Der Diwan - Mohammad Schemsed-Din Hafis Hafis - E-Book

Beschreibung

Vollendet, rein und lebensbejahend ist die Wortkunst von Mohammed Schemsed-Din Hafis, genannt Hafis, dem großen persischen Dichter und Mystiker. Seine in diesem Band versammelten Ghaselen, die als formvollendet gelten und zu den schönsten Dichtungen Persiens zählen, behandeln die großen Themen der Lyrik wie Liebe, Schönheit, Glaube, Wahrhaftigkeit und Sehnsucht in der ungewohnten, aber eindringlichen Sprache der persischen Poesie. Diese Auswahl der schönsten Gedichte beruht auf der klassischen Übersetzung des österreichischen Diplomaten und Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall, die auch Goethe zu seinem West-östlichen Divan inspirierte. Und es ist bis heute so: Wir kennen Hafis im deutschen Sprachraum meist nur über den "Umweg" Goethe. Doch Hafis' Dichtung war mehr als nur die Inspiration für Goethes West-östlichen Divan: Der Perser war selbst ein Dichterfürst von vergleichbarem Rang, ein "Zwilling", wie Goethe Hafis in einem Gedicht bezeichnet, und ist es wert, neu entdeckt zu werden.

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Hafis

Der Diwan

Die Auswahl der schönsten Gedichte

In der Übersetzung vonJoseph von Hammer-Purgstall

INHALT

Aus: Der Buchstabe Elif

Aus: Der Buchstabe Be

Aus: Der Buchstabe Ta

Aus: Der Buchstabe The

Aus: Der Buchstabe Dschim

Aus: Der Buchstabe Ha

Aus: der Buchstabe Cha

Aus: Der Buchstabe Dal

Aus: Der Buchstabe Ra

Aus: Der Buchstabe Sa

Aus: Der Buchstabe Sin

Aus: Der Buchstabe Schin

Aus: Der Buchstabe Sad

Aus: Der Buchstabe Dhad

Aus: Der Buchstabe Thy

Aus: Der Buchstabe Dhy

Aus: Der Buchstabe Ain

Aus: Der Buchstabe Ghain

Aus: Der Buchstabe Fe

Aus: Der Buchstabe Kaf

Aus: Der Buchstabe Kiaf

Aus: Der Buchstabe Lam

Aus: Der Buchstabe Mim

Aus: Der Buchstabe Nun

Aus: Der Buchstabe Waw

Aus: Der Buchstabe He

Aus: Der Buchstabe Ja

Aus: Vier Mesnewiat

Moganniname

AUS: DER BUCHSTABE ELIF

I.

Reich mir, o Schenke, das Glas,

Bringe den Gästen es zu,

Leicht ist die Lieb’ im Anfang

Es folgen aber Schwierigkeiten.

Wegen des Moschusgeruchs,

Welchen der Ostwind geraubt

Deinen gekrausten Locken,

Wie vieles Blut entfloss dem Herzen!

Folge dem Worte des Wirts

Färbe den Teppich mit Wein.

Reisende sind der Wege,

Sie sind des Laufs der Posten kundig.

Kann ich genießen der Lust

In des Geliebten Gezelt,

Wenn mich zum Aufbruch immer

Der Karawane Glocke rufet!

Finstere Schatten der Nacht!

Wogen und Wirbelgefahr,

Können euch wohl begreifen,

Die leicht geschürzt am Ufer wohnen?

Durch die befriedigte Lust

Ward ich zum Märchen der Stadt,

Kann ein Geheimnis bleiben

Der Stoff der allgemeinen Sage?

Wünschest du Ruhe, Hafis,

Folge dem köstlichen Rat:

Willst du das Liebchen finden,

Verlass die Welt und lass sie gehen.

II.

Der Mond der Schönheit borgt sein Licht

Von deiner Wangen Strahlen,

Der Glanz der Anmut strahlet aus

Von deines Kinnes Grübchen.

Kann mein versammeltes Gemüt

Mit deines Haares Locken,

Die ganz zerstreuet sind, o Gott!

Sich je zusammenfinden.

Des Sinnes, dich zu schauen, kam

Mein Geist auf meine Lippen,

Soll er entfliehn? Soll er zurück?

Was ist dein Herrscherwille?

Gehst du vorbei, heb’ auf den Saum

Vom Blute und vom Staube,

Denn viele deiner Opfer sind

Auf diesem Weg gefallen.

Verwaiset ist mein Herz, o gebt

Hievon den Freunden Kunde!

O Freunde! meine Seele ist

Mit euern Seelen eines.

Was nützet die Enthaltsamkeit

Dem, der dein Auge sah?

Viel besser ists, die Nüchternheit

Dem Trunknen nicht verkaufen.

Mein träges Glück, das lange schlief,

Ist endlich aufgewachet,

Der Schimmer deines Angesichts

Hat ihm ins Aug’ geblitzet.

Der Ostwind bring’ mir einen Strauß

Vom Rosenbusch der Wangen,

Vielleicht wird mir dann sein Geruch

Vom Staube deines Gartens.

Ihr sollet leben, euer Wunsch

Werd’ stets erfüllt, ihr Schenken!

Wiewohl mein Glas zu eurer Zeit

Nicht einmal voll geworden.

Horcht auf! es betet nun Hafis.

Sagt Amen, denn er betet.

Herr! gib uns unser täglich Brot

Vom Zucker ihrer Lippen.

O Morgenwind, zieh hin nach Jesd1

Sag denen, die dort wohnen,

Der Kopf dess, der nicht dankbar ist,

Sei eurer Ballen Schlägel.

Zwar bin ich weit von euch entfernt,

Doch ist mein Geist nicht ferne,

Ich bin der Diener eures Schahs

Und euer Loberedner.

Ich habe Mut, ich fleh bei Gott!

O höchster Schah der Schahe!

Ich küss’ die Erde deines Zelts

Wie das Gewölb des Himmels.

1Jesd eine Stadt drei Tagreisen von Schiras, an deren Einwohner, als an seine besondern Freunde, der Dichter diese Ode gerichtet hat; dem Ballenschlägel im Maillespiel, das in Persien sehr stark gespielt wird und wovon in allen Dichtern häufig Vergleichungen hergenommen sind.

III.

Schenk’! erleucht’ mit dem Licht des Weins den Becher,

Sänger, singe; nun geht’s nach unsern Wünschen.

Ich erblick im Pokal der Wangen Abglanz.

Wiss’ es, der du nichts weißt vom Glück des Trinkens.

Rausch und Trunkenheit ziemt dem Aug’ des Freundes;

Deshalb raubt mir der Rausch so Zaum als Zügel.

Dieser Schmächtigen Reiz gefällt so lang nur,1

Bis sich meine Zypress’ mit Schwanken nahet.

Wessen Zunge die Lieb’ beseelet, stirbt nicht.

Ewig bleibet mein Ruhm im Weltenbuche.

Ich befürchte, dass nicht am jüngsten Tage

Priesterbrot und der Wein von gleichem Wert sei.

Ostwind, gehst du vorbei beim Rosenhaine,

Gib doch Kunde von mir dem treuen Freunde.

Du, ätherische Fluth, und du, o Mondschiff,2

Ihr verschwindet zugleich in seiner Großmut.

O mein Auge, verstreu’ das Korn der Tränen,

Dass sich fange im Netz der Wollust Vogel.

1Nur so lange gefällt mir der hohe Wuchs anderer Schönen, bis er von dem der meinigen verdunkelt wird.

2Das Meer des Äthers und das Mondschiff sind so klein im Vergleich mit der Großmut Hadschi Kawams, dass sie beide in derselben versinken. Dieser Hadschi Kawameddin (denn es waren ihrer zwei) war nach Sudi der Wesir des Sultans Hasan des Ilchaniers und seines Sohnes Oweis, dessen Tod von Hafis, durch einen Chronographen, gefeiert ward und der gewöhnlich der große Kowam genannt wird. Derselbe, der die Schule für Hafis erbaute.

IV.

Komm, o Weiser, und schau hinein in den Spiegel des Bechers,

Schaue die Lust des purpurnen Weines!

Frag’ um verborgenen Sinn die Eingeweihten des Bechers,

Weil auch hievon die Frömmsten nichts ahnen.

Keiner hat erjagt den Simurg, o zieh die Garne zusammen1

Denn es schwillt nur vom Winde das Netz auf.

Auf! Genieße die Zeit, und gedenke: dem Vater der Menschen

Blieb in Elisiums Fluren der Trunk nicht.2

Leere der Becher ein Paar, beim Feste des Lebens, und fort dann!

Geiz’ nicht hienieden nach stetem Genusse.

Hin ist die Jugend! o Herz, und keine Blume gepflücket,

Nach Namen und Tugend streb’ nun im Alter:

Ostwind höre! Hafis ist ein treuer Jünger des Bechers

Geh und grüß mir den Herrn vom Weinhaus.

1Simurg oder Anka, der König der Vögel, der seit dem Anfang der Welt lebt, Salomons geheimer Rat war und seitdem auf dem Gebirge Kaf in philosophischer Einsamkeit lebt. Die ganze orientalische Welt spricht von ihm, niemand hat ihn aber gesehen, und noch weniger gefangen.

2Selbst Adam konnte im Paradiese nicht mehr zu trinken bekommen, um wie viel weniger ich.

V.

Schenke, steh auf und reiche das Glas

Begrabe die Sorgen mit Wein!

Reiche das Glas und schenke den Wein

Die bläuliche Kutte hinweg!1

Übel zwar klingt dies weiserem Ohr;

Doch kümmert der Ruf mich nicht viel.

Bringe mir Wein! Das Übrige ist

Verlust der verderblichen Zeit.

Rauch von der Glut der flammenden Brust

Hat diese Gefrorenen zerschmelzt.

Närrisches Herz! Noch find’ ich im Volk

Nicht einen Vertrauten für dich.

Wenigstens bleibt noch übrig der Trost,

Dass alles verloren auf einmal!

Früh und auch spät geduld’ dich, Hafis,

So gehet dir alles nach Wunsch.

1Die blaue Kutte, das Unterscheidungszeichen der Jünger des Scheichs Hasan, zu denen Hafis selbst gehörte und von denen er Vorwürfe über seine freie Lebensweise anhören musste. Die Anrede an dieselben gehet fort bis ans Ende der Ode.

VI.

Meiner Hand ist das Herz entflohen, ihr Herzenbesitzer!

Wehe! bei Gott! Weh mir! denn das Geheimnis ist weg!

Gestern tönte so schön von Wein und Rosen Aodi

Bringet den Morgenwein, o ihr Betrunkenen her!

Schau in das Glas! es ist der Spiegel des griechischen Königs,

Alle Plane Daro’s wirst du erspähen darin1

Gnädiger Herr! aus schuldigem Dank für blühenden Wohlstand

Fraget doch eines Tags, wie es Derwischen ergeht.2

Ruhe hienieden und dort verbürgen diese zwei Worte:

Liebreich begegne dem Freund, Feinden begegne mit Gunst.

Mir ward Eintritt ins Land des guten Namens versaget.

Tadler, gefällt es dir nicht, änd’re das ewige Los.

Dieser bittere Saft, dem Weisen die Mutter der Laster3

Schmeckt viel lieblicher mir als ein jungfräulicher Kuss:

In unfreundlicher Zeit genieß’ und freu dich des Rausches!

Dieser Alchimiker macht Bettler wie Karun beglückt.4

Sträube dich nicht, sonst wirst du wie Kerzen in Gluten verflammen,

In der Geliebten Hand werden die Steine zu Wachs.

Persische Schöne verleihn mit ihren Worten das Leben,

Greisen und Frömmlingen gib Schenke die Kunde davon!

Ach, nicht mit Willen besudelt Hafis die Kleider mit Weinfleck.

Frommer Lehrer, verzeih! O du verzeihest es ihm.

1Alexanders Spiegel, berühmt in der orientalischen Fabellehre. Er brauchte nur hineinzusehen, um auf der ersten Blick alle Plane Daro’s (Darius’) zu durchschauen.

2Eine Anrede an den Geliebten, der als Schah erscheint, während ihn der Liebende als Derwisch anspricht.

3Mahommeds Wort über den Wein.

4Der Wein ist ein Alchimiker, der Bettler so reich macht wie den ägyptischen König Karun, der unermessliche Schätze besaß.

VII.

Die Gärten blühn im frischen Reiz der Jugend1

Bulbul hört von der Rosen Freudenkunde.

O Morgenwind kömmst du zu jungen Wiesen,

Grüß mir Basilikon, Zypress’ und Rose.

Wenn mich des Wirts Knabe süß liebkoset,

So weih’ ich meine Wimpern ihm zur Bürste.

Du, der mit Ambraschlägeln Ballen spielest,

Schlag mich Geschlagenen nicht mehr zurücke.

Ich fürchte, jene, die der Trinker spotten,

Verlieren ihren Glauben selbst in Schenken.

Sei Männern Gottes Freund, es ist ein Stäubchen

Im Schiffe Noahs, dem die Flut nicht schadet.

Was brauchts Paläste, die zum Himmel reichen,

Für jenen, der zuletzt im Staube schlummert?

O Kanaans Mond! dein ist der Thron Ägyptens,2

Zeit ists den finstern Kerker zu verlassen.

Begehr’ kein Brot, verlass der Erde Gasthof!

Der Erde Wirt ermordet seine Gäste.

Ich weiß nicht, was du willst mit deinen Locken:

Dein Moschushaar auf diese Art verwirrend.

Hafis, trink Wein, betrinke dich, sei froh,

Mach nicht zuletzt zum Fallstrick den Koran.

1Statt der Charitinnen steht hier Bulbul, die persischen Nachtigall, eine von der unsrigen durch Gestalt, Farbe und Gesang verschiedener Vogel, dessen Liebe mit der Rose die schönste Mythe der persischen Dichtkunst ist.

2Der Mond aus Kanaan, dem der Thron Ägyptens gebührt, ist Josef, das Ideal jugendlicher Schönheit.

VIII.

Nähme mein Herz in die Hand der schöne Knabe aus Schiras,

Gäb’ ich fürs Mal Samarkand und Buchara.1

Reiche mir, Schenke, den Wein, im Himmel suchst du vergebens

Roknabad’s Blumengestad, und Mosella’s.2

Wehe! die Schelmen mit schwarzem Aug’ und süßer Gebärde

Rauben dem Herz die Geduld, wie die Türken.

Unvollkommene Liebe bedarf nicht die Schönheit des Freundes,

Schöne Gesichter bedürfen nicht Schminke.

Bleibe beim Sänger, beim Glas, erforsch nicht verborgene Dinge

Keiner noch hat es gelöset, wird’s lösen.

Jusufs berauschende Schönheit erklärt den Zauber der Liebe,

Welcher zerrissen den Flor bei Sulicha.3

Höre den Rat, denn wiss’: ein wohlerzogener Jüngling

Schätzt wie die Seele die Worte der Alten.

Böses hast du gesprochen. Verziehn! Wohl ward es gesprochen

Bitteres ziemet den zuckrigen Lippen.

Lieder hast du gesungen, Hafis, und Perlen gebohret.

Wert, dass Plejaden der Himmel verstreue.4

1Die Freigebigkeit des Dichters, mit welcher er die beiden Städte Samarkand und Buchara verschenken will, hätte ihm übel bekommen können. Denn seine Feinde hatten den Vers benützt, ihn bei Timur zu verschwärzen, dass er die zwei herrlichsten Städte seines Reichs so gar gering achte und zum Preis eines Schönheitsmales herabwürdige. Timur stellte Hafisen hierüber auch wirklich zur Rede, der sich durch Geistesgegenwart und durch eine unmerkliche Veränderung des Verses sehr ehrenvoll aus der Schlinge zog. Der Vers heißt im Persischen:

Bachschem Samarkand u Buchara.

Geben wollt’ ich Samarkand und Buchara.

Ists wahr? fragte Timur, indem er den Vers wiederhohlte, dass du dich unterstanden, meine herrlichsten Städte so zu lästern?

Verzeihe, Schah, antwortete der Dichter, man hat dich falsch berichtet: der Vers heißt:

Bachschem du ser kandi buchara

Geben wollt’ ich zwei Zuckerbrote von Buchara.

Timur, zufrieden mit der Rechtfertigung, belohnte den guten Einfall.

2Roknabad, ein Spaziergang vom Fürsten Rokneddin, längs den Ufern eines kleinen Flusses bei Schiras angelegt. Mosella, ein öffentlicher Gebetort in dem Rosenhaine von Schiras, wo Hafis auch begraben liegt. Im Paradies, meint Hafis, wirst du weder das eine noch das andere finden.

3Sulicha oder Suleicha, Potifars Gemahlin in den orientalischen Romanen, die in des ägyptischen Josephs Geschichte nichts als die unwiderstehbare Macht der Schönheit des Mannes aufs Herz des Weibes darzustellen suchen.

4Hier vergleicht Hafis seine Verse mit Perlen, die er durchbohret, um sie an der goldnen Schnur des Liedes anzureihen; auch die Plejaden sind Perlen, Perlen des Himmels, aber höchstens gut genug, um auf die Perlen des Liedes ausgestreut zu werden.

IX.

Sage, Morgenwind, mit Schmeicheln

Jener lieblichen Gazelle,

Auf die Berge, in die Wüsten

Hat die Liebe mich getrieben.

Warum frägt der Zuckerhändler

(Herr, erhalte ihm das Leben)

Warum frägt er nicht ums Wohlsein

Seines Zucker-Papageies?

Wenn du bei dem Liebchen sitzest,

Wein an seiner Seite trinkest,

O erinnre dich der Freunde,

Die umher gleich Winden irren.

Wisse, Rose, dir geziemt es

Nicht so stolz zu sein auf Schönheit,

Dass aus Stolz du nach der irren

Nachtigall nicht einmal fragest.

Nur mit guter Art und Weise

Wirst du den Geliebten fangen,

Denn es gehen kluge Vögel

Nicht ins Netz und in die Schlinge.

Wer belehrt mich, warum diese

Dunkeln Augen, hohe Formen,

Diese vollen Mondsgesichter

Mir so gar nicht hold sein wollen!

Deiner Schönheit fänd’ ich wahrlich

Gar nichts anders auszusetzen,

Als dass insgemein die Schönen

Nichts von Treu’ und Liebe wissen.

Für den Umgang mit den Freunden,

Für die Gunst des Glückes dankbar,

Sei auch eingedenk der Fremden,

Die durch Heid’ und Wüsten streifen.

Was ists Wunder, wenn im Himmel,

Durch Hafisens Lied gewecket,

Zu dem Lautenspiele Suhres1

Der Messias Reigen tanzet?2

1Suhre oder Sohre auf Arabisch, auf Persisch Nahid (Anaitis), der weibliche Genius des Morgen- oder Abendsterns, ehemals ein tugendhaftes Weib auf Erden, welches die in menschlicher Gestalt die Erde durchpilgernden Engel Harut und Marut umsonst zu verführen sich bemühten. Diese wurden zur Strafe in einem Brunnen bei Babylon an den Füßen in Ketten aufgehangen, Suhre aber zur Belohnung ihrer Tugend unter die Sterne versetzet, wo sie als himmlische Venus auf der Laute die Melodien spielt, nach denen die Sphären tanzen.

2Der Messias oder nach Sudi Hasreti Issa, der Herr Jesus.

X.

Unser Scheich wallte gestern

Aus dem Bethaus in die Schenke.

O ihr frommen Männer, saget,

Was ist uns forthin zu raten?

Wie doch können wir, die Jünger,

Das Gesicht zur Kaaba wenden,

Wenn der alte Vater Scheich

Selber in die Schenke gehet!

Ei so lasset mit dem Wirte

Uns gemeine Sache machen!

Denn so wars von Ewigkeiten

In das Schicksalsbuch geschrieben.

Sieh, ein Windhauch in die Locken

Hat die Welt für mich verfinstert!

Dieses also ist der Nutzen,

Den mir deine Locken bringen.

Ruhe hatte sich mein Herz

In dem Netze aufgefangen,

Sieh, da rollten auf die Locken,

Und entflohen war die Beute.

Wüsste der Verstand, wie selig

Herzen in den Locken ruhen,

O! es würden die Verständ’gen

Unsrer Bande wegen närrisch.

Einen Vers vom Schönheitskoran

Hat mir dein Gesicht enthüllet.

Deshalb atmen meine Verse

Hohe Schönheit, reine Anmut.

Können meine Feuerseufzer

Und die Gluten meines Busens,

So die ganze Nacht durch brennen,

Nicht dein steinern Herz bewegen!

Sieh, Hafisens Seufzer-Pfeile

Sind zum Himmel aufgeflogen,

Haben Mitleid mit demselben,

Fürchte dich vor meinen Pfeilen.

XI.

Wer überbringet das Gesuch

Den Freunden des Sultanes?

Vom Bettler wende nicht den Blick,

Für deine Herrschaft dankbar.

Ich flücht’ vom Nebenbuhler, der

Des Teufels ist, ich flüchte

Zu meinem Gott, vielleicht dass Er

Durchs Feuer ihn verzehret.

Du steckst die ganze Welt in Brand,

Wenn deine Wangen leuchten,

Sag an, was hast du denn davon,

Dass du nicht milder herrschest?

Geliebte, was für Formen sind

Dem Liebenden erschienen!

Welch ein Gesicht, dem Monde gleich,

Und Wuchs, gleich der Zypresse!

Ich hoffe ganze Nächte lang,

Dass mit dem Hauch des Morgens

Mir eine Kunde kommen wird

Von meinen trauten Freunden.

Wenn deine schwarzen Wimpern dir

Zum Blutvergießen winken,

So denke, dass sie Schelme sind,

Lass dich ja nicht verführen.

Es blutet längst mein armes Herz

Durch deine Zauberaugen.

O meine Teure, blicke her,

Wie du mich hast ermordet!

Hafis! wenn jetzt im Trennungsstand

Dein Herz sich schon verblutet,

Was harret sein, wenn einst Genuss

Dasselbe soll beglücken.

XII.

Wo ist, was recht und gut ist, wo?

Wo ich Betrunkener, wo?

Ha! Welch ein Unterschied ist nicht

Im Weg von wo zu wo!

Wie reimet sich die Trunkenheit

Mit der Schamhaftigkeit?

Wo ist das Wort des Predigers,

Schalmei’ngetöne, wo?

Die Zelle und das Gleisnerkleid

Verließ schon längst mein Herz;

Wo ist der wackre alte Wirt

Und reiner Nektar, wo?

Ach! des Genusses Tag ist hin,

Gesegnet sei er mir!

Wo ist die süße Schmeichelei

Des Liebchens Zürnen, wo?

Ach! Was versteht vom Angesicht

Des Freunds, des Feindes Herz!

Wo ist ein ausgelöschtes Licht,

Und Sonnenschimmer, wo?

Weil deiner Türe Schwellenstaub

Des Auges Schminke wird,

So sage, wo ich bleiben soll

Vor dieser Türe, wo?

Betrachte nicht ihr Apfelkinn!

Im Wege liegt ein Brunn,

Wohin mit dieser Last mein Herz?

Wo wirst du halten, wo?

XIII.

Ich und mein Herz, du weißt, wir bleiben getrennt vom Geliebten.

O wie lange noch raubt feindliches Los mir mein Glück!

Meine Wimpern, sie sollen den Fuß mit Tränen vergolden,

Welcher mir Kunde bringt, freundliche Kunde von dir.

Lange schon hab’ ich gebetet, du heb’ nun die Hände zum Beten.

Treue weich’ nicht von dir; Gott, mein Beschirmer, ist nah.

Würde mein Haupt von der Welt mit Schwertern und Kolben geschlagen,

Nimmer schlüge man mir Treue für dich aus dem Haupt.

Dir ists bewusst, dass der Himmel mit jedem erneuerten Schwure

Gegen unseren Bund Hass und Erbitterung mehrt.

Wenn gleich Schicksal und Welt uns beide mit Unrecht bedrängen,

So verschaffet uns doch unser Beschützer einst Recht.

O es kommt noch ein Tag, wo der Freund mit Wohlsein zurückkehrt;

Froher, seliger Tag! Kommt er mit Wohlsein zurück!

Deine Gedichte, Hafis, beschämen die Blätter der Rose,

Weil sie atmen das Lob rosiger Wangen des Freunds.

XIV.

Seit deine Schönheit dem Verliebten

Die Hoffnung zum Genusse gab,

Hat sich mein Herz und meine Seele

Gestürzet in dein Mal und Haar.

Solch Qual und Leiden, als Verliebte

Erfahren von der Hand der Flucht,

Solch Qual und Leiden hat erlitten

Die Märt’rerschar von Karbela.1

Wenn sich mein Türke selbst betrinket

Und meine Seele trunken macht,

So ist es meine Pflicht vor allen

Auf Nüchternheit Verzicht zu tun.

Die Frühlingstage und die Jugend,

Die Zeit der Freude und des Weins,

Vier Tage sind es nur, o wehe!

Benütze die Gelegenheit.

Hafis! Wenns dir vielleicht gelinget

Den Fuß zu küssen deines Schahs2

So bist du in den beiden Welten

Erhöht mit Herrlichkeit und Macht.

1Die siebzig Gefährten Hosseins, die in der Schlacht von Karbela mit ihm teils erschlagen wurden, teils aus Durst umkamen. Überall, wo morgenländische Dichter auf brennende Sehnsucht und heißen Durst anspielen, werden diese Märtyrer in Anspruch genommen. Deshalb geschieht ihrer nirgends so häufig Erwähnung als in den Aufschriften der Brunnen und Fontänen. So sind die Durstigen zur Ehre gekommen, die Beschützer der öffentlichen Wasseranstalten zu sein, wie die Siebenschläfer zur Ehre des Patronats der otomanischen Seemacht.

2Der Schah, das ist der Geliebte.

XV.

Gnädig bist du, wenn du

Nicht verwehrst dem armen Harut,

Dass er nach Verlangen

Schau ins Auge seinem Marut.1

Von der Liebe Leiden –

Bin ich überhäuft wie Harut,

Wollte Gott, ich hätte

Nie gesehen meinen Marut!

In des Kinnes Grübchen

Wäre nicht gefallen Harut,

Hätte nicht entlehnet

Deiner Schönheit Schatten Marut.

Rosen blühn, ihr Peris,

Kommet auf die Fluren Haruts;

Nachtigallen singen,

Trunken von dem Auge Maruts.

Qual und Leiden

Kostet mich die lange Trennung,

Zeig’ dich gnädig, dass einst

Auch Hafis dein Antlitz sehe!

1Harut und Marut, zwei Engel, welche, von Gott auf die Erde gesandt, Menschentöchter verführten und dann selbst gegeneinander in Liebe entbrannten; Suhre (Venus), ein tugendhaftes Weib, das ihre Anträge zurückgewiesen hatte, ward zur Belohnung für ihre Tugend in den Himmel versetzt, wo sie im Morgenstern die Laute spielt zum Reigen der Sterne. Harut und Marut aber wurden zur Strafe ihrer Missetaten in einem Brunnen bei Babel bei den Füßen aufgehängt, wo sie bis ans Ende der Welt so hängen bleiben, unterdessen aber allen, die sich dem Brunnen nahen und mit ihnen sich unterhalten wollen, in der Zauberei Unterricht geben; aus dieser sonderbaren Mythe fließen die häufigen Anspielungen in den erotischen persischen Gedichten, wo bald der Zauberreiz des Geliebten nur der Zauberkraft dieser beiden gefallenen Engel, und bald das Kinngrübchen mit dem Brunnen, in dem sie aufgehänget sind, verglichen wird.

AUS: DER BUCHSTABE BE

I.

Ich sprach zu dem Schah der Schönen:

Erbarme dich dieses Fremden,

Er sagte: Wohl mögen im Sinn

Verirren sich die Fremden.

Ich sagte: Verweil’ ein wenig,

Er sprach: Halt mich entschuldigt;

Was kümmert uns Kinder vom Haus

Der Gram von solchen Fremden!

Wer königlich hingebettet

Auf Hermelinen lieget,

Der kennet nicht Kissen aus Stein,

Das Dornenbett des Fremden.

O du, in den Ketten dessen

So viele Freunde schmachten,

Es schickt sich das Mal zum Gesicht

Gar schön gleich einem Fremden.

Es scheinen die feinen Haare

Auf deinen Wangen fremde,

Doch sollte auf Sinas Gemälden

Der Haarstrich nicht befremden.

Auf deinem Gesicht erscheinet

Der Widerglanz des Weines,

Wie Purpurblüh’ lieblich erscheinet

Auf der Narziss’ der Fremden.

Ich sprach zu dem Abend: Schwarz ist

Dein Haar, dem Fremde huldigen,

Mit Rechte beklagen sich dann

Zur Morgenzeit die Fremden.

Es sprach zu sich selbst der Dichter,

Bekannte werden irre;

So minder dann darf dich befremden

Der Gram und Schmerz der Fremden.

II.

Schon lächelt der Morgen,

Und Wolken ziehn her,

Den Wein! den Wein! Ihr Freunde!

Auf Wangen der Tulpen

Entglänzet der Tau,

Den Trunk! den Trunk! Ihr Freunde!

Es wehet von Fluren

Edenischer Hauch;

Verbergt den reinen Wein nicht.

Schon sitzet die Rose

Auf smaragdenem Thron,

Bring feurige Rubinen.

Versperrt ist die Schenke,

Ein anderes Mal

O tut euch auf, ihr Pforten!1

In Tagen des Frühlings

Ist’s wunderlich doch

So bald das Tor zu schließen!

Es bleibt den Rubinen

Des Mundes ihr Recht

Auf die verbrannten Busen.

Hafis, du vor allem,

Bekümmere dich nicht,

Das Los wird sich entschleiern.

1Eine Parodie eines Spruches, der gewöhnlich über den Eingang und die Türe geschrieben wird und so heißt:

Ja mufettihol – eburab iftah lena elbab bilchair.

O Eröffner der Pforten! Eröffne die Pforte mit Segen.

III.

Seht! wie der Morgen lacht! o reich’t statt der Sonne den Becher!

Jetzt ist die Zeit! o reichet den Wein her!

Einsam im Haus! Ein freundlicher Schenk, ein lieblicher Sänger!

Tage der Lust, des Bechers, der Jugend!

Unser Gemüt zu erfreuen und die Schönheit des Festes zu schmücken,

Ziemen zum Gold nur geschmolzne Rubinen?1

Liebling und Sänger reichen die Hand, die Trunkenen tanzen,

Schenkengekos’ macht schlaflos die Trinker.

Wir sind allein, und sicher ists hier im Zirkel der Trauten,

Offen sind nur die Tore der Wollust.

Kundig der Anmut des Weins verbarg die Natur, die gewandte,

Rosenwasser ins tiefste der Blätter,

Seit dass meinem Mond die Perlen Hafisens gefallen,

Horchet selbst Suhre den Tönen der Laute.

1Anspielung auf den Rubinenbecher Dschemschids, aus dem die alten persischen Könige am Neujahrsfeste am ersten Tage des Frühlings der zurückkehrenden Sonne Heil und Segen zutranken.

Ein schönes Epigramm, das roten Wein mit Onyx vergleicht, findet sich in der persischen Anthologie, S. 61, von Rüdegi:

Wer immer sieht den onyxfarben Wein

Hält ihn für Onyx auf den ersten Schein.

Und beide sind ein wahrer Edelstein.

Der eine flüss’ge, jener eine harte Spende;

Wer diesen kaum berührt, färbt sich damit die Hände,

Wer ihn gekostet kaum, fühlt ihn im Kopf behende.

IV.

Der Garten deines Genusses

Verleiht dem Paradiese Glanz.

Das Feuer deiner Entfernung

Entflammt der Hölle Glut.

Zu deinem Gesichte und Wuchse

Hat sich geflüchtet Edens Flur,

Von Tag zu Tage vermehre

Sich ihrer Schönheit Preis!

Wie Quellen fließet mein Auge

Die ganze lange Nacht hindurch,

Und schaut das Bild der Narzisse

In deinem Aug’, im Traum.

Der Frühling hat die Reize

Von deiner Schönheit nur erklärt,

Das Paradies erinnert

Mit jedem Schritt an dich.

Mein armes Herz – es verbrennet,

Und nicht erreicht es seinen Wunsch.

Wär’ sein Verlangen gestillet,

Nicht weinen würd’ es Blut.

Dein Mund erfordert mit Rechte

Von mir das Brand- und Wundengeld.

Du hast die Brust mir verwundet,

Er hat mein Herz verbrannt.

Glaub’ nicht, es seien Verliebte,

Zu unsrer Zeit allein berauscht,

Hast du von frommen Betrachtern,

Die trunken, nichts gehört?

Ha, deine Lippen bezeugen,

Dass der Rubin ein Tropfen ist,

Der von den Gluten der Sonne

Zur Erde niederfällt.

Den Schleier zieh zurücke,

Wie lang wirst du dich noch verhüllen?

Was nützet dich der Schleier?

Zu was verbergen dich?

Dein Gesicht schaute die Rose,

Ha! da entglühte sie voll Scham,

Sie spürte deinen Geruch und

Zerfloss in Rosenwasser.

Aus Liebe deines Gesichtes

Stürzt in das Elend sich Hafis,

Bald wird er sterben, o komm!

Und finde Rettung auf.

Hafis, es gehe das Leben

Nicht ohne Früchte dir vorbei,

Bemüh’ dich und erkenne

Des Lebens großen Wert.

In unserer Prosa würde der Inhalt dieser Ode beiläufig so heißen:

1) Bin ich bei dir, so bin ich im Paradiese, bin ich ferne von dir, so bin ich in der Hölle.

2) Die Reize Edens huldigen den deinen.

3) Mein Auge weint die ganze Nacht aus Sehnsucht nach dem deinigen.

4) Die Schönheit des Frühlings ist ein bloßer Kommentar über die deinige, und die Freuden des Paradieses sind eine schwache Erinnerung gegen die, welche deine Liebe gewähret.

5) Mein Herz ist verbrannt, weil ihm sein heißester Wunsch nicht gewährt wird.

6) Da dein Mund ein wahrer Wüterich und Mordbrenner ist, so mag er freilich auch Kriegssteuer und Brandschatzung fordern.

7) Nicht nur Verliebte, sondern auch fromme Männer sind Trinker.

8) Wenn ihr zweifelt, dass der Rubin nichts als geschmolzene Sonnensglut sei, so seht nur die Lippen des Geliebten an.

9) Entschleiere dich.

10) Rosen entfliehen, weil du sie an Schönheit beschämest.

11) Und Hafis vergeht aus Liebe.

12) Er kennt den Wert des vergänglichen Lebens und will es benutzen.

AUS: DER BUCHSTABE TA

I.

Bei dem Geiste des Herrn, beim alten Recht und dem Bündnis

Schwör ich, es bleibet dein Heil immer mein Morgengebet.

Meine Tränen ergießen sich zwar wie vor Noe die Sündflut,

Aber des Busens Bild waschen sie nimmer hinweg.

Kauf mein zerschlagenes Herz, in tausend Stücke zerbrochen,

Ist es so viel als sonst tausend der anderen wert.

Schelte mich nicht der Trunkenheit, der Geleitsmann der Liebe

Hat mich seit Anbeginn selber zum Rausche gebracht.1

Sei gerad’, dann ersteiget die Sonne hell dem Gemüte,

Während die Dämmerung trügt, zeigt sie sich finster und schwarz.2

Nicht verwirf, o mein Herz, die Hoffnung der Gnade des Freundes.

Hast du mit Liebe geprahlt, tue Verzicht auf den Kopf.

Wahnsinn jagt mich um dich hinaus in Wüsten und Berge,

Meiner Ketten Last, ach, die erleichterst du nicht!

Ausgeschmält hat die Ameis’ Assafen, und wahrlich mit Rechte,3

Dass er verloren den Ring, dass er ihn nimmer gesucht,

Gräme dich nicht, Hafis! und hoffe von Schönen auf Treue,

Ist es des Ackers Schuld, wenn das Getreide nicht wächst?

1Am Tage, wo das ewige Schicksal die Bestimmung aller Menschen entschied, ward auch meine Neigung zum Trunke unwiderruflich entschieden.

2Im Persischen ein besonderes Wortspiel. Die erste Dämmerung heißt Subhi kasib, der trügende Morgen. Das Morgenlicht, auf welches unmittelbar der Aufgang der Sonne folgt, heißt Subhi sadik, der aufrichtige Morgen. Sei also aufrichtig, dann wird die Sonne aufgehen; bist du trügerisch wie die erste Dämmerung, so wird es auch in deinem Gemüte finster bleiben.

3Eine Anspielung auf die Geschichte der Ameise, die, nachdem alle Tiere mit Geschenken beladen vor dem Throne Salomons erschienen waren, auch einen Grashalm brachte. Assaf verlor das Siegel Salomons, dessen sich hernach ein Diwe bemächtigte und mit Hilfe desselben in Salomons Namen regierend die Völker täuschte. Das Siegel Salmons bedeutet hier die Lippen des Freundes, deren Genuss für jetzt verloren ist. Hafis will sich aber nicht die Nachlässigkeit des Großwesirs zu Schulden kommen lassen.

II.

Die Zelte meiner Augen

Sind deinem Aufenthalt geweiht,

O komm herab, sei gnädig,

Denn meine Wohnung ist dein Haus.

Des Mals, der Flaumen Anmut

Hat Weisen selbst das Herz geraubt

O sonderbare Weise,

Sie dienen dir statt Netz und Korn.

In dem Genuss der Rose

Erfreue dich, o Nachtigall!

Denn mit verliebten Klagen

Erfüllest du allein die Flur.

Die Heilung meines Herzens

Sei deinen Lippen heimgestellt,

Die Kräfte des Rubines

Sind deinem Schatze anvertraut.

Zwar bin ich nicht im Stande

Dir körperlich zu nah’n,

Doch bleibet meine Seele

Der Staub der Schwelle deines Tors.

Ich spende nicht an jedes

Verliebtes auch mein Seelengold,

Dein Siegel und dein Zeichen

Sind meinem Schatze aufgedrückt.

Mein holder süßer Ritter,

Woher nahmst du die selt’ne Kunst,

Dass du den Gaul des Himmels

Nach Wunsch mit deiner Geißel zähmst?

Wie soll denn ich Verliebter

Den tausend Künsten widerstehn,

Den Gaukelei’n, mit welchen

Du selbst den Himmel irreführst.

Es tanzen selbst die Sphären

Im lichten Harmonienkreis

Indem hiezu die Weise

Das süße Lied Hafisens spielt.

III.

Herz! du bist der Schleier Ihrer Liebe,

Aug’! du bist der Spiegel Ihres Glückes;

Bei den Welten neiget sich mein Kopf nicht,

Ihre Gnade beuget meinen Nacken.

Du und Tuba, ich und Wuchs der Freundin,1

Jeder denkt, was seinem Sinn gemäß ist.

Was kann mir in dem Hareme werden,2

Wo der Ost selbst vor der Türe stehet.

Ist mein Saum befleckt, was hat’s zu sagen,

Wenn die Welt von Ihrer Reinheit zeuget,

Hin sind Medschnun’s Tage, nun sind meine,3

Jeder kömmt fünf Tage an die Reihe;

Alles, Liebeherrschaft, Freudenschätze

Alles nur ein Seegen Ihres Glückes.

Sei ich selber, sei mein Herz geopfert,

Ists kein Schade, wenn nur Sie gesundet.

Meinem Auge sei Ihr Bild nie ferne,

Denn Ihr Kämmerlein ist dieser Winkel.4

Frische Rosen die der Flur entblühen

Blühen glänzend, duften wie Ihr Umgang.

Schaut nicht auf Hafisens äußre Armut,

Denn sein Busen ist der Schatz der Liebe.

1Du frommer Scheich denkst an den Baum des Paradieses Tuba, ich Profaner auf den Wuchs der Freundin. Jedem das Seinige.

2Wie kann denn ich hoffen in ihren Harem zu kommen, wozu selbst jedem Lüftchen der Eingang verwehret ist.

3Medschnun, das Ideal eines unglücklich Liebenden.

4Dieser Winkel meines Auges.

IV.

Mein Kopf und Willen fügen sich

Zur Schwelle meiner Freundin,

Was über meinen Kopf ergeht,

Ergeht nach Ihrem Willen.

Ich schaute Ihresgleichen nicht,

Wiewohl dem Mond der Sonne,

Den Spiegel ich entgegenhielt

Bloß des Vergleiches willen.

Was kann der Ostwind von der Qual

Des armen Herzens sagen?

Es ist verwickelt Blatt in Blatt

Wie eine Rosenknospe.

In dieser trunknen bösen Welt,

Sind außer mir noch Trunkne;

Gar viele Köpfe sind allhier

Geformt aus Ton der Kanne;1

Vielleicht hast du mit einem Kamm

Dein Ambrahaar durchfahren,

Weil Moschusduft im Ostwind haucht

Und Ambra aus der Erde.

Ein jedes Rosenblatt der Flur

Sei deiner Wangen Streue,

Und die Zypressen an dem Fluss

Ein Opfer deines Wuchses!

Die Sprach’ und Redekunst verstummet,

Soll sie die Sehnsucht schildern,

Wie könnte das, der Feder Rohr,

Das schwätzende, gespaltne!

Dein Angesicht kam in mein Herz,

Nun wird mein Wunsch erfüllet,

Denn gute Dinge folgen stets

Auf gute Vorbedeutung.

Es fiel Hafisens Herz nicht jetzt

Ins Feuer der Begierde,

Von ewig her ist dein Gesicht

Gebrannt wie eine Tulpe.2

1Der Ton, aus dem Weinkannen geformt werden, war von Ewigkeit her bestimmt zu trinken. Trunkenbolde sind auch aus solchem Ton geformet.

2Tulpen sind von Natur aus mit Brandmalen gezeichnet, so ist Hafisen von Ewigkeit her das Feuermal der Liebe auf die Stirne eingebrannt.

V.

Schau den Schwarzen nur an,

Der die Welt versüßt!

Augen glühen, Lippen lachen

Herzen sind fröhlich durch ihn.

Zuckermündige sind

Zwar die Herr’n der Welt,

Aber Salomon ist jener,

Welcher den Siegelring hat.

Dieses schwärzliche Mal

Auf den weißen Wangen,

Lehrt uns, dieses sei das Körnlein,

Welches einst Adam verführt.1

Weise sinnet der Freund,

Freunde helft bei Gott!

Wie wird’s gehen dem wunden Herzen?

Denn die Arznei ist bei Ihm.

Er ist schön von Gesicht.

Rein und tugendvoll.

Beider Welten reine Seelen

Geben darum ihm Geleit.

Wem kann ich es vertrauen?

Dieser Mörder hat

Mich erschlagen, ob er gleich den

Hauch des Messias besitzet.

Zähle deinen Hafis

Stets den Frommen zu,

Denn es wandeln viele Geister

Seliger Freunde mit ihm.

1Nach der Sage der Islams war die Frucht, durch welche Adam das Paradies verlor, nicht ein Apfel, sondern ein Weizenkorn. Hafis vergleicht damit das Mal des Geliebten, das auch auf den ersten Anblick alle Ruhe und Glückseligkeit raubet.

VIII.

Fordre ja nicht von mir Trunknem

Pflichterfüllung, gute Werke,

Denn am Tage der Bestimmung

Ward zum Becher ich bestimmet.

Seit ich an dem Quell der Liebe

Mich nach Brauch gewaschen habe,

Hab’ ich ja mit einem Worte

Allem Übrigen entsaget.

Gib mir Wein, dass vom Geheimnis

Meines Loses ich dir sage,

Welches Angesicht ich liebe,

Welcher Duft mich trunken machte.

Berge trugen diese Lasten

Nicht so sicher wie die Ameis’.

Trinker, du verzweifle niemals

An der Pforte der Erbarmung.

Ausser dem Narzissenauge

(Gott bewahr’s vor bösen Augen)

Hat im blauen Himmelskreise

Alles seine Ruh’ verloren.

Willig werde meine Seele

Deinem Munde hingeopfert,

In der Garten schöner Ansicht

Blühet keine schönre Knospe.

Deine Liebe hat Hafisen

Salomonen gleich gemacht,

Denn es bleibt ihm vom Genusse

Nichts als Wind in leeren Händen.

IX.

Gut ist, was auf dem Pfad des Gemüts vor Betrachtenden herzieht,

Auf geradem Weg’ hat sich noch keiner verirrt.

Wunderlich ist das Spiel, wir wollen den Bauern nur ziehen,

Denn auf diesem Feld zieht der Betrunk’ne nicht Schah.

Kennt ihr das hohe Gewölb mit vielen seltnen Gemälden?

Noch hat auf der Welt keiner das Rätsel gelöst.

Freilich begreifet mich nicht der außen frömmelnde Klausner;

Ihm verarge ich nichts, was er auch über mich sagt.

Was für Ergebung, o Herr, und Dulden vergleicht sich mit meinem?

Sieh, mir blutet das Herz, und es entflieht mir kein Ach!

Unser Wesir fehlt wider den Stil und die Formen des Diwans,1

Denn die Formel durch Gott fehlet auf seinem Ferman.

Komme, wer will, und jeglicher sprech’ nach seinem Belieben

Freundlich und liebreich sind Pförtner und Hüter des Tors.

Steht es nicht recht, so ist an meinem Wuchse der Fehler;

Denn es ist dein Kleid keinem der andern zu kurz.

In die Schenke geht ein, Ihr Reinen von Herzen und Geiste,

Prahler und Gleisner gehört nicht auf der Trunkenen Weg.

Dienen will ich dem Herrn, der mir beständig gewogen,

Nicht wie der Klausner und Scheich, bald mir gewogen, bald nicht.

Ehrenstellen verschmäht Hafis aus höherem Sinne:

Gold und Ehre reizt liebende Herzen nicht viel.

1Hisbet lillah, eine Formel, die dem Wir durch Gottes Gnaden entspricht und oben auf die Briefe oder Kanzleibefehle gesetzt wird. Unser Wesir hat die Formel vergessen, seine Befehle sind ungültig; d.i. mein Geliebter handelt nicht nach Recht und Billigkeit.

XII.

O Morgenwind, gehst du vorbei

Beim Aufenthalt der Freundin,

Bring einen Hauch vom Wohlgeruch

Des Ambrahaars der Freundin.

Bei ihrer Seel’! ich will aus Dank

Die meinige verstreuen,

Wenn du zu mir die Kunde bringst

Vom Busenschnee der Freundin.

Ich bin ein Bettler! – Ihr Genuss!

O wehe der Verwirrung!

Vielleicht kann ich im Traume sehn

Das schöne Bild der Freundin.

Es zittert auf mein hohes Herz

Wie Weiden leicht beweglich,

Aus Sehnsucht nach dem hohen Wuchs

Der Pinie der Freundin.

Wiewohl die Freundin mich für nichts

Erkaufet hat zum Sklaven,

So geb’ ich doch um eine Welt

Kein Haar vom Kopf der Freundin.

Was nützt es wohl, wenn auch das Herz

Hafisens frei vom Gram ist,

Er bleibet doch der treue Knecht,

Er bleibt der Sklav’ der Freundin.

XIII.

Komm! es ruht der Palast der Hoffnung auf lustigen Pfeilern,

Komm und bringe mir Wein, unsere Tage sind Wind.

Gerne weih’ ich als Sklav mich jenem mutigen Geiste,

Der auf der weiten Welt aller Verbindung entsagt.

Soll ich dir sagen, wie gestern der Lichtbot’ himmlischer Freuden

In die Schenke zu mir heimliche Kunde gebracht.

O hochfliegender Falk’! du wohnst auf dem Baume des Lebens,

Dieser Winkel des Grams ziemet dir übel zum Nest.

Horch! sie rufen auf dich herab von den Zinnen des Himmels,

Wahrlich, ich weiß nicht, was hier in dem Netze dich hält.

Ich erteile dir Rat, merk ihn und handle nach solchem,

Denn ich habe das Wort selber vom Meister gelernt.

Such nicht Glauben und Treu’ bei der Welt der leichtfertigen Dirne,

Tausend Werber ja hat diese verrufene Braut.

Kümmere dich nicht um die Welt, und meine Lehren vergiss nicht;

Diesen verliebten Scherz ließ mir ein Wandrer zurück.

Gib dich in das, was geschehn, enthülle die Stirne von Locken,

Weder mir noch dir hat man gegeben die Wahl.

Weder Dauer noch Treu’ bezeichnet das Lächeln der Rose

Liebende Nachtigall, klag’! Stoffes zu Klagen genug!

Was beneidest du Hafisens strömende Verse?

Wiss’, es hat ihm ein Gott Anmut der Rede verliehn.

XVII.

Der Garten Edens ist die Zelle der Derwische.

Es quillt ein Ehrenquell im Dienste der Derwische.

Der Schatz der Einsamkeit mit feinem Talisman

Wird nur gehoben durch die Blicke der Derwische.

Die Sonne legt die Krone ihres Stolzes nieder,

Vor jenem Scheine, der umstrahlet die Derwische.

Des Himmels herrlichster Palast mit seinem Hüter

Ist nur ein Schatten von den Fluren der Derwische.

Der Stein der Weisen, der durch Glanz des Herzens Eisen

In Gold verkehrt, liegt in dem Umgang der Derwische.

Das Heer des Unrechts ist von Pol zu Pol gelagert,

Allein des Siegs Gelegenheit ist für Derwische.

Suchst du die Herrschaft, die kein Untergang bedrohet,