Der gelbe Hahn der Nacht - Herbert Achternbusch - E-Book

Der gelbe Hahn der Nacht E-Book

Herbert Achternbusch

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Vier Stücke des anarchischen Universalgenies: nicht nur für Achternbusch-Fans ein Muss. Weltmeistersüchtige Deutsche, große Liebende, Philosophen, eine Mutter und ihr Sohn – sie erweitern den stetig wachsenden Lebensroman des Künstlers. »Der Weltmeister«, »Einklang«, »Kopf und Herz«, »Arkadia« - aufregend und dionysisch.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 214

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Herbert Achternbusch

Der gelbe Hahn der Nacht

Vier Theaterstücke

FISCHER E-Books

Inhalt

VorwortDer WeltmeisterWidmungMottoRollenTextFünf KarpfenVorspannNaomi Semiramis Achternbusch123Pause456EinklangPersonen1234567891011121314151617ArkadiaRollenTextNachweis der Druck- und Aufführungsrechte

Vorwort

Das Theater ohne Schriftsteller ist ein Theater der Hanswursten. Ich verdanke die Pflege des Wortes auf der Bühne Dieter Dorn. Die Perser von Aischylos in den Kammerspielen waren ein Labsal. Ich kam von den Griechen nicht mehr los.

Annamirl bewährte sich in der Welt des Theaters groß und artig. Sie mußte immer Hühner haben. Wenn zwei Hennen brüteten, waren die Küken ordentlich geteilt in die zwei Geschlechter. Aber wegen ihrer ständigen Zeugungsbereitschaft mußten die Hähnchen ausgeschaltet werden. Da sich niemand fand, ihr bei der Schlachtung zu helfen, und die Gefahr zu groß war, daß sie sich allein bei der Betätigung des Kopfabschlagens verletzte, blieb nur ich. Sie hielt den Körper, ich den Kopf und schlug ihn ab, tschak! Ich mochte das schon als Kind, und ein Schriftsteller mit blutigen Händen ist fein heraußen. Tschak, sagte ich beim Hieb, beim Fallen des Kopfes sagte ich: Ab nach Tibet! Weil da die Buddhisten an die Wiedergeburt glauben

Der Weltmeister

Ein Theaterstück zu Adolf Hitler

Für Herbert Muckenthaler, meinen Onkel, 1922–1930

Weltmeistersüchtig wie sie sind, erkennen die Deutschen die wahre Sachlage nicht, in der sich ihre Seelen befinden: Sie haben Adolf Hitler über alles geliebt und kennen die Liebe nicht mehr.

Rollen

HITLER

LUISE

OMA

BIERBICHLER

ANNAMIRL

HITLER

Gnädige Frau, was haben Sie hier für ein wunderbar herrliches Bild: Eine Gebirgslandschaft aus dem Innersten der Seele gedrückt, wird sie von unseren Blicken gestillt. Da darf man nicht wegsehen, nein, das darf man nicht.

OMA

Mhm, wenn mir einer mit der Allergnädigsten kommt, dann weiß ich Bescheid: aufputzen für eine Tasse Kaffee.

LUISE

Aber Mama, du kannst doch das Allerheiligste, den Führer, nicht so stehen lassen.

OMA

Doch, da rinnt was weg von ihm. Der kann sich nicht in den Polsterstuhl setzen und erst recht nicht auf mein Bett, auf das vom Herbert auch nicht. Jetzt hast ihn, mit deinem allerrotesten Kleid, magst ihn nicht ein wenig herumtragen? Zeig ihm den Ofen, auf daß er sich einbilden kann: Nur durch ihn haben wir diesen Wamsler. Tatsächlich tragt sie ihn, und es graust ihr nicht. Was das nur für eine Schmiere ist, die von ihm weggeht? Was er immer heimzieht, der Herbert. Jetzt auch noch den Hitler, als reichten die Frösche und Maikäfer nicht. Neulich hat er tatsächlich eine Halskette gehabt mit Schwänzen, Schwänzen von Männern, sagt er auch noch kaltblütig. Gefehlt hat eigentlich nur noch der Hitler. Wo er den wohl aufgetrieben hat?!

LUISE

Ach mein Hitlerlein, mein süßes Hitlerlein, mach Bäuerchen. Dein spitzes Bäuchlein drückt gar arg auf meine Schultern.

HITLER

Noch ein wenig höher heben und auf den Allerwer-testen geklopft, dann kommt er gleich, der Luftrülpel, der durch meinen Leib poltert. Mit so viel Luft angefüllt war ich noch nie.

LUISE

Doch doch! Als Sie Stalingrad aufgeben mußten, da war es ähnlich. Auch ich war hinundhergerissen. Können Sie wieder allein stehen, denn Sie allein so lange angefaßt zu haben, ist mir unheimlich, schön dieses allerbraunste Führerhauptquartiersakko, jaja, Wiener Schule, gute Schneider, diese Juden.

HITLER

Die besten. Schade, daß sie mir nichts nachließen. 412 Anzüge an einem Donnerstag und kein Rabatt. Da war ihr Schicksal besiegelt. Einem jeden Dahergelaufenen und Kommunisten gaben sie Rabatt, nur mir nicht. Auf Handschuhe, Mützen und Mäntel und mehr. Mir nicht! Da beschloß ich allein im Innersten, wo die Welt auseinanderfällt, ich sie aber zusammenhalte, ihre Vernichtung.

OMA

Ist schon recht, aber er stinkt nicht, haben sie doch immer gesagt, daß er so stinkt. Ich rieche nichts.

LUISE

Der Führer ist so omnipotent, daß es partielle Ausfälle gibt, eben bei Körperflüssigkeit kann der Geruch ausbleiben. Wenn man ihm ganz schnell den Hut abnimmt, ist kein Scheitel da. Schau, jetzt kommt der Scheitel wieder.

HITLER

Sie haben hier ein wohnliches Heim: alles geordnet. Zwei Betten an ihrem Platz, dazwischen das dreitorige Fenster voll des Lichtes. Bei Ihrem heiteren Wesen verweilt der Trübsinn draußen.

OMA

Mir wird ganz schwummelig … Jaja, der Trübsinn, manch-mal hängt er von der Lärche runter mit den zotteligen Zäpfchen gleich meterlang.

LUISE

Der Lärchbaum, sagt sie sonst immer … ihr Vater pflanzte die Lärche zu ihrer Geburt, wissen Sie, Herr Hitler, das darf man ja jetzt sagen, da Sie sich in unser Zimmer reinließen. Den Herrn Großvater habe ich nicht mehr kennengelernt, weil er ist zu früh gestorben. Erst 4 Jahre nach seinem Tod habe ich es auf die Welt geschafft. Es hat mir pressiert, aber eher ging es nicht.

OMA

Ja, du bist nach meinem Vater geraten: immer stolz und unnachgiebig, überlegt und zuvorkommend. Zu jung gestorben ist er aber nicht, nur ich bin zu spät gekommen. Er war schon über 50, als ich mich hervorwagte.

HITLER

Haben es sich halt lange überlegt, gnädige Frau.

OMA

Ja, ich wisch dir gleich deinen Dreck weg. Obwohl ich nicht weiß, was es ist, graust mir so.

HITLER

Jaja, auf die Welt ist gleich gekommen, aber da sein ohne scharfe Vorstellungen und ausgeliefert allen anderen, da heißt es bedachtsam sein und zugreifen und ein Tempo anschlagen, daß keiner mitkommt. Ich denk natürlich an den Hund, seinen Biß, seine Ausdauer, seine Treue, den Aufblick! Das ist das Entscheidende, der Aufblick. Als ich Ihren Sohn, den Herbert, niedersinken sah und wie er, in meinen Schritt fallend, kniete und sein Köpfchen auf meine rechte Wade legte, da war das alles lebensgefährlich. Doch dann, als er aufblickte und sich unsere Blicke unzertrennlich in die Ewigkeit bewegten, da wußte ich mich verstanden, einmal verstanden. Da die Mutter gerade erkrankt war und in Berlin operiert werden mußte, sorgte ich für ein Kinderheim, ein süßes liebliches Kinderheim in den Alpen bei Innsbruck oder St. Johann. Und es ging wieder bergauf.

LUISE

Die Mutter bin ich.

HITLER

Sie! Die Frau meiner Träume kann doch nicht Mutter sein. Nur die Frauen meiner Wirklichkeit sollten Kinder ge-bären. Ich dachte, sie, die Allergnädigste, sei die Mutter von Herbert.

OMA

Ja, ich mit meinem Ranzen! Nach vier Kindern noch einmal und das mit fünfzig, mir gangst! Hätte ich mir ja gar keinen Vater gewußt! Oder?

LUISE

Herr Hitler, ich bitte doch sehr um Verzeihung und Nachsicht –

HITLER

Bitte! Bitte! Sie haben mich nicht verschleppt. Ich bin selbst eingetreten.

LUISE

Oh, mein geliebter Führer, wenn Sie nur wüßten, in wie vielen deutschen Haushalten, ja Behindertenheimen und Galerien, Ihr Besuch auf das heißeste erwünscht wird, selbst die Kirchen in ihrem alten Neid und ihrer grellen Eifersucht würden bei Ihrem Erscheinen landauf und landab Dankgottesdienste halten und das Halleluja so begeistert singen, daß die unzäh-ligen Tannen vor Scharlachröte Scharlach bekämen.

HITLER

Zuckersüß, zuckersüß, Allerwerteste.

OMA

Jetzt wird es Zeit, daß der Herbert kommt, denn der Apfelstrudel ist gleich fertig, heiß ist er ihm am liebsten. Oder soll ich vorher dem sein Geseiche wegwischen?! Nein, dann graust mir beim Essen, das mache ich lieber nach dem Essen.

HITLER

Darf ich mich setzen?

OMA

Nein! Höchstens auf den Tisch. Das Wachstuch kann ich dann abwischen. Hilf mir ihn hochheben, Luiserl, denn so leicht ist der Hitler doch nicht, wie er aussieht.

HITLER

Danke. Allergnädigste haben mich beehrt, auf die Türe zu blicken, etwaigen Besuch als erster zu erblicken und die Mäntel zu zählen, die an der Tür hängen. Gute Idee der Wärmedämmung und verursacht keine Sonderkosten. Oh, wenn mein Volk so einfach wäre wie diese, bräuchte es mich nicht, und ich könnte meine ganze Freizeit bei Ihnen verweilen.

OMA

Nun ja.

LUISE

Mein Führer! Es ist› was der Welt so ungleich war, noch immer am Werk. Sie haben, von vielen Geschossen durchbohrt, standgehalten. Was Sie getan haben, ist, als hätten Sie das Einmaleins nochmals erfunden, nun für Jedermann verständlich. Sie haben nicht die Blindenschrift zur obersten Ihrer Maxime gemacht –

OMA

Was redest du wieder für ein Zeug und so geschwollen. Mir sind alle Überlegungen nach dem Tod meines Sohnes Herbert vergangen.

HITLER

Also doch die Mama.

LUISE

Die Mama bin schon ich, aber weil mein Bruder auf so grausame Weise von mir gehen mußte und der Mama und den anderen Schwestern, zwei, da haben wir meinen Sohn zum Andenken an meinen Bruder Herbert genannt.

HITLER

Da gibt es Holland und Belgien und auf einmal nicht mehr, genial! Nennt Belgien, als es untergegangen war, auch Holland. Und so geschah es. Das Einfache muß so einfach sein, daß man es brüllen kann und doch verstehen!

OMA

Jetzt muß ich doch einmal auf das Häuschen. Der regt mich auf. Als hätte es zu seinen Lebzeiten nicht genug Tote gegeben, muß er sich auch noch über meinen Herbert her-machen.

LUISE

Ja, die Mama, wenn sie nicht ihr Gebiß drinnen hat, versteht man sie kaum.

HITLER

Mit Gebiß spricht sie deutlicher?

LUISE

Nein. Sehen Sie, Herr Führer, das ist ihr Gebiß, ein Obergebiß in gutem Zustand und ohne Gold.

HITLER

Wie lobenswert. Es ist der Gesundheitsfaktor des Goldes zu wenig erwiesen, als daß Goldzähne gerechtfertig seien. Das Wasser ist grünlich.

LUISE

Entschuldigen Sie vielmals, Herr Führer, das kommt nicht mehr vor, und wenn ich selbst das Zahnwasser auswechseln muß.

HITLER

Aber nein, beunruhigen Sie doch die gute Mutter nicht. Die Frau ist geschlagen genug, denn sicher wird sie meinen, daß ihr verstorbener Sohn mein Nachfolger geworden wäre, wer weiß, die Demokratie liegt in allem drinnen und muß nicht erst herausgestampft werden. Hätte sie bei meiner Wahl ihres Sohnes zum Führer des Großdeutschen Reiches, vielmehr zum Großeuropäischen Reich ihr Obergebiß in ihren Mund geschoben?

LUISE

Ja. Hoch und heilig sage ich: ja!

HITLER

Bei welchem Anlasse trägt sie nun, da ihr Sohn leider so jämmerlich verschieden ist, den Zahnersatz des Oberkiefers?

LUISE

Nun ja, an Sonntagen, Feiertagen auch.

HITLER

Geht sie in die Kirche?

LUISE

Ja.

HITLER

Ißt sie Knoblauch?

LUISE

Ja, im Schweinebraten verwendet sie Knoblauch. Sie geht aber in die Frühmesse, denn bei dem vielen Weihrauch im Hochamt wird ihr regelrecht schlecht. Sie wird von Krämpfen gewürgt und muß das Obergebiß herausnehmen.

HITLER

Und das möchte sie nicht.

LUISE

Nein.

HITLER

Gehe ich richtig in der Annahme, daß Ihre Frau Mama nur während des sogenannten Gottesdienstes ihre falschen Zähne trägt?

LUISE

Ja, ich glaube schon. Ein Marienkäferchen hat sich auf meine Hand gesetzt. So ein warmer Tag hat es aufgeweckt, und nun ist es ganz durcheinander. Mama?! Hat es nicht gepoltert?

HITLER

Sehr merkwürdig, der Zahngebrauch Ihrer Mutter, ungewöhnlich, um nicht zu sagen provozierend. Beim garantierten Nichtessen Zähne im Mund, die bei jedem Essen nicht dabei sein dürfen …

LUISE

Sie geht auch nach der Kirche nicht einkaufen wie die anderen, bleibt nicht stehen, um zu ratschen. Trägt ihr Kostüm heim und erst dann entfernt sie das Gebiß aus dem Mund, nur weil sie vor Gott nicht zahnlos stehen oder sitzen mochte.

HITLER

Und sie wagt es, dieses Frauenzimmer, vor mich ohne Gebiß zu treten, ich, der lebendige Gott auf Erden?

LUISE

Entschuldigung, Verzeihung, tausendfach Verzeihung, Gott und Führer.

HITLER

Heulen Sie doch nicht Rotz und Wasser, das ist ja ekelig. Aber weil Sie schon vor meinen Knien knien, sage ich Ihnen, was die Pfütze, die sich um meine Füße sammelt, beinhaltet: Es ist das Kostbarste, was dem deutschen Volke geblieben ist, Rotz und Wasser, die es nach mir weint. Und, glauben Sie mir, Allerwerteste, so privat die Millionen und Abermillionen Deutsche MEINE Zeit erlebt haben, viele sind zugrunde gegangen, die mir da zujubelten, und ich dachte, ja, ich erhoffte mir, sie würden nicht in den Staub sinken, doch war ihnen immer ein Eigenlos bestimmt, während ich in der weitesten Steppe des Alleinseins der Verantwortung fremd und ohne Erwartung auf Entsorgung stand. So fremd und wesenlos war kein Soldat in Stalingrad wie ich in meiner Verantwortung, die mir kein Gott und kein Mensch abgenommen hat. Das Kriegerdenkmal, das mir gebührt, muß erst ersonnen werden. Hiroshima ist nichts dagegen. Denn solange noch ein Mensch lebt, bin ich unfrei.

LUISE

Warten’s ein bisserl, Herr Führer, ich schau nach der Mama – da bin ich wieder! Hingesunken ist hingesunken – sie wird nach hinten in den Garten gegangen sein, Schnittlauch für die Suppe holen. Einen schönen Anzug tragen Sie, Herr Führer, englisch, sehr fein, hat man bei uns erst einige Zeit nach dem Kriege gesehen.

HITLER

Eine Uniform zu tragen, wäre jetzt altmodisch – oder verfrüht – hahaha! Ich ließ mir in Wien nach der Reichskristallnacht die Zähne richten, bei einem jüdischen Zahnarzt, der mich am Hintereingang empfing und vermeiden wollte, daß man in seiner Praxis, die ja schon geschlossen sein sollte, Licht erblickte. Herr Hitler, hat er gesagt, Gold kann ich Ihnen nicht empfehlen. Denn ich wollte ganz hinten einen Goldzahn, ganz gegen meine Devise. Gold im Mund, sagte er, kann gefährlich werden. Ohne ihn richtig zu verstehen, verzichtete ich aufs Gold. Was würden Sie denn, allergnädigste Frau Schild, für die drei Südtiroler Dolomitenzinnen verlangen?

LUISE

Ach nein, die sind doch nur auf den hölzernen Boden einer Käseschachtel gemalt –

HITLER

Was für eine grandiose Idee: Ein Rundbild ist doch dem menschlichen Schädel und seinem Rundblick die eingängigste Form! Und zwei weiße Skier im Vordergrund ersparen den Schnee …

LUISE

Wie treffend formuliert, kurz gefaßt, frappant, einsichtig und umwerfend – ich hätte es nicht besser gekonnt, oh, Verzeihung!

HITLER

Darf ich, Allergnädigste, mich für eine kurze Weile empfehlen, wenn ich fragen darf, wo? Dem Duft des Strudels zu entkommen, wäre zu vorzeitig. Doch Allerwerteste, darf ich Ihnen ein weltpolitisches Geheimnis allerersten Ranges mitteilen: Im Strudel liegt der Schlüssel. Nicht ging ich nach Deutschland, weil mir Österreich zu verrottet war, war ich doch am waffenpolitischen Gang der Dinge noch nicht interessiert, sondern involviert in die Geheimnisse der Pinselstriche, die wohl chaotisch in ihrem Angeborenen zu Anschaulichem, Gefälligem, Mittelmäßigem werden: ja! Der Strudel war es, der mich zur Macht greifen ließ. Des Wiener Strudels überdrüssig mit seinen tausend Zubehörchen und seiner Überfülle an Süßem, dem ganzen Weihnachten, konnte ich auch den Mangel an Teig nicht gutheißen. So warf ich mich in ein fremdes Land, Bayern: den Gepflogenheiten meiner Herkunft doch gar nicht so ungeeignet. Teig war die Devise, mehr Teig, mehr Biß, mehr Charakter, mehr Vollnahrungsmittel!

LUISE

Aber bitte, wenn Sie müssen, gehen Sie doch. Auf dem Speicher gehen Sie links, sozusagen diese Wand entlang, aber außen. Das Holz ist aufgeschichtet, wärmt und spart Energie des kurzen Weges wegen. Davor sehen Sie einen Eimer stehen, unauffällig, doch nicht übersehbar. Sein Geruch geht um die Welt, halb säuerlich, halb ärmlich, halb speckig, und doch Metall, das ist unser Abort. Bitte!

HITLER

Ich werde es schon finden.

LUISE

Er geht tatsächlich – ob ich das überlebe. Doch schlimmer als der Tod meines Bruders, als ich 16 war, kann es nicht werden. In Ohnmacht gefallen bin ich noch nie. Ich höre nichts. Der Strudel ist angebrannt – um Gottes Willen! Nein, nein, nur die überlaufende Milch. Wie war es?

HITLER

Lassen Sie das doch mit dem Führer, wenn wir unter uns sind. Adolf heiße ich. Ich bin doch auch ein Mensch, wie Sie gerade erleben mußten. Wie es war? Einfach und weltweit. Auch häuslich, das Stück Zeitungspapier über der Scheiße mit Asche bestreut, die in der Tiefe eingenäßt am Rande doch trocken verstreut. So einfache Lösungen wären in den KZs nicht möglich gewesen, bei dem Andrang der Leute, obwohl ich die einfachsten Lösungen immer bevorzugt habe, so gehört zu deren Erfüllung doch die Berücksichtigung des Zusammenhanges von Masse und Bewegung. Stellen Sie sich ein Lager vor mit 300000 Insassen, von denen am Tag 100000 verschwinden müssen, weil neue 100000 anstehen. Das Chaos, das durch eine Kübelromantik ausgebrochen wäre! Die Latrinenfrage überwog an Wichtigkeit die der Unterkunft, denn alles mußte der Eliminierung dienen, damit es nicht so weitergeht. Denn es ging nicht mehr weiter. Ein Volk kommt erst an die Regierung, wenn es alle aussaugenden Kräfte abzuschütteln weiß in letzter Verzweiflungskraft, um sich aufzuschwingen aus der unterseitigen Übellaune in eine diesseitige Freude mit Ewigkeitsanspruch.

LUISE

Schön, und Ihre Augen klettern über mein Kleid, erkennen Sie den roten Mohn? Als ich mir in der Mittagspause mit meiner Schwester eine Weißwurst teilen mußte, waren Sie, mein Führer, mir die zweite Weißwurst! Ich wußte, daß Sie mich zu einer zweiten Weißwurst führen würden!

HITLER

Das ist doch Unsinn!

LUISE

Das sagen Sie. Zu allen Kürzungen, Halbierungen waren Sie die Ergänzung. Eine halbe Weißwurst mit Freude verzehrt bringt mehr an Lebensqualität als zwei mit Überdruß in sich hineingestopft. Ich weiß nicht, wie Sie zu Weißwürsten stehen. Pardon, aber gerade Sie als Vegetarier werden verstehen, wie entwürdigend es für mich war, daß mir mein Chef blutiges Kalbfleisch auf das linke Knie legte. Ob das nun ein Halbarier oder Halbjude war, ist mir in diesem Fall wurst, er war auf jeden Fall ein Volldepp. Aber auch da dachte ich schon an Sie, daß mein Blick nicht gesenkt bleiben würde, sondern aufschauen können wird in einer schöneren Welt, die wir auch gehabt haben dank Ihnen. Und Ihrer Zuversicht. Ich will Ihnen nicht schmeicheln, denn Sie kennen ja schließlich die Wirklichkeit besser als unsereins. Sie waren der Gott der Zeit, dem nichts verborgen blieb. Ach bitte, bleiben Sie noch ein wenig! Ich habe Ihnen doch noch gar nicht das mit dem Fahrrad erzählt, auf das ich als kleine Sekretärin hinsparte. Ein weißes Fahrrad wurde mir gestohlen so frech, als wäre es mit Ihrer Sondergenehmigung geschehen.

HITLER

Niemals! Ich habe auch von Kopfständen junger Sekretärinnen gehört, die gemacht werden mußten, wohl doch auf Verlangen von männlichen Vorgesetzten eher jüdischer Rasse.

LUISE

Bei mir nicht, nicht bei mir, es war ein Deutscher, fett und unsportlich. Ich ließ doch keine Gelegenheit aus, meinem sportlichen Ehrgeiz zu frönen und zu glänzen. Der Eindruck der Schande schwindet nicht. Hätten nicht Sie auch bei mir die Wiedergutmachung besorgt, ich weiß nicht, wo ich gelandet wäre. Vielleicht in einem jüdischen Puff, wo ich die Freiheit so liebe, über alles liebe. Sie, mein geliebter Führer, haben mir keinerlei Zwang angelegt. Ich stand im offenen Auto und wußte, daß ich Sie liebe, der Fahrtwind war der Brautschleier, ständig auf die Brust gedrückt. Wie soll ich Ihnen danken, ich kleines Luischen, da Sie, der Größte aller Zeiten, von so vielen verehrt werden, die Ihrer nicht würdig sind, wie zum Beispiel von den Arabern.

HITLER

Ja, das ist ein Problem, das haben Sie ganz richtig erfaßt, denn diese beschnittenen Nachthemdenträger sind mir auf das Äußerste unerwünscht. Sie kennen keinen nationalen Fortschritt, in Rachegedanken zurückgeblieben brüten sie und verhindern den Aufstieg der Volksmassen. Und das arabische Volk ist leider nicht kühn. Sie beten und beten und behaupten gegen alle Realität, Blut sei grün. Sie sind mir inzwischen fast so zuwider wie die Juden. Den Juden habe ich beigebracht, sich zu organisieren, aber die Araber sind zu allem unfähig: Verlieren sie ein Kind, plärren sie, als hätten sie fünf verloren, vertun die Zeit mit Gefühlen und verlieren. Wie lange haben die Juden nach dem Verlust von 6 Millionen geweint? Keine Sekunde, wenn ich recht informiert bin. Und nun sind sie die Tapfersten. Ich bringe meine größte Hoffnung zum Ausdruck, daß das jüdische Volk im Besitz von Atombomben ist und damit die Palästinafrage ein für allemal löst und zum Abschluß bringt. War es nicht mein größter Fehler, daß ich die Fortschritte in der Entwicklung der deutschen Atombombe nicht sah? Ich gebe diesen Fehler gerne zu und werde ihn bei passender Gelegenheit nicht wiederholen, das schwöre ich im Angesicht der Weltgeschichte. Ja, diesen hochheiligen Eid schwöre ich der Weltgeschichte ins Antlitz hinein, auf daß er dort brennen und nicht erlöschen möge in alle Ewigkeit Amen! Ich danke für das Tuch. Wenn ich transpiriere, bin ich immer gut. Auch ein außergewöhnlicher Frühlingstag. Und schön und wunderbar, daß ihr das dreiteilige Fenster offen habt und mich die Massen des Bayerischen Waldes hören können. Niemand soll sagen können: Nicht so laut. Nicht so laut, nein, das geht nicht mehr, die Zeit ist vorbei, da die Augen nach Freiheit schrien und den Lippen ein Psst! geboten wurde. Diese Zeiten sind für alle Zeiten vorbei.

LUISE

Soll ich das mittlere Fenster aushängen? Dann kommt aber zu viel kalte Luft herein, und Sie erkälten sich, Herr Führer.

HITLER

Ich habe mich noch nie erkältet, wenn ich von der deutschen Freiheit rede, und ich werde mich im Namen der deutschen Freiheit niemals erkälten. Sehen Sie denn nicht das Kreuz in Nahost, wie es sich dreht. Gleichschenkelig wie es ist, bietet es jeweils einem Araber und einem Juden Platz: Da hängen sie also und können es kaum erwarten, bis sie abgefackelt werden. Das ist doch Mittelalter, tiefstes Mittelalter ist das und verabscheuungswürdig. Diesen Menschen gehört das Leben unter den Füßen weggezogen, das Leben gehört ihnen weggezogen wie ihre Gebetsteppiche, auf denen sie massenhaft so einen erbärmlichen, menschenunwürdigen Anblick bieten. Weit unter den Tieren ist das, subaltern, und alle Beschimpfungskünste helfen nicht, sich darüber hinwegzusetzen. Dieser Anblick muß ausgerottet werden. Der betende Mensch in Massen muß das Antlitz der Erde verlassen, egal, in welcher Gegend er welcher Religion nachgeht, diesem Gespei. Ja, ja, ich habe einen Fehler gemacht, habe ich sagen hören. Ich war zu gütig, ich war zu gnädig, die jüdischen Läuse aus dem deutschen Fell zu kämmen war nur die halbe Arbeit. Wir haben den Krieg mit konventionellen Waffen geführt. Denn unter dem Eindruck gewisser Ereignisse, zu denen im Weltkrieg die Giftgasangriffe gehörten, habe ich mich entschlossen, nicht noch einmal dieses stumme Erstickungsleid, ich wäre ja fast selber ein Opfer geworden, wenn mich die Vorsehung nicht aus dem Schlamassel geführt hätte, nicht noch einmal über die Erde zu führen. Auch den Juden wollte ich dieses Los ersparen, waren sie jedoch zu viele. – Um es deutlicher zu sagen, erhebe ich mich jetzt: Laßt ihr Deutschen nicht die arabischen Hohlköpfe in euer Land, der Islam macht sie krank. Und krank wie sie sind, machen sie euch stumm. Angst zu haben ist das eine, Angst zu überwinden, das andere. Jagt sie zurück! Sie vermehren sich wie die Ratten. Laßt sie nicht länger ihre häßlichen Gebetshäuser errichten. Ich laß mir doch nicht von diesen Bettvorlegern sagen, mein einziger Fehler sei gewesen, daß ich nicht alle Juden vernichtet habe, wie ich es vorgehabt habe. Da ist es gut zu bemerken, daß die Vorsehung immer noch und öfter recht bekommen hat. Ich habe die Hälfte der Juden am Leben gelassen, weil sie die einzige Waffe gegen die islamische Pest darstellen. Und nun sickern diese Hohlköpfe in Massen nach Deutschland ein und meinen die Plätze der gelehrten Juden besetzen zu können. Man hat zu lange Geduld mit den Religionen gehabt, während sie uns immer gequält haben. Diese Moslems sind sogar gegen Badeanzüge in den Auslagen – und in den Regalen! Kopftuch! Kopf ab, und beide zurück in das Auswanderungsland: Kopf im Kopftuch.

LUISE

Schnittlauch, entschuldigen Sie bitte, mir geht gerade durch den Kopf, daß es noch keinen Schnittlauch gibt. Er spitzt höchstens aus der gefrorenen Erde. Es liegt ja auch noch Schnee dann und wann. Und dann möchte doch niemand Schnittlauch auf dem Strudel, eher Rahm. Und so eine fette Fliege –

HITLER

Nicht erschlagen, sonst spritzt sie ihre unzähligen Eier herum. Die fliegt schon wieder hinaus, husch husch, fort ist sie. Und ist die Freiheit noch so kurz, sie muß erkämpft werden, das sagten schon die Alten Griechen. Die alten Griechen waren vor uns die besten Faschisten, und wir waren redlich nicht schlecht …

LUISE

Herr Hitler, sehen Sie sich doch diesen Wolkenkopf an, göttlich, ein schlafender Gott, ein junger Gott, der sich die Zeit mit Vergehen vertreibt … Und ein Bienchen giftbeladen. Was pumpern Sie so, jetzt ist er unter den Tisch geflüchtet, die tut Ihnen doch nichts, aber Ehrfurcht zeigt der Herr Führer selbst vor den kleinsten Lebewesen und bezeugt diese Ehrfurcht im Gegensatz zu vielen anderen. Ich habe eine Tasse darüber gestülpt.

HITLER

Sie machen damit die Bestie völlig verrückt!

LUISE

Herr Hitler, jetzt übertreiben Sie doch, und das unter unserem Tisch, der vom Fliegerhorst von Plattling ist und somit auch Ihnen gehört. Das Bett gehört mir, afrikanischer Birnbaum, wollen Sie nicht darunter? Denn ich will Ihnen Ihre Ängstlichkeit keineswegs austreiben, das macht Sie ja so liebenswert – haben Sie doch genug mitgemacht in Ihren Bunkern. Er beruhigt sich, näßt auch nicht mehr. Ach wie schade, daß er nicht in einen der eigenen Kindergärten gehen kann, die er so zahlreich gegründet hat, auch zum Wohle meines Buben und meinem eigenen, denn hätte ich sonst studieren können? Alles verdanke ich Ihnen. Das bißchen Wohnung, das ich verloren habe – habe vom Lastenausgleich eh mehr bekommen als die alten Möbel wert waren. Für die Turngeräte habe ich am meisten bekommen, dabei waren die Turngeräte erlogen. Ihre Regierung hätte mir diesen Betrug nicht durchgehen lassen, aber die anderen waren ja so blöd, sind ja so blöd, so unachtsam, denken nur an sich und passen nicht auf. Wo ist die Marmelade?

HITLER

Was für eine Marmelade, bitte keine Marmelade in meiner Anwesenheit, sonst gehe ich sofort, ich fliehe! Sie locken damit 1000