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Tod eines Lebemanns: Verhängnisvolles Missgeschick oder Mord aus Eifersucht? Rainer Caofal war zeit seines Lebens kein Kind von Traurigkeit. Die Damenwelt hatte es ihm angetan – freilich nur für kurze Affären. Längere Beziehungen mied der "Frauenausborger" wie der Teufel das Weihwasser. Stattdessen "lieh" er sich bevorzugt die Partnerinnen und Ehefrauen seiner Freunde und Bekannten "aus". Nun ist er tot, der Wiener Casanova, gestorben in der Seniorenresidenz "Juventus". War es Mord, wurde er hinterrücks mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen, oder doch ein Unfall? Die Liste der Verdächtigen ist lang – vom gehörnten Ehemann bis zur Kurzzeit-Geliebten, die sich mehr erhofft hatte. - Der zweite Krimi des österreichischen Liedermachers, Autors und Kabarettisten Joesi Prokopetz bei Servus - Ein Toter denkt über sein Leben nach: Die Affären des Rainer Caofal - Tolles Geschenk für Krimifans: zutiefst wienerisch und voller schwarzem Humor - Ein Verführer ohne Skrupel: Wurde ihm sein Hang zum Frauen-"Ausborgen" zum Verhängnis? - Ein Wiener Krimi mit Erzähler aus dem Jenseits: Begleiten Sie Rainer auf der Suche nach seinem Mörder Unfall- oder Mordopfer? Rainer sinniert über sein Leben Er hat nichts anbrennen lassen, wie man so schön sagt: Rainer Caofal hangelte sich von Affäre zu Affäre – bis jetzt. Als er tot in seiner Seniorenresidenz aufgefunden wird, lässt er aus dem Jenseits sein Leben Revue passieren und stellt fest, dass die Zahl der möglichen Täter:innen ziemlich groß ist. Mord oder Unfall? Auf jeden Fall ein witziges Lesevergnügen für Krimi-Fans, die den schwarzen Humor lieben: Joesi Prokopetz beweist einmal mehr sein Gespür für die österreichische Seele und ihre Abgründe!
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Seitenzahl: 244
Veröffentlichungsjahr: 2024
JOESI PROKOPETZ
EIN JOESI PROKOPETZ KRIMI
Diese Geschichte ist frei erfunden. Tatsächlich existierende Personen und Firmen wurden verändert und/oder vom Autor ausgedacht, Geschehnisse anderen und/oder fiktiven Personen zugeordnet. Verbleibende Übereinstimmungen mit etwaigen realen Personen wären somit rein zufällig und sind nicht gewollt.
Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältigerBearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw.
Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.
1. Auflage 2024
Copyright © by Joesi Prokopetz
Copyright deutsche Erstausgabe © 2024 Servus Verlag bei Benevento Publishing
Salzburg – Wien, einer Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg
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Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:Red Bull Media House GmbH
Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15
5071 Wals bei Salzburg, Österreich
Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT
Gesetzt aus der Palatino, Fave Script Bold Pro, Creato Display Extrabold
Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
Umschlagmotive: FinePic®
ISBN: 978-3-7104-0344-6
eISBN:978-3-7104-5086-0
»Das Leben ist der Güter höchstes nicht.«Friedrich Schiller
Gerda
Ursula
Waltraud
Vera
Katharina
Gertrude
Hermine
Ich heiße Rainer Caofal, und ich bin tot.
Erschlagen, wie ich meine. Vermutlich mit dem beliebten stumpfen Gegenstand. Eine auf den Hinterkopf und – Licht aus.
Wer mich erschlagen hat, weiß ich nicht. Ich habe hinten keine Augen.
Das Letzte, was ich gesehen habe, war das gerahmte Poster mit dem Monet-Motiv Frau mit Sonnenschirm, welches gegenüber der Türe zu Hermines Luxuszimmer hängt, aus dem ich gerade ziemlich aufgewühlt herausgekommen war.
Hermine war vermögend gewesen und hat daher nicht nur ein Zimmer mit Kochnische und kleinem Bad gehabt, wie zum Beispiel ich und die meisten in der Seniorenresidenz Juventus, sondern zwei Zimmer, davon ein Schlafzimmer mit Queen-Size-Bett, eine richtige Küche inklusive Essbereich, Kabinett und Abstellkammer. Offiziell heißt es Apartment, nur die nicht so Begüterten sagen Luxuszimmer. Wie die weniger Wohlhabenden alles, was über ihren leistbaren Standard hinausgeht, mit einer gewissen Häme verunglimpfen. Die wenigen, die ein Apartment bewohnen, werden von den anderen in neidischer Solidarität herablassend behandelt. Missgunst und Eifersucht lassen auch im Alter und in einem Altenheim – nichts anderes ist das Juventus, auch wenn es großspurig »Seniorenresidenz« heißt – nicht nach.
Im Gegenteil.
Hermine ist all dem vermehrt ausgesetzt gewesen, weil sie – Mitte siebzig – noch sehr ansehnlich und darum dem Neid der alten Leute im Heim vermehrt ausgeliefert war.
Es gibt Filme und Bücher, wo das Opfer aus dem »Jenseits«, wie es heißt, den Ermittlern durch kryptische Signale und unklare Hinweise »behilflich« ist.
Das ist Unfug.
So viel kann ich als »Kurzzeittoter« bereits sagen.
Tot ist tot, und mit den sogenannten Lebenden auch nur im Entferntesten Kontakt aufzunehmen oder ihnen gar behilflich zu sein ist nicht möglich. Genauso, wie es umgekehrt den Lebenden vollständig unmöglich ist, mit – jetzt hätte ich beinahe »uns« gesagt – den Toten in Verbindung zu treten.
Es ist eigentümlich, dass es keine eigene Vokabel für »tot sein« gibt, sondern nur die grammatisch schwammige Umschreibung mittels eines Adjektivs (tot) und eines Hilfszeitwortes (sein) zur Verfügung stehen.
»Sein« aber bedeutet ja – im Wesentlichen – »existieren«, und wenn man tot ist, existiert man nicht, also ist »tot sein« eine contradictio in adiecto*, somit ein hoch merkwürdiger Zustand. Das Sein, das »Am-Leben-Sein«, hat ja eine Qualität. Ich schließe, zumindest zurzeit, nicht aus, dass das Nicht-Sein auch eine, wenn auch eine diffuse Qualität hat.
Ja, und dass ich nicht vergesse zu erzählen:
Ich bin ein »Frauenausborger«.
Gewesen.
»Frauenausborger« scheint auf Anhieb selbsterklärend, hat aber einen opulenten Begriffsinhalt.
Ein Frauenausborger ist ein Mann, der sich von anderen – meist befreundeten oder zumindest mit ihm bekannten – Männern Frauen »ausborgt«. Er »jagt« in diesen Gefilden, weil er die Frau schon kennt, die er zu borgen gedenkt. Er braucht keine Fremde mehr anzulabern, sondern nur die Gunst der Stunde bei der ihm bereits bekannten Dame abzuwarten oder herbeizuführen. Denn der Frauenausborger ist von Natur aus schüchtern. Er geht, was die ephemere erotische Betreuung einer einem anderen zugehörigen Dame betrifft, den Weg des geringsten Widerstandes.
Gleich eingangs ist zu erwähnen, dass es auch »Männerausborgerinnen« gibt, deren Bemühungen aber in der Mehrzahl einem ganz unterschiedlichen Impetus folgen. Ihre Anstrengungen laufen überwiegend darauf hinaus, den Lebenspartner einer anderen Frau nicht nur auszuborgen, sondern ihr diesen wegzunehmen und an sich zu binden.
Die Vokabel »binden« macht den entscheidenden Unterschied zum Frauenausborger aus, der grundsätzlich keine Bindung wünscht und schon gar keine Beziehung sucht. Beliebt ist der Frauenausborger in seinem mit der Zeit kontinuierlich kleiner werdenden Freundeskreis nicht; eher gefürchtet, weil ja keiner weiß, ob er die eigene Frau nicht auch schon ausgeborgt hat, vielleicht sogar mehrmals.
Dabei ist der Frauenausborger für gewöhnlich kein durch und durch schlechter Mensch. Ja, er mag narzisstisch und persönlichkeitsgestört sein, ist aber kein »Spaltpilz«, wie man sagt, lässt er doch die von ihm maximal mittelfristig geborgte »Beziehung« nach »getaner Arbeit« wieder auf den herkömmlichen Wegen weiterlaufen.
Der routinierte Frauenausborger empfindet heimliche Freude, wenn er zwischen dem Paar, dessen Gesellschaft er – als Dritter – möglichst unaufdringlich sucht, ja, die ihm manchmal sogar unterschwellig angeboten wird, Meinungsverschiedenheit und Unstimmigkeit bemerkt. Den Anstoß zu raffiniertem Buhlen gibt dem Frauenausborger in der Mehrzahl der Fälle – unbewusst – die Frau. Frauen sind oft gekränkt oder zumindest deutlich indigniert.
Der Partner bemerkt das zwar, agiert aber im Rahmen der weiblichen Wahrnehmung nur plump.
Sie: (Blickt schweigsam, gelegentlich seufzend, vor sich hin.)
Er: »Was hast du denn?«
Sie: »Nichts.«
Er: »Was heißt nichts? Du hast doch was.«
Das geht eine Zeit ergebnisoffen so weiter, bis sie sich hinreißen lässt und ihm ihr Innerstes offenbart.
Er (in bagatellisierendem Tonfall): »Aber geh, das ist doch nichts.«
Wenn der Frauenausborger in einer solchen Beziehungsphase die Szene betritt, sind seine Chancen besonders gut.
* Widerspruch in sich
Ich erinnere mich noch ziemlich genau an das Ausborgen Gerdas von ihrem Mann, Klaus. Ich kannte Klaus recht gut. Er hielt mich wahrscheinlich sogar für seinen »Freund«. Er war, konnte man sagen, ziemlich einfach gestrickt. Gerda übrigens auch.
Sie war, soweit ich mich erinnere, meine erste wirklich meisterhafte Ausborgung.
Gegen 14 Uhr an einem Samstag schlägt Gerda mit einem Kopfpolster auf Klaus ein, der, unterbrochen von heiseren Kehllauten, noch in Hemd, Hose und mit einem Schuh bekleidet auf dem gemeinsamen Bett liegt und mit dem Gefühl auf ihn fallender Felsbrocken widerwillig zu erwachen beginnt.
»Lass mich schlafen«, krächzt er und hält sich die Arme schützend über den Kopf.
»Bitte, es ist zwei Uhr nachmittags, steh auf und dusch dich. Das ganze Schlafzimmer stinkt wie ein Puff!«
»Lass mich in Ruh«, fleht Klaus kraftlos in seinen Polster hinein, »mir ist schlecht!«
»Steh auf! Um halb vier kommt meine Schwester mit den Kindern und dem Thomas.«
»Die zwei Bankerten kommen auch?«, raunzt Klaus, richtet sich im Bett halb auf, um gleich vermittels eines Seitwärtshakens mit dem Polster wieder umzukippen.
»Wer sind denn bei dir Bankerten? Du … du Hurenbock, du. Glaubst, ich weiß nicht, dass du bei den Nutten warst, du …«
»Ilona, äh, Gerda, i schwör da …«
»Ilona! Wer! Ist! Ilona!?« Und im Rhythmus der Worte saust der Kopfpolster auf Klaus nieder.
Er sitzt jetzt instabil aufrecht am Bettrand. »Ilona? Wer soll das sein? Wie kommst du auf Ilona?«
»Du hast doch gerade Ilona zu mir gesagt!«
»Ich? Ich hab doch nicht … Gerda, i schwör da …«
»Geh ins Badezimmer und versuche, wieder einen Menschen aus dir zu machen. Wirst dich bemühen müssen, denn du hast nur knapp eineinhalb Stunden Zeit dafür.«
Klaus steht auf wackeligen Beinen unter dem Wasserstrahl der Brause und erholt sich kein bisschen.
Ilona, geht es ihm durch den Kopf, wie komm ich auf Ilona?, bis ein unscharfes Bild vor sein inneres Auge tritt. Er mit offener Hose hingestreckt auf einer »relativen« Matratze und über ihm eine ziemlich junge Frau, die, sehr sorgfältig überschminkt, mit – ja – reizendem ungarischen Akzent haucht: »Ich heiße Ilona«, und ihre Brustwarzen pathetisch mit vorher aufreizend abgeschleckten Fingerspitzen liebkost.
Ein eisig kalter Wind bläst das Bild samt Nebel hinweg. Die Duschkabinentür wird nämlich aufgerissen, und Gerda streckt ihm die zerwuzelte Rechnung mit vor Wut zitternden Händen entgegen: »Und was ist das, bitte?«
Klaus steht unter der Dusche und bedeckt seinen Körper mit den Händen, wie es einst Adam im Paradies getan haben mochte, als er von dem Apfel abgebissen und bemerkt hat, dass er nackt ist. »Ich weiß nicht«, stammelt er und fürchtet, in Ohnmacht zu fallen, denn das auf ihn prasselnde Wasser hört sich für ihn an wie die Sintflut und das sonst unter der menschlichen Wahrnehmungsgrenze liegende Rascheln des Papierfetzens in Gerdas zitternder Hand wie der Lärm, den eine heftig geschüttelte Blechplatte macht, um am Theater Donner zu simulieren.
»7.300 Schilling! 7.300 Schilling für eine Heinz-Chudaczek-Nachtbar-Betriebs-GmbH?«
»Gerda, i schwör da …«
Das Folgende ist nicht mehr zu hören, weil sie die Duschkabinentür derartig zupfeffert, dass die aus ihrer Führungsschiene springt.
Klaus wäscht sich, stets einen Herzstillstand fürchtend, in Slow Motion den schmierigen Film der Sünde vom Körper und starrt blödsinnig in das schwarze Loch seines erheblichen Gedächtnisverlustes. Ich muss, grübelt er, wenn ihre Mischpoche kommt und sie mit den beiden Kindern herumtrottelt, den Rainer anrufen. Der war doch mit, oder?
Natürlich war ich mit.
Ich habe Klaus in Heinz Chudaczeks Nachtbar-Betriebs-GmbH, besser bekannt als Love Island, abgeliefert und bin dann, als Klaus bereits fremdbestimmt mit der anschmiegsamen Ilona aufs Zimmer getaumelt ist, nach Hause gefahren. Denn das wäre das Mindeste gewesen, was Gerda von einem anständigen Mann wie mir erwartet hätte.
Mit spürbarer Anstrengung begrüßt Klaus die Familie von Gerdas Schwester, samt den reizenden, auf der anderen Seite sehr temperamentvollen Kindern und Thomas, dem streng pointenlosen Gatten und Vater.
Der präsentiert sofort die ungünstige Veranlagung aller Pointenlosen, indem er Klaus in blödsinniger Überschwänglichkeit die Hand so richtig schüttelt und – vorauseilend erheitert – sagt: »Was is mit du?«
Darauf Klaus: »Alles im grünen Bereich.«
»Besonders im G’sicht«, poltert Thomas, während die beiden aufgeweckten Leibesfrüchte sich an Klaus hängen und krähen: »Klausi, spiel mit uns Verstecken!«
Klaus leidenschaftslos: »Ja, Kinder, versteckt euch!«
»Was hat er denn?«, fragt die Schwester, »ist mit ihm was?«
»Geh«, entgegnet Gerda mit Ekel in der Stimme, »kümmer dich gar nicht um den. Der ist Luft für mich.«
Die Kinder verstecken sich geräuschvoll, und Klaus vergisst zunächst, sie zu suchen, bis die Schwester pikiert bemerkt: »Wenns d’ schon mit ihnen Verstecken spielst, musst sie auch suchen.«
»Ich will sie eigentlich gar nicht finden«, räsoniert Klaus, schlurft im Wohnzimmer herum und verschwindet im Nebenzimmer, während er mit belegter Stimme vollkommen desinteressiert sagt: »Ja, wo sind sie denn? Die haben sich aber gut versteckt, die Kinder«, macht er die Tür hinter sich zu und ruft mich an.
Ich: »Klaus, wie geht’s? Bist du gut nach Haus kommen? Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«
Klaus (flüsternd): »Bitte, was war gestern? Ich kann mich an nichts mehr erinnern und …« (senkt die Stimme abermals) »… wer ist Ilona?«
Ich: »Die Ilona?« (Schnalze mit der Zunge.) »Die Ilona ist ein Leckerbissen, was?«
Klaus: »Ja? An dem Bissen werde ich noch lang kiefeln müssen. Die Gerda ist total angfressn auf mich.«
Ich: »Aber geh, das wird schon wieder.«
Klaus: »Ich glaub, am meisten ist sie angfressn, weil ich über 7.000 Schilling aus’geben hab.«
Ich: »Was?«
Klaus: »Ja, sie hat den Abbuchungsbon von meiner Kreditkarte gefunden.«
Ich: »Klaus, hörst! Wie oft hab ich dir schon gesagt, wenn man ins Puff geht, keine – aber schon gar keine – Belege aufheben. Sofort wegschmeißen!«
Klaus: »Ich glaub, die Gerda will sich scheiden lassen.«
Bei solchen Äußerungen erschrickt der Frauenausborger, denn nichts will er weniger, als nach gehabtem Erfolg mit einer geschiedenen Frau dazustehen, die dann vielleicht eine weiterführende Beziehung wünscht oder gar »Liebe« herbeisehnt.
Ich: »Also, jetzt wollen wir doch nicht gleich allzu optimistisch sein. Ich red mit der Gerda, ich renke das wieder ein.«
Klaus: »Danke, Rainer. Und bitte: Sag nix von dieser Ilona oder vom …«
Ich: »Love Island?«
Klaus: »Ja. Nichts sagen, mehr so … tiefenpsychologische Sachen mit ihr reden.«
Die Kinder reißen die Tür auf, laufen ins Nebenzimmer und schreien: »Klausi, Klausi, du hast uns nicht gefunden, haha!«
»Werdets ihr euch sofort wieder verstecken, ihr zwei«, ruft Klaus den Kindern zu und wispert ins Telefon: »Also, ja nix sagen …«
Ich: »Keinesfalls! Was glaubst denn du von mir?«
Jetzt hat der Frauenausborger die erste Hürde übersprungen. Er hat nicht nur das Vertrauen des künftigen Hahnreis, er tut ihm – so glaubt jener – sogar noch einen Gefallen, ja mehr: einen Freundschaftsdienst.
»No, was sagt das Fräulein Ilona?«, ruft Gerda, just als Klaus die Tür aufmacht und ein wenig erleichtert ins Wohnzimmer tritt.
Die Verwandtschaft schaut Klaus unverwandt an, und Thomas verbalisiert diese Blicke: »Aha! Wer ist denn das Fräulein Ilona?«
»Ich kenn keine Ilona«, zuckt Klaus mit den Achseln.
»Bitte«, Gerda seufzt es fast weinerlich, »bitte redets ihn gar nicht an, diesen …«
»Gerda, i schwör da …«
»Halt’s z’samm!«, zischt Gerda und schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch.
Ich lehne mich zu Hause entspannt zurück, zünde mir eine Zigarette an. Ich überlege, wann der beste Zeitpunkt wäre, Gerda anzurufen. Es muss bald sein, zeitnah, wie heute gesagt wird. Was werde ich sagen, mit welchen Worten und in welchem Tonfall? Dieses – gewissermaßen – Erstgespräch will wohl bedacht sein.
Ich, der anständige Bursche, telefoniere in diesen Tagen ein paar Mal mit Gerda, verkaufe mich als Freund reinsten Wassers und deute bei jedem Telefonat behutsam an, wie segensreich es für ihre seelische Hygiene wäre, sich einmal – nur du und ich – heimlich zu treffen.
Ich kämpfe ja an zwei Fronten, denn ich muss mich selbstverständlich auch mit Klaus verabreden, um über alles zu reden.
Ich treffe ihn schon am Nachmittag, denn Klaus möchte spätestens um sieben zu Hause sein, um weitere Eskalationen zu vermeiden.
16.45 Uhr in einem Café, an einem Tisch, wo man seine Ruhe hat.
Klaus: »Was soll ich machen, wir reden kein Wort miteinander. Einmal hab ich’s probiert mit Versöhnungssex …«
Ich: »Und?«
Klaus: »… sie hat mir eine derartige Watschn gegeben …«
Ich: »Den Sex kannst du jetzt einmal für eine Weile vergessen. Am besten ist, du tust so, als interessiert dich das überhaupt nicht. Und am allerbesten wäre es, du tust, als tätest dich vor ihr ein bissel ekeln. Du musst, wie man sagt, den Täter zum Opfer machen – oder umgekehrt, verstehst?«
Klaus: »Aber wenn, nur zum Beispiel, sie versucht, also von sich aus …«
Ich: »Dann stoße sie angewidert von dir. Sie muss das Gefühl haben, dass sie als Frau versagt hat.«
Klaus: »Glaubst du?«
Ich: »Natürlich. Die Befürchtung, dass sie dich verliert, muss das Gefühl verdrängen, dass du sie verraten hast.«
»Gerda?«, ich rufe sie zum zweiten Mal an, »wegen unseres Treffens …«
»Rainer, ja, ich glaube, der Klaus hat übermorgen ein Seminar irgendwo … wenn’s stimmt, haha«, sie lacht gekünstelt, »und bleibt über Nacht; da könnten wir uns treffen. Oder Rainer, weißt du was, komm einfach nach sechs bei uns … bei mir auf einen Sprung vorbei; der Klaus muss es ja nicht erfahren.«
»Gern, Gerda, aber bitte, Klaus gegenüber solltest du mit offenen Karten spielen, ich möchte nicht, dass …«
»Wie offen meine Karten sind, das musst du schon mir überlassen. Ich weiß, du bist ein anständiger Bursch, also mach dir keine Gedanken.«
Selbstverständlich gibt es garstige Männer, die anderen die Frauen »wegborgen«. Aber sie tun es nicht, wenn der »Pächter« ihr Freund ist; sie tun es zwar, wenn sie ihn bloß kennen, aber dann ist der Betreffende nicht ihr Freund. Graf Wronski in Anna Karenina zum Beispiel ist ein solcher, ein »Womanizer« reinsten Wassers, und stürzt sich in eine Affäre mit Anna, allerdings ohne über die Zartheit ihrer Frauenseele einen Gedanken zu verlieren. Wronski kennt ihren Gatten, Alexei Karenin, zwar, der war aber nie sein Freund. Er war ein Fremder. Wronski hat nicht ausgeborgt, sondern sich einfach in eine verheiratete Frau verliebt. Wäre der alte Karenin sein Freund gewesen, hätte er Anna wahrscheinlich nie angerührt. (Aber was weiß man bei Tolstoi schon.)
»Und«, sagt Gerda gerade, während wir in ihrer Küche sitzen und jeweils eine kleine Flasche Heineken trinken, »und ich möchte mich bei dir bedanken, dass du dich, wie soll ich sagen, so einsetzt für uns oder besser gesagt für mich, denn ein ›uns‹ wird es zwischen Klaus und mir nicht mehr geben.«
»Gerda, das ist doch selbstverständlich, noch dazu, wo ich ja ein wenig mit schuld bin, dass ihr jetzt diese Krise habt.« Ich lege meine Hand behutsam auf die ihre. »Ihr seid beide meine Freunde, und ihr seid so was wie das Traumpaar für mich … immer gewesen. Eine so schöne, kluge junge Frau und Klaus so ein …«
»So ein Arschloch«, unterbricht Gerda.
»Klaus liebt dich wirklich.«
»Mach dich nicht lächerlich, Rainer. Es spricht für deine Anständigkeit, dass du dich für ihn verwendest.«
Sie habe die ganze Woche über Klaus nachgedacht, sagt sie, »wie er war, damals, vor zweieinhalb Jahren, das ist vorbei, das ist nicht mehr der Klaus von früher. Die Beziehung ist erstarrt, wenn du weißt, was ich meine.«
»Ich wäre froh, ich hätte so eine erstarrte Beziehung«, sage ich nachdenklich, um zu skizzieren, wie es tief drin in mir aussieht. »Ich bin seit über einem Jahr Single … ha, was heißt Single, ich komme langsam in ein Alter, da ist man nicht mehr Single, da ist man … allein.«
»Rainer«, jetzt legt Gerda ihrerseits die Hand auf die meine, »du bist so ein fescher, so ein gescheiter Mann, du musst nur deine Hang-ups überwinden.«
»Schon in Ordnung«, ich lächle das Lächeln der tragischen Figur und lege jetzt die andere Hand auf Gerdas, die ohnehin die ganze Zeit schon auf der meinen liegt.
»Was ich meine«, sagt sie und senkt die Stimme, »du würdest nie zu den Nutten gehen.« Jetzt senkt sie auch den Kopf. »Klaus ist so ein Schwein, mir ekelt direkt, wenn er nur anstreift bei mir.«
Nach einigen halbherzigen Worten der Aufmunterung verabschiede ich mich und küsse Gerda zum Abschied auf den Mund.
Wenn es ein Beispiel für Eiseskälte gibt, dann ist es das aktuelle Beziehungsklima zwischen Gerda und Klaus. Denn man kann in einer Ehe einander anschweigen oder einander totschweigen. Wobei Totgeschwiegenes nicht zwangsläufig einmal gelebt haben muss.*
Sie essen zu keiner Zeit mehr am selben Tisch, sie halten sich abends nicht im selben Zimmer auf. Gerda geht, ohne fernzusehen, ins Bett, sieht sich nicht einmal die Literaturverfilmung aus der Reihe Herzkino, Wenn Fische lächeln von Rosamunde Pilcher auf SAT.1 GOLD, an. Klaus bleibt vor dem Fernseher sitzen und schaut völlig teilnahmslos Fußball, geht erst zu Bett, wenn er sicher sein kann, dass Gerda bereits schläft. Selbst ein peripheres Gespräch ist nicht möglich, eben dieses toten Schweigens wegen.
Gerda überlegt, zu ihrer Mutter und deren Freund zu ziehen, was aber schlecht geht mit ihren zweiunddreißig Jahren, und obendrein weiß sie, dass sie nicht willkommen wäre. Zu ihrem Vater kann sie auch nicht, der lebt, seit er in Rente ist, in Patong, Thailand.
Klaus leidet im Wortsinn eigentlich gar nicht. Sein dominierendes Gefühl lässt sich mit hochfrustriert ausreichend beschreiben.
Von meinem Treffen mit Gerda ahnt er nichts, im Gegenteil, er beginnt unsere Freundschaft mehr und mehr zu schätzen. So lebt er geduldig, kaum irritiert, an Gerda vorbei und ist über die herrschende Sprachlosigkeit manchmal sogar froh, denn würde sie ständig Szenen machen, so wäre das viel schlimmer. Alles in allem lässt sich sagen, empfindet Klaus sich als glimpflich davongekommen.
In solchen Beziehungszuständen, die der Frauenausborger herbeigeführt hat, arbeitet dessen Gehirn allerdings auf Hochtouren. Der klassische Frauenausborger hat etwas von einem Triebtäter, nur dass er für gewöhnlich nicht mordet. Viele Frauenausborger geben allerdings an, dass sie Stimmen hören, denen sie hilflos ausgeliefert sind. Frauenausborgen ist also anscheinend mehr als bloße Veranlagung, es ist ein Anheimgefallensein.
Ich lade Gerda zu mir nach Hause ein, um mit ihr das Ganze noch einmal durchzukauen und mich dann eventuell ein letztes Mal mit Klaus in dieser Sache auszutauschen.
Es klopft zaghaft, Gerda steht draußen, attraktiv wie noch nie. Sie bleibt kurz, wie zweifelnd, in der Tür stehen, aber dann – so scheint es – gibt sie sich einen Ruck und macht einen entschlossenen Schritt in die Wohnung.
Der Tisch ist beiläufig gedeckt mit zwei Tellern und Besteck, Weingläsern und mit einigen Teelichtern flackernd beleuchtet.
Die Räumlichkeit würde ein ausgiebiges Stoßlüften sehr wohl vertragen, scheint Gerda zu denken, sie kommt aber nicht umhin, alles süß zu finden, vor allem, »dass du dir so viel Mühe gemacht hast, Rainer«, spürt selbstverständlich meine Unsicherheit und ist in diesem Moment wahrscheinlich froh, kein Mann zu sein.
Ein Merkmal des klassischen Frauenausborgers ist es, zumindest beim bevorstehenden ersten – und meist einzigen – Mal mit einer »Neuen«, immer wieder mit vager sexueller Versagensangst konfrontiert zu sein, was ihn linkisch und verbal schwach erscheinen lässt, was Frauen, die auf Frauenausborger hereinfallen, wiederum als Zeichen deuten, dass es ihm nicht nur auf das »Eine« ankommt.
Ich lasse da und dort ein Epigramm einfließen, wie: »Man muss schon manchmal vom Weg abkommen, um nicht auf der Strecke zu bleiben.«
Und als ich, gegen Ende der zweiten Flasche Côtes du Rhône, bereits die dritte aufschraube, damit der Wein »atmen kann« (der Wein würde selbst nach Wochen an einer Beatmungsmaschine nicht an Qualität zulegen), sind bei Gerda die Würfel gefallen.
Gerda (Lieblingsschlager: Und morgen früh küss ich dich wach) fährt mir spontan durch die Haare und signalisiert mittels eines fordernden Kusses, dass sie bereit ist.
Die Tatsache, dass mein Bett nicht frisch bezogen ist, fällt ihr erst auf, als ich wie eine satte Zecke von ihr abfalle. Sie versucht nicht, mir so etwas wie ein Nachspiel abzuverlangen. Gerda steht auf, zieht sich an und verabschiedet sich mit gezwungener Zärtlichkeit.
Dem Frauenausborger kommt es nicht darauf an, den Frauen als raffinierter Liebhaber in Erinnerung zu bleiben. Im Gegenteil, je schneller der jeweilige Vorfall von ihnen vergessen wird, umso lieber ist es ihm. Darum ist es naturgemäß nicht sein Ehrgeiz, die Frauen in einen erotischen Taumel zu versetzen.
Nach zwei, drei Wochen wird bei Gerda und Klaus wieder alles mehr oder weniger seinen gewohnten Gang gehen, weil beide wissen, dass die klassische Zweierbeziehung, soll sie »glücklich« sein, irgendwann zur Routine gerinnen muss.
* Nach Karl Kraus
Es wird ja behauptet, dass, wenn der Tod eintritt, das gelebte Leben an einem vorbeizieht. Dem kann ich nicht zustimmen, denn meine Erinnerung folgt keiner Chronologie, vielmehr fokussiert sie sich – von mir nicht steuerbar – auf die eine oder andere Episode. In meinem Falle, naheliegenderweise, vor allem auf diese oder jene Ausborgung, was mir die Möglichkeit erschließt, eventuelle Rückschlüsse auf meine(n) Mörder(in) zu ziehen.
Die Freundschaft mit Klaus hat aufgehört, weil ich ihn kurz nach der Geschichte mit Gerda nur zwei, drei Mal getroffen habe und ihn dann mein Leben lang nie wieder sah. Soweit ich mich erinnern kann! Er soll, bald nach unserem letzten Treffen, auf nicht restlos geklärte Art und Weise ums Leben gekommen sein.
Auch Ursulas Mann Erwin hätte ich zugetraut, mich zu »meucheln«, wenn er nicht einige Jahre zuvor tödlich verunglückt wäre. Ich hätte mir gut vorstellen können, wie er sich ins Juventus einschleicht, mir auflauert und bei erster Gelegenheit zuschlägt, um die »Schmach« zu sühnen, dass ich mir vor zig Jahren seine Frau Ursula ausgeborgt habe. Denn Erwin hatte etwas Dunkles, Verschlossenes in seinem Wesen, etwas dumpf Maskulines, soweit ich noch weiß.
Ursula sitzt jeden Tag gegen zehn Uhr, außer Dienstag, da ist Ruhetag, im noch leeren Gasthaus und raucht eine von circa sieben Zigaretten. Sie würde mehr rauchen, aber öfter als eben siebenmal ist nicht möglich, da der Geschäftsgang (durchgehend warme Küche) es nicht zulässt. Sie durchblättert die Tageszeitung bis zum Kreuzworträtsel, das sie täglich eigentlich nicht mehr löst, sondern bloß ausfüllt, weil waagrecht und senkrecht in den knapp dreizehn Jahren, in denen sie zusammen mit Erwin, ihrem Mann, das kleine Gasthaus Speis und Trank führt, immer das Gleiche wissen wollen. Weil sie weiß, Zarenerlass ist Ukas, die Kykladeninsel heißt Ios und Gewebe für Vorhänge Etamin, ist sie in knapp zwölf Minuten fertig. Dass sie das Gasthaus führt, ist im Grunde das falsche Wort, denn der Betrieb gehört nicht ihr, er gehört bücherlich ihrem Mann. Sie, Ursula, ist nur angestellt und leitet den Service, wie Erwin es nennt, indem sie – und nur sie – die Bestellungen der Gäste aufnimmt, in die Küche weitergibt, in der Erwin kocht, und sie die Speisen serviert, kassiert und abends, außer Dienstag, die Abrechnung macht. Sie sitzt nicht nur immer am selben Platz, am Kopf des Stammtisches, an dem jeden Montagabend Tarock gespielt wird, sie hört die gleichen Geräusche aus der Küche, in der ihr Mann die letzten Vorbereitungen zur Fertigstellung der Gerichte vornimmt und dabei Fragmente des Radetzkymarsches pfeift. Die Speisekarte ist in diesen dreizehn Jahren so gut wie die gleiche, einmal im Jahr ergänzt durch Pilz- oder Wildwochen.
Gegen elf Uhr vormittags ruft Erwin, mit ruchloser Regelmäßigkeit, aus der Küche: »Geh, Uschi, mach mir einen kleinen Schwarzen!«
Ursula schaltet die Espressomaschine ein, um Erwin einen kleinen Mokka zu machen. Die Maschine blubbert, zischt, dampft und ist dann betriebsbereit. Sie schaut dem Hochfahren der Maschine in einer Art Trance zu. Sie wacht auf, sobald Erwin sich in seiner Kochuniform seit dreizehn Jahren auf denselben Platz rechts neben Gerda setzt und, auf seine Uhr blickend, sagt: »Gemmas an.« Das bedeutet: »In einer halben Stunde sperren wir auf.«
Mehr oder minder exakt während dieser halben Stunde vor dem Aufsperren hören die beiden ein unaufdringliches Klopfen an der noch versperrten Wirtshaustür.
Ich stehe vor der Tür.
Auch daran sind Ursula und Erwin bereits ein bisschen gewöhnt, denn seit circa drei Wochen komme ich, um ein wenig zu plaudern.
Damit beginne ich aber erst, wenn Erwin sagt: »Tja, ich muss wieder«, seinen kleinen Schwarzen auf ex schlürft und wieder in der Küche verschwindet.
Diese knapp dreißig Minuten, bis Ursula sich den ersten Gästen widmen muss, nutze ich, sie auf die Tristesse ihres Lebens anzusprechen. »Ach, Ursula«, sage ich zum Beispiel und nippe an einem Seidl Bier, das mir Ursula mittlerweile automatisch hinstellt, »jetzt beginnt gleich das Hamsterrad, was?«
»Ja, was kann man schon tun. So ist das Leben.« Manchmal sagt sie auch: »Das Leben ist kein Wunschkonzert, Rainer.« Wobei Ursula diesen Satz manches Mal mit »… ist kein Ponyhof« variiert.
Woher die Menschen mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit in überzeugtem Brustton behaupten können, »wie das Leben ist«, ist mir schleierhaft.
»Morgen ist Ruhetag«, sagt sie.
»Fahrt ihr da ein bissel raus? Spazieren gehen und solche Sachen?«
»Aber geh, mit dem Mann«, sagt Ursula und deutet mit dem Kinn Richtung Küche, »mit dem Mann ist doch nichts anzufangen. Am Montag hat er seinen Tarock-Abend. Da sitzt er mit drei anderen hier am Stammtisch und kommt vor halb zwei, zwei in der Früh nicht nach Haus, weckt mich auf und erzählt mir mitten in der Nacht, dass er einen Solo-Dreier mit Pagat gespielt hat und was so geredet worden ist, und wenn ich dann sage: ›Erwin, du bist rücksichtslos!‹, ist er angefressen und sagt drauf: ›No, lang geht sich das nimmer aus mit uns‹.«
»Und am Dienstag, da ist ja Ruhetag?«
»Was meinst«, Ursula klingt sarkastisch, »was meinst, sollen wir essen gehen?«
»Nein, aber ins Theater, ins Kino oder so.«
»Mit dem Erwin? Ha! Mit dem Erwin in ein Theater? Nicht ums Verrecken! Wir waren in den dreizehn Jahren einmal im Burgtheater, die Karten haben wir zur Hochzeit geschenkt bekommen. Im Kino waren wir ein paar Mal. Aber seit wir diese hundert Fernsehprogramme haben … aus! Er liest auch nichts außer Kochbücher.«
»Vielleicht führ ich dich einmal ins Theater, wenn sie was Interessantes spielen.«
»Ja«, lacht Ursula, »no freilich. Obwohl … eine Freude hätt ich schon. Das wäre einmal was anderes.«
»Vielleicht find ich ja was für einen Montagabend, oder musst du da arbeiten?«
»Montag ist nur mittags viel los. So um sechs kommen seine Tarock-Habschis* und gegen sechs sperren wir zu.«
»Wie gesagt, vielleicht find ich ja was an einem Montag, eine Komödie vielleicht?«
»Ja«, sagt sie, blickt auf die Uhr, erhebt sich seufzend, aber entschlossen und sperrt auf.
»Mahlzeit, Frau Uschi!«, sagt ein Rentnerehepaar, betritt die Gaststube und bevor die beiden noch sitzen, sagt der Herr: »Einen Apfelsaft gespritzt und eine Cola Light.«
»Aber nicht zu kalt«, fügt die Dame hinzu, und die beiden setzen sich, wie seit Jahren wahrscheinlich, an denselben Tisch, überfliegen die Speisekarten und der Herr räsoniert hörbar: »In der Speisekarte steht seit Jahren dasselbe!«
»Dann lassen Sie sich die englische bringen!«, rufe ich in Richtung Nebentisch. Ursula lacht kurz auf und hält sich dann die Hand vor den Mund.
Herr und Frau Rentner schauen aneinander vorbei und … schweigen.