Der goldne Topf - E. T. A. Hoffmann - kostenlos E-Book + Hörbuch

Der goldne Topf Hörbuch

E.T.A. Hoffmann

0,0

Beschreibung

E.T.A. Hoffmanns "Der goldene Topf" (1814) erzählt vom Studenten Anselmus, der sich zwischen Fantasie und Realität hin- und herschwankend gegen eine Vernunftehe mit einer Beamtentochter entscheidet – und stattdessen durch die (imaginierte) Liebe zur Schlangenfrau Serpentina sein wahres Schicksal findet. Die Novelle war und ist mannigfaltige Inspirationsquelle für Autoren, Maler und Musiker geworden. Null Papier Verlag

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:3 Std. 50 min

Sprecher:Rufus Beck

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



E.T.A. Hoffmann

Der goldne Topf

Eine romantische Novelle

E.T.A. Hoffmann

Der goldne Topf

Eine romantische Novelle

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 2. Auflage, ISBN 978-3-954185-57-3

null-papier.de/391

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ers­te Vi­gi­lie

Zwei­te Vi­gi­lie

Drit­te Vi­gi­lie

Vier­te Vi­gi­lie

Fünf­te Vi­gi­lie

Sechs­te Vi­gi­lie

Sie­ben­te Vi­gi­lie

Ach­te Vi­gi­lie

Neun­te Vi­gi­lie

Zehn­te Vi­gi­lie

Elf­te Vi­gi­lie

Zwölf­te Vi­gi­lie

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr

Newslet­ter abon­nie­ren

Der Newslet­ter in­for­miert Sie über:

die Neu­er­schei­nun­gen aus dem Pro­gramm

Neu­ig­kei­ten über un­se­re Au­to­ren

Vi­deos, Lese- und Hör­pro­ben

at­trak­ti­ve Ge­winn­spie­le, Ak­tio­nen und vie­les mehr

htt­ps://null-pa­pier.de/newslet­ter

Die er­folg­reichs­te di­gi­ta­le Werk­samm­lung zu E.T.A. Hoff­mann

Don Juan, Die Eli­xie­re des Teu­fels, Der Sand­mann, Das stei­ner­ne Herz, Le­bens­an­sich­ten des Ka­ters Murr, Nuss­knacker und Mau­se­kö­nig, Das frem­de Kind, Das Fräu­lein von Scu­de­ri, Die Kö­nigs­braut u.v.m.

978-3-95418-359-3 (Kind­le) 978-3-95418-360-9 (Epub) 978-3-95418-361-6 (PDF)

0,99 €

null-papier.de/hoffmann

Erste Vigilie

Die Un­glücks­fäl­le des Stu­den­ten An­sel­mus. – Des Kon­rek­tors Paul­mann Sa­ni­täts­knas­ter und die gold­grü­nen Schlan­gen.

Am Him­mel­fahrts­ta­ge, nach­mit­tags um drei Uhr, rann­te ein jun­ger Mensch in Dres­den durchs Schwar­ze Tor, und ge­ra­de­zu in einen Korb mit Äp­feln und Ku­chen hin­ein, die ein al­tes häss­li­ches Weib feil­bot, so­dass al­les, was der Quet­schung glück­lich ent­gan­gen, hin­aus­ge­schleu­dert wur­de, und die Stra­ßen­jun­gen sich lus­tig in die Beu­te teil­ten, die ih­nen der has­ti­ge Herr zu­ge­wor­fen. Auf das Ze­ter­ge­schrei, das die Alte er­hob, ver­lie­ßen die Ge­vat­te­rin­nen ihre Ku­chen- und Brannt­wein­ti­sche, um­ring­ten den jun­gen Men­schen und schimpf­ten mit pö­bel­haf­tem Un­ge­stüm auf ihn hin­ein, so­dass er, vor Är­ger und Scham ver­stum­mend, nur sei­nen klei­nen, nicht eben be­son­ders ge­füll­ten Geld­beu­tel hin­hielt, den die Alte be­gie­rig er­griff und schnell ein­steck­te. Nun öff­ne­te sich der fest­ge­schlos­se­ne Kreis, aber in­dem der jun­ge Mensch hin­aus­schoss, rief ihm die Alte nach: »Ja ren­ne – ren­ne nur zu, Sa­t­ans­kind – ins Kris­tall bald dein Fall – ins Kris­tall!« – Die gel­len­de, kräch­zen­de Stim­me des Wei­bes hat­te et­was Ent­setz­li­ches, so­dass die Spa­zier­gän­ger ver­wun­dert still­stan­den, und das La­chen, das sich erst ver­brei­tet, mit ei­nem­mal ver­stumm­te. – Der Stu­dent An­sel­mus (nie­mand an­ders war der jun­ge Mensch) fühl­te sich, un­er­ach­tet er des Wei­bes son­der­ba­re Wor­te durch­aus nicht ver­stand, von ei­nem un­will­kür­li­chen Grau­sen er­grif­fen, und er be­flü­gel­te noch mehr sei­ne Schrit­te, um sich den auf ihn ge­rich­te­ten Bli­cken der neu­gie­ri­gen Men­ge zu ent­zie­hen. Wie er sich nun durch das Ge­wühl ge­putz­ter Men­schen durch­ar­bei­te­te, hör­te er über­all mur­meln: »Der arme jun­ge Mann – Ei! – über das ver­damm­te Weib!« – Auf ganz son­der­ba­re Wei­se hat­ten die ge­heim­nis­vol­len Wor­te der Al­ten dem lä­cher­li­chen Aben­teu­er eine ge­wis­se tra­gi­sche Wen­dung ge­ge­ben, so­dass man dem vor­hin ganz Un­be­merk­ten jetzt teil­neh­mend nachsah. Die Frau­en­zim­mer ver­zie­hen dem wohl­ge­bil­de­ten Ge­sich­te, des­sen Aus­druck die Glut des in­nern Grimms noch er­höh­te, so­wie dem kräf­ti­gen Wuch­se des Jüng­lings al­les Un­ge­schick so­wie den ganz aus dem Ge­bie­te al­ler Mode lie­gen­den An­zug. Sein hecht­grau­er Frack war näm­lich so zu­ge­schnit­ten, als habe der Schnei­der, der ihn ge­ar­bei­tet, die mo­der­ne Form nur von Hö­ren­sa­gen ge­kannt, und das schwarz­at­las­ne wohl­ge­schon­te Un­ter­kleid gab dem Gan­zen einen ge­wis­sen ma­gis­ter­mä­ßi­gen Stil, dem sich nun wie­der Gang und Stel­lung durch­aus nicht fü­gen woll­te. – Als der Stu­dent schon bei­na­he das Ende der Al­lee er­reicht, die nach dem Lin­ki­schen Bade führt, woll­te ihm bei­na­he der Atem aus­ge­hen. Er war ge­nö­tigt, lang­sa­mer zu wan­deln; aber kaum wag­te er den Blick in die Höhe zu rich­ten, denn noch im­mer sah er die Äp­fel und Ku­chen um sich tan­zen, und je­der freund­li­che Blick die­ses oder je­nes Mäd­chens war ihm nur der Re­flex des scha­den­fro­hen Ge­läch­ters am Schwar­zen Tor. So war er bis an den Ein­gang des Lin­ki­schen Ba­des ge­kom­men; eine Rei­he fest­lich ge­klei­de­ter Men­schen nach der an­de­ren zog her­ein. Mu­sik von Blas­in­stru­men­ten er­tön­te von in­nen, und im­mer lau­ter und lau­ter wur­de das Ge­wühl der lus­ti­gen Gäs­te. Die Trä­nen wä­ren dem ar­men Stu­den­ten An­sel­mus bei­na­he in die Au­gen ge­tre­ten, denn auch er hat­te, da der Him­mel­fahrts­tag im­mer ein be­son­de­res Fa­mi­li­en­fest für ihn ge­we­sen, an der Glück­se­lig­keit des Lin­ki­schen Pa­ra­die­ses teil­neh­men, ja er hat­te es bis zu ei­ner hal­b­en Por­ti­on Kaf­fee mit Rum und ei­ner Bou­teil­le Dop­pel­bier trei­ben wol­len und, umso recht schlam­pam­pen zu kön­nen, mehr Geld ein­ge­steckt, als ei­gent­lich er­laubt und tun­lich war. Und nun hat­te ihn der fa­ta­le Tritt in den Äp­fel­korb um al­les ge­bracht, was er bei sich ge­tra­gen. An Kaf­fee, an Dop­pel­bier, an Mu­sik, an den An­blick der ge­putz­ten Mäd­chen – kurz! – an alle ge­träum­ten Genüs­se war nicht zu den­ken; er schlich lang­sam vor­bei und schlug end­lich den Weg an der Elbe ein, der ge­ra­de ganz ein­sam war. Un­ter ei­nem Ho­lun­der­bau­me, der aus der Mau­er her­vor­ge­spros­sen, fand er ein freund­li­ches Ra­sen­plätz­chen; da setz­te er sich hin und stopf­te eine Pfei­fe von dem Sa­ni­täts­knas­ter, den ihm sein Freund, der Kon­rek­tor Paul­mann, ge­schenkt. – Dicht vor ihm plät­scher­ten und rausch­ten die gold­gel­ben Wel­len des schö­nen Elbstroms, hin­ter dem­sel­ben streck­te das herr­li­che Dres­den kühn und stolz sei­ne lich­ten Tür­me em­por in den duf­ti­gen Him­mels­grund, der sich hin­ab­senk­te auf die blu­mi­gen Wie­sen und frisch grü­nen­den Wäl­der, und aus tiefer Däm­me­rung ga­ben die nackich­ten Ge­bir­ge Kun­de vom fer­nen Böh­mer­lan­de. Aber fins­ter vor sich hin­bli­ckend, blies der Stu­dent An­sel­mus die Dampf­wol­ken in die Luft, und sein Un­mut wur­de end­lich laut, in­dem er sprach: »Wahr ist es doch, ich bin zu al­lem mög­li­chen Kreuz und Elend ge­bo­ren! – Dass ich nie­mals Boh­nen­kö­nig ge­wor­den, dass ich im Paar oder Un­paar im­mer falsch ge­ra­ten, dass mein But­ter­brot im­mer auf die fet­te Sei­te ge­fal­len, von al­lem die­sen Jam­mer will ich gar nicht re­den; aber ist es nicht ein schreck­li­ches Ver­häng­nis, dass ich, als ich denn doch nun dem Sa­tan zum Trotz Stu­dent ge­wor­den war, ein Küm­mel­tür­ke sein und blei­ben muss­te? – Zie­he ich wohl je einen neu­en Rock an, ohne gleich das ers­te­mal einen Talg­fleck hin­ein­zu­brin­gen oder mir an ei­nem übel ein­ge­schla­ge­nen Na­gel ein ver­wünsch­tes Loch hin­ein­zu­rei­ßen? Grü­ße ich wohl je einen Herrn Ho­frat oder eine Dame, ohne den Hut weit von mir zu schleu­dern oder gar auf dem glat­ten Bo­den aus­zuglei­ten und schänd­lich um­zu­stül­pen? Hat­te ich nicht schon in Hal­le je­den Markt­tag eine be­stimm­te Aus­ga­be von drei bis vier Gro­schen für zer­tre­te­ne Töp­fe, weil mir der Teu­fel in den Kopf setzt, mei­nen Gang ge­ra­de­aus zu neh­men wie die La­min­ge? Bin ich denn ein ein­zi­ges Mal ins Kol­le­gi­um oder wo man mich sonst hin­be­schie­den, zu rech­ter Zeit ge­kom­men? Was half es, dass ich eine hal­be Stun­de vor­her aus­ging und mich vor die Tür hin­stell­te, den Drücker in der Hand, denn so­wie ich mit dem Glo­cken­schla­ge auf­drücken woll­te, goss mir der Sa­tan ein Wasch­be­cken über den Kopf oder ließ mich mit ei­nem Heraustre­ten­den zu­sam­men­ren­nen, dass ich in tau­send Hän­del ver­wi­ckelt wur­de und dar­über al­les ver­säum­te. – Ach! ach! wo seid ihr hin, ihr se­li­gen Träu­me künf­ti­gen Glücks, wie ich stolz wähn­te, ich kön­ne es wohl hier noch bis zum Ge­hei­men Se­kre­tär brin­gen! Aber hat mir mein Uns­tern nicht die bes­ten Gön­ner ver­fein­det? – Ich weiß, dass der Ge­hei­me Rat, an den ich emp­foh­len bin, ver­schnit­te­nes Haar nicht lei­den mag; mit Mühe be­fes­tigt der Fri­seur einen klei­nen Zopf an mei­nem Hin­ter­haupt, aber bei der ers­ten Ver­beu­gung springt die un­glück­se­li­ge Schnur, und ein mun­te­rer Mops, der mich um­schnüf­felt, ap­por­tiert im Ju­bel das Zöpf­chen dem Ge­hei­men Rate. Ich sprin­ge er­schro­cken nach und stür­ze über den Tisch, an dem er früh­stückend ge­ar­bei­tet hat, so­dass Tas­sen, Tel­ler, Tin­ten­fass – Sand­büch­se klir­rend her­ab­stür­zen, und der Strom von Scho­ko­la­de und Tin­te sich über die eben ge­schrie­be­ne Re­la­ti­on er­gießt. ›Herr, sind Sie des Teu­fels!‹ brüllt der er­zürn­te Ge­hei­me Rat und schiebt mich zur Tür hin­aus. – Was hilft es, dass mir der Kon­rek­tor Paul­mann Hoff­nung zu ei­nem Schrei­ber­diens­te ge­macht hat, wird es denn mein Uns­tern zu­las­sen, der mich über­all ver­folgt! – Nur noch heu­te! – Ich woll­te den lie­ben Him­mel­fahrts­tag recht in der Ge­müt­lich­keit fei­ern, ich woll­te or­dent­lich was dar­auf­ge­hen las­sen. Ich hät­te eben­so gut wie je­der an­de­re Gast in Lin­kes Bade stolz ru­fen kön­nen: ›Mar­kör – eine Fla­sche Dop­pel­bier – aber vom bes­ten bit­te ich!‹ – Ich hät­te bis spät abends sit­zen kön­nen und noch dazu ganz nahe bei die­ser oder je­ner Ge­sell­schaft herr­lich ge­putz­ter schö­ner Mäd­chen. Ich weiß es schon, der Mut wäre mir ge­kom­men, ich wäre ein ganz an­de­rer Mensch ge­wor­den; ja, ich hät­te es so weit ge­bracht, dass wenn die­se oder jene ge­fragt: ›Wie spät mag es wohl jetzt sein?‹ oder: ›Was ist denn das, was sie spie­len?‹ da wäre ich mit leich­tem An­stan­de auf­ge­sprun­gen, ohne mein Glas um­zu­wer­fen oder über die Bank zu stol­pern; mich in ge­beug­ter Stel­lung an­dert­halb Schrit­te vor­wärts­be­we­gend, hät­te ich ge­sagt: ›Er­lau­ben Sie, Ma­de­moi­sel­le, Ih­nen zu die­nen, es ist die Ou­ver­tü­re aus dem Do­nau­weib­chen‹ oder: ›Es wird gleich sechs Uhr schla­gen.‹ – Hät­te mir das ein Mensch in der Welt übel deu­ten kön­nen? – Nein! sage ich, die Mäd­chen hät­ten sich so schalk­haft lä­chelnd an­ge­se­hen, wie es wohl zu ge­sche­hen pflegt, wenn ich mich er­mu­ti­ge, zu zei­gen, dass ich mich auch wohl auf den leich­ten Welt­ton ver­ste­he und mit Da­men um­zu­ge­hen weiß. Aber da führt mich der Sa­tan in den ver­wünsch­ten Äp­fel­korb, und nun muss ich in der Ein­sam­keit mei­nen Sa­ni­täts­knas­ter –« Hier wur­de der Stu­dent An­sel­mus in sei­nem Selbst­ge­sprä­che durch ein son­der­ba­res Rie­seln und Ra­scheln un­ter­bro­chen, das sich dicht ne­ben ihm im Gra­se er­hob, bald aber in die Zwei­ge und Blät­ter des Ho­lun­der­baums hin­auf­glitt, der sich über sei­nem Haup­te wölb­te. Bald war es, als schütt­le der Abend­wind die Blät­ter, bald, als kos­ten Vö­ge­lein in den Zwei­gen, die klei­nen Fit­ti­ge im mut­wil­li­gen Hin- und Her­flat­tern rüh­rend. – Da fing es an zu flüs­tern und zu lis­peln, und es war, als er­tön­ten die Blü­ten wie auf­ge­han­ge­ne Kris­tall­glöck­chen. An­sel­mus horch­te und horch­te. Da wur­de, er wuss­te selbst nicht wie, das Ge­lis­pel und Ge­flüs­ter und Ge­klin­gel zu lei­sen halb­ver­weh­ten Wor­ten:

»Zwi­schen­durch – zwi­schen­ein – zwi­schen Zwei­gen, zwi­schen schwel­len­den Blü­ten, schwin­gen, schlän­geln, schlin­gen wir uns – Schwes­ter­lein – Schwes­ter­lein, schwin­ge dich im Schim­mer – schnell, schnell her­auf – her­ab – Abend­son­ne schießt Strah­len, zi­schelt der Abend­wind – ra­schelt der Tau – Blü­ten sin­gen – rüh­ren wir Züng­lein, sin­gen wir mit Blü­ten und Zwei­gen – Ster­ne bald glän­zen – müs­sen her­ab – zwi­schen­durch, zwi­schen­ein schlän­geln, schlin­gen, schwin­gen wir uns Schwes­ter­lein.« –

So ging es fort in Sin­ne ver­wir­ren­der Rede. Der Stu­dent An­sel­mus dach­te: »Das ist denn doch nur der Abend­wind, der heu­te mit or­dent­lich ver­ständ­li­chen Wor­ten flüs­tert.« – Aber in dem Au­gen­blick er­tön­te es über sei­nem Haup­te wie ein Drei­klang hel­ler Kris­tall­glo­cken; er schau­te hin­auf und er­blick­te drei in grü­nem Gold er­glän­zen­de Schläng­lein, die sich um die Zwei­ge ge­wi­ckelt hat­ten und die Köpf­chen der Abend­son­ne ent­ge­gen­streck­ten. Da flüs­ter­te und lis­pel­te es von neu­em in je­nen Wor­ten, und die Schläng­lein schlüpf­ten und kos­ten auf und nie­der durch die Blät­ter und Zwei­ge, und wie sie sich so schnell rühr­ten, da war es, als streue der Ho­lun­der­busch tau­send fun­keln­de Sma­rag­de durch sei­ne dunklen Blät­ter. »Das ist die Abend­son­ne, die so in dem Ho­lun­der­busch spielt«, dach­te der Stu­dent An­sel­mus, aber da er­tön­ten die Glo­cken wie­der, und An­sel­mus sah, wie eine Schlan­ge ihr Köpf­chen nach ihm her­ab­streck­te. Durch alle Glie­der fuhr es ihm wie ein elek­tri­scher Schlag, er er­beb­te im In­ners­ten – er starr­te hin­auf, und ein Paar herr­li­che dun­kelblaue Au­gen blick­ten ihn an mit un­aus­sprech­li­cher Sehn­sucht, so­dass ein nie ge­kann­tes Ge­fühl der höchs­ten Se­lig­keit und des tiefs­ten Schmer­zes sei­ne Brust zer­spren­gen woll­te. Und wie er voll hei­ßen Ver­lan­gens im­mer in die hold­se­li­gen Au­gen schau­te, da er­tön­ten stär­ker in lieb­li­chen Ak­kor­den die Kris­tall­glo­cken, und die fun­keln­den Sma­rag­de fie­len auf ihn her­ab und um­span­nen ihn, in tau­send Flämm­chen um ihn her­fla­ckernd und spie­lend mit schim­mern­den Gold­fa­den. Der Ho­lun­der­busch rühr­te sich und sprach: »Du lagst in mei­nem Schat­ten, mein Duft um­floss dich, aber du ver­stan­dest mich nicht. Der Duft ist mei­ne Spra­che, wenn ihn die Lie­be ent­zün­det.« Der Abend­wind strich vor­über und sprach: »Ich um­spiel­te dei­ne Schlä­fe, aber du ver­stan­dest mich nicht, der Hauch ist mei­ne Spra­che, wenn ihn die Lie­be ent­zün­det.« Die Son­nen­strah­len bra­chen durch das Ge­wölk, und der Schein brann­te wie in Wor­ten: »Ich um­goss dich mit glü­hen­dem Gold, aber du ver­stan­dest mich nicht; Glut ist mei­ne Spra­che, wenn sie die Lie­be ent­zün­det.«

Und im­mer in­ni­ger und in­ni­ger ver­sun­ken in den Blick des herr­li­chen Au­gen­paars, wur­de hei­ßer die Sehn­sucht, glü­hen­der das Ver­lan­gen. Da reg­te und be­weg­te sich al­les, wie zum fro­hen Le­ben er­wacht. Blu­men und Blü­ten duf­te­ten um ihn her, und ihr Duft war wie herr­li­cher Ge­sang von tau­send Flö­ten­stim­men, und was sie ge­sun­gen, tru­gen im Wi­der­hall die gol­de­nen vor­über­flie­hen­den Abend­wol­ken in fer­ne Lan­de. Aber als der letz­te Strahl der Son­ne schnell hin­ter den Ber­gen ver­schwand, und nun die Däm­me­rung ih­ren Flor über die Ge­gend warf, da rief, wie aus wei­ter Fer­ne, eine raue tie­fe Stim­me:

»Hei, hei, was ist das für ein Ge­mun­kel und Ge­flüs­ter da drü­ben? – Hei, hei, wer sucht mir doch den Strahl hin­ter den Ber­gen! – ge­nug ge­sonnt, ge­nug ge­sun­gen – Hei, hei, durch Busch und Gras – durch Gras und Strom! – Hei, – hei – Her u – u – u nter – Her u – u – u nter!« –

So ver­schwand die Stim­me wie im Mur­meln ei­nes fer­nen Don­ners, aber die Kris­tall­glo­cken zer­bra­chen im schnei­den­den Miss­ton. Al­les war ver­stummt, und An­sel­mus sah, wie die drei Schlan­gen schim­mernd und blin­kend durch das Gras nach dem Stro­me schlüpf­ten; ri­schelnd und ra­schelnd stürz­ten sie sich in die Elbe, und über den Wo­gen, wo sie ver­schwun­den, knis­ter­te ein grü­nes Feu­er em­por, das in schie­fer Rich­tung nach der Stadt zu leuch­tend ver­dampf­te.

Zweite Vigilie

Wie der Stu­dent An­sel­mus für be­trun­ken und wahn­wit­zig ge­hal­ten wur­de. – Die Fahrt über die Elbe. – Die Bra­vour-Arie des Ka­pell­meis­ters Graun. – Con­ra­dis Ma­gen­li­kör und das bron­zier­te Äp­fel­weib.

Der Herr ist wohl nicht recht bei Tros­te!« sag­te eine ehr­ba­re Bür­gers­frau, die vom Spa­zier­gan­ge mit der Fa­mi­lie heim­keh­rend, still stand und mit über­ein­an­der­ge­schla­ge­nen Ar­men dem tol­len Trei­ben des Stu­den­ten An­sel­mus zu­sah. Der hat­te näm­lich den Stamm des Ho­lun­der­bau­mes um­fasst und rief un­auf­hör­lich in die Zwei­ge und Blät­ter hin­ein: »O nur noch ein­mal blin­ket und leuch­tet, ihr lieb­li­chen gold­nen Schläng­lein, nur noch ein­mal lasst eure Glo­cken­stimm­chen hö­ren! Nur noch ein­mal blicket mich an, ihr hold­se­li­gen blau­en Au­gen, nur noch ein­mal, ich muss ja sonst ver­ge­hen in Schmerz und hei­ßer Sehn­sucht!« Und da­bei seufz­te und ächz­te er aus der tiefs­ten Brust recht kläg­lich und schüt­tel­te vor Ver­lan­gen und Un­ge­duld den Ho­lun­der­baum, der aber statt al­ler Ant­wort nur ganz dumpf und un­ver­nehm­lich mit den Blät­tern rausch­te und so den Schmerz des Stu­den­ten An­sel­mus or­dent­lich zu ver­höh­nen schi­en. – »Der Herr ist wohl nicht recht bei Tros­te«, sag­te die Bür­gers­frau, und dem An­sel­mus war es so, als wür­de er aus ei­nem tie­fen Traum ge­rüt­telt oder gar mit eis­kal­tem Was­ser be­gos­sen, um ja recht jäh­ling zu er­wa­chen. Nun sah er erst wie­der deut­lich, wo er war, und be­sann sich, wie ein son­der­ba­rer Spuk ihn gen­eckt und gar dazu ge­trie­ben habe, ganz al­lein für sich selbst in lau­te Wor­te aus­zu­bre­chen. Be­stürzt blick­te er die Bür­gers­frau an und griff end­lich nach dem Hute, der zur Erde ge­fal­len, um da­von­zu­ei­len. Der Fa­mi­li­en­va­ter war un­ter­des­sen auch her­an­ge­kom­men und hat­te, nach­dem er das Klei­ne, das er auf dem Arm ge­tra­gen, ins Gras ge­setzt, auf sei­nen Stock sich stüt­zend, mit Ver­wun­de­rung dem Stu­den­ten zu­ge­hört und zu­ge­schaut. Er hob jetzt Pfei­fe und Ta­baks­beu­tel auf, die der Stu­dent fal­len las­sen, und sprach, bei­des ihm hin­rei­chend: »La­men­tier’ der Herr nicht so schreck­lich in der Fins­ter­nis, und ve­xier’ Er nicht die Leu­te, wenn Ihm sonst nichts fehlt, als dass Er zu viel ins Gläs­chen ge­kuckt – geh Er fein or­dent­lich zu Hau­se und leg’ Er sich aufs Ohr!« Der Stu­dent An­sel­mus schäm­te sich sehr, er stieß ein wei­ner­li­ches Ach! aus. »Nun nun«, fuhr der Bür­gers­mann fort, »lass es der Herr nur gut sein, so was ge­schieht den Bes­ten, und am lie­ben Him­mel­fahrts­ta­ge kann man wohl in der Freu­de sei­nes Her­zens ein Schlück­chen über den Durst tun. Das pas­siert auch wohl ei­nem Mann Got­tes – der Herr ist ja doch wohl ein Kan­di­dat. – Aber wenn es der Herr er­laubt, stopf’ ich mir ein Pfeif­chen von sei­nem Ta­bak, mei­ner ist mir da dro­ben aus­ge­gan­gen.« Dies sag­te der Bür­ger, als der Stu­dent An­sel­mus schon Pfei­fe und Beu­tel ein­ste­cken woll­te, und nun rei­nig­te der Bür­ger lang­sam und be­däch­tig sei­ne Pfei­fe, und fing eben­so lang­sam an zu stop­fen. Meh­re­re Bür­ger­mäd­chen wa­ren da­zu­ge­tre­ten, die spra­chen heim­lich mit der Frau und ke­cker­ten mit­ein­an­der, in­dem sie den An­sel­mus an­sa­hen. Dem