen erstarrt zu sein schienen als die übrigen Angehörigen der römischen Kurie. Aber ich lasse mich weder von Ihnen noch von jemand anderem beleidigen. Noch ein abfälliges Wort, und Sie werden es bis an das Ende Ihrer Tage bereuen, das verspreche ich Ihnen.«

»Wollen Sie mir etwa drohen?« fragte John Ermin.

»Ich versuche nicht, Ihnen zu drohen. Ich drohe Ihnen. Und das ist keine leere Warnung. Was, glauben Sie, ist das Leben eines Menschen im Rom von heute wert, wenn selbst der Papst einem Mordanschlag zum Opfer fallen kann?«

»Es lag nicht in meiner Absicht, Sie zu beleidigen, Amico«, sagte John Ermin. »Doch ich lasse mir auch von niemandem drohen. Was nun das Gerücht über diesen angeblichen Papstmord angeht, so glaube ich kein Wort davon. Ich durchschaue nicht Ihre Beweggründe, Amico. Warum sollten ausgerechnet Sie, ein abtrünniger Mönch, der Kirche einen Dienst erweisen wollen?«

Hal Amico sah sein Gegenüber lange schweigend an, doch in seinem Gesicht arbeitete es. Seine kantigen Kiefermuskeln zuckten, seine Lippen wurden immer schmäler, seine Augen verengten sich.

»Es gibt keine Worte, um auszudrücken, wie ich deinen Hochmut hasse, Jesuit!« entgegnete er mit heiser klingender Stimme. Seine Worte waren eine einzige Beleidigung – schrecklicher Haß sprach aus ihnen –, aber John Ermin erkannte plötzlich, daß es Worte waren, die aus einer zutiefst verwundeten Seele kamen. Hal Amico hatte seinen Ausschluß aus der Kirche niemals verwunden. Das war es, was ihn ungerecht, haßerfüllt und gefährlich machte.

Unwillkürlich empfand John Ermin Mitleid mit dem Mann. Und doch: Amico war gekommen, um ihn zu warnen. Es mußte demnach noch immer eine ungebrochene, innere Verbindung zwischen ihm und der Kirche geben.

»Ich fange an, zu verstehen. Sie haben Ihren Glauben an Gott niemals verloren, auch wenn Sie der Kirche den Rücken gekehrt haben«, sagte John Ermin.

»Nein, ich glaube an nichts und niemanden«, entgegnete Hal Amico hart. »Wie Sie selbst sagten: Ich bin ein Abtrünniger. Ihr habt mich verstoßen. Die Kirche hat mich verdammt. Ihr habt alle den Stab über mir gebrochen. Ihr habt mich verurteilt und das Urteil vollstreckt. Ich hasse euch.«

»Wenn Sie die Kirche wirklich hassen, wenn Sie nicht mehr an Gott glauben, dann nennen Sie mir einen Grund, warum Sie hierhergekommen sind, um mich zu warnen«, forderte John Ermin.

Amico tat einen Schritt auf ihn zu. Seine Hände waren geballt, und einen Augenblick lang glaubte Ermin, der andere würde ihn zusammenschlagen. Doch dann sanken Hal Amicos Fäuste herab. Der Zorn in seinem Gesicht erlosch, als hätte der Wind eine Kerzenflamme ausgeblasen. Und plötzlich wirkten seine Züge müde, ja erschöpft.

»Gehen Sie meinetwegen zur Hölle, verdammter Priester«, murmelte er. »Ich werde kein zweites Mal hierher kommen, um Sie zu warnen. Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte. Jetzt bedaure ich beinahe, daß ich es tat.«

Er wandte sich auf dem Absatz um und ging hinaus. Die Tür fiel hart hinter ihm ins Schloß. John Ermin war allein. Er versuchte, seine Gedanken zu sammeln. Ihm war, als erwachte er aus einem schlimmen Traum.

Plötzlich fielen ihm tausend Fragen ein, die er noch an Hal Amico hätte richten müssen.

Er eilte zur Tür und öffnete sie, doch der Korridor draußen war bereits leer. Er lief zum Portal und stieß die Eingangstür auf. Er kam gerade noch zurecht, um zu sehen, wie ein Wagen die Via Belvedere hinabfuhr und in die Via Angelica einbog.

Zornig und enttäuscht stand John Ermin oben auf der Freitreppe. Er kehrte in das Gebäude zurück, verließ es unmittelbar darauf wieder auf der anderen Seite und betrat den Petersplatz. Er wollte mit seinen Gedanken allein sein. Es waren Gedanken, die ihn selbst erschreckten.

Konnte das wahr sein, was Hal Amico ihm erzählt hatte? War es möglich, daß der Papst durch Gift ermordet worden war?

Inzwischen hatte sich der Himmel verdüstert, die Gewitterfront aus dem Norden war bedrohlich hoch heraufgestiegen. Die Sonne war verschwunden, der graue Himmel glühte wie geschmolzenes Metall, ergossen zwischen Wolkentürmen.

Fernes Wetterleuchten flammte in gebrochenem Rot. Zwielicht lag über der Kuppel des Petersdoms. Es war eine schicksalhafte Stimmung für den Morgen nach der Nacht, in der der Papst gestorben war.

Stand nicht in der Bibel, daß sich die Sonne auch verfinsterte, als Jesus auf Golgatha am Kreuz starb? Und war nicht der Nachfolger des Apostels Petrus auf dem Stuhl des Papstes gleichzeitig auch der Nachfolger Jesus von Nazareths?

Der alte Mann saß noch immer auf den Stufen, die zu dem östlichen der beiden Springbrunnen auf dem Petersplatz hinaufführten. John Ermin ging auf ihn zu. Noch bevor er ihn erreicht hatte, hob Boscati schon den Kopf und sah ihm entgegen.

»Das Unheil steigt herauf von Saronia«, sagte er. Saronia war eine Stadt im Norden Italiens. »Das Böse erhebt sich und wirft seinen Schatten auf das ewige Rom.«

»Es ist nur ein Gewitter. Die Schatten stammen von den Wolken«, entgegnete John Ermin. Doch Boscati schien ihn nicht zu hören.