Der falsche Graf - Claudia Torwegge - E-Book

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Claudia Torwegge

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. »Also, was S' mir da grad gesagt haben, Berninger, das würd geradezu lächerlich klingen, wenn's net so absolut ungeheuerlich wär!« Fürst Otto von Thoringen schüttelte amüsiert den Kopf, während er seinen Stallmeister ansah. Hans Berninger war fünfundfünfzig Jahre alt, hatte aber bereits schütteres Haar und ein kleiner Bauchansatz verriet, dass er einem guten Leben nicht abgeneigt war. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr stand er in Diensten des Fürstenhauses Thoringen, und seit exakt dreißig Jahren war er als Stallmeister für die Pferde auf Schloss Thörl verantwortlich. »Durchlaucht«, sagte er, »glauben S' mir, ich hab ihn selbst gesehen, den Grafen, als er im Hotel Schwan eingetroffen ist. Imposanter hätt selbst …, entschuldigen S', aber ich weiß net mit wem man's vergleichen könnt, auftreten können.« Fürst Otto ging in seinem Arbeitszimmer langsam zum Fenster. Er war zwar fünf Jahre älter als sein Stallmeister, hatte jedoch noch eine drahtige Figur, außerdem volles dunkles Haar und den aristokratischen Kopf mit der hohen Stirn und der schmalen Nase derer von Thoringen! Seit über vierhundert Jahren, als der erste Vorfahre des amtierenden Fürsten sich am Fluss des Predigtstuhls im Ammergau niedergelassen hatte, war die Familie dort zu Hause. Schloss Thörl wurde 1580 im Stil der Renaissance errichtet, und da alle regierenden Fürsten des Hauses Thoringen Kunstliebhaber gewesen waren, barg es unschätzbare Stücke der europäischen Kulturepochen. »Und wie hat er sich genannt, der Herr Graf? Was S' vorhin gesagt haben, das kann ich nämlich nicht glauben.« Fürst Otto sah seinen Stallmeister fragend an. »Es ist aber so, Durchlaucht«, antwortete der, »von Wertenfels hat er gesagt, Botho von Wertenfels. Ich bin extra noch mal zur Rezeption gegangen und hab den Empfangschef gefragt.« »Einen Grafen dieses Namens gibt es nicht!« Fürst Otto sah immer noch aus dem Fenster. Der erste neue Schnee lag bereits auf den Gipfeln der umliegenden Berge, und das Laub der Bäume schimmerte schon bunt in herbstlichen Farben.

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Fürstenkrone – 137–

Der falsche Graf

Warum Prinz Werner in Schwierigkeiten steckte ...

Claudia Torwegge

»Also, was S’ mir da grad gesagt haben, Berninger, das würd geradezu lächerlich klingen, wenn’s net so absolut ungeheuerlich wär!« Fürst Otto von Thoringen schüttelte amüsiert den Kopf, während er seinen Stallmeister ansah.

Hans Berninger war fünfundfünfzig Jahre alt, hatte aber bereits schütteres Haar und ein kleiner Bauchansatz verriet, dass er einem guten Leben nicht abgeneigt war.

Seit seinem vierzehnten Lebensjahr stand er in Diensten des Fürstenhauses Thoringen, und seit exakt dreißig Jahren war er als Stallmeister für die Pferde auf Schloss Thörl verantwortlich.

»Durchlaucht«, sagte er, »glauben S’ mir, ich hab ihn selbst gesehen, den Grafen, als er im Hotel Schwan eingetroffen ist. Imposanter hätt selbst …, entschuldigen S’, aber ich weiß net mit wem man’s vergleichen könnt, auftreten können.«

Fürst Otto ging in seinem Arbeitszimmer langsam zum Fenster. Er war zwar fünf Jahre älter als sein Stallmeister, hatte jedoch noch eine drahtige Figur, außerdem volles dunkles Haar und den aristokratischen Kopf mit der hohen Stirn und der schmalen Nase derer von Thoringen!

Seit über vierhundert Jahren, als der erste Vorfahre des amtierenden Fürsten sich am Fluss des Predigtstuhls im Ammergau niedergelassen hatte, war die Familie dort zu Hause.

Schloss Thörl wurde 1580 im Stil der Renaissance errichtet, und da alle regierenden Fürsten des Hauses Thoringen Kunstliebhaber gewesen waren, barg es unschätzbare Stücke der europäischen Kulturepochen.

»Und wie hat er sich genannt, der Herr Graf? Was S’ vorhin gesagt haben, das kann ich nämlich nicht glauben.« Fürst Otto sah seinen Stallmeister fragend an.

»Es ist aber so, Durchlaucht«, antwortete der, »von Wertenfels hat er gesagt, Botho von Wertenfels. Ich bin extra noch mal zur Rezeption gegangen und hab den Empfangschef gefragt.«

»Einen Grafen dieses Namens gibt es nicht!« Fürst Otto sah immer noch aus dem Fenster. Der erste neue Schnee lag bereits auf den Gipfeln der umliegenden Berge, und das Laub der Bäume schimmerte schon bunt in herbstlichen Farben.

»Ein junger Bursch ist er«, antwortete Hans Berninger, »sicher net einmal dreißig.« Dann nickte er anerkennend. »Aber aufgetreten ist der, also, das war ein Erlebnis.«

»Dann beschreiben S’ mir mal das, was S’ ein Erlebnis nennen.« Fürst Ottos Stimme klang zweifelnd, als er seinen Stallmeister aufmunternd anblickte.

»Also, der Graf ist net gegangen, sondern geritten. Er muss Metallplatterln unter den Absätzen gehabt haben, denn geklungen hat’s auf den Fliesen in der Eingangshalle, als wenn eine Abteilung Ulanen einmarschiert wär, wenn S’ wissen, was ich mein’.« Hans Berningers Augen glänzten, als er seinem Fürst berichtete, denn er schätzte große Auftritte über alles.

»Ja, ja, reden S’ schon weiter.« Mit einer nervösen Handbewegung unterstrich der Chef des Hauses Thoringen seine Ungeduld.

»Ein wirklich gut aussehender Mensch ist er. Wie ein …, wie ein spanischer Edelmann hat er ausgeschaut. Schwarze, glatt nach hinten gekämmte Haare, und ganz braun ist seine Haut gewesen, so als wenn er am Meer zu Haus wär.« Hans Berninger zuckte, als müsse er den Auftritt des Grafen bei seinem Fürsten entschuldigen, mit den Schultern. »Ach ja«, fuhr er dann fort, »einen dunklen Blazer mit ganz auffälligem Wappen auf der Brusttasche hat er angehabt. Das hat man aber erst gesehen, als er einen schwarzen Umhang, der innen scharlachrot gewesen ist, mit elegantem Schwung ablegte, bevor er sich dann suchend im Foyer umgeschaut hat, während er seinen Begleiter bat, ihn ins Rezeptionsbuch einzutragen.«

»Er hat sich nicht selbst eingetragen, sondern eintragen lassen? Ja, geht denn das überhaupt?« Erstaunt sah Fürst Otto Hans Berninger an.

Der zuckte mit den Schultern. »Bei ihm jedenfalls ist’s gegangen. Und zwar von einem sehr devot auftretenden Menschen, den er Berthold genannt hat. Er ist gut zehn Jahr älter als sein Graf.«

Fürst Otto lachte kurz auf. »Ich glaub, da will uns einer ganz gehörig auf den Arm nehmen. Graf Botho von Wertenfels, dass ich nicht lach! Wertenfels ist seit dreihundert Jahren im Besitz meiner Familie. Lange Zeit haben meine Vorfahren dort gelebt. Wenn es also eine Linie Wertenfels gäb, dann müsst ich’s unbedingt wissen.«

Hans Berninger stand neben dem Schreibtisch des Fürsten und sah diesen ein wenig unglücklich an.

Fürst Otto hielt sich immer noch am Fenster auf und sah hinaus. Als er sich umdrehte, fragte er: »Ist noch was, Berninger?«

Der druckste zuerst ein wenig herum, doch dann nickte er.

»Was denn?«, fragte Fürst Otto, »heraus mit der Sprach! Schlimmer kann’s schon nimmer kommen.«

»Das …, das Wappen des Grafen«, murmelte Berninger.

»Was ist mit dem Wappen?«

Hans Berninger versuchte dem Blick seines Fürsten auszuweichen, als er antwortete. »Mittendrin prangt das …, also, Herrschaftszeiten, warum fällt’s mir denn so schwer, grad das zu sagen?«

»Was fällt Ihnen schwer zu sagen?«, wollte Fürst Otto wissen, »und was prangt worin? Reden S’ schon, Berninger!«

Der Stallmeister des Hauses Thoringen räusperte sich ein paarmal, dann sah er seinen Fürsten ein wenig ängstlich an. »Also mitten in dem Wappen auf dem Blazer von dem Grafen, der im ›Schwan‹ abgestiegen ist, da prangt genau die Wertenfelser Krone, die mit dem Bergkristall vorn drauf!«

»Was?« Fürst von Thoringen starrte Hans Berninger ungläubig und entrüstet an, sein Gesicht war kalkweiß geworden. »Das …, das darf doch nicht wahr sein«, fuhr er mit steifer Stimme fort, »unser …, das Wappen unseres Hauses auf dem Blazer eines …, eines Menschen, der sich Graf von Wertenfels nennt!«

*

Als Dr. Thomas Berninger an jenem Morgen, es war nicht einmal vier Uhr in der Früh, aus dem OP kam, sah er auf die Uhr und atmete kräftig durch. Noch drei Stunden Dienst, dann würde sein Urlaub beginnen, und vier Wochen voller Sonne und Faulenzen lagen vor ihm.

Thomas Berninger war dreißig Jahre alt und bereits mit sechsundzwanzig erster Assistent Professor Robert Bauers gewesen. Alle Kollegen anerkannten Thomas’ hervorragenden Fähigkeiten und sagten ihm eine glänzende Karriere als Chirurg voraus.

Als er sich dann vor einem Jahr auch noch in Sabine, die einzige Tochter des Professors verliebte, waren selbst die größten Skeptiker überzeugt, Dr. Thomas Berninger würde einer chirurgischen oder wissenschaftlichen Karriere nicht mehr ausweichen können, und keiner wunderte sich, als Professor Bauer ihn gleich nach seiner Facharztanerkennung zum Oberarzt ernannte.

Thomas störte das Gerede seiner Kollegen nicht, auch der etwas verlegene Hinweis seines Studienkollegen und Freundes Georg Gruhl, Sabine sei noch keinem Flirt ausgewichen und verschleiße Männer wie andere Sandalen, hatte ihn nicht oder nur wenig irritiert.

»Sicher, sie hat viele Bekannte«, hatte er Georg geantwortet, »aber das hast du und das hab ich auch. Das ganze Gerede der sogenannten Kollegen ist doch nur der pure Neid.«

Dr. Georg Gruhl hatte unter sich gesehen und kaum merkbar den Kopf geschüttelt. Ihm wollte einfach nicht in den Sinn, dass gerade sein Freund Thomas auf Sabine Bauer hereinfallen sollte.

Als er noch mal auf ihn einreden wollte, hatte Thomas abgewunken und gesagt, wenn sie Freunde bleiben wollten, dann solle er gefälligst den Mund halten. Seitdem hatte er in Gegenwart Thomas’ das Thema Sabine vermieden.

Thomas stand an jenem frühen Morgen in seinem Zimmer der Unfall- und Chirurgischen Kliniken am Giesenberg in München und sah hinüber in den Park. Dort lag das Privathaus Professor Bauers. Als in Sabines Zimmer plötzlich das Licht anging, sah er automatisch hinüber.

Er glaubte zuerst an einen bösen Traum, als er neben Sabine einen Mann sah, den er zu kennen glaubte. Bevor er noch mal hinsehen konnte, wurde der Vorhang zugezogen.

Nervös ging Thomas zur Intensivstation, um nach dem Frischoperierten zu sehen. Doch Thomas war derart abgelenkt, dass er seinen Kollegen, einen Anästhesisten, bat, doch den Check vorzunehmen.

Als er wieder auf seiner Station war, erlosch gerade das Licht in Sabines Zimmer. Wenn er doch nur wüsste …!

»Ich bin mal zehn Minuten weg«, sagte er zur Nachtschwester, »wenn was Dringendes ist, rufen Sie bitte auf der Intensivstation an, dort sind zwei diensttuende Ärzte.«

Zuerst steckte er seinen Schlüsselbund ein, denn für alle Fälle, er hatte ihn jedoch noch nie benutzt, hatte Sabine ihm einen Schlüssel ihres Hauses gegeben.

Nie hätte Dr. Thomas Berninger gewagt, das Haus seines Professors heimlich zu betreten. Doch erstens war der Professor auf einem Kongress in der Schweiz und zweitens diagnostizierte er die Situation als Notfall.

Er musste unwillkürlich an die vor Sabine warnenden Worte seines Freundes Georg denken, als er leise die Haustür aufschloss. Sabines Zimmer lag am Ende des Ganges.

Gerade wollte Thomas die Haustür leise hinter sich ins Schloss ziehen, als er aus Sabines Zimmer Geräusche hörte, die eindeutig darauf schließen ließen, was dort gerade passierte.

Einen Moment blieb Thomas völlig apathisch stehen, er spürte, wie sein Mund austrocknete und wurde erst wieder mit der Gegenwart konfrontiert, als Sabine ein paarmal laut den Namen Stefan rief.

Leise und unbemerkt wie er gekommen war, öffnete er wieder die Haustür und verschwand durch den Park in die Klinik.

Als er sich bei der Nachtschwester zurückmeldete, sah die ihn erschrocken an. »Was ist denn mit Ihnen passiert, Herr Doktor?«, fragte sie. »Sie sehen ja aus, als wär Ihnen grad was ganz Furchtbares passiert!«

Thomas hatte gar nicht gehört, was die Schwester gesagt hatte, er sah durch sie hindurch wie durch eine Glasscheibe. Gedankenverloren ging er zurück in sein Zimmer, wo ihn morgens, als sein Dienst zu Ende war, sein Freund Georg völlig demoralisiert fand.

»Ich wollt mich eigentlich von dir verabschieden und dir einen guten Urlaub wünschen, wann fliegst du?« Fragend sah Georg Gruhl Thomas an.

Als er mitbekam, dass der völlig apathisch dasaß, fragte er: »Ist dir nicht gut? Was ist denn passiert?«

Teilnahmslos starrte Thomas seinen Freund und Kollegen an.

»Du hast recht gehabt«, murmelte er dann, »sie …, sie ist ein …, ich weiß nicht wie ich mein Gefühl beschreiben soll.«

»Von was redest du?«, fragte Georg Gruhl, der sich inzwischen ernsthafte Sorgen machte.

»Von …, von Sabine!« Leise und mit völlig fremder Stimme schien Thomas zu reden.

»Oh!«, rutschte es über Georgs Lippen, »das …, das …, damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.«

»Obwohl du mich gewarnt hast!«

»Vergiss doch mein dummes Gerede!«

»Vergessen?«, fragte Thomas mit verzweifelter Stimme, »innerhalb einer Sekunde stürzte meine ganze Lebensplanung zusammen, und du sagst, ich soll es vergessen?«

»Was …, was ist denn konkret passiert?«

»Kennst du Stefan Wagner?«

»Deinen Vorgänger als Oberarzt?«

Thomas nickte. »Eben jenen«, sagte er. »Dieser Herr hat sich in der vergangenen Nacht mit Sabine vergnügt. Oder sie mit ihm, ganz wie du es möchtest. Während ich im OP einem Zehnjährigen den perforierten Appendix entferne, hat sie nichts anderes im Sinn, als das zu praktizieren, worüber du dich umsonst bemüht hast, mich aufzuklären.« Er atmete tief durch. »Selten hat es einen größeren Deppen gegeben als mich!«

Dr. Georg Gruhl sah betroffen unter sich und schwieg.

»Gibt’s eigentlich noch einen der Kollegen, der mich für voll nimmt?«, fragte Thomas, dessen Lethargie allmählich verschwand. »Alle wissen Bescheid, nur der, den’s betrifft, der steckt den Kopf in den Sand und will nichts wissen!«

»Überschlaf doch erst mal alles«, versuchte Georg auf Thomas einzureden.

Doch der winkte ab. »Geschlafen und vor mich hin geträumt hab ich lang genug«, sagte er. »Anstatt in die Karibik geht’s also zuerst einmal nach Hause.«

Erschrocken sah Georg seinen Kollegen an. »Du …, du willst die Reise mit Sabine tatsächlich absagen?«

»Ja, glaubst du denn allen Ernstes, ich würde mit ihr auch nur noch einen Meter irgendwohin gehen?« Thomas klopfte sich vor die Stirn. »Das kannst du doch nicht annehmen!«

»Und der Professor?«, fragte Georg. »Was sagst du zu ihm, wenn er zurückkommt? Du weißt, Sabine ist sein ein und alles!«

»Er wird ja doch wohl noch unterscheiden können, ob ich mir oder sie sich was hat zuschulden kommen lassen.« Dr. Thomas Berninger lachte ganz kurz auf.

»Da wär ich mir nicht so sicher«, antwortete Georg Gruhl. Dann sah er auf die Uhr und stand auf. »Egal, was du tust, lass es mich wissen«, sagte er dann, »und wenn du Hilfe brauchen solltest, und sei es nur, um mit jemand zu reden, dann musst du nur einen Ton sagen. Hast du gehört?«

Thomas Berninger nickte. »Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann«, murmelte er, während er seinen Kollegen dankbar anlächelte. »Du bist der einzige Mensch, auf den ich mich wirklich noch verlassen kann.«

In dem Moment wurde die Tür aufgestoßen und Sabine, hochgestylt und in extrateurem Designerkleid, stand strahlend vor ihnen.

»Und ich?«, fragte sie, ein erstarrten Thomas schmollend einen Kuss auf den Mund hauchend. »Kannst du dich denn auf mich etwa nicht verlassen?«

*

Es wurde später Nachmittag, als Thomas auf Schloss Thörl eintraf. Sein Vater und seine Mutter bewohnten ein kleines Häuschen am Rand des Parks in unmittelbarer Nähe des Schlosses und der Stallungen.

Als Thomas gleich nach dem Abitur in München mit dem Medizinstudium begonnen hatte, war er anfangs noch jedes zweite Wochenende zu Hause gewesen. Immer spärlicher waren im Lauf der Jahre seine Besuche geworden, einmal weil sein Studium sehr viel seiner Zeit beanspruchte und dann, weil er sich in der Stadt immer besser zurechtfand. Seine Eltern hatten sich schon daran gewöhnt, wollten sie ihn sehen, mussten sie zu ihm nach München kommen. Ein- oder zweimal im Jahr, öfter kam er nicht mehr nach Thörl.

»Sag mal, wolltest du heut nicht in Urlaub fahren?«, fragte seine Mutter, als er ankam. »Ich freu mich riesig, dass du wieder mal da bist, aber beabsichtigt war doch was anderes, oder?«

»Lass den Jungen doch erst mal zu Atem kommen«, sagte sein Vater Berninger, »ganz ausgezehrt schaut er aus. Gib ihm was zu essen!«

Thomas war großgewachsen, schon zu Schulzeiten überragte er viele seiner Mitschüler um einen halben Kopf. Er hatte eine sehr sportliche Figur, die er durch regelmäßiges Schwimmen fit hielt.

Seine blonden, oft ein wenig widerspenstigen Haare, seine blauen Augen und vor allem sein jungenhaftes Lächeln und Lachen hatte ihm schon früh den Ruf eines Sonnyboys eingebracht, dem er aber nie gerecht wurde, denn er war im Grund genommen ein eher ernster Typ, der gewissenhaft arbeitete und Studium und Promotion in kürzester Zeit hinter sich brachte.

»Ich möcht jetzt nichts essen«, sagte er zu seinem Vater, dann wandte er sich an seine Mutter. »Um deine Fragen gleich allesamt zu beantworten. Erstens ich fahr nicht in Urlaub! Zweitens: mit Sabine ist’s aus! Drittens: aber sonst geht mir’s blendend! Weitere Fragen beantworte ich jetzt nicht, sondern erst, wenn mir danach ist.« Dann sah er seinen Vater an und meinte, er solle ihm zeigen, was für tolle Pferde er im Stall habe.

Hans und Maria Berninger sahen sich für einen Moment betroffen an, Thomas’ Mutter wollte etwas sagen, aber ihr Mann schüttelte ganz kurz den Kopf, dann ging er vor seinem Sohn Richtung Stallungen.