Der Duft von Liebe und Oliven - Roberta Gregorio - E-Book

Der Duft von Liebe und Oliven E-Book

Roberta Gregorio

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Beschreibung

Ein Tag am Meer, entspannte Gespräche, Konzertbesuche - auf all das und mehr freut sich Pia, als ihre jüngste Tochter das Haus verlässt. Schließlich war sie lange genug nur für die Familie da - jetzt ist es an der Zeit, sich um ihre eigenen Bedürfnissen zu kümmern! Doch ihr Mann Pasquale scheint andere Pläne zu haben und quartiert sogar seine herrische Mutter bei ihnen ein. Da bleibt Pia nur die Flucht. Außerdem wollte sie schon immer mal nach Rom. Dass sie dort auf einen charismatischen Mann trifft, ist nichts weiter als ein Zufall - oder etwa nicht?

»Ein wunderschöner Roman über die Familie, geplatzte Träume, Sehnsüchte und die Liebe, der einen vom ersten Moment an verzaubert.« (Dreamworx, Lesejury)

»Wie ein Sommerurlaub am Meer« (Schneerose, Lesejury)

Dieser sommerliche Liebesroman ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel »Signora Pia und das Lächeln des Meeres« erschienen.

Alle Geschichten dieser Reihe zaubern dir den Sommer ins Herz und bringen dir den Urlaub nach Hause. Die Romane sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.


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Seitenzahl: 316

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Inhalt

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Epilog

Danksagung

Über dieses Buch

Ein Roman wie Italien: turbulent, leidenschaftlich und absolut liebenswert!

Ein Tag am Meer, entspannte Gespräche, Konzertbesuche – auf all das und mehr freut sich Pia, als ihre jüngste Tochter das Haus verlässt. Schließlich war sie lange genug nur für die Familie da – jetzt ist es an der Zeit, sich um ihre eigenen Bedürfnissen zu kümmern! Doch ihr Mann Pasquale scheint andere Pläne zu haben und quartiert sogar seine herrische Mutter bei ihnen ein. Da bleibt Pia nur die Flucht. Außerdem wollte sie schon immer mal nach Rom. Dass sie dort auf einen charismatischen Mann trifft, ist nichts weiter als ein Zufall – oder etwa nicht?

eBooks von beHEARTBEAT – Herzklopfen garantiert.

Über die Autorin

Roberta Gregorio ist durch und durch ein Kind des Südens. In Bayern hat sie ihre Kindheit und Schulzeit verbracht. Heute lebt sie mit ihrer Familie bei Neapel. Sie liebt das süße Nichtstun und La Dolce Vita – mischt diese Lebenseinstellung aber mit deutscher Gewissenhaftigkeit. Die Liebe zum geschriebenen Wort hat sie während ihrer Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin entdeckt. Heute träumt sie von einem eigenen kleinen Hotel, in dem sie am liebsten nur Buchschaffende aus aller Welt beherbergen würde.

Von Roberta Gregorio ist bei beHEARTBEAT auch der Roman »Zwei Kugeln Glück mit Sahne« lieferbar.

ROBERTA GREGORIO

Der Duft von Liebe und Oliven

Roman

Digitale Neuausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titel der Originalausgabe: »Signora Pia und das Lächeln des Meeres«

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Stefanie Kruschandl, Hamburg

Lektorat: Bettina Steinhage

Covergestaltung: © Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven von © mauritius images/Yuriy Brykaylo; © numismarty/iStock; © scaliger/Adobe Stock; © paul kitawa/Adobe Stock; © tegmen/iStock; © Boonyachoat/iStock; © Antonel/iStock

eBook-Erstellung: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-7325-9428-3

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Giacomo, ohne den ich Camerota niemals von seiner schönsten Seite kennengelernt hätte. Und für Domenico und Filippo Maria, die diesen herrlichen Ort in die Zukunft tragen.

»Signor Marcello, ist das nicht etwas zu …«, deutet Claudio eine Frage an, die keine Antwort erwartet, und hält dabei das blaue Schächtelchen ins Licht, um den Inhalt besser erkennen zu können.

»Nein, Claudio, es ist gerade richtig.«

Kapitel 1

Rom, Mitte Oktober

Eine Taube.

Doch.

Irgendwo hatte sich eine Taube da draußen versteckt.

Ganz bestimmt.

Pia war sich inzwischen sicher, obwohl sie den Vogel noch nie wirklich gesehen hatte. Dafür hatte sie ihn aber umso deutlicher gehört. Nur verpasste sie ihn immer. Sie wurde einfach zu langsam wach. Oder die Taube flog zu schnell davon. Dennoch konnte sich Pia bildlich vorstellen, wie ein dickes gefiedertes Tier auf einem der gegenüberliegenden Dächer saß und mit unbeteiligtem Gesicht gurrte. Immer und immer wieder – guru, guru, guru. So laut, dass der Ruf sogar das Stimmengewirr aus den Gassen und die alltäglichen Geräusche der Zimmernachbarn übertönte. Und so eindringlich, dass sich der Laut in Pias Unterbewusstsein schlich und sie aus ihrem tiefen Schlaf holte. Aber exakt in diesem Moment flog der Vogel wohl immer davon. Denn sosehr Pia sich auch jeden Morgen anstrengte: weit und breit keine Spur vom mysteriösen Weckdienst.

Pia lächelte, setzte sich auf und streckte sich wohlig. Daheim holte sie immer der Wecker aus dem Schlaf. So ein altes Ding mit schrecklichem Piep-Ton. Da war ihr eine Phantom-Taube schon lieber.

Vieles war ihr hier genau genommen lieber. Auch das Bett. Das bequemste Bett, in dem sie jemals gelegen hatte. Es war weich und flauschig und umarmte einen förmlich. Schon seltsam, dachte Pia, wie schnell man sich umgewöhnen konnte. Wie schnell dieses kleine, wundervolle Zimmer sich in ihr ganz persönliches Zimmer verwandelt hatte. Jeder Winkel des Raumes war ihr vertraut. Die dunkle Tapete. Das Gemälde mit den herrlichen Blumen. Der reizende Schminktisch, den sie sogar ein paar Mal benutzt hatte. Und der Teppich mit seinem ganz besonderen Farbenspiel.

All das war ein Traum. Aber ein wahrgewordener Traum. Denn Pia befand sich in Rom.

Wirklich, wirklich, wirklich!

Hätte ihr jemand das vor nur einer Woche erzählt, sie hätte demjenigen ins Gesicht gelacht und erheitert und erstaunt gefragt: »Nach Rom? Wer, ich? – In diesem Leben wohl nicht mehr …«

Und doch war sie hier. In Rom.

Plötzlich hellwach sprang Pia aus dem Bett, stieg dabei auf den flauschigen Teppich, der ihre nackten Füße beinah zu schlucken schien, und eilte dann zur kleinen Dachterrasse, die zu ihrem Lieblingsplatz geworden war. Sie riss die Balkontür, die ohnehin nur angelehnt war, vollständig auf, füllte die Lunge mit Sauerstoff. Fast hatte sie das Gefühl, dabei ebenso die römische Lebensweise zu inhalieren. Laut, heiter und gleichzeitig gelassen.

Schließlich trat Pia auf die winzige Terrasse, auf der eigentlich nicht viel mehr Platz hatte als ein rundes Tischchen mit zwei Stühlen. Dennoch war jeder weitere Millimeter angefüllt mit Blumentöpfen in sämtlichen Formen und Farben. Ein Paradies-Eckchen über der Ewigen Stadt. Nur die Taube war nirgends zu sehen.

Dann aber hob Pia den Blick etwas weiter.

Peng.

Ihr Herz machte einen Sprung – wie so oft in den letzten Tagen.

Ein Meer aus Dächern. So weit das Auge reichte.

Rund herum, dicht an dicht. Nagelneu, ramponiert. Windschief, kerzengerade. Sauber, verdreckt. Romantisch, quadratisch. Unmöglich, sie alle zu beschreiben. Unmöglich, sie alle einzuordnen. Roms Dächer. Pia hielt sich eine Hand auf die Brust. Überwältigend. Nur sie und Roms Dächer. Und unzählige Blumen, die in den vielen Töpfen auf dem Balkon wuchsen und gediehen. Keine Gedanken. Dafür tausend Eindrücke. Unter strahlend blauem Himmel, umgeben von klarer Luft, eingelullt von wohlig warmen Sonnenstrahlen. Ach, könnte sie diesen Moment doch ewig halten!

Aber ewig war hier nur die Stadt. Natürlich wusste Pia das. Trotzdem verdrängte sie hastig diesen Gedanken.

Einmal atmete sie noch tief ein, unterdrückte das Bedürfnis laut zu singen, drehte sich dann vom niedrigen Geländer weg und huschte hinein in das Zimmer.

Hotelzimmer.

Immer wieder musste Pia sich selbst daran erinnern. Sie konnte sich kaum vorstellen, es irgendwann einmal wieder verlassen zu müssen. Und wenn sie daran dachte, dass sie nur durch eine ganze Reihe glücklicher Zufälle hier gelandet war, wurde ihr ganz mulmig zumute. Dieses Zimmer war ein Geschenk des Schicksals. Das perfekte Geschenk!

Und perfekt war auch dieser neue Morgen, denn Pia wusste, dass sie nur zu warten brauchte. Auf die übliche kleine Geste. Nach der sie inzwischen förmlich hungerte. Denn kleine Gesten waren lebenswichtig. Nein, mehr noch, sie machten das Leben erst richtig lebenswert. Was Pia auch erst hier in Rom begriffen hatte. Sie hatte etwas vermisst, das sie gar nicht gekannt hatte. Kleine, freundliche Gesten, die ihr zu verstehen gaben, dass sie wichtig war. Dass jemand sich wirklich – richtig – Gedanken um sie machte. Dass dieser Jemand praktisch ein Fremder war, spielte in diesem Fall keine Rolle. Nicht für die neue Pia.

Deshalb schnappte sie sich das Buch, das sie gestern auf dem Nachttischchen abgelegt hatte, und ging damit wieder hinaus auf ihre Dachterrasse. Ja, dachte Pia. Sie hatte jetzt nämlich Zeit. Zeit für Bücher.

Irre!

Die Frage, wann sie das letzte Mal in aller Ruhe ein Buch gelesen hatte, war schwer zu beantworten. Pia konnte sich einfach nicht erinnern. Dabei hatte sie als junges Mädchen alles verschlungen, was sie in die Hände bekommen hatte. Egal ob Heftromane oder Kochbücher. Sogar Geschichtsbände. Hauptsache, sie hatte etwas zum Lesen. Wieso nur war ihr dieser Lesehunger abhandengekommen? Besser noch, wieso um alles in der Welt hatte sie das zugelassen?

Fragen über Fragen.

Wobei die Antworten eigentlich überflüssig geworden waren. Die Vergangenheit konnte man ja nicht mehr ändern. Deshalb, dachte Pia, blieb ihr nichts anderes übrig, als an der Zukunft zu arbeiten.

Komisch, nicht? Ausgerechnet in der Ewigen Stadt, in der die Vergangenheit so gegenwärtig war, wollte sie die Gegenwart aus der Distanz betrachten. Damit sie die richtige Nähe zum Jetzt wiederherstellen konnte. Irgendwie bizarr.

Pia machte es sich auf dem schweren Stuhl bequem, zog die Beine hoch wie ein junges Mädchen und schlug das Buch dort auf, wo ein Eselsohr sie daran erinnerte, bis wohin sie am Vortag gekommen war. Das Buch war gut. Eine wirklich tolle Liebesgeschichte und gleichzeitig eine Hommage an Rom. Ganz nach ihrem Geschmack. Der rote, einfache Einband unterstrich diesen Eindruck noch. Bald war sie so vertieft in die Lektüre, dass sie doch tatsächlich aufschrak, als es dann an der Tür klopfte. Tock tock. Ganz diskret.

So diskret wie der Herr in Uniform, der vermutlich für das Klopfen verantwortlich war. Claudio. Das hatte Pia beim ersten Aufeinandertreffen dem Namensschild entnommen. Sie eilte zur Tür, öffnete schwungvoll, ohne sich für ihren Schlafanzug zu schämen.

»Signora, buongiorno«, grüßte Claudio leise, aber deutlich und verbeugte sich leicht, wobei er freie Sicht auf eine kahle Stelle auf seinem Kopf erlaubte. Auch nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, vermied er den direkten Blickkontakt. Bestimmt nicht aus Unhöflichkeit.

»Buongiorno, Claudio.«

Pia bedeutete ihm mit einer Geste hereinzukommen. Er wusste Bescheid. Schob den Servierwagen ungefragt in Richtung Dachterrasse. Nicht zum ersten Mal wünschte sich Pia bei diesem Anblick, über Claudios Grazie zu verfügen. Er machte seine Arbeit mit Hingabe. Das gefiel Pia. Und irgendwie gefiel ihr auch Claudio. Denn sie konnte sich gut vorstellen, dass sich unter der Uniform ein enormes Herz versteckte. Trotz seines Eifers versuchte er sich nicht an einer Konversation. Vielleicht war es ihm nicht erlaubt. Vielleicht war er kein guter Redner. Vielleicht war er sich auch nur zu sehr seiner Rolle als Bote bewusst. Und Pia blieb nichts anderes übrig, als ihn bei seiner Arbeit zu beobachten. Bedächtig stellte Claudio den macchiato auf dem runden Tischchen ab. Ohne Zucker natürlich. Daneben fand eine brioche ohne Füllung Platz. Und dann – als Highlight des ganzen Frühstücks – arrangierte er geräuschlos den großen Teller dazu, der mit einer Haube aus blank poliertem Edelstahl bedeckt war. Pia kannte diesen Teller bereits. Hatte ihn gleich am ersten Morgen in Rom gesehen. Damals noch mit Verwunderung. Heute mit großer Vorfreude, weil sie wusste, dass die Haube die ganz persönliche kleine Geste versteckte, auf die sie wartete. Und fast so, als wollte Claudio ihre Vorfreude nicht unnötig in die Länge ziehen, machte er einen Schritt zurück zu seinem nun leeren Wagen.

»Darf ich Ihnen sonst noch etwas bringen, Signora?«, erkundigte er sich.

»Vielen Dank. Ich brauche nichts mehr«, erwiderte Pia.

Sein Gesicht zeigte, dass er nichts anderes erwartet hatte. Er machte wieder seinen eleganten Diener und entfernte sich so lautlos, wie er gekommen war. Das dumme Spiel um Trinkgeld, das Claudio partout nicht annehmen wollte, sparten sie sich inzwischen.

Noch während Pia die Tür hinter Claudio schloss, fragte sie sich, ob er wohl wusste, was unter der Tellerhaube auf sie wartete. Diesen Gedanken verwarf sie aber sofort. Claudio doch nicht! Aus einem Impuls heraus öffnete sie trotzdem noch einmal die Tür. Warum auch immer, wünschte sie sich dringend jemanden zum Reden. Und Claudio hatte den Fahrstuhl noch nicht erreicht.

»Werde ich mich darüber freuen?«, rief sie ihm etwas zu laut hinterher.

Kaum war die Frage ausgesprochen, überdachte Pia ihren Satz noch einmal. Sie schüttelte den Kopf. Claudio konnte sie unmöglich richtig verstanden haben. Sie hätte viel direkter fragen sollen, ob er wusste, was die Haube verbarg. Doch nun war es zu spät. Oder etwa nicht? Verwundert bemerkte Pia, dass Claudio dabei war, wieder zu ihr zurückzukehren. Vielleicht lag es an seiner Gangart, die plötzlich viel aufrechter wirkte. Vielleicht lag es auch an seinem Gesichtsausdruck. Aber zum ersten Mal nahm sie den Mann vor sich nicht nur als Angestellten, sondern als Person wahr.

»Womöglich sollten Sie beim Öffnen sitzen, Signora«, empfahl Claudio. Er hatte sie also verstanden und gab mit seiner Antwort auch zu, dass er den Inhalt kannte. Es störte Pia gar nicht. Ihr war auch egal, wie er zu diesem Wissen gekommen war.

»Er übertreibt, nicht wahr?«

»Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen, Signora.«

Pia nickte. Natürlich nicht.

»Aber ich kann Ihnen wohl sagen, dass es ihm große Freude bereitet, Sie zu beschenken. Nehmen Sie es einfach so hin«, riet Claudio ihr achselzuckend.

Womit habe ich das verdient?, fragte Pia sich nicht zum ersten Mal. Dann aber fiel ihr wieder ein, dass sie ja nicht darum gebeten hatte, mit Aufmerksamkeiten überhäuft zu werden. Dieser Gedanke beruhigte sie irgendwie.

Claudio berührte leicht ihren Arm und holte Pia dadurch aus ihren Gedanken zurück.

»Sie sollten Ihren macchiato trinken, Signora, er wird sonst kalt«, bemerkte er sanft und suchte unverhofft ihren Blick.

Santo cielo, Claudio hat ja blaue Augen, schoss es Pia durch den Kopf. Wieso überraschte sie das nur so sehr?

Sie nickte. Etwas verwirrt. Ging aber letztendlich doch wieder in ihr Zimmer und dann direkt auf die Terrasse, wo sie Platz nahm.

Der Milchschaum auf ihrem Kaffee war zusammengefallen, sah gar nicht mehr schön aus. Sie nahm den Löffel und rührte damit in der hellbraunen Flüssigkeit herum. Wie ein Maler mit dem Pinsel. Aber aus ihrem Frühstücksgetränk ließ sich kein Kunstwerk mehr herstellen. Deshalb trank sie in wenigen großen Schlucken aus und stellte auf diese Weise die Inszenierung des perfekten Frühstücks wieder her. Den Teller mit der Haube ignorierte sie vorerst geflissentlich. Stattdessen nahm sie die brioche zur Hand, biss ab, kaute, schluckte. Und seufzte.

Wen wollte sie hier auf den Arm nehmen? Natürlich konnte sie es kaum erwarten herauszufinden, was sich unter der Haube verbarg. Welche Besonderheit er sich heute für sie ausgedacht hatte.

Entschlossen nahm sie die Tellerhaube ab. Zum Vorschein kam ein Briefumschlag. Und eine kleine Schachtel. Nichts Ungewöhnliches also. Nette Aufmerksamkeiten. Alles wie gehabt.

Aber das blaue Schächtelchen hatte etwas an sich, das sich nicht in die Kategorie nette Aufmerksamkeiten packen ließ. Obwohl es dezent wirkte mit seiner perfekten Satinschleife. Pia ließ den gestrigen Tag noch einmal Revue passieren. Sie waren spazieren gewesen. Hatten hie und da gehalten. Sie hatte sich diese wahnsinnig teure Bluse gekauft. Und … richtig! Sie hatten diesen urigen Goldschmied besucht. Bottega delle cose preziose hatte auf der einfachen Ladentür gestanden. Ein Puzzlestück, das ins Bild passte.

Aber er konnte doch nicht wirklich …? Oder etwa doch?

Ohne weiter darüber nachzudenken, nahm sie die Schachtel und zog an der Satinschleife. Dass ihre Hand dabei leicht zitterte, fand Pia töricht. Und noch viel törichter fand sie, dass ihr Herz Kapriolen schlug. Als sie endlich sah, was sich in der Schachtel befand, hielt sie den Atem an.

Wie um alles in der Welt hatte er das erraten?

»Eine Abschiedsfeier?«, hakt Don Rosario noch einmal nach.

»Ja.« Elide nickt, und Don Rosario liest in ihren Augen so etwas wie Sehnsucht. Aber der Eindruck ist so schnell weg, wie er gekommen ist.

»Natürlich!«

Don Rosario sagt zu. Und er freut sich sogar darauf. Dass Pia eine ganz hervorragende Köchin ist, weiß er ja. Fisch. So gut wie sie bereitet keine andere in Camerota die Früchte des Meeres zu. Weil Pia das Meer im Blut hat. Bei dem Vergleich muss Don Rosario unwillkürlich lächeln. Die stürmische Pia … Es gefällt ihm, sie auf diese Weise zu betrachten. Und er findet, dass sie ihrer natürlichen Veranlagung ruhig öfter freien Lauf lassen sollte.

Kapitel 2

Camerota, Mitte September vormittags

Don Rosario gähnte laut, kratzte sich an der Nase und fuhr sich mit beiden Händen durch das schüttere Haar. Doch der Versuch, mit den wenigen längeren Strähnen die Glatze zu bedecken, scheiterte. Sie blieben einfach nicht liegen. Dazu brauchte er einen Kamm. Einen mit feinen, ganz eng aneinanderliegenden Zähnen. Eigentlich hatte er so einen. Aber irgendwie musste er ihn verlegt haben. Und die Haare saßen nicht mehr richtig. Geeigneter Ersatz ließ sich auch nicht finden für den Kamm. Was ärgerlich war. Wobei er ja eigentlich niemandem gefallen musste. Schon gar nicht einer Frau.

Bei dem Gedanken entfuhr Don Rosario ein seltsamer Ton. Eine Mischung aus Lachen und Seufzen. Als Priester war er schließlich mit dem Herrn verheiratet. Und vermutlich legte der nur wenig Wert auf gutes Aussehen.

Dennoch, sein Haar hatte Don Rosario gerne ordentlich. Und vielleicht fand er ja doch noch einen Kamm. Einen mit ganz eng aneinanderliegenden Zähnen.

Mühsam versuchte Don Rosario sich im Bett aufzusetzen. Jetzt hatte er schon die Matratze auswechseln lassen, um es einfacher zu haben, und es klappte immer noch nicht. Selbst die härtere Unterlage erleichterte ihm das Aufstehen nicht. Morgens fühlte er sich nun solidarisch mit jeder Schildkröte auf der Welt, die irgendwie auf dem Panzer gelandet war. Genauso kam er sich nämlich vor.

Und diese Schmerzen in den Knochen, die zu einer unerträglichen Qual geworden waren, hatte er, wie er vermutete, der Feuchtigkeit zu verdanken, die sich in die uralten Mauern seines Zimmers geschlichen hatte. Im Konvent hätte er es bequemer gehabt. Ohne Zweifel. Aber was sollte er machen? Er bevorzugte es, inmitten seiner Gemeinde zu leben. Obwohl er sich manchmal vorkam wie jemand, der einen Sack voll Flöhe hüten musste, so konnte er sich ein Leben irgendwo anders doch nicht vorstellen. Die Gemeinde brauchte ihn. Und er brauchte die Gemeinde. So einfach war das.

Don Rosario rollte unelegant aus seinem viel zu kleinen Bett und landete erst einmal auf allen vieren am Boden. Plötzlich überkam ihn das dringende Verlangen zu fluchen.

»Herr, ich danke dir für diesen neuen Tag«, versuchte er seine Energie stattdessen in positive Bahnen zu lenken.

Nicht ohne Anstrengung richtete er sich endlich auf, stützte sich dabei am Bett ab und fischte dann blind nach seinen Hausschuhen. Sein Bauch war ihm dabei im Weg. Aber mit den Füßen tastete er den Boden ab und wurde fündig.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er sich beeilen musste. Sonntags wollte er in der Kirche alles perfekt haben. Und auf seinen Messner Antonio war nicht immer Verlass. Er war ein guter Mann, aber etwas langsam. Ein Gedanke, der Don Rosario erheiterte. Er selbst war auch nicht gerade schnell. Aber langsam plus langsam produzierte zufriedenstellende Ergebnisse.

Don Rosario hatte es nicht weit von seinem Zimmer bis zur Kirche. Genau genommen brauchte er nur dem Verlauf der Gasse zu folgen, um zur kleinen Piazza zu gelangen, von der aus man direkt die Stufen zur Kirche erreichte. Diese kleine Piazza liebte Don Rosario besonders. Oder besser die Bar, die sich dort befand. Aber es war Sonntag. Heute konnte er dort vor der Messe nicht halten. Wenn es ihm seine Tätigkeit als Priester aber erlaubte, so hielt er sehr gerne in Nicolas Bar, spielte mit den Rentnern Karten oder organisierte Turniere für die Jugendlichen. Dart, Tischtennis, Kicker. Ihm fiel immer etwas ein. Beschäftigung ist die beste Therapie, hatte seine Mutter stets gesagt. Und er hielt sich an diese einfache, aber effektive Lebensweisheit. Zumindest versuchte er es.

»Don Rosà! Caffè?«, rief ihm der alte Raffaele schon von Weitem zu. Der Rentner saß wie gewohnt an seinem Lieblingstisch vor der Bar.

»Später. Grazie.«

Don Rosario hob zum Gruß die Hand, blieb aber dann kurz stehen.

»Ich halte Ihnen bis dahin den Stuhl warm, Don Rosà!«

»Du solltest viel lieber eine Kirchenbank warm halten, Raffaele. Heute ist der Tag des Herrn. Vergiss das nicht.«

»Amen.« Raffaele lachte sein zahnloses Lachen, schlug amüsiert auf den Tisch, der ohnehin schon wacklig war, und brachte dabei eine fast leere Bierflasche gefährlich zum Wanken.

Don Rosario ging auf ihn zu. »Falsch. Amen kommt am Ende eines Gebets«, sagte der Priester nun ein winziges bisschen strenger. »Hast du gerade gebetet?«

Raffaeles Lachen erstarb – ganz langsam.

Don Rosario hielt Raffaeles Blick.

Der alte Mann schaute zuerst weg.

»Nein? Dann sprechen wir jetzt gemeinsam ein Gebet. Und am Ende kannst du wieder schön Amen sagen. Ist das ein Vorschlag?«

Raffaele nickte nur, ließ sich von Don Rosario bei den Händen nehmen und rezitierte etwas widerwillig und gleichzeitig ergeben das Vaterunser. Oder das, was in seiner Erinnerung davon übrig war. Das Resultat war ein verlegenes Murmeln.

»Jetzt kannst du Amen sagen«, forderte Don Rosario ihn auf, nachdem Raffaele es hinter sich gebracht hatte.

»Amen«, stieß der alte Mann unwirsch hervor.

Don Rosario atmete zufrieden auf.

»Geht es dir jetzt nicht schon sehr viel besser, Raffaele?«

»Sehr viel besser!«, ließ Raffaele verlauten. Dass sein Kommentar vor Ironie nur so troff, überhörte der Priester geflissentlich. Er hatte getan, was sein Herz, sein Verstand und seine Überzeugung ihm empfohlen hatten. Und der Herr, in seiner unendlichen Güte, würde den Rest übernehmen.

»Dann bis später, Raffaele. Bleib nüchtern. Sonst verlierst du wieder so schnell«, warnte Don Rosario ihn noch und gab somit zu verstehen, dass er nach der Messe zu einem Spielchen bereit sein würde.

»Don Rosà, mit allem nötigen Respekt: Selbst im Schlaf wäre ich immer noch dazu fähig, Sie spielend zu besiegen!«

»Das wird sich zeigen.«

Mit diesem Satz verabschiedete sich Don Rosario und eilte auf die Kirche zu. Der Wind zerzauste ihm das Haar komplett. Genervt richtete Don Rosario den Blick gen Himmel. Er brauchte einfach diesen Kamm!

Zurück an der Bar blieben Nicola und Raffaele. Genauer gesagt ein ziemlich saurer Raffaele, wie Nicola mit einem kurzen Blick feststellte.

Der Barbesitzer grinste. »Ein Raffaele, der fromm für das Wohl unserer Seelen betet … dass ich das noch mal miterlebe …«

»Halts Maul und bring mir lieber noch ein Bier!«, wies der Alte ihn zurecht.

Nicola tat wie ihm geheißen. Aber er verbarg dabei nicht, wie sehr ihn die gesamte Situation amüsierte.

Raffaele nahm ihm die Bierflasche unsanft ab. Dann trank der alte Mann einen großen Schluck und musste schließlich selbst lachen. Einem anderen hätte er sicher bereits einen rechten Haken verpasst. Aber Don Rosario konnte man nicht lange böse sein. Dazu war sein Herz einfach zu rein.

Was aber nicht hieß, dachte Nicola, dass Raffaele den Pfaffen nicht nachher beim Kartenspielen besiegen würde! Alles andere wäre ja völlig absurd!

Derweil in Seattle

William gähnte laut und produzierte dabei so etwas wie ein Jaulen.

»Das war doch jetzt eine Sieben!«, protestierte er, als er den Mund endlich wieder zubekam.

Bruno, der ihm am Spieltisch gegenübersaß, rollte verzweifelt mit den Augen.

»Jaha! Aber nur für die goldene Sieben gibt es einen Punkt. Capito?«

William schaute noch einmal in seine Karten.

»Du checkst es nicht, oder?«

»Nicht wirklich«, gab William zu.

Bruno fiel mit der Stirn auf den Tisch.

»Ich gebe es auf«, ließ er aus seiner zusammengekrümmten Position verlauten.

»Nein, nein. Ich will scopa lernen!«, protestierte William störrisch und schlug mit der flachen Hand wiederholt auf den Tisch. Allerdings leise. Schließlich wollte er Brunos Familie nicht wecken. Die schlief nämlich. Während das Familienoberhaupt sich mit ihm abgab. Barbara, Brunos Frau, würde sicher schrecklich mit ihm schimpfen, dachte William. Wenn auch mit einem Augenzwinkern. So, wie sie es immer tat.

»Fratello, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll … Du bist total untalentiert.«

Fratello – Bruder. So nannte Bruno William.

»Du musst das geduldiger angehen«, schlug William vor.

»Hey. Ich bin geduldig. Immerhin habe ich dir Italienisch beigebracht. Das war eine Mission.«

Bruno hatte eine Sprachschule in Seattle. Nach einem fabelhaften Rom-Urlaub vor etwa zehn Jahren hatte William das Bedürfnis verspürt, Italienisch zu lernen. Er hatte sich, während des Aufenthalts in der italienischen Hauptstadt, in den Klang dieser melodischen Sprache regelrecht verliebt – dabei aber kaum etwas verstanden. Zurück in Seattle hatte er sich sofort nach einem Sprachkurs umgesehen und war auf diese Weise bei Bruno gelandet.

»Eben. Und wenn du das geschafft hast, kann es doch mit scopa nicht so schwer sein.«

Bruno hob den Kopf wieder vom Tisch, sah William in die Augen.

»Mein letzter Versuch, fratello!«

»Mehr brauche ich nicht.«

Bruno bekreuzigte sich theatralisch, blickte gen Himmel, seufzte, sammelte aber letztendlich die Karten wieder ein, mischte sie und teilte aus.

»Dieses Mal werde ich gewinnen!«, verkündete William.

»Dein Wort in Gottes Ohr, fratello!«

Aber William behielt recht. Er gewann das nächste und auch das übernächste Spiel. Tja, dachte er. Man muss nur wollen, dann klappt das auch.

Nachdem er einige Zeit später – inzwischen war es wirklich verdammt spät geworden – mit Bruno zur Haustür gegangen war, drehte er sich noch einmal um und klopfte seinem Freund auf den Rücken.

»Danke.«

Und damit meinte er nicht nur das Spiel. Der Dank galt vielmehr Brunos Bereitschaft, ihn wie ein Familienmitglied zu behandeln. Was Bruno natürlich wusste.

»Schon gut. Wir sehen uns zum Abschiedsessen, va bene?«

»Va bene.«

William ging ein paar Schritte von der Haustür weg, blieb aber dann auf dem gepflasterten Gartenweg stehen.

»Wie viel Punkte gibt es noch mal für die goldene Sieben?«, fragte er in die Stille der Nacht hinein.

An Brunos unterdrücktem Kichern merkte William, dass die Frage seinen besten Kumpel erreicht hatte.

Zurück in Camerota

Noch bevor Don Rosario die Kirche betreten hatte, kam Antonio schnaufend herbeigeeilt. Ausnahmsweise mal fast pünktlich. Sollte er das als ein gutes Omen deuten?

»Wir müssen uns beeilen«, bemerkte der Messdiener vage. Er sah etwas abgehetzt aus und hielt Don Rosario die schwere Seitentür auf, die der Priester aufgesperrt hatte.

»Ich weiß, Antò’, ich weiß. Sieh doch bitte nach, ob die Bänke auch alle sauber sind, ja? Schau nach benutzten Taschentüchern und vergewissere dich, dass gestern Abend niemand etwas liegen gelassen hat.«

»Mach ich. Gleich kommt übrigens Carlo. Er bringt frische Blumen.«

»Was, jetzt noch?«

Don Rosario brauchte nicht auf die Uhr zu blicken. Die ersten Sonnenstrahlen hatten sich den Weg durch die Fenster gesucht. Es wurde knapp.

»Gestern hat er es nicht mehr geschafft …« Antonio zuckte mit den Achseln, kontrollierte dabei die Bänke.

Und Don Rosario gab es auf. Wieso sich aufregen? Es würde schon irgendwie klappen. Mit Gottes Hilfe.

Während Antonio sich auf den Weg zu seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Abspielen des Bandes mit dem fröhlichen Glockenläuten machte, koordinierte Don Rosario die Blumenlieferung. Sah dabei zu, wie Carlo bei jedem Schritt um den Altar herum eine Spur Blütenblätter hinter sich ließ, und ärgerte sich ein bisschen über die Blumenwahl. Rosen. Scheußliche Blumen. Weil sie einen starken Duft verbreiteten. Einen Geruch, der sogar dem Weihrauch standhielt. Aber die Blumen waren eine Spende. Und dem geschenkten Gaul schaute man natürlich nicht ins Maul, dachte Don Rosario.

In der Sakristei wurde allmählich Stimmengewirr laut. Die Kinder. Seine Ministranten. Mit kleinen Füßen, die wohl kaum darauf achten würden, nicht auf die am Boden liegenden Blütenblätter zu treten.

Irgendwer musste die Blütenblätter aufsammeln. Man wusste ja nie, was kam. Unerwartete Todesfälle, zum Beispiel. Da musste man für die Beerdigung ganz schnell die Kirche bereithalten. Auch aus diesem Grund waren zerquetschte Blütenblätter am Boden alles andere als ideal.

Wo war denn nur Antonio? Immer verschwunden, wenn man ihn am dringendsten brauchte.

Don Rosario seufzte.

Dann musste er wohl selbst für Ordnung sorgen.

Er wusste, wo das Putzzeug in der Kirche aufbewahrt wurde. Im kleinen Bad. Da war auch ein Besen. Was er nicht so genau wusste, war hingegen, wie man das ganze Putzzeug so anwendete, dass nachher auch alles sauberer war als zuvor.

Himmel! Wo blieb denn nur Antonio?!

Ach was!

Kurzerhand kniete sich Don Rosario auf den Boden und machte sich daran, die Blütenblätter mit der Hand aufzusammeln.

»Was tun Sie denn da?«

Don Rosario schreckte hoch. Er hatte niemanden kommen hören. Was wohl daran lag, dass die Kinder inzwischen mächtig lärmten.

Die gute Elide nur.

Konnte Antonio denn nicht zumindest für ein bisschen mehr Ruhe sorgen! Und wo war der Kerl überhaupt?

»Ja, buongiorno, Elide, ich klaube hier nur schnell die paar Rosenblätter auf.«

»Das sollte nicht Ihre Aufgabe sein, Don Rosario! Wie sieht denn das aus?«

»Ach, ich dachte nur, wenn jetzt gleich die Kinder rauskommen, treten sie sicher drauf und machen alles schmutzig …«, versuchte Don Rosario sich zu rechtfertigen. Wobei ihm nicht ganz klar war, wie er in die Defensive geraten war. Es war doch nur die gute Elide.

»Sie haben sicherlich Wichtigeres zu tun. Ich kümmere mich schnell darum, ja?«

»Würdest du …?«

»Natürlich! Gehen Sie schon.«

Erleichtert erhob sich Don Rosario. Versuchte vergeblich ein Stöhnen zu unterdrücken.

»Danke, Elide.«

»Nichts zu danken. Ich stehe in Ihrer Schuld.«

»Ach was, Elide …«

»Schon gut.«

Die gute Elide, dachte Don Rosario. Manchmal konnte man nur schlecht mit ihr reden. Aber er kannte ihren weichen Kern.

Kurz zögerte er noch. Aber Elide war schon dabei, für Ordnung zu sorgen. Und die Kinder waren jetzt viel zu laut. Höchste Zeit einzugreifen. Don Rosario begab sich vom Altar zur Tür, die in den Raum führte, wo sich die Ministranten trafen. Er musste noch nicht einmal etwas sagen. Sobald er die Tür aufriss, wurde es mucksmäuschenstill. Trotzdem warf er einen gespielt strengen Blick in die Runde, bis sich jedes einzelne Kind verlegen wand.

»Wo ist Antonio?«, fragte er die Kinder.

Eigentlich war es die Aufgabe seines Messners, sich um die Kinder zu kümmern.

»Hier!«, rief Antonio aus dem oberen Stockwerk.

»Was tust du da oben?«

»Ich versuche das Band zu reparieren!«

»Welches Band?«

»Na, das mit dem Glockenläuten!«

Don Rosario richtete erneut den Blick gen Himmel.

Manchmal fragte er sich, womit er das verdient hatte.

»Ja, meiner Mutter ist auch aufgefallen, dass das Glockenläuten heute Morgen ausgefallen ist«, kommentierte eines der Kinder hilfsbereit.

Tatsächlich?, dachte Don Rosario. Warum hatte er das gar nicht bemerkt?

Antonio kam ganz verschwitzt aus dem ersten Stockwerk.

»Und, hast du es gerichtet?«

Der Messner schüttelte den Kopf.

»Das heißt, wir haben heute kein Glockenläuten?«

Schon wieder schüttelte Antonio den Kopf, wobei ihm eine Locke in die Stirn fiel.

Instinktiv bekreuzigte sich Don Rosario. Das war ihm gar noch nie passiert.

Mit einem unguten Gefühl ging er mit den Kindern zum Altar, bat sie, sich schon einmal zu setzen, weil er noch seine Kasel anzuziehen hatte.

Während er in sein kleines Büro ging, das sich links von dem Altar befand, stieg ihm Rosenduft in die Nase. Von Rosenblättern selbst keine Spur mehr.

Die gute Elide!

Don Rosario wollte sich unbedingt noch bei ihr bedanken. Aber er konnte sie weit und breit nicht entdecken. Inzwischen hatten sich schon mehrere Schäflein zur Messe eingefunden und besetzten die ersten Bänke. Elide war nicht unter ihnen.

Antonio war Don Rosario gefolgt. Er half ihm dabei, das grüne, goldbestickte Messgewand überzustülpen. Was sich als zunehmend schwierige Aufgabe herausstellte. Denn Don Rosarios Bauch nahm von Jahr zu Jahr an Umfang zu. Der Stoff der Kasel hingegen war nicht sonderlich dehnbar. Und Antonio noch dazu gut zwei Köpfe kleiner als der Priester. Was sie veranstalteten, ähnelte einem seltsamen Tanz. Wobei körperliche Anstrengung Don Rosario ohnehin zum Schwitzen brachte. Besonders an so warmen Tagen wie heute.

»Schon gut, Antonio. Ich glaube, ich schaffe das selbst«, gab sich Don Rosario irgendwann geschlagen und zwang sich ohne Hilfe in das Gewand.

Antonio beobachtete den Priester eine Weile lang, bis er sich tatsächlich angezogen hatte.

»Geschafft«, ächzte Don Rosario. »Vielleicht sollte ich demnächst mal nach neuen Kaseln Ausschau halten!«, murmelte er dann mehr zu sich selbst.

Antonio nickte. Obwohl er leider wusste, dass das nicht so bald passieren würde. Denn sein Boss sagte das jedes Mal, wenn er sich für die Messe vorbereitete. Neue Kaseln hatte Antonio aber noch nicht gesehen.

»Na, dann lass uns mal die Messe starten!«, verkündete Don Rosario entschlossen und drehte sich halb um, als es leise an der Tür klopfte.

Fragend schaute er seinen Messner an. Antonio zuckte nur mit den Achseln, wollte Don Rosario aber unbedingt noch sagen, dass sein Haar ganz unordentlich abstand.

Dieser aber ging schon zur Tür und öffnete.

»Elide. Ich habe vorhin schon nach dir gesucht, weil ich dir noch für deinen Einsatz danken wollte.«

Elide hob abwehrend die Hand.

»Da gibt es nichts zu danken, Don Rosario. Aber kann ich Sie vor der Messe noch ganz kurz sprechen?«

Don Rosario blickte sie abwägend an, nickte dann aber nur.

»Antonio, geh du doch bitte schon einmal voraus und prüfe, ob das Mikrophon am Altar heute ausnahmsweise ohne Rauschen funktioniert.«

Antonio ging, etwas widerwillig. Nicht weil er gerne gelauscht hätte, nein. Sondern weil er es nicht geschafft hatte, Don Rosario diese Sache mit seinem Haar noch zu sagen. Und Antonio wusste, wie sehr der Priester ordentliches Haar liebte.

Die Messe begann mit einigen Minuten Verspätung. Zum ersten Mal, seit Don Rosario Priester war, fehlte das fröhliche Glockengeläut zu Beginn. Und zum ersten Mal überhaupt gewann Raffaele später beim Kartenspielen gegen Don Rosario. Doch mit seiner Predigt hatte der Priester sich dafür heute selbst übertroffen. Er hatte über den Abschied gesprochen. Über seine traurigen und über seine fröhlichen Aspekte. Über das, was man beim Abschied zurücklässt, und darüber, was man auf der anderen Seite finden kann.

»Ihr zwei … ihr seid wie ein leuchtender Stern, der vom Himmel ins Meer gefallen und in zwei Stücke auseinandergebrochen ist.«

Zwei Mädchen, ein vertrauter Blick. Und dann solidarisches Kichern.

Der weise Mann, der auf dem umgedrehten Boot am Strand sitzt und sein Netz nach Löchern durchsieht, vertraut den Sternen.

Kein anderer hat die Freundschaft zwischen Pia und Tiziana jemals besser beschrieben.

Kapitel 3

Camerota, Mitte September nachmittags

Pia wischte sich den Schweiß von der Stirn. Zu heiß. Viel zu heiß. Und Hitze konnte Pia nicht leiden. Hitze machte alles schwieriger, mühsamer. Selbst die gewohnten Handgriffe in der Küche. Eigentlich liebte Pia den September – gerade, weil es nach dem Hochsommer allmählich frischer wurde. Aber auf die Jahreszeiten war offenbar kein Verlass mehr. Im August hatte es unentwegt geschüttet, und der September wollte das wohl wiedergutmachen.

»Maaaaaaaaaa!«

Pia schreckte hoch.

Dio santo! Es war unschön, das zuzugeben. Aber die Stimme hatte Miriana, ihre jüngste Tochter, von der Großmutter geerbt. Selbst wenn Miriana aus dem ersten Stock rief, hörte man jedes Wort klar und deutlich. Darin glich sie nonna Sandrina. Zum Glück nur darin …

»Jaahaaa!«, rief Pia zurück und schnippelte weiter. Sie hatte hier ein Abendessen vorzubereiten, das die Welt – oder zumindest die famiglia Moscato – noch nie gesehen hatte!

»Kommst du maaaaal?«

Nein. So würde das nichts werden mit dem besten Abendessen überhaupt.

»Kann nicht!«, versuchte sie Miriana abzuwimmeln.

»Biiiiiiiitte. Bitte, bitte, bitte!«

Pia ließ die Hände sinken, schaute auf das Gemüse auf dem Schneidebrett und gab sich geschlagen. Miriana bekam ohnehin immer ihren Willen.

Sorgfältig wusch sich Pia die Hände, trocknete sich am Küchentuch ab und verließ resigniert die Küche. Sie stieg die Stufen hoch und begab sich in Mirianas Zimmer. Wo sie fast der Schlag traf.

Wortlos betrachtete sie die Klamotten, die quer verteilt im Zimmer herumlagen. Es handelte sich um Kleidung, die sie aufgesammelt, in die Waschmaschine gesteckt, zum Trocknen aufgehängt, wieder eingesammelt, gebügelt und dann in Mirianas Schrank gelegt hatte. Und es störte sie, wie respektlos ihre Tochter damit umging. Pia holte tief Luft. Beruhigte sich irgendwie selbst. Und schluckte ganz böse Worte stoisch herunter. Heute musste sie – wieder einmal – verständnisvoll sein. Schließlich war das ein ganz besonderer Tag für Miriana.

»Ma, sag mal, macht diese Hose einen dicken Hintern?«

Miriana stand vor ihrem Ganzkörperspiegel und verrenkte sich angestrengt, um sich die Frage selbst zu beantworten. Anscheinend war sie zu keiner eindeutigen Antwort gekommen.

Pia fuhr sich durchs Haar. Konnte kaum glauben, dass sie wegen einer derartigen Lappalie ihr Essen auf dem Herd im Stich gelassen hatte. Sie wusste auch ohne hinzusehen, dass Mirianas Hintern, vor allem in diesen hautengen Hosen, geradezu winzig war. Eine wütende Stimme in Pias Kopf drängte sie, Mirianas Befürchtungen zu bestätigen. Einfach mal so, um deren Reaktion zu testen. Aber da war noch eine zweite, liebevolle Stimme. Sie versicherte Pia, dass sie eine ganz hervorragende Mutter war, die genau wusste, was ihre Kinder brauchten. In diesem Fall Zuspruch.

»Nicht die Spur. Ganz im Gegenteil finde ich, dass die Hose deine Beine länger wirken lässt!«

»Echt?«

Miriana stellte sich endlich wieder gerade vor den Spiegel. Betrachtete ihre Beine ganz genau. Strahlte dann.

»Hast recht! Ma, die nehme ich mit!«

Hurra. Kleine Erfolge lieber Mütter!

»Bist du dann bald fertig?«

»Ähm … fast.«

Hm. Das konnte man glauben. Oder auch nicht. Pia veranstaltete einen Slalom rund um die Klamotten-Stapel und wagte einen Blick in Mirianas Koffer, der auf dem Bett lag.

Leer.

»Mensch, Miri. Was hast du den ganzen Morgen über gemacht?!«

»Ja, Ma, ich muss die Sachen schon anprobieren, bevor ich sie einpacke.«

»Das kann doch nicht Stunden dauern!«

Miriana zog die Schultern hoch. Ihr war das offensichtlich vollkommen egal. Also kratzte Pia nochmal die winzigen Reste ihrer Geduld zusammen und wies Miriana freundlich auf ein paar Dinge hin.

»Dein Zug geht morgen sehr früh. Bald kommt Tiziana, um dir die Haare zu machen, und danach werden wir bis spät abends volles Haus haben. Irgendwann dazwischen könnte ich auch ein bisschen Hilfe gebrauchen. Wann genau gedenkst du, das mit dem Koffer zu regeln?«

»Irgendwann halt!«

Jetzt war Miriana es, die genervt war.

Und wieder hielt Pia sich zurück. Sie wusste sowieso, dass ihre Tochter recht behalten würde. Sie würde das schon irgendwie hinbekommen. Junge Leute bekamen immer alles hin. Auch ohne Planung.

Sie dagegen, die dieses Abendessen schon seit Wochen plante, drohte zu scheitern. Ja, weil das alles gar nicht so einfach war. Eigentlich hatte sie nämlich ein Fisch-Menü zusammengestellt. Aber Fisch aß nonno Mario nicht. Der liebte Schweinefleisch. Schweinefleisch durfte er aber nicht essen. Also hatte Pia ihm Pute gekauft und bis zur Unkenntlichkeit geschmort. Vielleicht konnte sie ihm ja weismachen, dass es Schweinefleisch war. Und nonna Sandrina, die mochte alles, was aus dem Meer kam. Fisch und Schalentiere. Nur ohne Gräten. Und nicht zu weich. Und um Gottes willen nichts, das an Schnecken erinnerte. Was die Auswahl natürlich ziemlich einschränkte. Zum Glück hatte Ermanno abgesagt. Zu viel los im Restaurant, hatte ihr Schwager behauptet. Was Pia ganz recht war. Bei ihm fühlte sie sich immer unter die Lupe genommen. Ermanno war der Meinung, dass niemand an seine Kochkünste herankam. Sollte er ruhig in dem Glauben sterben. Am besten gleich demnächst.

»Ma, an deiner Stelle würde ich mich beeilen«, wurde sie von Miriana plötzlich aus ihren Gedanken gerissen.

Das auch noch! Ihre Tochter glaubte, sie belehren zu können.

»Ja, da hast du recht! Brauchst du hier noch irgendwas?«

»Nee.«

»Gut. Beeil du dich jetzt aber auch!«

»Klar!«