Der Fluch der Borgias & Aus dem Reich der Toten - Peter Dubina - E-Book

Der Fluch der Borgias & Aus dem Reich der Toten E-Book

Peter Dubina

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Beschreibung

Das Böse wartet in der Dunkelheit … DER FLUCH DER BORGIAS: Er hat alles vergessen: seinen Namen, sein Leben und den Grund, der ihn hierher geführt hat. Nur eine seltsame Erinnerung brennt wie Feuer im Kopf des Mannes, der in der Nähe von Rom zu sich kommt: das Bild einer schönen Frau, die in Todesgefahr schwebt – Lucrezia Borgia. Welche Verbindung hat er zu dieser Frau, die vor 500 Jahren lebte? Und welche dunklen Schatten aus der Vergangenheit drohen, ihn in der Gegenwart einzuholen? AUS DEM REICH DER TOTEN: Sie war ein hochbegabtes Medium – doch nun ist die junge Abigail tot. Die Polizei spricht von einem tragischen Unfall, doch Privatdetektiv Glenn Riordan hat Zweifel: Er beschließt, selbst in den kleinen englischen Ort zu reisen, in dem das Schicksal seiner Schwester besiegelt wurde. Schnell findet er Hinweise auf unheimliche Vorkommnisse in der Gruft von Schloss Morgan. Ist hier wirklich ein mächtiger Hexer am Werk, der die Macht hat, die Toten aus ihren Gräbern zu rufen? Ein packender Horror-Sammelband für alle Fans von Stephen King und H.P. Lovecraft.

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Seitenzahl: 297

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses Buch:

 

DER FLUCH DER BORGIAS: Er hat alles vergessen: seinen Namen, sein Leben und den Grund, der ihn hierher geführt hat. Nur eine seltsame Erinnerung brennt wie Feuer im Kopf des Mannes, der in der Nähe von Rom zu sich kommt: das Bild einer schönen Frau, die in Todesgefahr schwebt – Lucrezia Borgia. Welche Verbindung hat er zu dieser Frau, die vor 500 Jahren lebte? Und welche dunklen Schatten aus der Vergangenheit drohen, ihn in der Gegenwart einzuholen?

 

AUS DEM REICH DER TOTEN: Sie war ein hochbegabtes Medium – doch nun ist die junge Abigail tot. Die Polizei spricht von einem tragischen Unfall, doch Privatdetektiv Glenn Riordan hat Zweifel: Er beschließt, selbst in den kleinen englischen Ort zu reisen, in dem das Schicksal seiner Schwester besiegelt wurde. Schnell findet er Hinweise auf unheimliche Vorkommnisse in der Gruft von Schloss Morgan. Ist hier wirklich ein mächtiger Hexer am Werk, der die Macht hat, die Toten aus ihren Gräbern zu rufen?

Sammelband-Originalausgabe Oktober 2025

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Die Originalausgaben von »Der Fluch der Borgias« und »Aus dem Reich der Toten« erschienen erstmals 1981 bei Bastei Lübbe; Copyright © 1981 BASTEI-VERLAG, Gustav H. Lübbe GmbH. Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH

eBook-Herstellung: dotbooks GmbH unter Verwendung von IGP (lj)

 

ISBN 978-3-69076-794-1

 

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Peter Dubina

Der Fluch der Borgias & Aus dem Reich der Toten

Zwei Horror-Romane in einem eBook

 

Der Fluch der Borgias

Horror-Thriller

 

Er hat alles vergessen: seinen Namen, sein Leben und den Grund, der ihn hierher geführt hat. Nur eine seltsame Erinnerung brennt wie Feuer im Kopf des Mannes, der in der Nähe von Rom zu sich kommt: das Bild einer schönen Frau, die in Todesgefahr schwebt. Eine blonde Schönheit, die er liebt und deren Name Lucrezia ist … Lucrezia Borgia. Aber wieso hat er diese unerklärlichen Gefühle für eine Frau, die vor 500 Jahren gelebt hat – und welche dunklen Schatten aus der Vergangenheit drohen ihn in der Gegenwart einzuholen?

Gleich damals klagte man, er (der Borgia-Papst Alexander VI., 1492 - 1503) bahne dem Antichrist den Weg. Er sorge für die Erfüllung des satanischen, nicht des himmlischen Reichs.

Aus »Die Päpste« von L. v. Ranke; ausgewiesen als Auszug aus der »Chronik Sanutos«.

 

Cesare Borgia wurde gefürchtet wegen seiner berüchtigten Kerker und Folterkammern in der päpstlichen Engelsburg zu Rom. Es ging das Gerücht, daß er dort nicht selten vier bis fünf Gegner am Tag beseitigte.

Aus »Die Renaissance« von J.R. Hale.

Kapitel 1

 

Ich tauchte aus einer Hölle des Grauens und der Angst auf, wie ein Fisch, der durch die schwarzen Wasser einer uferlosen, gespenstischen, toten See langsam zum Licht emportreibt. Dann – mit dem Einbruch von greller Helligkeit und Geräuschen in das schreckliche Dunkel, das mich umgab – öffnete ich die Augen und fand mich auf Händen und Knien im Schlamm einer unbefestigten Straße liegend. Es war Nacht. Kalte, windgepeitschte Regenschauer trafen mein Gesicht. Ich zitterte am ganzen Leib, aber nicht vor Kälte, sondern vor Erschöpfung. So, wie nur ein Mensch zittern kann, der vor allen Dämonen der Hölle geflohen ist und schließlich nicht mehr die Kraft hat, sich noch weiter voranzuquälen.

Zwei riesige, glühende Augen starrten mich aus der Dunkelheit heraus an. Es dauerte mehrere Sekunden, bis ich erkannte, daß es sich um Autoscheinwerfer handelte. Sie waren kaum drei Meter von mir entfernt.

»Sind Sie betrunken, oder wollten Sie Selbstmord begehen?« herrschte eine Stimme mich an. »Sie wären mir beinah in den Wagen hineingerannt. Wenn ich nicht so schnell gebremst hätte, wären Sie jetzt tot.«

Der Mann, der wütend auf mich einsprach, stand neben mir. Aus den Augenwinkeln heraus konnte ich seine schlammbespritzten Schuhe sehen. Ich hob mühsam den Kopf. Als er mein Gesicht im harten gelben Scheinwerferlicht sah, veränderte sich der Klang seiner Stimme.

»Großer Gott!« murmelte er erschrocken. »Sie sehen ja schlimm aus. Was ist mit Ihnen geschehen? Sind Sie krank, oder hatten Sie einen Unfall?«

Er griff mir unter die Arme und half mir aufzustehen. Ich war so schwach, daß ich in die Knie knickte und sofort wieder hingefallen wäre, wenn er mich nicht gestützt hätte.

»Wer sind Sie, und woher kommen Sie? Was suchen Sie nachts und allein in dieser verlassenen Gegend?« fragte er.

Ich öffnete den Mund, um zu antworten, doch dann hielt ich inne. Seine Frage klang in meinen Ohren wie ein Ruf, den jemand in einen finsteren Raum schickt, aus dem kein Widerhall zurückkommt Und wie ein betäubender, schrecklicher Schlag traf mich die Erkenntnis, daß ich weder wußte, wer ich war, noch, wo ich mich befand. Panik durchzuckte mich wie eine jäh auflodernde Flamme.

»Ich – ich weiß nicht«, brachte ich hervor, wobei mir meine Stimme kaum gehorchen wollte. »Ich kann mich an nichts erinnern, nicht einmal an meinen Namen. Wer bin ich? Wo bin ich?«

»Sie scheinen Engländer oder Amerikaner zu sein, soviel verrät mir Ihre Sprache. Und Sie befinden sich in Italien, in der Nähe von Rom«, antwortete der Mann, der mich stützte. »Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Haben Sie denn gar keine Erinnerungen mehr an die Vergangenheit?«

Ich starrte ihn an und schüttelte den Kopf. Meine Angst wuchs ins Unermeßliche. Es war schrecklich, vor einem absoluten Nichts zu stehen, wie am Rand eines Abgrunds. Nicht zu wissen, wer ich war. Ich wollte mich erinnern. Aber gleichzeitig fürchtete ich mich auch wieder davor, um die Erinnerung zu ringen. Denn wenn ich meinen Fuß erst in die Dunkelheit hineinsetzte, die meine Vergangenheit umgab, und dabei keinen sicheren Boden fand, würde ich in einen Abgrund des heulenden Wahnsinns stürzen, aus dem ich vielleicht nie wieder auftauchen könnte. Deshalb klammerte ich mich an meine gegenwärtige Existenz, wie sich ein Ertrinkender an den geringsten Halt klammern mochte, um nicht unterzugehen.

»Vielleicht haben Sie einen Ausweis oder irgendwelche persönlichen Papiere bei sich«, sagte der Fremde, der meine panische Angst gefühlt haben mußte. Ich griff in meine Taschen, aber sie waren leer.

Jetzt hörte ich Autotüren schlagen, und zwei weitere dunkle Gestalten tauchten in den Lichtkegeln der Scheinwerfer auf. Eine davon war eine Frau. Ich konnte ihr offenes Haar im Wind flattern sehen.

»Ist der Fremde verletzt?« fragte sie.

»Es sieht nicht so aus. Aber er scheint sein Gedächtnis verloren zu haben. Er erinnert sich an nichts, weiß nicht einmal, wer er ist. Vielleicht steht er unter einem Schock«, antwortete der Mann, der mich aufrecht hielt.

»So etwas kann man erst nach einer eingehenden Untersuchung mit Bestimmtheit sagen«, erwiderte die Frau. »Vielleicht hat er bei einem Sturz eine Kopfverletzung erlitten. Manchmal reicht schon eine, schwere Gehirnerschütterung aus, um einen Gedächtnisverlust zu bewirken. Der Mann sieht wirklich schlimm aus. Wer weiß, wie lange er schon durch die Nacht irrt. Wir müssen ihn zu einem Arzt bringen.«

»Es ist schon zu spät, um, ihn noch heute nacht nach Rom zu schaffen«, sagte der zweite Mann. »Nehmen wir ihn doch mit nach Schloß Maligno. Morgen können wir dann überlegen, was weiter mit ihm geschehen soll. Vielleicht leidet er nur unter einem zeitweiligen Gedächtnisschwund und kann sich morgen wenigstens wieder an Bruchstücke seiner Vergangenheit erinnern. Professor, helfen Sie mir, ihn auf den Rücksitz des Wagens zu schaffen, bevor wir alle bis auf die Haut durchnäßt werden. Elizabeth kann sich um ihn kümmern, wenn er erst im Auto sitzt.«

Auf die beiden Männer gestützt. schaffte ich die paar Meter bis zum Wagen. Die Frau öffnete die Tür, und ich sank auf dem Rücksitz zusammen. Zu der Angst, die mich beherrschte, kam jetzt noch eine kalte Übelkeit. Schweiß brach mir am ganzen Körper aus, und ich zitterte wie im Schüttelfrost.

Die Frau stieg zu mir auf den Rücksitz. Die beiden Männer nahmen die Fahrer- und Beifahrersitze ein. Autotüren wurden zugeschlagen, dann sprang der Motor an, .und der Wagen setzte sich mit leichtem Schaukeln auf der unbefestigten Straße in Bewegung.

Die Frau, deren Gesicht ich im schwachen Lichtschein des Armaturenbretts nur schemenhaft erkennen konnte. trocknete mein Gesicht mit einem Taschentuch, dann tastete sie mit ihren Fingern durch mein Haar hindurch meinen Kopf bis zum Nacken hinunter ab.

»Tut das weh?« fragte sie. Ich konnte nur den Kopf schütteln, denn die Übelkeit würgte mich und schnürte mir die Kehle zu, so daß ich kein Wort hervorbrachte.

»Sie haben recht, Professor«, sagte sie zu einem der beiden vorn sitzenden Männer. »Er weist keine sicht- oder fühlbare Verletzung auf, die den Gedächtnisverlust bewirkt haben könnte. Aber sehen Sie sich sein Gesicht an. Es wirkt wie eine Maske des Grauens, Dieser Mann muß etwas Entsetzliches erlebt haben. Einen schweren psychischen Schock, der ausreichte, um sein Erinnerungsvermögen auszulöschen. Ich möchte wissen, was so zerstörerisch, so teuflisch auf den Geist und die Seele eines Menschen einwirken kann, daß es sie gleichsam zersprengt und ihre Bruchstücke in vielleicht dauernde Finsternis hüllt.«

Während sie so über mich sprach, saß ich da und versuchte mit aller mir verbliebenen Kraft, mein schwindendes Bewußtsein festzuhalten, das mir immer wieder zu entgleiten drohte. Es war seltsam, aber ich hatte das unbestimmte Empfinden, daß die immer näher kommende Bewußtlosigkeit eine Art Schutz war, die mein Unterbewußtsein über mein waches, aber schwer verletztes Bewußtsein breiten wollte, um es vor einer möglicherweise tödlich wirkenden Erkenntnis zu bewahren. Die Worte der Frau hatten irgendetwas in mir berührt – ich vermochte nicht zu sagen, was es war –, das jenseits der Dunkelheit des Vergessens auf mich wartete. Wenn ich mich daran erinnerte, würde das lauernde Grauen vielleicht den letzten Rest meiner dem bewußten Willen unterworfenen Persönlichkeit zerstören. Ich fühlte die Krallen der Angst, gleich Eisdolchen, immer tiefer in mein Inneres dringen. Und ich war dieser schrecklichen Furcht hilflos ausgeliefert ...

Kapitel 2

 

Ich mußte zeitweilig die Besinnung verloren haben, denn ich kam plötzlich zu mir, als der Wagen über eine Schwelle holperte. Im kreidigen Licht der Autoscheinwerfer sah ich ein weit geöffnetes Tor, das mir aus einer hohen Mauer entgegengähnte. Ein sich unwillkürlich aufdrängender Vergleich erschreckte mich: Es sah aus wie das Tor, zur Hölle. Ein steinerner Greif – halb Adler, halb Drache – wölbte seine Fledermausflügel über dem Torschlund. Seine Krallen, die eine Wappentafel festhielten, leuchteten im Scheinwerferlicht für Sekunden rot auf, als wären sie in Blut getaucht. Dann rollte der Wagen über eine wuchtige Steinbrücke und durch das finstere Torgewölbe in einen düsteren, nur gelegentlich von fernem Wetterleuchten erhellten Schloßhof.

Ich war nicht imstande, mir Gedanken darüber zu machen, wohin ich geraten war. Mehr und mehr von Schwäche überwältigt, war es mir nur mit der Hilfe der beiden Männer möglich, aus dem Auto auszusteigen, In dem Moment, als eine trübe elektrische Beleuchtung im Schloßhof anging, hörte ich ganz deutlich eine Stimme sagen: »Du hast die Macht Satans zunichte gemacht, und dafür mußt du sterben – sterben – sterben ...«

Die Worte schienen von den dunklen, vom Verfall gezeichneten Mauern ringsum widerzuhallen. Ich hob mühsam den Kopf. Doch keiner meiner beiden Helfer schien gesprochen zu haben. Wieder schüttelte mich ein Kälteschauer, und eine Angst, die ihre Wurzeln im leeren Dunkel meiner vergessenen Vergangenheit schlug, quälte mich. Denn mir schien, ich hätte diese Stimme und die Worte, die sie sprach, schon einmal gehört: irgendwann, irgendwo – gestern oder vor Jahrhunderten.

Ein älterer, grauhaariger, aber athletisch gebauter Mann trat auf uns zu, Er hielt eine Stablampe in der Hand. Als ihr Lichtkegel auf mich fiel, veränderte sich der Ausdruck auf seinem scharfgeschnittenen, von tiefen Falten durchzogenen Gesicht. Unwillkürlich durchzuckte mich der Gedanke: So sieht man keinen Fremden an, dem man zum ersten Mal begegnet. Dieser Blick verrät ein Wiedererkennen. Aber wie sollte das möglich sein? Doch bevor ich noch länger im Gesicht des Grauhaarigen nach einer Regung forschen konnte, die mir irgendeinen Hinweis darauf hätte geben können, daß wir einander schon einmal begegnet waren, hielt er die Stablampe – ich wußte nicht, ob aus Versehen oder aus Absicht – so, daß ihr Licht mich blendete und ich den Blick zur Seite wenden mußte.

Meine Begleiter und der Grauhaarige redeten auf Italienisch miteinander, und ich verstand ab und zu ein paar Worte. Ich beherrschte diese Sprache also einigermaßen, was ich vorher nicht gewußt hatte, Dann führte man mich über alte Steintreppen und durch lange, finstere Korridore. Im Inneren des Schlosses schien es kein elektrisches Licht zu geben, denn die Stablampe unseres Führers war der einzige Wegweiser, den wir hatten. Deshalb sah ich nicht viel von den Gängen, durch die wir schritten. Doch sie schienen hoch und leer zu sein, denn das Geräusch unserer Schritte hallte laut aus der Dunkelheit wider.

Unser Führer öffnete eine hohe, holzgeschnitzte Tür mit einem Riegel, dessen schwärzliches Eisen in Jahrhunderten von unzähligen Händen abgewetzt worden war. Ich stolperte über die Schwelle in einen großen, dunklen Raum. Dann flackerte die kleine Flamme eines Streichholzes auf, Glas klirrte gegen Metall, und gleich darauf erhellte das matte rötliche Licht einer Laterne den Raum. Ich sah einen offenen, gähnend leeren Kamin in einer Ecke. An den getünchten Wänden hingen Wandteppiche. Möbel, die durch hohes Alter jeden Glanz verloren hatten – ein Tisch, reichgeschnitzte Stühle, zwei Betten mit Brokatbaldachinen –, standen herum.

Dann fiel mein Blick auf ein Bild an der Wand, gegenüber der Tür. Es zeigte einen Mann in der Tracht des fünfzehnten Jahrhunderts. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Sein Gesicht – schön und ebenmäßig in jedem einzelnen Zug, aber in seiner Gesamtheit von einer teuflischen, bösen Grausamkeit – war in so hellen Farben gehalten, daß es aus dem Bild hervorzutreten schien. Der höhnische Blick seiner starren, fiebrig glänzenden Augen, der genau auf mich gerichtet war, schien zu leben und vor Haß zu brennen.

Da verlor ich abermals die Besinnung ...

 

***

 

War es ein Traum, oder war es eine unerklärliche, unheimliche Wirklichkeit, in der ich mich wiederfand? Die bedrückende Macht eines Traums schlägt ja einen schlafenden Menschen oft noch mehr in Bann als die Sinneseindrücke, die er im Wachzustand erfährt. Nur ist es im Traum eine andere Art von Bewußtsein, das in uns tätig wird und uns ein Gebiet betreten läßt, welches uns normalerweise verschlossen ist: unser Unterbewußtsein, unsere Seele. Und unsere Seele gleicht oft einer Landschaft des Schreckens.

Ich wußte – trotz des seltsamen Zustandes, in dem ich mich befand – genau, wo ich war: im ersten Geschoß der päpstlichen Engelsburg im Rom. Und ich kannte auch das Datum: Es war die Nacht zum 18. August 1503.

Die Klingen meines Degens und des Stiletts, die ich in den Händen, hielt, waren rot vom Blut der Wächter, die ich vor dem Zugang zu den geheimen Verliesen der Engelsburg niedergekämpft hatte. Ich trug ein geschlitztes Wams und schenkelhohe Stiefel aus weichem Leder. Ein schwerer roter Mantel hing von meinen Schultern. Ich war mir bewußt, daß ich mein Leben aufs Spiel setzte, indem ich in die geheimen Verliese eindrang, denn das war bei Todesstrafe verboten. Aber um mich aufzuhalten, würde man mich wirklich töten müssen, denn ich suchte die Frau, die ich liebte: Lucrezia Borgia.

Ihre Dienerin hatte mich eine halbe Stunde zuvor geweckt, um mir, von Schluchzen geschüttelt und vor Grauen weiß im Gesicht, zu berichten, daß ihre Herrin, ihre Madonna Lucrezia, von vermummten Männern aus ihrem Gemach in der Engelsburg fortgeschleppt und in die geheimen Verliese gebracht worden war.

Diese Verliese – Kerkerzellen und Folterkammern – hatten sich durch die mörderische Grausamkeit und die Blutgier, mit der die Borgia-Sippe, allen voran Papst Alexander VI. und sein Sohn Cesare, Herzog der Romagna und oberster Heerführer der päpstlichen Armee, ihre Feinde verfolgte, foltern und hinrichten ließ, den schrecklichen Ruf erworben, nächst der Hölle der grauenvollste Ort auf der Welt zu sein.

Ich ahnte nicht, was mit Lucrezia Borgia geschehen war. Aber ich fürchtete das Schlimmste für sie, denn ich wußte, daß Cesare nicht davor zurückschreckte, auch Mitglieder seiner eigenen Familie ermorden zu lassen, wenn er sie verdächtigte, ihn an seine zahlreichen Todfeinde verraten zu wollen. Er würde auch das Leben seiner schönen Schwester nicht schonen, falls sie es gewagt haben sollte, ihm zu trotzen. Denn das wahnwitzige Streben Cesare Borgias und seine hündische Gier galten nur einem Ziel: Macht über Menschen zu besitzen, die er allesamt zu seinen Kreaturen machen wollte. Cesares Machtgier kannte keine Grenzen. Wer sich ihm in den Weg stellte, der mußte sterben.

Ich stieg eine abwärts führende Treppe hinunter, die zu den in einem Zwischengeschoß liegenden geheimen Verliesen führte. Durch die mit Eisengittern versehenen Fensterlöcher wehte der Nachtwind herein und ließ die Flammen der Fackeln, die in rußgeschwärzten Eisenringen an den Wänden steckten, tanzen.

Es war eine schlimme Nacht. Papst Alexander VI. lag im Sterben. Zwar war verlautbart worden, das Gelbe Fieber, das aus den Tiber-Sümpfen kam, habe ihn niedergeworfen. Aber sowohl in seiner nächsten Umgebung als auch in den Straßen von Rom hieß es, er sei vergiftet worden. Einer seiner Kardinäle, den er habe ermorden lassen wollen, weil dieser sich ihm nicht gefügig gezeigt hatte, sei ihm zuvorgekommen und habe dafür gesorgt, daß der goldene Pokal mit vergiftetem Wein nicht ihm, sondern durch ein »Versehen« dem Borgia-Papst selbst gereicht wurde. Es gab aber auch Stimmen – selbst innerhalb des päpstlichen Hofstaates –, die hinter vorgehaltener Hand raunten, daß Satan, dem die Borgias ihre Seelen verpfändet hätten, um zu Macht und Reichtum zu gelangen und ihre bösen Instinkte befriedigen zu können, den mit Blut unterzeichneten Vertrag nun den Borgias vorgewiesen habe, um den Lohn für seine Mühe zu fordern: die Seele des Borgia-Papstes Alexander VI.

Ich hatte mich vom ersten Augenblick an, da ich die goldhaarige Lucrezia sah, unsterblich in sie verliebt. Von dieser Stunde an hatte ich gewußt, daß ich der schönen Frau mit Leib und Seele verfallen war. Und nun wollte ich sie vor einem schrecklichen Schicksal bewahren, das ihr – wie ich dunkel ahnte – bevorstand. Oder mit ihr sterben.

Ich sah, daß das Ende der Steintreppe, das ich fast schon erreicht hatte, von rotem, flackerndem Feuerschein beleuchtet wurde, der aus einer offenen Tür fiel. Ich stieg noch zwei, drei Treppenstufen hinab und stand auf der Schwelle einer Folterkammer.

Der Raum, von dessen aus Steinquadern gefügten Mauern schon das Stöhnen und die Todesseufzer von Dutzenden Gefolterter widergehallt haben mußten, war groß und hatte eine hohe, gewölbte Decke. In der offenen Esse loderte ein Feuer, in dem rot- und weiß-glühende Brandeisen lagen. Peitschen, Ketten und andere Folterwerkzeuge hingen an den Wänden.

Gerade in dem Augenblick, da ich auf die Schwelle trat, kamen zwei vermummte Henker durch eine Hintertür in die Folterkammer. Sie schleiften den Körper eines Enthaupteten hinter sich her. Einer der beiden Scharfrichter trug den Kopf des Opfers. Sie schlossen die Tür, schoben den Riegel vor, drehten sich um – und sahen mich.

Sofort ließen sie ihr Opfer los, und einer von ihnen, dessen nackter Oberkörper schweißnaß im Flammenschein glänzte, ergriff mit beiden Händen ein Henkerbeil, das an einem Holzblock lehnte, der zur Enthauptung von Gefangenen benützt wurde. Seine Augen blitzten gefährlich hinter den Sehschlitzen in seiner schwarzen Kapuze. Ohne zu zögern, kam er auf mich zu und holte mit dem Beil zum Schlag aus. Kein Zweifel: Er hatte Befehl, jeden Menschen zu töten, der in dieser Nacht ungerufen in die geheimen Verliese eindrang.

Ich sah, wie die Muskeln an seinen Schultern und Armen sich strafften, und duckte mich. Das Beil fuhr blinkend über mich hinweg und grub sich krachend in das Holz des Türrahmens. Bevor der Scharfrichter es wieder herausreißen konnte, saß ihm meine Degenklinge tief in der nackten Brust. Ohne einen Schrei stürzte der Henker zu Boden, krümmte sich und lag still.

Der zweite drehte sich um und versuchte, durch die Tür zu entkommen, durch die er gerade eingetreten war. Er zerrte den eisernen Riegel zur Seite. Da schleuderte ich das Stilett nach ihm. Blitzend wirbelte die Klinge durch die Luft. Der Henker taumelte, tödlich getroffen, vornüber und stieß dabei mit seinem Körpergewicht die Tür auf, fiel der Länge nach über die Schwelle und blieb, mit dem Gesicht nach unten, auf dem Boden des sich dahinter öffnenden Raumes liegen.

Den blutbefleckten Degen in der Hand, trat ich über den leblosen Körper des Henkers hinweg und blieb wie erstarrt stehen. Niemals – mochte mein Leben auch tausend Jahre währen – würde ich den Anblick vergessen, der sich mir bot, als ich über die Schwelle jenes Raumes trat.

Er war wie für eine Schwarze Teufelsmesse hergerichtet. Es gab zwar mehrere Kruzifixe in dieser ehemaligen großen Kerkerzelle, aber sie waren entweder mit der Vorderseite zur Wand gedreht oder ganz mit schwarzem Tuch verhüllt. In silbernen Leuchtern brannten Hunderte von Kerzen aus schwarzem Wachs.

In der Mitte des Raumes war eine Art Steintisch oder -altar errichtet. Um diesen gotteslästerlichen Altar war mit frischem Blut – Menschenblut ohne Zweifel – ein Kreis gezogen, der einen ebenfalls mit Blut auf den Steinboden gezeichneten fünfzackigen Stern umschloß. An jeder Spitze des Sterns war eine Stange errichtet. Die erste trug den Schädel eines Widders mit schweren, krummen Hörnern. Die zweite den eines Schweins. Die dritte einen Pferdeschädel. Die vierte einen. Hundekopf. Die fünfte aber als schaurigen Zierrat einen zähnebleckenden Menschenschädel. Um den Steintisch selbst waren drei eiserne Feuerbecken angeordnet, aus denen graue Rauchsäulen aufstiegen, die die Luft mit einem schweren, widerwärtigen Geruch schwängerten.

Auf diesem lästerlichen Altar lag eine Frau. Ihr Körper schimmerte im flackernden Licht der vielen Kerzen wie. Elfenbein, überhaucht mit einem matten Goldton. Ihre Augen waren geschlossen. Sie lag wie betäubt da. Ihr blondes Haar war wie ein goldener Strahlenkranz um ihren Kopf ausgebreitet: Lucrezia Borgia.

Das Schlimmste von allem jedoch war der Schatten, der sich über den wunderschönen Körper der Frau beugte, sich aber in dem Augenblick, da ich über die Schwelle trat, ruckartig mir zuwandte. Obwohl diese dunkle Gestalt keinen wirklichen Körper zu besitzen schien. war sie doch andererseits nicht nur ein Schattenriß an der Wand. Sie stand, mitten im Raum, und sie hatte nichts Menschliches an sich. Es schien, als hätte die Hölle eine ihrer unvorstellbaren Kreaturen ausgespien. Zwei schwefelgelbe Augen von unmenschlicher Grausamkeit und Bösartigkeit funkelten mich an. Der Schatten reckte mir zwei mit spitzen Krallen bewehrte Klauen entgegen. Ein Zischen, wie von einer ungeheuren Schlange oder einem Drachen, ertönte. Eisige Kälte und ein so entsetzlicher Gestank, wie ich ihn noch nie zuvor wahrgenommen hatte, schlugen mir aus dem Rachen dieser höllischen Kreatur entgegen.

Von Grauen übermannt, verharrte ich einen Moment. Doch dann sah ich wieder Lucrezia Borgias schlanken, schimmernden Körper auf dem gotteslästerlichen Altar liegen und griff den Schatten mit der blutbefleckten Degenklinge an.

»Zurück! Zurück, du verfluchter Narr!« schrie eine der zwanzig, fünfundzwanzig in dem Raum versammelten, in schwarze Kutten gehüllten Gestalten. Sie wollte sich mir mit ausgebreiteten Armen in den Weg stellen, um mich aufzuhalten. »Zurück! Zerstöre nicht den magischen Kreis!«

Aber es war schon zu spät. Mein Fuß hatte bereits den mit Blut gezogenen Kreis überschritten. Im gleichen Augenblick war der höllische Schatten verschwunden – der Platz, von dem er mir eben noch seine Wut und seinen Haß entgegengespien hatte, war leer. Ein wütender Windstoß fuhr durch die beiden kleinen vergitterten Außenfenster herein und brachte die meisten der schwarzen Kerzen zum Erlöschen. Ein unirdisches Gewinsel – ein Laut, geboren aus satanischem Zorn, Angst und Hoffnungslosigkeit – hallte von den nackten Steinwänden wider. Dann herrschte Stille. Der Spuk war verflogen.

»Verflucht sollst du sein, du Narr«, schrie der Mann, der mich hatte aufhalten wollen. Seine Stimme überschlug sich fast vor Wut. Mit einem Ruck riß er sich die Kapuze vom Kopf – und enthüllte das schöne, böse Gesicht Cesare Borgias, Lucrezias Bruder.

»Packt ihn!« stieß er hervor.

Bevor ich mich zur Wehr setzen konnte, drangen von allen Seiten vermummte Gestalten, in ihren dunklen Kutten wie riesige, geisterhafte Fledermäuse anzusehen, auf mich ein. Sie hielten blinkende Stilette in den Händen, die sie aus den weiten Ärmeln ihrer Gewänder gerissen hatten. Da wußte ich, daß ich mein Leben verspielt hatte. Aber eines wollte ich wenigstens noch vollbringen, bevor ich sterben mußte: Cesare Borgias – das verkörperte Böse, die Ausgeburt der Hölle – sollte sein Leben noch vor mir aushauchen. Erst dann würde Lucrezia vor ihm sicher sein.

Ich führte einen blitzschnellen wuchtigen Degenstoß gegen Borgia. Die Klinge traf, wo sie treffen sollte: genau über dem Herzen. Doch sie zerbrach klirrend, wie sprödes Glas.

Im nächsten Moment wurde ich von vielen Armen umschlungen. Der Degen wurde mir aus der Hand geschlagen. Ich war wehrlos. Cesare Borgia riß sich die Kutte vom Leib, und da sah ich, daß mein verhaßter Feind darunter einen geschmiedeten Brustpanzer trug. Wie immer, so hatte der verfluchte Herzog der Romagna auch diesmal dafür gesorgt, daß keine Waffe ihn tödlich treffen konnte. Cesares Gesicht – ein Dichter hatte ihn einmal den schönsten Mann seiner Zeit genannt – war zu einer abstoßenden Fratze der Wut verzerrt.

»Weißt du, was du getan hast, Maclodio?« Er spie mir die Worte förmlich entgegen. »Mein Vater liegt im Sterben. Seine Lebensspanne ist abgelaufen, und nur einer hätte sie verlängern können: Satan. Doch der wollte es nur für einen bestimmten Preis tun: Meine Schwester sollte den Sohn des Teufels gebären, damit das Böse leibhaftig Eingang fände in diese Welt. Alles war vorbereitet. Doch dann kamst du, hast mit deinem Fuß den magischen Kreis zerstört und Satan vertrieben, Nun wird mein Vater sterben, und das ist deine Schuld, du unwissender, blinder Narr!«

Mir graute vor diesem Mann.

»Ich hätte niemals geglaubt, daß du zu einer solchen Schandtat fähig wärst«, stieß ich hervor, gegen die vielen vermummten Gestalten ankämpfend, die mich festhielten. »Verrat – ja. Gewalt – ja. Mord – ja. Aber daß du deine eigene Schwester dem Dämon aus den finstersten Tiefen des Infernos ausliefern würdest, damit die Aussaat des Bösen Wurzeln schlagen kann in dieser Welt, das hätte ich für unmöglich gehalten. Ich sehe, ich habe mich in dir getäuscht, Cesare Borgia. Du bist selbst eine Kreatur der Hölle. Es ist also wahr, was man in den Gassen von Rom flüstert: daß eure Sippe einen Pakt mit dem Satan geschlossen hat ...«

»Mein Vater«, unterbrach Cesare mich, wobei seine Stimme bis zu einem scharfen, heiseren, gefährlichen Flüstern sank, »ist der mächtigste Mann nicht nur Roms, sondern der ganzen Kirche. Alle müssen seinem Befehl gehorchen. Aber ich stehe neben seinem Thron und herrsche in seinem Namen. Ja, der eigentliche Herr über Rom und das Papsttum bin ich. Ich, Cesare Borgia. Alle Macht, die ich besitze, gab mir der Dämon der Hölle. Dafür sollte ich ihm Gelegenheit schaffen, seine Klauen in die Kirche zu schlagen, um sie zu vernichten. Aber wenn mein Vater stirbt, gilt der Handel zwischen mir und der Hölle nicht mehr, denn in dem Fall hätte ich keinen Einfluß mehr auf Kirche und Papsttum. Deshalb wollte ich das Leben meines Vaters, des Papstes, um jeden Preis erhalten. Auch wenn ich dafür Leib und Seele meiner Schwester Satan hätte ausliefern müssen, damit sie den leibhaftigen Sohn des Bösen gebärt. Sie hätte – betäubt von Wein und Schlafmohn – nicht einmal bemerkt, was in dieser Nacht mit ihr geschehen wäre, wenn du nicht den mit Blut gezogenen magischen Kreis mißachtet hättest, Maclodio.

Jetzt wird mein Vater sterben, und auch ich selbst bin verloren. Denn Satan wird, des gebrochenen Versprechens wegen, das ich ihm gab, seinen mächtigen Schutz von mir abziehen. Das bedeutet meinen Untergang und den Anbruch meiner Verdammnis. Aber auch du wirst sterben, Maclodio. Denn du hast gesehen, was keiner außer mir und meinen Brüdern in Satan sehen durfte, Dein Mund muß für alle Zeiten versiegelt werden. Deine Liebe zu meiner Schwester bringt dir den Tod, denn die Liebe steht im Gegensatz zum Bösen – und nur eine von beiden Mächten kann die Weit beherrschen, Du hast die Macht Satans zunichte gemacht, und dafür mußt du sterben – sterben – sterben!«

Soweit war Cesare Borgia gekommen, als ihn der dumpf dröhnende Knall eines Kanonenschusses von der Bastion San Luca unterbrach, dem weitere Kanonenschüsse von den drei anderen Eckbastionen der Engelsburg folgten. Borgia lauschte. Alles Blut wich aus seinen Wangen, bis sein Gesteht kalkweiß war.

»Mein Vater, der Papst, ist tot. Durch deine Schuld, Maclodio«, sagte er, als die Kanonen verstummt waren. »Aber du wirst ihn um keine einzige Stunde überleben.« Dann schrie er – und es war das Schreien eines Wahnsinnigen – den Männern, die mich festhielten, zu: »Tötet ihn! Tötet ihn! Tötet ihn!«

Ich versuchte, mich mit einer gewaltigen Anstrengung loszureißen, doch es war schon zu spät. Mit tödlicher Leichtigkeit stießen die blitzenden Klingen in den Händen der Vermummten auf mich nieder. Ich fühlte den Stahl wie kaltes Feuer in meinen Körper eindringen. Doch ich empfand keinen Schmerz, nur ein Gefühl der Schwäche. Ich fiel zu Boden, als die vermummten Gestalten mich losließen. Aber sie stachen noch immer auf mich ein, getrieben von einem Haß, dem nichts Menschliches mehr anhaftete. Mein Mund füllte sich mit Blut, das den Geschmack von geschmolzenem Erz hatte. Dann griff der Tod nach mir ...

Kapitel 3

 

Ich erwachte von meinem eigenen Schrei. Eine Hand packte meine Schulter und rüttelte mich. Ich öffnete die Augen und blickte in ein fremdes Gen sieht, das sich im, Lichtkegel einer Laterne über mich beugte. Ich lag auf kaltem Steinboden, Im ersten Augenblick wußte ich nicht, wo ich mich befand und wer der Mann vor mir war.

»Nur ruhig! Ganz ruhig! Es geschieht Ihnen nichts Böses«, sagte er. »Ihre Schreie haben mich geweckt, und da sah ich, daß Ihr Bett leer war. Sie müssen im Schlaf gewandelt sein und unser Zimmer so leise verlassen haben, daß ich davon nicht aufwachte. Nachdem wir Sie hierher gebracht hatten, dachten wir, es wäre besser, wenn Sie nicht allein schlafen, und so habe ich das Zimmer mit Ihnen geteilt.«

Ich versuchte zu antworten, brachte aber kein Wort über die Lippen. Er mußte das nackte Entsetzen in meinem Gesicht gesehen haben, die Angst, das Grauen, denn er fragte: »Erkennen Sie mich nicht? Ich bin einer von den dreien, die Sie nachts auf der Straße nach Schloß Maligno getroffen haben. Wir haben Sie hierher geschafft, weil Sie völlig verwirrt waren und sich an nichts erinnern konnten. Mein Name ist Lindon Baines,«

Endlich gehorchte mir meine Zunge wieder. Aber alles, was ich mit einer Stimme, die mir selbst fremd klang, hervorbrachte, war: »Die Klingen – die blutigen Klingen ... Sie bringen mir den Tod.«

»Es muß wohl ein Alptraum gewesen sein, der Sie so erschreckt hat«, entgegnete der Mann, der sich Lindon Baines nannte. »War es ein Traum, der Sie in Ihre eigene Vergangenheit zurückführte? Können Sie sich jetzt wieder daran erinnern, wer Sie sind?«

»Nein«, sagte ich. »Ich weiß es nicht – ich weiß es wirklich nicht.«

Jetzt kamen noch mehr Leute herbei. Einige von ihnen trugen Laternen, und in deren Licht sah ich, daß ich mich in einem engen Durchgang befand, von dem aus eine schmale Steintreppe abwärts, in lichtloses Dunkel führte. Wie ich hierher gekommen war, wußte ich nicht.

Auch der zweite Mann, den ich schon im Auto auf der nächtlichen Landstraße gesehen hatte, und die Frau, die dabeigewesen war, tauchten auf. Und da war auch der Grauhaarige, der mich – wie ich mich dunkel erinnerte so seltsam angestarrt hatte. Neben ihm stand ein junges, hübsches, schwarzhaariges Mädchen. Auch ihre Augen waren mit einem eigenartigen Ausdruck auf mich gerichtet. Es schien fast, als ob sie mir – ohne Worte, nur durch ihren Blick – etwas sagen wollte.

Baines redete auf Italienisch mit dem Grauhaarigen. Ich vermochte dem kurzen Wortwechsel nicht zu folgen, denn mich hielt noch immer das Grauen aus meinem Traum umfangen. Dann nahm Baines mich beim Arm und führte mich zurück in das Schlafzimmer, das er mit mir teilte. Dort blieb ich auf der Türschwelle stehen. Denn an der Wand gegenüber hing noch immer das Bild jenes Mannes, der mich schon bei meinem ersten Eintreten so höhnisch anzustarren schien. Aber diesmal berührte mich noch etwas anderes unheimlich: Sein Gesicht war das des Mannes, den ich in meinem Traum gesehen hatte.

Es waren die Züge Cesare Borgias!

Baines, der mein Zögern bemerkt hatte, fragte: »Was haben Sie? Stört Sie das Bild? Fürchten Sie sich davor?«

»Schaffen Sie es hinaus!« sagte ich heftiger, als ich gewollt hatte. »Bringen Sie es raus! Es geht etwas Böses von diesem Bild aus.«

Die beiden Männer und die Frau tauschten einen Blick, dann stellte Baines die Laterne auf den Tisch, nahm das schwere Bild vom Haken und trug es hinaus. Aber auch, als es schon draußen auf dem Gang stand, war mir noch immer, als träfe mich der Blick der gemalten Augen durch die dicke Steinmauer hindurch.

Ich drehte mich um, und dabei fiel mein Blick auf einen in vergoldete Bronze gerahmten kleinen, runden Spiegel an der Wand. Zum erstenmal sah ich mein Gesicht, und es traf mich wie ein Schock, daß meine eigenen Züge mir vollkommen fremd waren. Es war schmal und hätte mit seinen grauen Augen, der etwas zu scharf gekrümmten Nase, dem energischen Mund und den tief eingekerbten Falten, die von den Nasenflügeln bis fast zum Kinn hinabliefen, unter anderen Umständen vielleicht gut ausgesehen. Doch jetzt hatte ein unbekanntes Grauen seine Spuren hineingegraben, und Furcht und ein Schimmer der Verzweiflung sprachen aus dem Blick der tiefliegenden Augen.

Ich wußte nicht, was ich sagen oder tun sollte. War es möglich, daß ein Mensch sein eigenes Gesicht vergaß? Was war mit mir geschehen?

Ich ließ mich auf dem Rand meines Bettes nieder und schlug die Hände vors Gesicht. Die Tür wurde geschlossen. Als ich nach einer Weile wieder aufsah, standen die drei vor mir und blickten mich abwartend an.

Baines war ein älterer Mann, dessen Haar an den Schläfen schon silbergrau schimmerte. Aber er war hochgewachsen und von eindrucksvoller Gestalt. Er trug einen Schlafanzug und darüber einen Morgenrock aus roter, gemusterter Seide.