Der Dreizack des Poseidon - Reinhard Micheel - E-Book

Der Dreizack des Poseidon E-Book

Reinhard Micheel

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Beschreibung

Eigentlich will Hauptkommissar Georg Mendig auf Kreta nur Urlaub machen. Aber eine Bitte seines Vaters verändert nicht nur sein Lebe Auf dem Soldatenfriedhof Maleme soll er Nachforschungen zum Schicksal zweier Kameraden seines Vaters anstellen. Dabei stößt er auf eine Geschichte, die sehr weit in die Vergangenheit zurückreicht. Es ist die Geschichte einer Freundschaft und eines Geheimnisses. Begonnen hat alles in der Antike und im 16. Jahrhundert, als Piraten in der Ägäis ihr Unwesen trieben. Aber davon ahnt Georg nichts. Er weiß nur, dass sein Vater und dessen griechischer Freund während des Krieges etwas in Erfahrung gebracht haben, das mit dem "Dreizack des Poseidon" zu tun hat. Aber genau diese Erinnerung fehlt seinem Vater. Eine durch ein Kriegstrauma bedingte Amnesie hat diesen Teil seines Gedächtnisses gelöscht. Mit den Infos von Kreta gelingt es Georg, die Erinnerungen seines Vater nach und nach zurückzuholen. Gemeinsam fliegen sie nach Karpathos, um vor Ort dem Geheimnis auf die Spur kommen. Dabei treffen sich die beiden Freunde aus Kriegstagen wieder. Schnell stellen sie fest, dass sie nicht die einzigen sind, die nach dem "Dreizack des Poseidon" suchen ...

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Seitenzahl: 240

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Reinhard Micheel

Der Dreizack des Poseidon

Der Autor

Reinhard Micheel, Jahrgang 1953, ist als alter Pfadfinder gerne in der Welt unterwegs, um andere Menschen und Kulturen kennenzulernen. Seine Reisen führten ihn auf alle fünf Kontinente. Seine große Liebe gehört neben Afrika, das er als Geschäftsführer der Entwicklungsorganisation Aktion Canchanabury über 60-mal bereiste, besonders Griechenland – speziell der Insel Karpathos! Dort verbringt er seit Anfang der 90er Jahre seine Ferien. Seit dem Eintritt in den Ruhestand versucht er sogar, auch die Sprache seines Gastlandes zu lernen.

Reinhard Micheel ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt in Bochum. Dass er mitten aus dem Ruhrgebiet kommt, merkt man an der teils flapsigen Sprache, mit der er seine Geschichten erzählt.

Reinhard Micheel

Der Dreizack

des Poseidon

Roman

Für meinen Vater

Johann „Hannes“ Micheel

Impressum

ISBN

Texte: © by Reinhard Micheel

Umschlaggestaltung: © by Reinhard Micheel

unter Verwendung eines KI-generierten Bildes

Lektorat: Heribert Kleine, Bochum

Verlag Reinhard Micheel, Liebfrauenstr. 35, 44803 Bochum

[email protected]

Herstellung: Epubli–ein Service der Neopubli GmbH,

Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:[email protected]

Personen

Hans „Hannes“ Mendig, Fallschirmjäger aus Bochum, bleibt im Baum hängen, wird von einem Feind gerettet und kann sich revanchieren. Beginn einer geheimnisumwitterten Freundschaft, jahrzehntelang unterbrochen von einer kriegsbedingten Erinnerungslücke.

Yannis Kyriakos, wollte eigentlich Arzt werden, wurde aber Fischer und Tavernenwirt auf Karpathos. Mit seinem Retter entdeckt er ein Geheimnis, das sein weiteres Leben und das seines Retters bestimmen wird.

Georg Mendig, Kriminalhauptkommissar in Bochum und Sohn von Hans Mendig, kommt bei einem Kreta-Urlaub auf die Spur des von seinem Vater „vergessenen“ griechischen Freundes.

Poseidon, mächtiger antiker griechischer Meeresgott, jagt mit Zeus und Hades erfolglos Titanen auf Karpathos. Nach einem ausschweifenden Gelage mit seinen beiden Götterbrüdern kann er sich nicht mehr daran erinnern, wo er seinen Dreizack, das Symbol und Werkzeug seiner Macht, liegengelassen hat.

Amphitrite, Meeresnymphe und verheiratet mit Poseidon, macht ihrem Gatten schwere Vorwürfe und nervt ihn damit gewaltig.

Osman Ibn Caldun, berühmter Piratenkapitän in der Ägäis, macht beim Verstecken der Beute seiner letzten Kaperfahrt eine sensationelle Entdeckung.

Nikolas „Nikos“ Kritikos, Steuermann und Vertrauter von Ibn Caldun, hat immer gute Vorschläge für seinen Boss, neigt aber oft zu nicht abgesprochenen Aktionen.

Francesco, venezianischer Kanonier auf der Karavelle des Ibn Caldun, weiß eine ganze Menge, stellt viele Fragen und hält sich nicht an Befehle, was ihm letztlich nicht bekommt.

Mathurin d’Aux des Lescou, genannt Kapitän Romegas, Galeeren-Kapitän des Johanniterordens auf Rhodos und erfolgreicher Piratenjäger, erhält den Befehl, Ibn Caldun eine ganz bestimmte Beute abzujagen.

Philippe Villiers de L’Isle-Adam, Großmeister des Johanniterordens auf Rhodos, ist es gewohnt, dass seine Befehle ohne Wenn und Aber ausgeführt werden – und zwar immer umgehend.

Archonte Angelos Mavrocordatos, Oberhaupt einer Adelsfamilie auf Rhodos, plant mit der Verheiratung eines seiner Söhne weiter an Einfluss zu gewinnen.

Conte Kallergis, sehr einflussreicher kretischer Adliger und Kaufmann, will mit einer sehr hohen Aussteuer für die Vermählung seiner Tochter einen Fuß für künftige Geschäfte auf Rhodos bekommen.

Max Schmeling, Boxweltmeister und Fallschirmjäger, sitzt neben Hans Mendig in einer JU52 und muss mit ihm und vielen Hundert anderen Fallschirmjägern über Maleme/Kreta abspringen.

Hans Obermayer, Hauptmann und als kommandierender Offizier der 6. Kompanie des II. Strafbatallions der 999. leichten Afrika-Division auch Chef der deutschen Besatzungstruppen auf Karpathos, gibt Hans Mendig einen Befehl, den dieser so, wie verlangt, nicht ausführen kann und will.

Maria Marinakis, bildhübsche Schwester von Yannis Ehefrau Eleni, ist unsterblich verliebt (mit unerwarteten Folgen) und bleibt dies auch nach dem Krieg.

Nikos Kyriakos, Sohn von Yannis Kyriakos und Fischer sowie Tavernenwirt wie sein Vater, ahnt nichts von einem lang gehüteten Geheimnis um seine Person.

Stavros Katsaros, Kommissar der griechischen Kriminalpolizei, eigenwilliger Einzelgänger und bei Kollegen nicht sehr beliebt, wird gegen seinen Willen nach Karpathos „strafversetzt“, wo er einen Mord und eine Entführung aufklären soll.

Panagiotis Dukas, Anführer und Oberhaupt der „Getreuen des Poseidon“, will unbedingt in den Besitz des verschwundenen Dreizacks kommen. Dafür ist ihm wirklich jedes Mittel recht.

Vasilis Karalis, angeheuerte rechte Hand des Anführers der „Getreuen des Poseidon“, macht für Geld fast alles. Ihn und seine Fähigkeiten nutzt Panagiotis zur Erreichung seiner Ziele.

Bischof von Rhodos, will unbedingt das Wiedererstarken des antiken Götterglaubens verhindern und entsendet deshalb ein eigenes Team nach Karpathos.

Prolog

Soldatenfriedhof Maleme/Kreta

13. August 2002

Vom Meer weht ein heißer Wind herauf. Georg Mendig kommt es vor, als halte ihm jemand einen auf höchster Stufe laufenden Föhn vors Gesicht. Die Hitze zur Mittagszeit ist fast unerträglich. Nur einige vereinzelt stehende Bäume spenden etwas Schatten. Georg steht am höchsten Punkt des deutschen Soldatenfriedhofs Maleme im Westen der griechischen Insel Kreta.

In der flirrenden Mittagshitze kann er unten nahe der Küste den Militärflugplatz Maleme erkennen. Das Dröhnen der startenden Kampfjets schallt bis zu ihm herauf. Hier also ist sein Vater am 20. Mai 1941 zusammen mit 600 anderen deutschen Fallschirmjägern des Luftlande-Sturmregiments abgesprungen. Im Rahmen der Luftlandeoperation „Merkur“ sollten sie als erste Angriffswelle den strategisch wichtigen Flugplatz Maleme einnehmen. Wie verlustreich dieser Einsatz sowie die gesamte sich anschließende Operation zur Einnahme Kretas verlaufen ist, davon zeugen beispielhaft die 4.465 Gräber auf dem Soldatenfriedhof in Maleme.

In Gedanken versunken geht Georg Mendig durch die Gräberreihen. Auf den Grabsteinen findet er als Geburtsjahr fast ausschließlich die Jahrgänge 1919-1922. Sein Vater ist Jahrgang 1920, war also damals 21 Jahre alt. Als Todesdatum ist auf den meisten Kreuzen der 20. und 21. Mai 1941 vermerkt.

Als sein Vater von den Plänen eines Kretaurlaubs seines Sohnes erfuhr, äußerte er eine Bitte an Georg. Er solle versuchen herauszubekommen, ob auf dem Friedhof in Maleme zwei seiner Freunde liegen. Mit beiden habe er in Stendal die Ausbildung zum Fallschirmjäger absolviert und anschließend in derselben Einheit gedient. Er wisse leider nicht, was nach dem Absprung auf Kreta aus ihnen geworden ist. Das vor Ort herauszufinden, dürfe für Georg als leitenden Hauptkommissar bei der Bochumer Kripo wohl kein größeres Problem darstellen, hatte sein Vater ironisch schmunzelnd angemerkt.

Mit dem Zettel der Namen der verschollenen Freunde steht Georg Mendig nun hilflos inmitten des endlos erscheinenden Gräberfeldes. Soll er etwa bei dieser brütenden Mittagshitze Grab für Grab abgehen, um eventuell mit sehr viel Glück die letzte Ruhestätte von Vaters Freunden zu entdecken. Er spielt schon mit dem Gedanken, nach der Rückkehr seinem Vater einfach zu erzählen, dass er die Gräber der beiden nicht gefunden habe.

Da legt sich plötzlich eine Hand auf seine rechte Schulter. Hinter ihm steht ein sehr alter Mann mit schneeweißem Haar und einem gewaltigen Schnurrbart, der lächelt ihn freundlich an.

„Kalimera!“, begrüßt er Georg und fährt in gebrochenem Deutsch fort: „Kann ich Ihnen vielleicht helfen? Sie suchen sicherlich das Grab eines Verwandten, oder?“

„Das wäre sehr nett, denn angesichts der Menge an Gräbern und der großen Hitze wollte ich die Suche fast schon aufgeben. Mein Vater bat mich zu überprüfen, ob vielleicht zwei seiner Freunde auf dem Friedhof bestattet wurden. Sie sind wie er am 20. Mai 1941 auf Kreta abgesprungen. Danach hatte er sie aus den Augen verloren.“

„Falls man sie tatsächlich mit Namen bestattet hat, dürfte es kein Problem sein, ihre Gräber zu finden. Im Eingangsgebäude haben wir die Listen mit allen in Maleme beerdigten deutschen Soldaten. Bitte folgen Sie mir!“

Auf dem Weg zum Verwaltungsgebäude kommen die beiden ins Gespräch. So erfährt Georg, dass sein Gegenüber Konstantinos Kyriakos heißt und der Verwalter sowie der Fremdenführer auf dem Friedhof ist. Georg staunt nicht schlecht, als er auch noch erfährt, dass Konstantinos einer der Anführer des kretischen Widerstandes gegen die deutschen Besatzer gewesen ist. Seinerzeit sei ein recht hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt worden. Gekriegt hätten sie ihn allerdings nie, grinst er Georg Mendig an. Als 1974 der Friedhof eingerichtet wurde, habe er sich sofort als Verwalter beworben und – lächelt er schelmisch – aufgrund seiner „Qualifikation“ die Stelle bekommen.

In Konstantinos Büro gibt’s aber erst einmal eine Erfrischung für den deutschen Besucher. Für ein schönes, kühles Mythos-Bier sei es wohl noch etwas früh, meint Konstantinos lächelnd, zumal Georg ja noch fahren muss. Also bereitet er für beide jeweils einen eiskalten Frappé. Das sei genau das Richtige bei den derzeitigen Temperaturen. Danach dauert es nicht einmal zehn Minuten, da entdeckt Konstantinos die Namen der Gesuchten. Beide sind schon in den ersten Tagen der Luftlandeoperation gefallen und wurden später fast nebeneinander begraben.

Georg hat in seiner Brieftasche einige vergilbte Fotos seines Vaters aus Kriegszeiten, die ihm sein Vater vor dem Start in den Urlaub mitgegeben hat. Darauf sind zum Beispiel er und seine beiden Freunde zu sehen, aber auch andere Fotos aus seiner Zeit als Fallschirmjäger sind dabei. Als Konstantinos die Fotos sieht, stutzt er plötzlich und zeigt auf eines der Bilder.

„Das ist Ihr Vater?“, fragt er erstaunt. „Sehen Sie die Tätowierung auf dem Oberarm mit dem Dreizack-Symbol und dem Schriftzug «Η τρίαινα του Ποσειδώνια». Übersetzt heißt das: ‚Der Dreizack des Poseidon‘! Mein Bruder Yannis hat genau solch ein Tattoo und zwar sogar an der gleichen Stelle. Dort steht es jedoch auf Deutsch. Kommen Sie mal mit, denn ich muss Ihnen unbedingt etwas zeigen.“

Etwas verwirrt folgt Georg seinem Gastgeber. Was will der denn jetzt von mir? So ein Tattoo haben doch sicher viele Menschen. Dafür kann es doch tausend Gründe geben. Auf der Rückseite des Hauses schließt Konstantinos einen Raum auf, der ihm offensichtlich als Wohnung dient. Um etwas mehr Licht zu haben, öffnet er eines der Fenster und zeigt dann auf ein gerahmtes Foto, das zusammen mit einer Reihe anderer Familienfotos über dem Bett hängt.

Ungläubig starrt Georg auf das vergilbte Foto. Es zeigt zwei junge Männer, die sich lachend in den Armen liegen und in die Kamera schauen. Kein Zweifel: Der eine ist sein Vater Hans Mendig in deutscher Wehrmachtsuniform und der andere muss wohl Konstantinos Bruder Yannis sein. Auf Yannis Oberarm ist deutlich ein Tattoo mit einem Dreizack zu erkennen.

„Sie sind der Sohn des deutschen Soldaten, dem besten Freund meines Bruders, vom dem er seit damals ständig geredet hat. Die beiden scheint ein Geheimnis zu verbinden. Nur mit dem deutschen Yannis, wie er ihn nennt, könne er das Geheimnis endlich lüften.“

Teil 1

Vor sehr langer Zeit

in der Ägäis

„Und Poseidon, der mächtige Herr des Meeres, der die Erde erzittern macht, mit dem ehernen Dreizack in der Hand.“

Hesiod, Theogonie (ca. 700 v. Chr.)

Irgendwo in der Ägäis

„Poseidon!“ Wer schreit denn da so laut? Der Meeresgott richtet sich auf und öffnet ganz langsam die Augen, aber schließt sie sofort wieder. Denn das grelle Licht, das ihn plötzlich umgibt, verursacht einen stechenden Schmerz in seinem Hinterkopf. Kraftlos sinkt er zurück auf sein Lager.

Wo bin ich? Wer ruft denn da nach mir? Woher kommen diese fiesen Kopfschmerzen? Er versucht sich zu orientieren und zu erinnern. Nun, die Beantwortung der ersten beiden Fragen ist noch relativ einfach. Er befindet sich ganz offensichtlich in seinem Palast in den Tiefen der Ägäis. Das gleißende Licht sind die Strahlen der griechischen Sonne, die sich im klaren Wasser und den kristallenen Mauern seines Palastes brechen. Tja, und die laute Stimme, die ihn geweckt hat, gehört wohl seiner Gemahlin Amphitrite. Die Erklärung für die Kopfschmerzen liefert ihm dann ungefragt seine Göttergattin.

„Musst du immer so viel trinken, wenn du mit Zeus und Hades unterwegs bist?“, beginnt sie sofort keifend mit ihren Vorhaltungen. „Als die Nereiden (Meeresnymphen) dich heute Nacht abgeliefert haben, warst du derart betrunken, dass du dich nicht mehr auf den Beinen halten konntest. Du hast keinen klaren Satz mehr herausgebracht.“

Sie holt gerade Luft, um mit ihrer Tirade fortzufahren, da hebt er gebieterisch die Hand. Mit matter Stimme, mit der er an anderen Tagen eigentlich Seebeben auslösen kann, befiehlt er ihr: „Schweige, Weib, und lass mich in Ruhe, bevor ich die Geduld mit dir verliere!“

Wider Erwarten kommen keine weiteren Vorwürfe von ihrer Seite! Grummelnd verlässt sie das Ehegemach, nicht ohne die Kristalltür laut klirrend zuzuwerfen. Die danach eintretende Stille hilft ihm, sich zu erinnern. Ja, er war mit Zeus und Hades unterwegs, denn ihr Kampf gegen die Titanen war noch nicht gewonnen. Zeus hatte Hades und ihn als seine Brüder aufgefordert, ihn nach Karpathos, einer kleinen Insel in der südöstlichsten Ecke der Ägäis, zu begleiten. Im Norden dieser Insel solle sich angeblich der Sitz einiger der Titanen befinden. Gemeinsam könnten sie mit geballter Macht diesen Göttern der ersten Generation auf ihrer Heimatinsel endgültig den Garaus machen.

An sich war das, wie Poseidon fand, ein guter Plan. Doch – wie sich später zeigte - scheiterte er ebenso wie schon ähnliche Versuche zuvor. Diese verfluchten Titanen hatten sich mal wieder aus dem Staub gemacht. Was für elende Feiglinge! Zeus war darüber so sauer, dass er die Insel mit Blitz und Donner überzog, wie es sie zuvor noch nie gegeben hatte. Hades und Poseidon wollten da natürlich nicht zurückstehen. Hades schleuderte Feuerstrahlen und entzündete die Wälder. Und Poseidon stieß seinen gefürchteten Dreizack mehrmals in den Boden, sodass die gesamte Insel von einem heftigen Erdbeben erschüttert wurde.

Nachdem sie sich etwas abreagiert hatten, beschlossen sie, den Tag mit einem ordentlichen Gelage ausklingen zu lassen. Dabei schmiedeten sie Pläne für ihren weiteren Feldzug gegen die Titanen. Wie üblich artete die Sache etwas aus und führte dazu, dass Poseidon am Ende nicht mehr wusste, wie er anschließend zurück in seinen Kristallpalast gekommen war.

Jetzt liegt er voll bekleidet mit wirren Haaren und Bart auf seinem Lager und hat fürchterliche Kopfschmerzen. Als er sich zur Seite wendet, um nach seinem Dreizack zu greifen, ist dieser nicht dort, wo er eigentlich liegen müsste. Von ihm trennt er sich nie mehr als ein paar Meter, ist er doch das Symbol seiner Macht und eine starke Waffe. Mit der kann er Stürme entfesseln, das Meer beruhigen, Inseln und Quellen erschaffen und Erdbeben auslösen. Geschmiedet haben den Dreizack die Zyklopen, die einäugigen Riesen, ebenso wie sie die Donnerkeile für Zeus und den Helm der Unsichtbarkeit für Hades gefertigt haben.

Wo ist dieser Sch...-Dreizack? Wo habe ich ihn liegengelassen? Das ist mir bisher noch nie passiert, egal wie viel ich getrunken habe.

„Amphitrite!“, brüllt er durch den Palast. „Hast du meinen Dreizack gesehen? Liegt der irgendwo im Palast herum?“

Hämisch feixend betritt Amphitrite das Gemach: „Nein, mein lieber Mann! Hier im Palast ist er sicher nicht. Du wirst ihn wohl in deinem betrunkenen Zustand verloren oder irgendwo liegengelassen haben. Lass das Saufen sein, dann passiert so etwas auch nicht.“

„Raus, aber sofort!“, ist Poseidons drohende Reaktion. Das hat ihm gerade noch gefehlt, sich in dieser Situation von seiner Frau Vorwürfe anhören zu müssen.

Was mache ich jetzt? Ich brauche den Dreizack. Ohne ihn bin ich aufgeschmissen. Wenn bloß der Kopf nicht so wehtun würde und ich klarer denken könnte.

Poseidon lässt Thalia und Galateia, zwei seiner ihm dienenden Meeresnymphen, rufen. Sie hatten ihn gestern nach Karpathos begleitet. Aber auch sie wissen nicht, wo der Dreizack abgeblieben sein könnte. Er beauftragt sie, zusammen mit ihren Schwestern nach dem Ding zu suchen ... und wenn sie dafür nach Karpathos müssten.

Das Ganze entwickelt sich zu einer großangelegten Suchaktion, an der sich fast alle 50 Meeresnymphen beteiligen – doch ohne Erfolg! Obwohl sie den gesamten Norden der Insel Karpathos auf den Kopf stellen, jeden Winkel und fast jede der zahllosen Höhlen durchsuchen, taucht der Dreizack nirgends auf. Auch die Kontrolle des benutzten Rückweges von Karpathos zum Kristallpalast ergibt nicht den Hauch einer Spur von Poseidons Waffe.

Der Verlust des Dreizacks spricht sich natürlich nicht nur im Olymp herum. So bleiben dem Meeresgott Spott und Häme nicht erspart. Seine Frau Amphitrite, selbst eine der Nereiden, bekommt über Wochen das Grinsen nicht aus dem Gesicht, sobald sie ihren Gatten sieht. Poseidon bleibt nichts anderes übrig, als den schweren Gang zu den Zyklopen anzutreten und diese zu bitten, ihm einen neuen Dreizack anzufertigen. Gegen einige Zugeständnisse, über die man Stillschweigen vereinbart, fertigen ihm die Zyklopen einen neuen, ebenso machtvollen Dreizack an.

Der verlorene Dreizack aber bleibt verschwunden und

gerät über die Jahrhunderte allmählich in Vergessenheit!

Teil 2

In den Gewässern vor Karpathos

im Juni 1515

„Nachdem sich die Johanniter auf Rhodos niedergelassen hatten, zählte besonders die Bekämpfung der muslimischen Seeräuberei zu ihren Hauptaufgaben.“

13. Interdisziplinäre Sommerakademie des Zentrums für Mittelalter, 2010, Mittelalter.hypotheses.org

Bucht von Tristomo/Karpathos – 07. Juni 1521

Osman Ibn Caldun steht zufrieden lächelnd am Bug seiner Karavelle, als sie in die Bucht von Tristomo einfahren. Seine Mannschaft ist gerade dabei, die Segel zu reffen. Hinter ihnen liegt eine mehr als erfolgreiche Kaperfahrt. Der Laderaum ist bis an den Rand gefüllt mit der Beute von drei gekaperten Schiffen. Neben wertvollen Stoffen wie Seide, Fässern mit Wein und Olivenöl sind es vor allem die Kisten mit Schmuck, Edelsteinen, Gold und Münzen in verschiedenen Währungen, die ihm und seinen Männern in die Hände gefallen sind.

Besonders stolz ist er darauf, dass er bei den drei Kaperungen keinen einzigen seiner Männer verloren hat. Lediglich die Besatzung der Karavelle eines venezianischen Händlers hatte versucht, Widerstand zu leisten, was ihr aber nichts nutzte. Denn gegen seine kampferprobte Mannschaft hatten die armen Kerle nicht den Hauch einer Chance.

Bei zwei anderen Schiffen ergaben sich die Besatzungen bereits, als Osman mit seiner Karavelle längsseits ging. Eines der geenterten Schiffe war ebenfalls eine Karavelle. Sie gehörte einem zypriotischen Händler und hatte Wein und Olivenöl geladen. Das dritte Schiff war eine Brigantine und sie war der absolute Treffer dieser Kaperfahrt. So eine fette Beute hatten sie seit langer Zeit nicht mehr gemacht.

Obwohl das Schiff, Eigentum eines reichen Händlers auf Rhodos, äußerlich recht heruntergekommen wirkte, sprach die Ladung eine ganz andere Sprache: Gold, Münzen, Schmuck und Edelsteine! Diese Kostbarkeiten waren, wie Osman vom Kapitän der Brigantine erfuhr, die Mitgift der kretischen Adelsfamilie Kallergis für die bevorstehende Vermählung ihrer Tochter mit einem Sohn der auf Rhodos politisch und wirtschaftlich sehr einflussreichen Adelsdynastie der Mavrocordatos. Deren Hochzeit sollte in wenigen Wochen inder Kirche der Jungfrau Maria von Burg (Panagia tou Kastrou)stattfinden. Na ja, dachte sich Osman, ob der Jüngling die Braut wohl auch ohne die wertvolle Mitgift heiraten wird. Bei solchen Familien geht es meistens um Geld und Einfluss.

Zur „Beute“ gehören diesmal auch 12 kräftige Matrosen, die sie auf der gekaperten Brigantine gefangengenommen hatten. Die will Osman als Sklaven auf einem der Sklavenmärkte an der nordafrikanischen Küste gewinnbringend verkaufen. Die Nachfrage nach Sklaven mit seemännischen Kenntnissen ist derzeit recht hoch und bringt gutes Geld. Aber vielleicht entscheiden sich ja einige von ihnen, bei ihm anzuheuern und Teil seiner Mannschaft zu werden. Von solchen Matrosen hat Osman von früheren Kaperfahrten bereits einige in seinen Reihen. Sie ziehen das nicht ungefährliche, aber freie Leben eines Piraten dem eines rechtlosen Sklaven vor. Für irgendeinen arabischen Scheich oder Emir in der Gluthitze Nordafrikas zu schuften und dafür obendrein ausgepeitscht zu werden, ist eben keine erstrebenswerte Perspektive.

Und um das Ganze noch abzurunden: Auf einer der gekaperten Karavellen fanden sie vier Drehbassen – kleine, schwenkbare Kanonen, die an der Reling montiert werden. Diese ermöglichen eine schnelle und flexible Feuerunterstützung. Sie sind besonders nützlich bei Entermanövern und im Nahkampf. Das wird, davon ist Osman überzeugt, eine gute Ergänzung der Bewaffnung seiner Karavelle bilden. Neben der Erbeutung der Drehbassen konnten sie obendrein ihre Vorräte an Schießpulver und Kanonenkugeln ergänzen.

Jetzt gilt es aber, der Mannschaft erstmal einige Tage Erholung zu gönnen. Osman spendiert seinen Männern drei Fässer des erbeuteten Weines. Das haben sie sich redlich verdient. Um sich vor Verfolgern zu verstecken, eignet sich die Bucht von Tristomo im Norden der Insel Karpathos in ganz besonderer Weise. Sie liegt abseits der sonst üblichen Schifffahrtsrouten. Die natürliche Struktur der Bucht mit ihren drei Öffnungen zum Meer, die ihr den Namen „Tristomo“ (drei Münder) gegeben hat, bietet einen sicheren Ankerplatz.

Zwei seiner Männer ziehen sofort los in die umliegenden Berge. Nach kurzer Zeit kommen sie mit drei Bergziegen zurück, die unter großem Hallo geschlachtet und gebraten werden. Zusammen mit dem Wein ergibt das ein echtes Festmahl, zumal es der Schiffskoch versteht, die Ziegen mit Zwiebeln, Oliven und verschiedenen Gewürzen schmackhaft zuzubereiten. Da das Essen für alle reicht, bekommen auf Befehl von Osman auch die gefangenen Matrosen etwas davon ab. Osman spekuliert darauf, auf diese Weise vielleicht einige von ihnen überzeugen zu können, sich ihnen anzuschließen und das Leben als Piraten dem Sklavensein vorzuziehen.

Mit seinem Steuermann Nikolaos Kritikos sitzt Osman später etwas abseits vom abendlichen Lagerfeuer. Nikolaos, kurz Nikos, stammt von der Insel Kreta und kennt die Gewässer des Dodekanes wie kaum ein anderer. Gemeinsam beraten sie, was mit der Beute geschehen soll. Wie sollen sie sie unter der Mannschaft aufteilen? Was kann wo verkauft bzw. eingetauscht werden? Und vor allem: Was wollen sie davon hier auf der Insel für später verstecken? Osman vertraut Nikos seit langer Zeit. Er ist ein loyaler „Mitarbeiter“, auf den er sich immer hundertprozentig verlassen kann. Nikos hat noch niemals versucht, ihn übers Ohr zu hauen. Das hat eine Vertrauensbasis geschaffen, sodass sich Osman vor jeder wichtigen Entscheidung mit seinem Vertrauten berät.

Am nächsten Morgen, nachdem alle ihren Rausch einigermaßen ausgeschlafen haben, ruft Nikos die Mannschaft im Schatten eines uralten Olivenbaumes zusammen. Es verspricht ein sehr heißer Tag zu werden. Schon jetzt rührt sich kaum ein Lüftchen. Osman beginnt, den Männern seine Pläne zu erläutern. Was natürlich alle am meisten interessiert: Wie viel von der Beute der letzten Kaperfahrt bleibt für jeden der 30 Piraten?

Und das, was Osman ihnen jetzt mitzuteilen hat, zaubert den meisten ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht. Mit Osman auf Kaperfahrt zu gehen, hat sich auch diesmal wieder gelohnt! Jeder soll zunächst seinen Anteil aus dem erbeuteten Münzschatz erhalten. Das Gold, der Schmuck, die Edelsteine und ein Teil der Münzen sollen auf der Insel für spätere Zeiten eingelagert werden. Fast die gesamte Mannschaft zeigt sich zufrieden und nickt zustimmend. Nur Francesco, der venezianische Kanonier, hat wie üblich eine Frage.

„Warum sollen wir das Gold, den Schmuck und die Edelsteine auf der Insel zurücklassen, wenn wir fortsegeln? Wer weiß, wann und ob wir wieder zurückkommen.“

„Eine gute Frage“, erwidert Osman gelassen. „Aber überleg‘ mal! Wenn wir mit einer solchen Menge wertvoller Dinge an Bord lossegeln und wir angegriffen werden – egal ob von anderen Piraten, der osmanischen Flotte oder den Johanniter-Rittern von Rhodos, was dann? Auf diese Weise könnten wir eventuell alles auf einmal verlieren. Willst du das? Ist es nicht viel sinnvoller, irgendwo auf der Insel am Ende der Welt so etwas wie unsere eigene Bank zu eröffnen? So schaffen wir Sicherheit und können von dort bei Bedarf – z.B. nach weniger erfolgreichen Kaperfahrten – etwas abholen.“

„Aber somit seid ihr beiden, du und Nikos, doch die einzigen, die wissen, wo unsere Kohle ist und wie man darankommen kann, oder?“, hakt Francesco nach.

„Das ist richtig“, antwortet Osman noch immer sehr ruhig. „Aber hast du, oder hat vielleicht ein anderer von euch schon jemals erlebt, dass wir euch irgendwie benachteiligt haben?“

Alle schütteln energisch den Kopf.

„Na seht ihr. Das ist alles eine Frage des Vertrauens. Und das war und ist doch bisher immer das Fundament unserer Zusammenarbeit gewesen, oder?“

Nachdem auch diese Äußerung von Osman auf allgemeine Zustimmung trifft, fährt er fort: „Wir sollten uns jetzt noch ein paar Tage Erholung gönnen, bevor wir zur nordafrikanischen Küste segeln. Dort verkaufen wir die Sklaven und machen die andere Beute zu Geld. Und danach geht’s wieder auf Kaperfahrt! Diesmal werden wir es an der osmanischen Küste versuchen. Da soll’s einige sehr reiche Dörfer geben, denen wir unbedingt mal einen Besuch abstatten sollten. Was meint ihr?“ Am lauten Gejohle in der Runde stellt Osman zufrieden fest, dass er genau die Stimmung seiner Männer getroffen hat.

Doch ehe er und Nikos aufbrechen, um den Teil der Beute, der auf der Insel verbleiben soll, an einem sicheren Ort zu verstecken, gibt es noch Wichtiges zu erledigen. Osman lässt von Nikos schon einmal an jedes Mitglied der Crew den ihm zustehenden Anteil am erbeuteten Münzschatz auszahlen. Damit will er Nörgler und Zweifler wie Francesco besänftigen. Dazu gibt’s noch ein weiteres Fass Wein. Man muss die Jungs ja schließlich bei Laune halten. Auch diese Maßnahme löst Begeisterung aus, wie Osman an den Gesichtern seiner Leute deutlich ablesen kann.

„Bevor ihr alle gleich weitersaufen dürft, müsst ihr aber jetzt erst einmal mit anpacken“, macht Osman den Männern klar und erteilt die nötigen Befehle. „Die Edelsteine, der Schmuck, das Gold und die ‚restlichen‘ Münzen müssen in Kisten verpackt, an Land gebracht und auf die vier Esel verladen werden.“

Die Esel haben sich drei seiner Männer bei einem Bauern in den Bergen „ausgeliehen“. Der habe sie ihnen recht „bereitwillig“ überlassen, wie die Drei unter allgemeinem Gelächter berichten. Weniger Begeisterung löst Osman allerdings bei den beiden Piraten aus, die er als erste Wache einteilt. Sie sollen oberhalb der drei seeseitigen Zugänge zur Bucht Stellung beziehen und sofort Alarm geben, falls sich andere Schiffe der Bucht von Tristomo nähern. Damit das bei Gefahr wirklich alle mitbekommen, soll die Wache zwei Schüsse in kurzem Abstand abfeuern.

„Mir ist da noch eine Idee gekommen“, zwinkert Osman Nikos zu. „Was hältst du davon, wenn wir Francesco als Eselstreiber mitnehmen – so als eine Art vertrauensbildende Maßnahme? So schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen kann er dann nicht mehr herumstänkern und zum anderen haben wir ihn so besser unter Kontrolle.“

Breit grinsend stimmt Nicos seinem Boss zu. Francesco fühlt sich ob dieses Vertrauensbeweises geehrt. Es scheint fast so, als sei er gleich um mehrere Zentimeter gewachsen, besonders als ihm viele der Mannschaft anerkennend auf die Schulter klopfen.

Als Osman, Nikos und Francesco mit den schwerbeladenen Eseln aufbrechen, ziehen sie nicht unvorbereitet los. Nikos hatte sich bei vorherigen Aufenthalten in Tristomo ausgiebig mit dem Gelände und dessen Beschaffenheit vertraut gemacht. Es gibt zahllose Höhlen, Grotten und Felsspalten. Bei seinen Erkundungen hat er sich viele dieser Höhlen genauer angeschaut. Dabei hat er eine entdeckt, die ihm für ihre Zwecke besonders geeignet erscheint. Und die will er Osman als erste zeigen.

Diese Höhle liegt sehr versteckt am Ende einer langen Felsenrinne, die hinunter zum Ufer führt. Ihr Eingang ist von oben nicht einsehbar und selbst vom Meer her kaum zu erkennen. Betreten kann man sie auch nur von der Meeresseite, wenn die Brandung nicht zu stark ist.

Als er sie seinerzeit entdeckte, wäre er fast abgestürzt, so dicht war der Zugang hinunter zum Höhleneingang mit Büschen und Gesträuch zugewachsen. Heute hätte er sie fast ebenfalls nicht wiedergefunden, wäre da nicht diese vom Wind gebeugte uralte Steineiche, die einige Meter links neben dem Zugang steht. An die kann er sich noch genau erinnern.

„Francesco, du bleibst hier oben und passt auf die Esel auf. Ich erkunde mit Osman das mögliche Versteck für unsere Beute. Und rühr‘ dich nicht von der Stelle. Alles klar?“

Francesco akzeptiert die Anordnung ohne Murren. Vorsichtig bahnen sich Osman und Nikos ihren Weg durch das dichte Gestrüpp den steilen Pfad hinunter zum Höhleneingang.

„Das ist ja lebensgefährlich. Willst du mich umbringen?“, brummt Osman.

„Was glaubst du denn?“, entgegnet Nikos. „Warte mal ab. Du wirst mehr als nur überrascht sein.“

Schließlich erreichen sie – mit einigen Kratzern und leicht zerrissener Kleidung – den Zugang zur Höhle. Da die Brandung heute nicht besonders stark ist, können sie die Höhle trockenen Fußes betreten, ohne schwimmen zu müssen.

„Na, hab‘ ich zu viel versprochen? Was hältst du von unserem Versteck?“

Osman kommt aus dem Staunen kaum heraus. Vor ihm öffnet sich eine riesige hohe Halle mit mehreren Seitenschiffen. Das alles erinnert ihn an die berühmte Hagia Sophia in Konstantinopel, die er vor Jahren einmal besucht hatte. Irgendwie wirkt dieser Ort auf ihn wie eine Kultstätte mit einem großen flachen Felsen in der Mitte und mit kleineren ringsherum, die wie Stühle anmuten.

Was soll das sein? Wozu diente es einmal? Denn es ist auf alle Fälle nicht von der Natur so geschaffen worden. Aber wer war dafür verantwortlich? Jedenfalls ist in dieser Höhle seit einer Ewigkeit kein Mensch mehr gewesen. Im Eingangsbereich liegt jede Menge vom Meer angespültes Treibgut und weiter hinten auf allem zentimeterdicker Staub.

Aber warum ist es eigentlich so hell? Außer durch den niedrigen Eingang findet Tageslicht doch keinen Zugang. Normalerweise müsste es hier drin ziemlich finster sein. Das müssen wir erkunden, denkt sich Osman und winkt Nikos zu sich. Der steht mit weit aufgerissenem Mund neben dem Felsblock in der Mitte und starrt in Richtung der hinteren Höhlenwand.

„Da, da, da ist was!“, stottert er und macht einen äußerst verwirrten Eindruck.

Hafen von Mandraki auf Rhodos – 05. Juni 1522

Ein warmer Wind weht vom Meer in den Hafen, in dem die Flotte des Johanniterordens vor Anker liegt. Kapitän Mathurin Romegas steht an der Reling seiner Galeere und erteilt seinem Steuermann Dimitrios gerade einige Befehle, um das Schiff für den nächsten Einsatz auslaufbereit zu machen. Da stürzt plötzlich ein Bote aus dem Palast des Großmeisters an Bord. Er ist völlig außer Atem und muss erst ein paarmal tief Luft holen, bevor er seine Nachricht überbringen kann.

„Kapitän Romegas, der Großmeister bittet sie, sofort in den Palast zu kommen. Er hat einen sehr wichtigen Auftrag für Sie.“