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Western Helden – Die neue Reihe für echte Western-Fans! Harte Männer, wilde Landschaften und erbarmungslose Duelle – hier entscheidet Mut über Leben und Tod. Ob Revolverhelden, Gesetzlose oder einsame Reiter auf der Suche nach Gerechtigkeit – jede Geschichte steckt voller Spannung, Abenteuer und wilder Freiheit. Erlebe die ungeschönte Wahrheit über den Wilden Westen Die beiden Planwagen quälen sich langsam durch die enge Schlucht. Zu beiden Seiten steigen die Wände fast senkrecht in die Höhe. Die unbarmherzige Mittagssonne Arizonas sticht auf die Männer herab, die schutzlos auf den Wagenböcken sitzen und die Zügel der Mulis halten, und auf die, die schwer bewaffnet an der Spitze und am Ende der Karawane reiten. Es sind zehn Männer insgesamt – je zwei auf den Kutschböcken, drei Reiter vorn, drei Reiter hinten. Sie sind schon lange unterwegs, genau zwölf Stunden. Kurz nach Mitternacht sind sie in Silver City aufgebrochen, sind verstohlen wie Diebe in der Nacht auf kaum befahrbaren Pfaden um die Stadt gezogen, bis sie zehn Meilen südlich auf den Hauptweg gestoßen sind: auf den Weg nach Camp Thomas. Milt Loring sitzt auf dem zweiten Wagen und starrt durch die flimmernde Hitze auf die wippenden Köpfe der Maultiere. Dick Cork, der Beifahrer, klemmt die Winchester zwischen die Beine und dreht eine Zigarette. »Auch eine, Milt?«, fragt er heiser. Milt Loring schüttelt den Kopf. »Später. Bei dieser Hitze schmeckt mir das Kraut nicht. Hört diese verdammte Schlucht eigentlich überhaupt nicht auf?« Dick Cork steckt die Zigarette an, tut einen tiefen Zug und zuckt die Schultern. »Keine Ahnung. Ist lange her, dass ich hier durchgeritten bin. Und ich wollte, ich hätte meine Nase nie nach Silver City reingesteckt.« »Niemand hat dich zu diesem Job gezwungen, Dick. Warum hast du nicht aufgehört?«
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die beiden Planwagen quälen sich langsam durch die enge Schlucht. Zu beiden Seiten steigen die Wände fast senkrecht in die Höhe. Die unbarmherzige Mittagssonne Arizonas sticht auf die Männer herab, die schutzlos auf den Wagenböcken sitzen und die Zügel der Mulis halten, und auf die, die schwer bewaffnet an der Spitze und am Ende der Karawane reiten.
Es sind zehn Männer insgesamt – je zwei auf den Kutschböcken, drei Reiter vorn, drei Reiter hinten. Sie sind schon lange unterwegs, genau zwölf Stunden. Kurz nach Mitternacht sind sie in Silver City aufgebrochen, sind verstohlen wie Diebe in der Nacht auf kaum befahrbaren Pfaden um die Stadt gezogen, bis sie zehn Meilen südlich auf den Hauptweg gestoßen sind: auf den Weg nach Camp Thomas.
Milt Loring sitzt auf dem zweiten Wagen und starrt durch die flimmernde Hitze auf die wippenden Köpfe der Maultiere. Dick Cork, der Beifahrer, klemmt die Winchester zwischen die Beine und dreht eine Zigarette.
»Auch eine, Milt?«, fragt er heiser.
Milt Loring schüttelt den Kopf. »Später. Bei dieser Hitze schmeckt mir das Kraut nicht. Hört diese verdammte Schlucht eigentlich überhaupt nicht auf?«
Dick Cork steckt die Zigarette an, tut einen tiefen Zug und zuckt die Schultern. »Keine Ahnung. Ist lange her, dass ich hier durchgeritten bin. Und ich wollte, ich hätte meine Nase nie nach Silver City reingesteckt.«
»Niemand hat dich zu diesem Job gezwungen, Dick. Warum hast du nicht aufgehört?«
»Ach, zum Teufel, es ist das verdammte Geld. Ich habe noch nirgends so viel Geld verdient wie in Hardy Corbetts Silbermine. So hart die Arbeit ist.«
Milt Loring kichert leise. »Und Juanitas Glutaugen haben auch ganz hübsch dabei nachgeholfen, was?«
»Du bist wohl neidisch? Ich wollte, wir hätten diesen Trail hinter uns, und ich könnte meine Beine unter einen Tisch in Curly Greys Bar stecken. Glaubst du, dass wir heil durchkommen, Milt?«
»Sicher. Kein Mensch hat eine Ahnung, dass wir mit dem Silber unterwegs sind.«
»Ich weiß nicht, Milt, ich traue dem Frieden nicht. Drei Transporte sind überfallen worden in den letzten Monaten. Die Bank in Silber City haben die Hunde ausgeräumt. Nicht mal eine lausige Postkutsche kommt ungeschoren durch. Fast glaube ich, dass es wirklich die Polo-Bande ist, wie manche munkeln.«
Milt Loring gähnt müde und schwingt die zehn Fuß lange Peitsche über die Mulis. »Die Polo-Brüder meinst du? Ich habe gehört, die wären in Mexiko.«
»Hoffentlich stimmt’s. Machen wir eigentlich überhaupt keine Rast heute Mittag? Die Mulis können das Tempo doch unmöglich durchhalten.«
Milt Loring nickt nur. Durch den fliegenden Staub schaut er auf die breiten Rücken der drei Reiter an der Spitze. Er kann nur die Schultern und die Köpfe erkennen, denn die Plane des ersten Wagens verdeckt sie.
Von hinten kommt einer der Reiter herangeritten und trabt neben Milt Loring her. Er ist lang wie eine Hopfenstange und genauso dürr. Sie nennen ihn Long-Dave. Er hat das Halstuch hoch über Mund und Nase gezogen und nur die entstehenden schwarzen Augen funkeln darüber hinweg.
»Wie wär’s mit einem Schluck aus der Pulle, Brüder?«, fragt er.
Milt Loring schüttelt den Kopf. Er trinkt grundsätzlich nichts Alkoholisches bei der Affenhitze. Dick Cork aber greift grinsend nach der Flasche.
»Okay, Langer«, brummt er. »Werde mich in Camp Thomas revanchieren, falls wir dann den Kopf noch zwischen den Schultern haben.«
»Warum denn nicht, du Unke?«, lacht Long-Dave. »Ihr seht alle Gespenster. Wir sind zehn ausgewachsene Männer. Möchte den sehen, der uns, was am Zeug flicken will.«
Er lässt sich wieder zurückfallen. Hinter einer scharfen Biegung öffnet sich nun die Schlucht, die Hänge treten weiter zurück und flachen ab. Der Bach, der fast ausgetrocknet den Weg begleitet, biegt nach rechts ab.
Milt sieht, wie die drei Spitzenreiter seitlich ausscheren und scharf über das breite Becken spähen, das sich hier aufgetan hat. Der Weg läuft mitten hindurch, an einer Blockhütte vorbei. Das ist eine der drei Pferdewechselstationen auf dem Weg von Camp Thomas nach Silver City. Alle fünfundzwanzig Meilen liegt eine, und dies ist ziemlich genau die Hälfte der Strecke.
Milt Loring atmet auf. Hier ist nichts zu befürchten. In den Corrals stehen Pferde unter schattenspendenden Bäumen. Ein Mann sitzt auf der Bank vor der Blockhütte. Es ist ein Bild des Friedens.
»Okay«, sagt Milt, »jetzt kannst du mir eine Zigarette geben, Dick.«
Das letzte Wort ist noch nicht über seine Lippen, als die Hölle losbricht.
*
Der Mann auf der Bank sitzt immer noch da, so still, als schliefe er. Er regt sich auch nicht, als die Hänge an der Einmündung des Weges lebendig werden und Feuer und Blei speien. Eine donnernde Salve zerreißt die friedliche Stille. Zwei der drei Reiter an der Spitze werfen die Arme in die Luft, dann sind die Sättel leer. Der Fahrer des ersten Wagens schwingt aufbrüllend die Peitsche. Dick Cork springt auf, reißt das Gewehr hoch, lädt durch, da schleudert ihn das tödliche Blei vom Sitz in den Staub am Rand des Weges.
Milt Loring geht in die Knie und knallt mit der Peitsche. Die Mulis geraten in Panik und galoppieren an.
Ich muss durch, denkt Milt Loring.
Der erste Wagen wird langsamer, schlingert seltsam hin und her, droht Milt den Weg zu versperren. Da reißt er seine Mulis scharf nach links herum, zieht seinen Wagen haarscharf am Hinterrad des vorderen Wagens vorbei, und sieht im Vorbeifahren, dass Fahrer und Beifahrer übereinander liegen, die Zügel sich hoffnungslos verwirrt haben, die Mulis rechts wegbrechen und zum Stehen kommen, als der Wagen kippt.
Milt Loring gräbt die Zähne in die Lippen. Weiter, nur weiter. Neben ihm klatscht heißes Blei in das Stemmbrett, reißt eine Kugel die Plane auf.
Jetzt hat der Wagen volle Fahrt. An der Blockhütte vorbei rasen die Hufe und Räder. Im Vorbeifahren wirft Milt Loring einen Blick auf den Mann, der dort noch immer sitzt, und er sieht, dass es der Leiter der Pferdewechselstation ist. Tot. Erschossen.
Trocken und hart bellen die Gewehrschüsse über das Tal. Ein Querschläger jault vom Eisen der Bremse weg. Etwas Heißes, Scharfes zischt über Milt Lorings Hand, als er wieder die Peitsche hochreißt.
Er kann nicht zurückschauen. Er hat keine Zeit dafür.
Eines der vorderen Mulis beginnt plötzlich zu torkeln, kommt aus dem Rhythmus. Es ist getroffen. Eine dünne Blutspur zieht quer über den Rücken des Tieres.
Ich schaffe es nicht, denkt Milt Loring verzweifelt. Sie löschen mich aus, so wie die anderen.
Ein Wunder, dass der Wagen mit seiner schweren Last das Tempo durchhält. Wenn es nicht bergab ginge, wären die Tiere längst erledigt.
Hundert Yards noch. Milt Loring kann nicht mehr denken. Er handelt wie eine Maschine. Seltsam, dass er keine Angst hat.
Noch fünfzig Yards, und hinter ihm verstummt das Feuer. Ist das die Rettung? Es muss die Rettung sein. Haltet durch, Mulis. Noch zwanzig Schritte.
Und dann weiß Milt Loring, dass es keine Hoffnung für ihn gibt. Aus dem Gestrüpp am Eingang des Schlupfwinkels tritt ein Mann. Er ist fast so breit wie lang. Das Gewehr in seiner Hand flimmert in der Sonne. Er zieht es hoch, und Milt Loring sieht das teuflische Grinsen auf dem Gesicht des Mannes.
Milt Loring schleudert die Peitsche weg und lässt die Zügel fahren. Er wirft sich lang vor das Stemmbrett und zerrt seinen Revolver heraus. Haarscharf über ihm klatscht das Blei in den Sitz. Milt Loring springt auf, reißt den Revolver hoch und schießt. Er kann nicht richtig zielen, denn der Wagen schlingert hin und her wie ein Boot bei hochgehender See.
Es ist nicht ein Mann allein, der dort am Rand des Weges steht. Auf der anderen Seite steht auch noch einer. Dumpf trifft das Blei Milt Loring und wirft ihn wieder vor den Sitz. Der Schmerz presst ihm den Atem aus der Brust. In seinen Ohren beginnt es zu dröhnen. So also sieht das Ende aus.
Aber die Mulis rennen noch. Der Wagen springt hin und her.
Milt Loring liegt auf dem Bauch und sieht nichts mehr von der Welt. Neben ihm frisst sich eine Kugel in das Holz. Er sieht nicht den Schützen, der halb am Hang steht und so methodisch schießt, als stünde er auf einem Schießstand. Wieder zerreißt frischer Schmerz Milt Loring, diesmal hoch am Bein. Und die Mulis rasen weiter.
Mit aller Kraft drückt Milt Loring sich hoch. Durch blutrote Schleier sieht er den steilen Hang, die staubigen Sträucher vorbeijagen. Er kommt auf die Füße, krallt sich am Sitz fest. Ein Rad wird gegen einen Stein geworfen, der Anprall ist so hart, dass es Milt Loring in hohem Bogen vom Wagen in die Büsche schleudert.
Dornen zerreißen sein Hemd, das Gesicht, die Hände. Er fällt und fällt, der Sturz scheint gar nicht aufzuhören. Die Geräusche der galoppierenden Hufe, der kreischenden Räder schwimmen weg, ganz weit weg. Es wird Nacht um Milt Loring.
*
Am nächsten Morgen, fünfzig Meilen südlich von dieser Stätte des Grauens.
Camp Thomas buchstabiert der Reiter, der von Osten her aus den White-Mountains gekommen ist und nun dicht vor der Stadt hält, neben dem Ortsschild.
Es ist ein Satteltramp, das sieht man sofort. Einer von den vielen namenlosen Männern, die ohne Ziel durch den weiten Westen trailen, heute hierhin, morgen dahin. Er ist seit Tagen nicht rasiert, und die hellen Stoppeln, vom Staub zerkrustet, stehen stachlig von der ledernen Haut ab. Das macht das ohnehin nicht hübsche Gesicht wahrhaftig nicht hübscher. Er ist blond, der Mann, hat ein eckiges Gesicht mit schmalen Lippen und einer Adlernase.
Er heißt Bill Hart, kommt aus den Bergen und sieht aus wie ein Mann, der nichts nötiger braucht als ein ausgewachsenes Steak, ein Bad, eine Rasur und ein gewaschenes Hemd.
Well, Bill Hart betrachtet die Stadt nicht ohne Misstrauen. Er hasst nichts mehr als Menschenansammlungen. Am wohlsten fühlt er sich tief in der Wildnis, aber ab und zu muss man mal wieder am Segen der Zivilisation riechen, bis man die Nase voll hat für eine Weile.
»Go on, Lilly«, brummt Bill Hart. Seine Stute, die verdächtige Ähnlichkeit mit einer halb verhungerten Ziege hat, wedelt mit dem heilen linken Ohr und marschiert weiter. Das rechte Ohr ist vor Jahren dem Tomahawk eines Apachen zum Opfer gefallen.
Lissy trottet im Schaukeltrab die Main Street von Camp Thomas entlang. Es ist um die Mitte des Vormittags, und es herrscht ein Betrieb wie in San Francisco auf dem Boulevard. So viele Menschen hat Bill Hart lange nicht auf einem Haufen gesehen.
Vier Reiter kommen von Norden her in die Stadt gejagt. Sie nehmen die ganze Straßenbreite ein. Vier Reiter, die von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder gekleidet sind.
»Angeber«, brummt Bill Hart, als die Reiter dicht vor Lissys Nase seinen Weg schneiden, denn hier mitten in der Stadt kreuzen sich die Straßen von Nord nach Süd und die von Ost nach West auf einem weiten Platz.
Einer der Reiter wirft Bill einen sengenden Blick zu, dann sind sie vorbei und parieren ihre Gäule vor dem Hotel durch.
Bill Hart hat die Boys im gleichen Augenblick wieder vergessen. Er studiert die Schilder über den falschen Fassaden der Geschäfte und Bars. Zuerst braucht er Dollars, er muss ein paar von den Gold-Nuggets eintauschen, die er in den Bergen gefunden hat. Das tut man am besten in der Bank, dann wird man auch nicht übers Ohr gehauen.
Die First-National-Bank findet er schräg gegenüber vom Hotel am Rand des Platzes. Er bindet Lissy an den Haltepfahl und marschiert hinein. An der Tür liest er flüchtig ein Plakat: Dringend Fahrer für Postkutsche gesucht. Prämie pro Fahrt hundert Dollar.
Bill Hart grinst und schüttelt den Kopf.
»Da ist der Wurm drin. Hundert Dollar pro Fahrt? Bloß von den Beerdigungskosten schreiben die Brüder nichts.«
Und er tritt an den Schalter, zieht ein paar haselnussgroße Goldkörner aus der Tasche und rollt sie dem Clerk vor die Nase. Der sperrt Mund und Nase auf, beugt sich vor und murmelt: »Gibts die hier in der Nähe, Mann? Haben Sie eine Bonanza entdeckt?«
»Sicher«, brummt Bill. »Ich hatte einen ganzen Sack voll.«
»Und? Wo haben Sie ihn gelassen?«
»Er hatte ein Loch, Bruder. Da sind mir die ganzen hübschen Dinger herausgekullert.«
Der Clerk schneidet ein Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen. Er wiegt die Nuggets und blättert einen Haufen Dollars hin. Bill zählt sie langsam, aber er ist mit den Gedanken nicht bei der Sache. Aus einem Nebenraum, anscheinend dem Büro des Direktors der Bank, schlagen Stimmen an sein Ohr. Vor allem ist es die erregte Stimme einer Frau, die seine Aufmerksamkeit weckt.
» …ich muss aber nach Silver City, Mr. Flynn«, ruft die Frau. »Irgendwie müssen wir das Geld durchbringen, und bei mir sucht es bestimmt niemand.«
»Es ist ganz einfach zu riskant«, entgegnet eine Männerstimme. »Vor allem haben wir kein Personal für die Postkutsche. Das wäre der einzige Weg, denn reiten können Sie auf keinen Fall die hundert Meilen. Warten wir doch in Ruhe ab, bis der Silbertransport hier ist.«
Wieder die Stimme der Frau, aber jetzt leiser, unterdrückter. Bill versteht nur noch Bruchstücke. Er schiebt das Geld in die Tasche, grinst den Clerk an und wendet sich zum Gehen, aber da fliegt die Tür auf, und herein stürzt ein baumlanger Kerl. Er ist ganz außer Atem, hat einen Verband um den Kopf und sieht mächtig angegriffen aus. Der Staub eines langen Rittes hängt an seiner Kleidung.
»Ist Miss Corbett hier?«, ruft er. »Ich muss sie sprechen, sofort. Im Hotel wurde mir gesagt …«
Die Tür des Büros öffnet sich und eine Frau kommt herausgeeilt, bei deren Anblick es Bill Hart glatt den Atem nimmt. Sie ist blond, und sie sprüht vor Temperament.
»Long-Dave«, ruft sie. »Was ist geschehen? Sie sind verwundet? Ist der Transport …«
Long-Dave zieht den Hut und senkt den Kopf. »Tut mir leid, Madam, dass ich Ihnen keine gute Nachricht bringen kann. Sie haben uns überfallen, aus dem Hinterhalt. Ich weiß nicht, wie ich heil durchgekommen bin.«
»Und die anderen? Um Himmels willen, ihr wart zehn Männer.«
»Ich glaube, es hat alle erwischt, Madam. Es war die reine Hölle.«
Der feingekleidete Herr neben Miss Corbett springt vor und packt den langen Mann bei den Schultern, schüttelt ihn wie einen leeren Sack. »Reden Sie weiter, Mann. Wo ist es geschehen? Wann?«
»Gestern nachmittag, Mr. Anderson. Nicht weit von der Pferdewechselstation, fünfzig Meilen von hier.«
»Es ist doch unmöglich, dass zehn schwerbewaffnete Männer sich so einfach erledigen lassen. Haben Sie geschlafen, verdammt?«
Long-Dave schüttelt den Kopf. »Es waren einfach zu viele, Mr. Anderson. Sie haben sich versteckt gehalten. Schon bei der ersten Salve waren die meisten von uns erledigt. Ich – ich weiß nicht mehr.«
Bill Hart lehnt immer noch am Schalter und betrachtet den langen Burschen von der Seite. Es ist keine hübsche Story, die er da zu hören bekommt. Er geht hinter Long-Dave auf die Tür zu.
»Jetzt ist alles aus«, hört er die Frau flüstern. »Jetzt finden wir überhaupt keinen mehr, der bereit ist, die Post zu fahren. Und wenn unsere Minenarbeiter jetzt nicht den rückständigen Lohn bekommen, laufen sie uns weg.«
Die Tür fällt hinter Bill Hart ins Schloss.
*
Als er zwei Stunden später im General-Store gleich an der Ecke des Platzes in den Spiegel schaut, erkennt er sich beinahe selbst nicht wieder.
Fast sieht er wie ein Dandy aus mit dem piekfeinen neuen Hemd, der neuen ärmellosen Lederweste, der eng anliegenden Hose nach neuestem Schnitt und dem grellroten Halstuch.
Well, er schneidet sich selbst eine Grimasse, blättert die Scheine auf den Tisch und stellt verwundert fest, dass von dem Erlös für seine hübschen Nuggets nicht mehr viel übrig geblieben ist. Denn da ist nicht nur die neue Schale, sondern auch Munition für den 44er und das Remington-Gewehr, da ist Proviant für mehrere Tage, damit er nicht nur ewig am Dörrfleisch zu knabbern braucht.
Ihm bleiben noch genau dreißig Dollar, als er alles in den Satteltaschen und dem Mantelsack verstaut hat und Kurs auf das Hotel nimmt.
Bill Hart marschiert hinein, wirft einen flüchtigen Blick über die dreißig Fuß lange nickelblitzende Theke, wirft einen zweiten über den riesigen Raum – und schaut genau in das zergrübelte Gesicht der Frau. Miss Corbett heißt sie. Neben ihr sitzt Anderson.
Wieder denkt Bill Hart an die hundert Dollar. Nur einen flüchtigen Augenblick, dann steuert er den Tisch neben Miss Corbett und Mr. Anderson an, setzt sich und bestellt das Beste, was die Speisekarte hergibt.
*
Die vier Männer in Schwarz stehen am Ende der Theke. Jeder von ihnen hält eine Hand immer tief an der Hüfte, dicht neben dem Colt.
Bill Hart betrachtet die vier Gesichter im Spiegel hinter der Bar. Sie sind sich alle irgendwie ähnlich, so wie es nur bei Blutsverwandten der Fall sein kann. Vier Brüder also? Wahrscheinlich.
Bill Hart hat die Männer noch nie gesehen, aber vier Brüder, die das gleiche grausame Gewerbe ausüben, sind natürlich selten, vielleicht sogar einmalig. Drüben in New-Mexiko, ungefähr dreihundert Meilen von hier, hat Bill von vier Brüdern gehört. Sie hießen Polo.
Ja, Polo, das ist der Name. Rank Polo heißt der älteste, der Anführer. Er soll grausam sein, ein Mann ohne Erbarmen. Und ein Bild steht vor Bill Harts Augen wieder auf, das er nie vergessen wird, und wenn er hundert Jahre alt wird. Das Bild einer zerstörten Ranch. Niedergebrannt bis auf die Grundmauern. Die toten Cowboys leblos zwischen den Hügeln verstreut – ein Bild des Grauens. Das Werk der Brüder Polo. Keine dreihundert Meilen von hier ist es geschehen, vor wenig mehr als einem Jahr.
Verstohlen schwenkt Bill Hart den Blick zur Seite, zu Miss Corbett hin. Sie tut ihm leid, jetzt noch mehr als vorhin. Denn jetzt weiß er, dass die Frau kaum eine Chance hat. Wen die Brüder Polo aufs Korn genommen haben, den erledigen sie. Eine Silbermine ist ein lohnendes Objekt.