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Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Er war ihr Marshal gewesen, aber sie hatten ihn gehasst, weil er das Recht gründlich vertrat. Einer schoss ihn hinterrücks an, zwei andere wollten ihm den Fangschuss geben. Er schoss zurück und entkam den Mördern, weil er sie töten konnte. Aber sie hatten ihn vertrieben. Vor King Maxim lag Palouse breit zwischen den Hügeln. Das schrille Signal einer fauchenden Lok hallte zu den Hügeln hinaus. Palouse – Endstation der North-Idaho-Railway. Dieses letzte Jahr hatte King Maxim manches gelehrt … vor allem die langen Wochen zwischen Leben und Tod. Er hatte die Stadt und ihre Menschen gehasst – und er hasste sie noch. Aber er liebte sie auch, weil sie zu einem Stück seines Lebens geworden waren. Er hatte gewusst, dass sie ihn hassten. Zum Beispiel der Besitzer der Spielhölle, den er mehr als einmal ins Gefängnis sperren musste. Oder die Kartenhaie, die Glücksritter, die Revolverhelden und Rowdys. Vor allem hatte aber Al Kerr ihn gehasst, der diese Stadt als sein persönliches Eigentum ansah, weil überall von ihm Geld investiert war. Der Bankier Al Kerr, mit allen Hunden gehetzt und allen Wassern gewaschen ... Alles war anders, als er es sich vorgestellt hatte. Die Stadt sah anders aus, verändert. Sie wirkte leblos, ohne das gewohnte pulsierende Treiben. Woran es lag, das merkte er erst, als er sich schon dicht vor der Spielhölle Milford Milligans befand. Die Stadt tat nicht so, als schliefe sie, sie schlief tatsächlich.
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Seitenzahl: 154
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Er war ihr Marshal gewesen, aber sie hatten ihn gehasst, weil er das Recht gründlich vertrat. Einer schoss ihn hinterrücks an, zwei andere wollten ihm den Fangschuss geben. Er schoss zurück und entkam den Mördern, weil er sie töten konnte. Aber sie hatten ihn vertrieben. Nach einem Jahr kehrte er zurück …
Vor King Maxim lag Palouse breit zwischen den Hügeln. Das schrille Signal einer fauchenden Lok hallte zu den Hügeln hinaus. Palouse – Endstation der North-Idaho-Railway.
Dieses letzte Jahr hatte King Maxim manches gelehrt … vor allem die langen Wochen zwischen Leben und Tod. Er hatte die Stadt und ihre Menschen gehasst – und er hasste sie noch. Aber er liebte sie auch, weil sie zu einem Stück seines Lebens geworden waren.
Er hatte gewusst, dass sie ihn hassten. Zum Beispiel der Besitzer der Spielhölle, den er mehr als einmal ins Gefängnis sperren musste. Oder die Kartenhaie, die Glücksritter, die Revolverhelden und Rowdys.
Vor allem hatte aber Al Kerr ihn gehasst, der diese Stadt als sein persönliches Eigentum ansah, weil überall von ihm Geld investiert war. Der Bankier Al Kerr, mit allen Hunden gehetzt und allen Wassern gewaschen ...
Alles war anders, als er es sich vorgestellt hatte. Die Stadt sah anders aus, verändert. Sie wirkte leblos, ohne das gewohnte pulsierende Treiben.
Woran es lag, das merkte er erst, als er sich schon dicht vor der Spielhölle Milford Milligans befand. Die Stadt tat nicht so, als schliefe sie, sie schlief tatsächlich.
Was war geschehen? Was hatte aus Palouse eine tote Stadt gemacht? Der Bahnhof stand noch, die Eisenbahn fuhr wie immer. Daran konnte es also nicht liegen.
Das Stadthaus. Dort hatte King sein Office gehabt und sein Bett. Ein Schreibtisch mit dem Protokollbuch – ein Bett und ein Schrank. Und hinter dem Haus die Arrestzelle. Das war sein Heim gewesen.
Er schaute die Straße hinauf und hinunter. Vor einem Haus an der Ecke der Virgin-Street stand jetzt ein Mann und beschattete die Hand mit den Augen. Er sah aus wie Old Jolly, der dort an der Ecke früher seine Cafeteria betrieben hatte, ehe er den Laden dichtmachen musste, weil er kein Geld mehr hatte.
King ließ sich zur Erde gleiten und stelzte mit merkwürdig steifen Schritten die Treppe zum Stadthaus hinauf. Er stieß die Tür zum Office des Marshals auf. Hinter dem Schreibtisch saß ein Mann. Er lehnte im Sessel, hatte die Füße auf die Schreibtischplatte gelegt und schnarchte vor sich hin.
»Guten Tag, Jon«, sagte King Maxim.
Jon Caput war also sein Nachfolger geworden.
Der Mann mit dem Stern auf der Brust erwachte ruckartig.
»Marshal … äh … King Maxim!«, stammelte er.
»Ein guter Platz zum Schlafen«, sagte King lächelnd »Bloß ein bisschen unbequem.«
Jon Caput zwinkerte nervös. Dann lachte er, kam eilig um den Schreibtisch herum und reichte King eine lasche Hand. »Ich freue mich sehr, Sie als Erster begrüßen zu können, Mr. Maxim. Verdammt will ich sein, wenn das nicht ein großartiger Tag für unsere Stadt ist! Jawohl, ein großartiger Tag!«
»Sicher, Jon. Sogar die Sonne scheint zu meiner Ehre. Sag mal, was ist mit Palouse passiert? Ist die Pest ausgebrochen?«
»Das wissen Sie nicht?«, schrie Jon Caput. »Mann, kommen Sie vom Mond?«
»So ungefähr. Wo ich gewesen bin, gab es jedenfalls keine Zeitung. Was ist also los?«
»Gold, Mann! Gold im Gold-Water-Revier! Nuggets so groß wie Kinderköpfe …«
»Na, na, na! Sagen wir die Hälfte, Jon!«
»Aber so groß wie Hühnereier bestimmt! Hab ich selbst gesehen! Und das wissen Sie nicht? Die ganze Stadt ist ausgeflogen in die Berge. Kein einziger ist dageblieben.«
»Und du? Willst du kein reicher Mann werden?«
»Ich habe ein Amt, Mr. Maxim. Sie wissen selbst, wie verantwortungsvoll und gefährlich es ist.«
»Natürlich. Dann habt ihr wohl auch keinen Bürgermeister mehr, was?«
»Aber sicher. Die meisten Leute kommen nämlich bestimmt wieder. Und ich wette, dass sie dann ärmer sind als je zuvor. Es geht rau zu da oben. Wer es nicht vertragen kann, den ganzen Tag im eisigen Wasser zu stehen und das Sieb zu schütteln …«
»Was denn, arbeiten muss man auch dabei? Ich denke, das Gold liegt da bloß rum!«
»Tatsache, es ist schon mordsmäßig viel gefunden worden. Aber natürlich gehört Glück dazu.«
King Maxim starrte schweigend auf den Schreibtisch. Gold also. Darum war Palouse tot.
»Wer ist Bürgermeister?«, fragte King.
»James Divine. Ich glaube, er ist im Hause. Wollen Sie ihn sprechen?«
James Divine. Auch einer von denen, die nicht schnell genug reich werden konnten. Einer, der über Leichen ging, der mit Rindern und Pferden gehandelt hatte. »Ja, ich will ihn sprechen.«
King stakte langsam zur Tür hinaus. Er hörte noch den unterdrückten Ausruf Jon Caputs, aber er drehte sich nicht um. So wie Jon würden sich noch viele wundern, wenn sie sein Bein sahen. Er stakte den Gang hinunter, klopfte kurz an eine Tür und trat ein.
James Divine schlief nicht. Er saß in einem bequemen Sessel neben dem Ofen – und ihm gegenüber in genauso einem weichen Sessel Al Kerr.
»Hallo!«, lächelte King. »Ich störe doch nicht?«
*
James Divine verlor fast die Zigarre, die zwischen seinen wulstigen Lippen hing. Sein feistes Gesicht rötete sich. Aber bemerkenswerter war die Reaktion Al Kerrs, der mit dem Rücken zur Tür saß. Er ruckte herum und starrte King aus Augen an, die zu schmalen Schlitzen geschlossen waren.
»King Maxim!«, sagte er leise.
»Sie verstehen es wahrhaftig, einen zu erschrecken!«, polterte Divine. »Können Sie nicht anklopfen?«
»Ich habe geklopft, Herr Bürgermeister. Aber wenn Sie es wünschen, tue ich es noch mal.«
Divine drückte sich aus dem Sessel hoch. Plötzlich strahlte er über das ganze Gesicht. »Immer noch der alte Witzbold. Eine witzige und scharfe Zunge. Mann Gottes, wo haben Sie bloß solange gesteckt?«
»Im Exil, James. Auf Erholungsurlaub. Leider habe ich nur zehn Pfund zugenommen.«
Divine lachte kollernd und schüttelte King die Hand.
»Prächtig sehen Sie aus! Ganz der alte Eisenfresser … was, Al? Das war noch ein Marshal! Habe ich das nicht immer gesagt?«
»Sicher«, lächelte Al Kerr. »Wirklich schade, dass Palouse zur toten Stadt geworden ist. Sie hätten wir sofort wieder genommen, King.«
»Freut mich, zu hören. Ich fürchte nur, es wäre doch nichts daraus geworden.«
»Ach, Sie!«, lächelte Divine. »Die Katze lässt das Mausen nicht! Und wenn wir Ihnen den Stern angeheftet hätten …«
»Sie hätten es nicht getan, Divine. Keiner würde es tun. Da!«
Und langsam streifte King das linke Hosenbein empor. Sie hatten es noch nicht bemerkt – aber jetzt sprang Al Kerr auf und trat heran.
»Das ist ja entsetzlich, King!«, murmelte er. »Wir dachten, Sie hätten nur einen harmlosen Kratzer abgekriegt, damals.«
»Furchtbar!«, flüsterte Divine. »Das Bein ab! Ein Mann wie ein Baum – und das Bein ab!«
King ließ das Hosenbein fallen, zog Tabak und Blättchen und rollte eine Zigarette. »Ja, so ist das, Gentlemen. Ein Krüppel als Marshal ist doch ein Unsinn. Die wilden Burschen, die ein Marshal zu zähmen hat, würden sich totlachen. No, meine Karriere ist beendet.«
Al Kerr schaute immer noch auf das leere Hosenbein.
»Wie konnte das geschehen?«, stieß er brüsk hervor. Und jetzt erst sah er, dass King Maxim ohne den gewohnten Colt an der Hüfte war. Ein Mann ohne Waffe.
»Wie so etwas eben passiert«, gab King zur Antwort, während er die Zigarette ansteckte. »Darf ich mich setzen? Das Stehen verträgt mein Stumpf nämlich nicht besonders gut.«
Er ging mit dem steifen Schritt des Amputierten zu der Sesselgruppe und ließ sich in den weichen Sitz fallen.
»Es war nur ein schlichtes, einfaches Kugelloch«, sagte King. »Der Wadenbeinknochen war zersplittert, aber das wäre wieder angewachsen. Aber dann kam der Brand dazu. Ich merkte es im Güterzug.«
»Im Güterzug? Wie das?«
»Nun, ich bin in einem Güterzug aus der Stadt gefahren. Ein guter Freund hatte es mir geraten. Ich weiß heute noch nicht, warum. Schließlich hätte ja keiner auf einen Verwundeten geschossen, nicht wahr? Na ja, ich bin gefahren, damit es Ruhe gab.«
»Wer war es denn, der den guten Rat gegeben hat?«, erkundigte sich Divine.
»Sie können mich totschlagen, Divine – aber ich habe tatsächlich den Namen vergessen. Ich bin überhaupt sehr vergesslich geworden. Ich weiß noch nicht mal, ob ich in der Stadt alle Schulden bezahlt habe.«
»Schulden? Haben Sie denn Schulden?«
»Ich weiß es doch nicht! Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als von einem Store zum anderen und von einer Bar zur anderen zu gehen, um es herauszukriegen. Das Dumme ist nur, dass die Leute hier alle ausgeflogen sind.«
»Ach, du lieber Gott, so wichtig ist das doch wahrhaftig nicht!«, lachte Kerr. »Die paar Kröten schenkt Ihnen jeder liebend gern – einem so verdienten Sohn unserer Stadt, der sogar sein Bein für uns geopfert hat! Erzählen Sie lieber, was mit dem Bein los war. Sie saßen im Güterwagen …«
»Richtig, das wollte ich ja berichten. Ich glaube, ich hatte ziemlich hohes Fieber. Mir gegenüber saß ein Tramp, ein komischer Kauz. «
»Und? Wollte er Ihnen ans Fell?«
»Kein Gedanke. Tramps sind auch Menschen. Dieser jedenfalls war einer. Als ich den Verband wechselte, half er mir und besah sich das Bein. Er fragte mich, wie lange ich noch leben möchte. Ich habe ihm geantwortet, dass ich eigentlich noch an so einige Jährchen dächte. Er meinte, dass ich dann nur eine Chance hätte – und ob ich Schmerzen aushalten könnte. Ich sagte ja. Da holte er aus seinem Mantelsack ein scharfes Messer und eine Säge, machte in einem Spirituskocher Feuer, glühte beides aus und …«
»Aufhören!«, flüsterte Divine. »Das ist ja barbarisch! Ich … ich kann das nicht hören … King!«
»Halt den Mund!«, fauchte Kerr. »Weiter!«
»… er glühte also Messer und Säge aus und fing an. Es dauerte lange, und ich glaube, ich habe laut geschrien. Aber er verstand was davon. Ich bin gleich zu Anfang umgekippt – und als ich aufwachte, hatte ich nur noch Schmerzen, aber kein Bein mehr. Der Tramp lud mich auf dem nächsten Bahnhof aus und brachte mich zu einem Arzt, den er mit ›Herr Kollege‹ anredete.«
»Wie hieß der Tramp?«
»Keine Ahnung. Ich habe ihn Doc genannt und nicht mehr wieder gesehen.«
»So. War ziemlich hart, was Sie mitmachen mussten, King. Manch einen hätte es umgehauen. Und was haben Sie nun vor? Weshalb sind Sie wirklich zurückgekommen?«
»Das ist so, Al: Ich glaube, ich habe noch bei einigen Leuten in der Stadt Schulden hinterlassen – aber sagte ich das nicht schon?«
»Reden wir doch nicht drum herum! Sie haben was vor! Sie müssten nicht King Maxim sein, wenn Sie nicht etwas vorhätten!«
»Der King Maxim, den Sie kennen, ist tot. Ich habe jahrelang für zweihundert Dollar im Monat den Dreck von den Straßen dieser Stadt gekehrt – jetzt bin ich damit fertig. Glauben Sie nicht, dass es für einen Krüppel auch noch irgendeinen Job gibt?«
»Aber sicher! Ich habe die ganze Zeit schon scharf nachgedacht. Aber ich fürchte, als Bankclerk wären Sie doch nicht geeignet. Wie wäre es, wenn Sie die Geldtransporte meiner Bank von Gold Water nach Palouse bewachen würden? Sie könnten auf dem Kutschbock neben dem Fahrer sitzen.«
»Ich hatte eigentlich nicht vor, in die Goldstadt zu gehen. Gold Water heißt sie? Was würden Sie zahlen?«
»Für jede Fahrt fünfhundert Dollar. Das ist doch eine schöne Stange Geld. Und Sie leben doch gern gefährlich, King?«
King starrte in den Rauch der Zigarette und schüttelte langsam den Kopf.
»Wissen Sie, Al, ich muss immer an die Nacht im Güterwagen denken. Gebranntes Kind scheut das Feuer. Wenn ich nun auch in das andere Bein noch eine Kugel kriege? No, ich möchte das Ende meiner Tage gemütlich im Bett erleben und nicht in den Stiefeln sterben.«
Al Kerr lachte leise und verzog den Mund. »Ich kann es verstehen, King, natürlich. Aber was soll ein stolzer Mann wie Sie sonst tun? Als Cowboy sind Sie nicht mehr geeignet, auf den Büroschemel passen Sie nicht …«
»Suchen Sie doch auch Gold wie die andern!«, platzte Divine heraus. »Vielleicht haben Sie Glück!«
King Maxim drückte die Zigarette aus und erhob sich. Er zuckte die Achseln. »Ich werde es mir überlegen. Und wenn Sie jemand treffen, dem ich etwas schulde, sagen Sie es mir doch bitte, ja? Kann man in der Stadt irgendwo essen?«
»Bei Old Jolly«, sagte Divine. »Er ist wieder am alten Platz.«
»Danke, entschuldigen Sie die Störung, Gentlemen. So long.«
King Maxim stakte hinaus. Und während sein Holzbein über den Flur dröhnte, sagte Al Kerr: »So sieht also ein Mann aus, der am Boden zerstört ist. Weißt du noch, James, wie er durch die Stadt geritten ist und so tat, als wäre sie sein Eigentum? Der Streiter für Recht und Gesetz … Hahaha!«
Bürgermeister James Divine stimmte in das Gelächter ein, bis ihm die Tränen über die Backen liefen.
*
Old Jolly lehnte noch immer vor dem Haus an der Ecke der Virgin-?Street, das nun wieder seins geworden war.
»Komm herein zu einem Drink«, sagte er zu King.
King Maxim stelzte hinter dem Alten in den dämmerigen Raum, der nicht mehr so aussah wie früher. Die gekalkten Wände von Kugellöchern zersiebt, die meisten Stühle invalide, und den Tischen ging es nicht besser.
»Jetzt sieht Palouse wieder so aus wie früher, als ich herkam«, sagte Old Jolly, während er Flasche und Gläser herüberkriegte. »Leere Straßen, stille Stunden und ab und zu mal ein Mensch. Well, trinken wir auf deine Gesundheit.«
»Und auf deine, Old Jolly! Cheerio!« King schüttelte sich nach dem Trunk, der scharf durch die Kehle und bis in die letzte Zehe rann. Seit langer Zeit der erste Whisky.
»Sicher hast du Hunger«, sagte Old Jolly. »Was solls sein – ein Steak, Schinken mit Ei …«
»Beides, Jolly. Ich war noch nie so hungrig wie heute. Ich könnte mein Holzbein anknabbern.«
»Besser ein Holzbein als ein Holzkopf«, kicherte Jolly und öffnete die Wandklappe zur Küche. Er rief hinein: »Brenda – drei doppelte Portionen für einen verhungerten Tramp.«
Dann kam er um die Theke herum, nahm die Flasche und die Gläser und rückte einen Stuhl zurecht.
»Natürlich bist du zurückgekommen«, sagte er nach einer Weile, »um nun ein Blutbad zu veranstalten. Stimmt’s? Oder rechnest du etwa darauf, dass die dankbare Stadt Palouse dir eine lebenslängliche Rente aussetzen wird?«
King lachte leise. »Weder noch, Alter. Ein armer hilfloser Krüppel wie ich tut keiner Fliege etwas zuleide.«
»Hm. Ich dachte, deine Hände wären heil geblieben. Und deine Nerven auch – aber man kann sich irren. Also zieht es dich nach Cold Water.«
»Vielleicht. Obwohl ich vor einer Stunde noch nicht wusste, dass es in den Bitter Root Mounts Metall gibt.«
»Gelbes Metall, rotes Blut, eine wilde Stadt und verrückte Menschen. Und heißes Blei, geschliffene Messer, scharfen Brandy, kurz, alles, was dein Herz begehrt. Möchtest du dort nicht wieder Marshal sein?«
King Maxim wurde ernst. Er schaute Jolly düster an. »Du kennst mich, seitdem ich diese Stadt betreten habe, Jolly. Du hast mich mit dem Stern auf der Brust durch die Straßen reiten sehen. Jetzt frage ich dich: Was habe ich falsch gemacht? Warum habe ich keine Freunde, sondern nur Feinde gefunden? Warum hat sich keine Hand für mich gerührt, als ich im Dreck lag? Warum musste ich fliehen wie ein Pestkranker?«
Old Jolly füllte die Gläser. »Eine Menge Fragen, Marshal. Wenn du Fehler gemacht hast, dann gewiss nicht als Mann des Gesetzes. Du bist rücksichtslos deinen geraden Weg gegangen, hast nie ein Auge zugedrückt, ob es sich nun um einen kleinen oder großen Gauner handelte. Du warst das verkörperte Gesetzbuch, King …«
»Musste ich es nicht sein? Was ein Mann tut, soll er ganz oder gar nicht tun.«
»Sicher. Aber warum wunderst du dich dann, dass du so viele Feinde hast? Die Stadt hat dich geachtet – aber mehr noch hat sie Angst vor dir gehabt. Du hast die Unehrlichen unnachsichtig verfolgt, und das kann man dir nicht hoch genug anrechnen. Du bist immer schärfer als ein Rasiermesser gewesen … und nun hat man dir zum Lohn dein Bein abmontiert.«
»Es war also mein Fehler, gerecht gewesen zu sein!«, sagte King Maxim bitter.
»Natürlich. Der Gerechte muss viel leiden, das ist ein wahres Wort. Du warst gerecht bis zur Selbstaufgabe, aber du warst nicht klug. Siehst du, ich habe gelernt in meinem Leben, dass man nicht immer Hammer sein kann, sondern manchmal den Amboss spielen muss. Hatte ich nicht eine feine Bar? Ging es mir nicht gut? Bis Al Kerr kam und mich und alle anderen kleine Leute in dieser Stadt kaputtgemacht hat. Und nicht einmal du als Vertreter des Gesetzes konntest mir helfen – genauso wenig, wie du dir selbst helfen konntest.«
»Gegen eine Kugel aus dem Hinterhalt ist jeder machtlos, Jolly.«
»Sicher. Aber du hast seit Jahr und Tag gewusst, auf wessen Befehl du sterben solltest, wem du am meisten ein Dorn im Auge warst. Stimmt’s?«
»Ich habe es höchstens vermutet, aber nicht gewusst.«
»Auch gut. Du hast die beiden Kerle, die dein schönes Bein zerfetzt haben, zusammengeschossen. Und selbst damit hast du dem Mann, der den Mordanschlag auf dich befahl, noch einen Dienst erwiesen. Sowas nennt man Ironie des Schicksals.«
»Du meinst Al Kerr …«
»Habe ich Namen genannt? Ich werde mich schwer hüten. Ich bin nämlich froh, dass ich wieder ein eigenes Dach überm Kopf habe.«
King griff zur Flasche und sagte leise: »Warumsoll Al Kerr es gewesen sein? Warum nicht Milford Milligan oder James Divine oder irgendein anderer?«
»Du bist gekommen, um es herauszufinden. Und was versprichst du dir davon?«
»Jolly, vielleicht möchte ich auch mit einem Holzbein noch nicht zum alten Eisen geworfen werden. Vielleicht würde es mir Spaß machen, den im Dreck zu sehen, der mich in den Dreck geworfen hat …«
»Na schön«, seufzte Old Jolly. »Ich habe schon viele sterben sehen. Warum sollte ich nicht auch dich beerdigen!«
»Ich bin schon einmal davongekommen. Und einer muss es tun. Oder soll ich weglaufen?«
»Nein. Aber du sollst endlich mal an dich selbst denken. Wie alt bist du mittlerweile geworden?«
»Neununddreißig, Jolly. Hierzulande vielleicht ein alter Mann mit dem ersten grauen Haar.«
»Graues Haar auf einem Kopf voll Unvernunft. Natürlich willst du auch nach dem Sündenbabel Cold Water und dort unter den dunklen Ehrenmännern aufräumen. Sicher haben sie auf einen Marshal wie dich gerade gewartet.«
»Ich bin kein Marshal mehr und werde auch nie wieder einen Stern tragen. Al Kerr hat mir einen Job angeboten.«
»Hei! Sollst du in seine Leibgarde eintreten? Ich dachte, er hätte an seinen drei Bullen genug.«
»Seit wann hat Kerr eine Leibwache? Fürchtet er um sein schönes Leben?«
»Scheint so. Wenn du die Burschen sehen willst, brauchst du nur noch ein bisschen warten. Ich erwarte die ehrenwerten Herrschaften zum Mittagessen. Unser Bürgermeister gehört auch dazu.«
»Hm. Sag mal, gibt es tatsächlich so viel Gold in Cold Water?«