Der Glücksmacher - Thomas Sautner - E-Book
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Thomas Sautner

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Beschreibung

Die Erfindung des Glücks.

Eigentlich ist Sebastian Dimsch ja Angestellter in einer Versicherung. Doch statt sich vom Jähzorn seiner Chefin und vom Arbeitsalltag in der Versicherung verrückt machen zu lassen, beginnt Sebastian Dimsch in seinem Büro mit der heimlichen Lektüre der großen Philosophen. Er will herausfinden, wie ein Mensch glücklich werden kann. Bald stellt er die Büroarbeit ganz ein – und wird zum Liebling seiner Kollegen, die sich Rat bei ihm holen. Voller Misstrauen aber beobachtet die Chefin sein Treiben – und stellt ihn vor eine absurde Aufgabe, um ihn kaltzustellen. Dimsch soll eine Glücksversicherung entwerfen ...

Ein Roman wie eine amüsante philosophische Weltumsegelung.

»Klug, klar und witzig.« Die Presse.

»›Der Glücksmacher‹ ist in seiner wunderbar leicht-ironischen Sprache ein großes Lesevergnügen.« Neue Zürcher Zeitung.

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Seitenzahl: 303

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Thomas Sautner

Der Glücksmacher

Roman

Impressum

Thomas Sautner, Der Glücksmacher

ISBN 978-3-8412-0474-5

Aufbau Digital,veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, August 2012

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Die Originalausgabe erschien 2012 bei Aufbau, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.

Umschlaggestaltung hißmann, heilmann, hamburg / Andreas Heilmann unter Verwendung eines Motivs von Gary Hush / gettyimages

Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

www.aufbau-verlag.de

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Inhaltsübersicht

PROLOG

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EPILOG

LESEPROBE

1.

Woifsn.

Im Allgemeinen freilich haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, das heißt die unermessliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegenteil, getan; und so wird es denn auch ferner bleiben.

Arthur Schopenhauer

PROLOG

Zu Beginn – für Sebastian Dimsch bestand kein Zweifel – war er ein Einzeller gewesen. Und von Anfang an, schon im allerersten Moment, hatte die Bestimmung in ihm gewohnt, sich zu entfalten, was in seinem Fall ja zu nichts anderem führen konnte als einer Halbierung.

Die Teilung entsprach naturgemäß einer Verdoppelung, und da er unentwegt mit der Metamorphose fortfuhr, differenzierte sich Dimsch alsbald zu einem wilden Durcheinander verschiedenartiger Zellen: Hirnzellen, Nervenzellen, Muskelzellen, Leberzellen, freilich auch profanen Fettzellen, alle jedenfalls gesegnet mit verblüffenden Fähigkeiten. Jenen etwa, Proteine herzustellen, die Membrandurchlässigkeit zu regulieren oder den Stoffwechsel zu dirigieren. Letztlich, überschlug Dimsch, brachte er es auf einhundert Billionen Zellen. Er war zum Menschen geraten, ein Mysterium der Natur, vollendet und in Harmonie mit dem Kosmos. Später wurde Dimsch Angestellter einer Versicherungsanstalt.

Der Übergang vom Wunder der Natur zum Angestellten einer gewinnorientierten Gesellschaft hinterließ Spuren. Immer dann, wenn Sebastian Dimsch die Augen aufschlug und den glorreichen Horizont seiner Träume gegen jenen der nahen Zimmerdecke tauschte, begann in ihm ein Nachdenken. Alsbald geriet sein Verstand in hektische Betriebsamkeit. Dimsch dachte dies, dachte jenes, ersehnte, spekulierte, uferte aus, kringelte Haare, vergaß darüber das Aufstehen, die Bürozeiten ohnehin und überhaupt das Leben, das man als Mensch für gemeinhin nun einmal zu führen hat.

Letzten Endes mündete sein Ausloten meist in ein und derselben Frage: jener nach dem Glück. Was es sei, woraus es bestehe und wo danach zu suchen wohl am ehesten lohne.

Fünfunddreißig Jahre, zwei Monate und acht Tage alt musste Dimsch werden, bis ihn eines Morgens eine Stubenfliege erlöste, ihn weckte, leidenschaftlich auf seiner Nase tanzend und beim gründlichen Säubern von Beinchen sowie Anus ein wenig Schmutz abstreifend.

Wenn das Glück keine Ruhe gab, dachte Dimsch in diesem Augenblick, wenn es ihm auf der Nase herumtanzte und sich ihm aufdrängte, listig meist als Wunsch getarnt, wenn die Sehnsucht nach Glück also unvermeidbar schien, es selbst aber launenhaft und flüchtig, so würde er sich nicht länger narren lassen. Fortan würde er verhindern, dass sich das Glück entzog, kaum in Besitz geglaubt. Fortan, Dimsch beschloss es eisern, würde er das Glück in die Enge treiben, es sich zu eigen machen, bändigen gnadenlos.

Dimsch schielte. In seinem Blickfeld schwamm die Fliege als ein schwarzes, flügelhaftes Etwas. Er rümpfte die Nase, um das Kitzeln abzuwerfen. Dann konzentrierte er seinen Blick auf das Insekt, schaute also bis zu seiner Nasenspitze und verlieh der neugefassten Absicht resolute Entschlossenheit, indem er schlagartig eine Bewegung nach dem Tierchen machte.

Er hatte den Atem angehalten, und zu seiner Überraschung fühlte er die Fliege nun, panisch vibrierend, im Hohlraum der geschlossenen Hand.

Dimsch richtete sich im Bett auf, hockte auf dem zerwühlten Laken und starrte streitbar auf seine Faust, in der die Fliege – zu ihrer beider Verblüffung – weiterhin gefangen blieb. Ab und zu kämpfte sie flügelschlagend gegen die Handinnenseite an, hielt dann wieder inne, heckte wohl etwas aus, tüftelte an einem Ausbruchsplan, einer Finte – wer wusste es schon. Allmählich nur sammelte sich Sebastian Dimsch. Seine

Haare standen abenteuerlich zu Berge, was sich meist auch tagsüber nicht legte, seine blassblaue Pyjamahose spannte etwas im Schritt, und aufgewirbelte Staubpartikelchen, die dank der schräg ins Zimmer fallenden Morgensonne jäh sichtbar wurden, umkreisten ihn silbrig, als hätte er mit dem Schlag nach der Fliege einen Zyklon in Zimmer-Format ausgelöst. Still, ganz still war es nun. Wie unbewegt die Szene. Im Orbit rund um Dimsch sank kreiselnd der Sternenstaub.

Dimsch wog den Sieg ab, den er errungen hatte, bewegte die Faust – samt Fliege darin – langsam auf und ab.

Zufrieden atmete er durch, wusste nun, was zu tun war. Vor Glück und zugunsten eines edelherzigen Gefühls entließ er das Tierchen – welch schöner Moment! – in die Freiheit.

Es eröffnete dem vorwitzigen Insekt die Möglichkeit, kaum später erneut Dimschs Nase anzusteuern.

ERSTER TEIL

1

In jungen Jahren hatte Dimsch es gut gehabt, er besaß eine Lebensanschauung. Wie es sich für eine Lebensanschauung gehörte, war sie simpel und bei ein wenig gutem Willen umsetzbar: Würden die Menschen stets angeheitert sein, trunken, doch nicht zu sehr, wäre die Welt eine bessere. Ernste Dinge schienen nicht gar so ernst; Heiteres, andernfalls unentdeckt, würde wach geküsst, und überhaupt geriete das oft so zähe Leben mit einem Mal flockig und leicht.

Während viele Menschen, wie Dimsch damals fand, wichtig taten, jedoch haftenblieben in kluger Theorie und gelehrter Unwissenheit, hielt er sich nicht lange auf, praktizierte seine Ansicht auf das Ausgiebigste, vorzugsweise mit gut gekühltem Lagerbier. Das bewirkte lebenspraktischen Nutzen: Die Wirklichkeit, die Dimsch durch etwas glasige Augen erblickte, war weit erfreulicher als jene, die andere Menschen gezwungen waren, für wahr zu nehmen.

Seine Philosophie vermochte aber noch mehr. Mitunter geschah es, dass Dimschs wunderbare Sicht der Dinge zur Realität anderer wurde, ja dass Menschen in seiner Umgebung, etwa seine Kollegen in der Versicherungszweigstelle, freudig verblüfft waren ob der Leichtigkeit, die das Leben annahm, wenn sie es nur aus der richtigen Perspektive betrachteten. Dieser Umsturz der Naturgesetze, diese handstreichartige Beseitigung der vermeintlich einzigen Realität gelang vornehmlich dann, wenn sie sich Dimschs Lebensanschauung flaschenweise verabreichen ließen. Bald nämlich hatte ihr schlaksiger Kollege mit dem chaotisch bernsteinfarbenen Haar damit begonnen, sich seiner Philosophie nicht nur privat zu widmen. Zudem schleppte er sie mit ins Büro, in beachtlichen Mengen und gut gekühlt.

Chef der tief in der Provinz gelegenen Versicherungsniederlassung war ein kahlköpfiger, knapp vor der Pensionierung stehender, ab und zu jähzorniger Mann namens Kipfler gewesen. Seinen gravitätischen Körper setzte er nur selten der Büroluft aus. Stattdessen zog er es vor, die lokalen Konditoreien und Kaffeehäuser zu frequentieren, in denen sich Witwen ebenso aufhielten wie unterhaltungsbereite Ehefrauen. Bei Erdbeertörtchen und Piccolo-Sekt belehrte Kipfler seine Mitarbeiter, streichelte dabei mit den Fingerkuppen über die Wölbung seines Bauchs, sei potentielle Kundschaft auf das Eleganteste zu knacken. Es war eine Akquirierungsstrategie, die sich weniger in der Neukundendatei niederschlug denn in Vertragskündigungen aufgebrachter Ehegatten.

»Herrgott Sakrament!«, fluchte Kipfler bei derartigen Vorkommnissen, wobei es kein Fluchen im engern Sinn war, das klarzustellen hielt er für nötig. Herrgott Sakrament war nicht Gottlästern, sondern im Gegenteil ein Anrufen, ja ein Anflehen des lieben Gottes, und weil das nun einmal so war und keineswegs eine Sünde, schrie Kipfler sein Herrgott Sakrament ohne schlechtes Gewissen und recht laut. Und weil er es auch häufig schrie, nahmen einige Mitarbeiter seine Gewohnheit an, so dass der liebe Gott recht ausgiebig angerufen und angefleht wurde in der Versicherungsfiliale.

Fünf Außendienstmitarbeiter, vier junge Sachbearbeiter (einer davon Dimsch) und zwei von Kipfler persönlich selektierte Sekretärinnen mittleren Alters werkelten, lustlos meist, in der Niederlassung am Land. Nach anfänglichem Zögern ließen sie sich stets dann, wenn der Chef kaffeetrinkend, kuchenessend, kontaktknüpfend außer Haus war, von Dimsch Bier aus der Kühlbox reichen. So kam es, dass sie ihr Verstand mehr und mehr dazu brachte, sich glücklich zu fühlen, unbeschwert, ja verwegen souverän. Bald auch sahen sie die Dinge rundum nicht mehr düster oder eng. Und ihr gerade noch etwas ödes Leben geriet – welch fantastischer Zauber! – mit einem Mal aufregend, abenteuerlich, wunderbar. Weshalb bloß hatten sie all die Zeit gejammert? Es war doch alles gut. Nun erkannten sie, dass sie es fein hatten hier im Büro. Sahen ein, dass die anderen allesamt großartige, sympathische Menschen waren, genau wie sie selbst, ja dass es überhaupt das pure Vergnügen war zu leben.

In Wirklichkeit jedenfalls war alles lockerer, als sie bisher gedacht hatten. Termine etwa sahen sie ganz und gar nicht mehr so dringlich, Zielvorgaben des Chefs mit einem Augenzwinkern, seine Anweisungen völlig gelassen, Kundenbeschwerden mit einer nie gekannten Entspanntheit, das Weltgeschehen ohnehin. Skeptikern erklärte Dimsch, überschlug dabei seine langen Beine über dem Tisch des Chefs, dass sie keineswegs die Realität verdrängten. Da niemand wisse, welche Interpretation der Wirklichkeit dem Original am nächsten komme, welche also die wirkliche Wirklichkeit sei, könne man sich getrost für die angenehmste entscheiden. Spätestens nach dem dritten Lagerbier aus Dimschs Picknickbox sah das auch der letzte Zweifler ein.

Die Phase des beschwingt Glücklichseins war während eines heißen Sommertags zu Ende gegangen. Eine imposante Bierschwade definierte eben herb und schwer die Büroluft, die Stimmung war entsprechend heiter, und alles war gut und wunderbar, als Kipfler, ganz gegen seine Gewohnheiten, viel zu früh den Ort des Glücks betrat. Augenblicklich stellte sich heraus: Ein humorloser Teil der Menschheit beharrte stur auf seiner angestammten Realität, wollte sich partout nicht zu Lockerheit verleiten lassen, geschweige denn zum Glücklichsein, zog statt dessen vor, die Bastion der Engstirnigkeit zu verteidigen – auf das Energischste und wutentbrannt.

»Herrgott Sakrament!«, donnerte Kipfler an diesem Tag viele Male, und Dimsch verteidigte sich mit: »Herrgott Sakrament, so schlimm ist das doch nicht!«

Das Entlassungsschreiben, welches Kipfler am nächsten Morgen (noch vor der Törtchen- und Kaffeehaustour) einer seiner Sekretärinnen diktierte, bescheinigte Dimsch dreierlei: Mangel an Anstand, Dreistigkeit sowie das Untergraben jeglicher Arbeitsmoral.

Statt eines Jobs hatte Dimsch nun reichlich Freizeit. Vornehmlich nutzte er sie, um noch öfter in Bierseligkeit zu schwelgen.

Je großzügiger er sich der Trunkenheit aber hingab, desto schaler schmeckte sie. Immer weniger wertvoll fühlte sie sich an. Letztlich konnte Dimsch noch so sehr zum Umsatzvolumen seiner Lieblingsbrauerei beitragen, das Hochgefühl blieb aus.

Dimsch löste ohne große Überzeugung ein Etikett nach dem anderen von den Leerflaschen, die sich über die vergangenen Monate angesammelt hatten. Als er das letzte abgezogen hatte und inmitten eines knöchelhohen Sees aus Papierschnipseln saß, war er so weit, bewertete die Leichtlebigkeit infolge des Konsums von Lagerbier als minderwertig.

War Glücklichsein dank derart seichter Mittel überhaupt akzeptabel gewesen? Konnte es als wahrhaftiges Glücklichsein gelten? Nein, entschied er, nun, da ihn das Hochgefühl verlassen hatte.

Oder hatte er das Glücklichsein lediglich überstrapaziert? Büßte das Glück mit der Zeit womöglich an Kraft ein, mutierte zu … wertlosem Glück? Das hieße – Dimsch streckte sich inmitten der Schnipsel der Länge nach aus und vollführte eigentümlich anmutende Schwimmbewegungen –, das hieße doch, dass der Mensch verdammt war, früher oder später unglücklich zu sein!

Zweifellos: Dimsch hatte sich in unbekannte Gewässer manövriert. Und die Wellen, die seine Überlegungen ausgelöst hatten, drohten ihm jede akzeptable Perspektive zu nehmen, schwappten höher und höher. Wirbelnde Gedanken hatten sich seiner bemächtigt, befanden sich in reißendem Fluss und trieben Dimsch unaufhörlich und rasant. Einem Stückchen dürren Holz glich er, das glitt, ausgeliefert, zum tobend nahen Wasserfall. Nur Sekunden später passierte es: Dimsch fiel, fiel rauschend tief, stellte sich die denkbar folgenschwerste Frage, jene nach dem beständigem, dem wahren Glück.

Er wusste damals zwar nicht, wonach exakt er suchte, aber hier – er kringelte eine Haarsträhne um seinen Zeigefinger –, hier in der Provinz, in diesem Kaff würde er es bestimmt nicht finden. Hier war er doch nur umgeben von Gewöhnlichem, war eingekesselt von Alltagsmenschen, die, kamen sie in die Jahre, nicht lange gelebt, sondern lediglich viel Zeit zugebracht hatten. Rasch weg musste er von hier, rasch genug, um nicht angesteckt zu werden. Denn verführerisch war es schon, dieses Dahinleben abseits jedes größeren Gedankens und damit jeder Qual.

Doch ihm, dramatisch schnaufte er durch, ihm war diese Leichtfertigkeit nicht gegeben, ihn zwang sein Verstand woandershin. Lebensrelevantes Wissen musste er sammeln, den Dingen auf den Grund gehen. Am besten sei wohl – Dimsch wickelte ein weiteres Haarbüschel um den Finger – rasch weise zu werden. Und der geradlinigste Weg zur Weisheit – er intensivierte die Drehbewegung –, der geradlinigste Weg führte schnurstracks raus, raus aus der Provinz. Schleunigst fliehen musste er vor diesem Menschenschlag, mit dem nicht zu reden war außer über Einfachstes und der sich bedenkenlos zufriedengab mit Einfachstem. Ihn, Sebastian Dimsch, zog es ins Gegenteil, dorthin, wo die Menschen mehr wollten, immer mehr und sich nie und nimmer zufriedengaben. In die Großstadt zog es ihn, den Ort des sich genussvoll geißelnden Intellekts und der selbstgefälligen Unzufriedenheit.

Visionsschwer blickte Dimsch damals vor sich hin, nickte und schaffte es mit Mühe, den Finger aus dem gezwirbelten Haarknäuel zu lösen. Ein Anfang war getan.

2

Zehn Jahre war es her, dass Dimsch entschieden hatte, dem Provinzleben zu entfliehen, dem Bier zu entsagen und überhaupt aller Oberflächlichkeit. Wie geplant, war er in die Großstadt gezogen und hatte dort nach zwei Jobs ausgerechnet in der Zentrale jener Versicherungsanstalt Arbeit gefunden, deren Zweigstelle ihn einst gefeuert hatte.

Den Weg der Weisheit hatte Dimsch zwar nicht beschritten, dafür war er mit Elan in kunterbunt einladende Sackgassen marschiert. Das Hineingeraten in die neue, laute Welt rechtfertigte er damit, dass ihm nach dem Verlust der einfältigen Glückseligkeit nur zwei Möglichkeiten offenstünden: Entweder konnte er fortan ein asketischer und ebenso tief- wie trübsinniger Mensch sein oder sich die Dramatik für später aufheben und vorerst einmal das Großstadtleben genießen. Dimsch entschied sich – nach zähem innerem Ringen – zugunsten des Genusses.

Der innere Stillstand indes wurde getarnt. Statt wie früher Jeans und Pullover trug er eng geschnittene schwarze Anzüge und blütenweiße Hemden, dazu schmale, dunkle Krawatten. Er hatte ein neues, ein wichtigeres Leben begonnen, konnte sich dessen jeden Morgen vergewissern, wenn er in den Spiegel sah. Sah er nicht in den Spiegel, genoss Dimsch blindlings, fuhr zusammen bei jedem neuen Höhepunkt und musste sich irgendwann schließlich eingestehen, dass auch die Glücksquellen der Großstadt versiegten: der Genuss aus Küche und Keller, das Nachtleben samt Glücksspiel und Eroberung der Damenwelt, Adrenalinkicks im Job, der Rausch des Geldverdienens sowieso. Alle Karten hatte er ausgespielt, sämtliche Optionen aufs Glück verprasst. Und war dabei unbemerkt in einem Alter angekommen, in dem große Pläne, Verweise auf später und Ausreden auf zu Erwartendes nicht mehr glaubhaft klingen wollten. Das Später war schon.

Nicht nur, dass er kein Fußballprofi, Rockstar, Schauspieler mehr werden würde, selbst der für gewöhnlich realistischste Kick, die berufliche Karriere, kam nicht weiter in Frage. Keinerlei Interesse übte sie mehr aus, seit er in der Versicherungszentrale am Zenit des Möglichen angelangt war, was den nötigen Mix aus Buckeln, Schleimen, Ellenbogentechnik anbelangte, wie er sich sagte, und was seine Kompetenz betraf, worauf er nicht eigens einging.

Auch seine Rolle als Ehemann und zweifacher Jungvater verschaffte Dimsch, wie verblüffend, kein Abo auf Wolke Sieben. Vielmehr hatte er damit die ohnehin abenteuerliche Hochschaubahn des Lebens um mehrere halsbrecherische Potenzen erhöht. Das überfallartige Auf und Ab durchschüttelte ihm Herz, Hirn, Magen und sämtliche übrigen Eingeweide.

Die einzig verbliebene Möglichkeit, durch und durch beständiges Glück zu erreichen, kam Dimsch auf eine gut abgelegte Idee zurück, schien ein Leben nach den Gesetzen der Weisen. Lange genug hatte er sich vor der Unmöglichkeit gedrückt, nun, ja nun endlich würde er damit beginnen.

Es war beileibe kein großer Anlass, der sein Vorhaben auslöste, vielmehr eine geradezu flatterhafte Nebensächlichkeit. An Dimschs letztem Urlaubstag – seine Frau und die beiden Kleinen waren längst aus dem Haus und nur er noch lag im Bett –, übernahm eine profane Stubenfliege das Dimsche Erweckungserlebnis. Mit impertinenter Ausdauer steppte sie auf seiner Nase herum, säuberte sich, geschäftig lebensfroh.

Da fasste Dimsch seinen Entschluss. Und am selben Tag entschied er zudem, wer ihn zum großen Glück führen würde, wen er gedachte, in der Angelegenheit zu konsultieren. Auserkoren hatte er das denkbar sachverständigste Personal. Jesus und Buddha, Sokrates und Platon, Konfuzius, Kant und Kollegen würde er befragen, ja, die größten Weisen aller Zeiten. Gewiss würden ihre Erkenntnisse ihn geradewegs zur gottgleichen Unbeschwertheit geleiten.

Dimsch ging in eine Buchhandlung.

Fortan trug er wieder Jeans und Pullover. Er hatte das alte Zeug aus dem Kasten hervorgekramt, es mit den Händen befühlt, sein Gesicht darin vergraben. Gut fühlte es sich an, gut roch es. Einfach und ehrlich, wie nach daheim. Dimsch war froh. Seine dunklen Anzüge, weißen Hemden, schmalen Krawatten stopfte er in einem Anfall von Tatendrang allesamt in Plastiksäcke. Laut im Auto singend und euphorisch die Drums auf dem Lenkrad schlagend, fuhr er sie zur Altkleidersammelstelle.

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