Der Granatapfel - Hermann Peter Piwitt - E-Book

Der Granatapfel E-Book

Hermann Peter Piwitt

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Beschreibung

Ein Schelmenroman über den »letzten selbstgemachten Helden Europas", mit artistischer Finesse erzählt. Und ein Italienbuch, frech und südentrunken. 20 Jahre nach der Erstausgabe des Romans hält Piwitt Rückschau und kommentiert die Neuausgabe. Oberitalien am Ende des Zweiten Weltkriegs: Auf seinem Alterssitz am Gardasee schreibt der Dichter, Kriegs- und Frauenheld Gianbattista Taumaturga - inzwischen über achtzig - seine Memoiren. Alles hat er, immer wie in Trance, gewagt; und fast alles ist ihm geglückt. Mit zwanzig hat er, der Junge aus der Provinz, eine der besten »Partien" des römischen Hochadels entführt und geheiratet, Eleonora Duse opfert ihm Ruf und Vermögen. Millionenschulden zwingen ihn zur Flucht nach Frankreich, von wo aus er den Eintritt Italiens in den Ersten Krieg betreibt. Als General aller drei Waffengattungen inszeniert er Husarenstücke an der österreichisch-italienischen Front. Sein letzter Streich - die Besetzung der jugoslawischen Grenzstadt Fiume 1919 - wird zum Signal für den faschistischen Putsch unter Mussolini. »Der Granatapfel" erzählt Motive aus der Biographie von Gabriele d'Annunzio (1863-1938), ein Leben in den Koordinaten von Liebe und Tod, ein Leben voller Affären und Plagiate, Schulden und Duelle, Mystifikationen und Ruhm. Zwischen Selbstrechtfertigung und Selbstabrechnung schwankt seine Lebensbeichte. Schimpfkanonade, Jeremiade und Harlekinade in einem.

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Hermann Peter Piwitt

Der Granatapfel

Hermann Peter Piwitt

Der Granatapfel

Roman

Für Ingrid

Glücklich ist, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist.

Johann Strauß, Die Fledermaus, 1874

Offen gesagt, es ist alles gelogen. Geboren bin ich in Razzogloriosa an der Adria, gut. Daran ist nicht zu rütteln. Echt wird auch das Todesdatum sein. Demnächst. Wenn mir nicht noch was dazu einfällt. Aber der Rest, dazwischen? Man will mir ans Leder. Wir haben den Krieg verloren. Aber ein paar Leute meinen, ihn gewonnen zu haben. Und nun rennen sie mit abgesägten Schrotflinten herum, plärren Bella Ciao und wollen ihr Mütchen kühlen. Die reinste Jagdsaison. Steine fliegen über die Mauer in den Park mit Zetteln dran: »Hau ab, alter Sack!« Verirrte Schüsse; man will Wachteln gesehen haben. Als ob es hier je Wachteln gegeben hätte. Raussetzen wollen sie mich, ihren Comandante. Und dann ihre Kommandatura hier aufmachen, mit Stempeln, Nutten und Genickschuß.

Als ob sie nicht alle mitmarschiert wären, damals, solange es noch was zu holen gab! Abessinien, Eritrea, Tunis, Libyen, Dodekanes, Albanien, Somaliland.

Und der General Badoglio immer vorneweg. Aber dann, kaum daß die Cowboys im Land stehn, die Fronten gewechselt. Und die Herren von der ehrenwerten Gesellschaft, die Blüte der Knaste von Palermo bis Sing-Sing, Arm in Arm mit der Army. Chocolate und Coca-Cola. Freiheit und Democracy … – Als ob ich nicht von Anfang an vor dem Duce gewarnt hätte. Ein Emporkömmling. Keine Kultur, keine Taille, keine Rasse. Ein stumpfer Bock. Ohne delicatesse. Aber verbreiten, er habe mehr Frauen gehabt als ich! Wie er das Kinn beim Redenschwingen gereckt hat, a noi!, unser Schlachtruf – alles hatte er von mir. Und dann die Posse in Libyen mit dem Schwert des Islam; kaum, daß er sich mit dem Prügel auf dem Pferd hat halten können, vor den Kameras.

Hat man ihn deshalb gleich umbringen und an den Beinen aufhängen müssen mit seiner Schickse? Sogar im Geburtshaus in Razzogloriosa sind sie seinerzeit aufgekreuzt; das muß man ihnen lassen: Ciano in vollem Wichs, der Marschall Balbo mit seinen ewigen Wickelgamaschen, der halbe Großrat – alle sollen sie im Blauen Salon gestanden und die Fresken an der Decke bestaunt haben. Der Brand von Troja mit dem flüchtenden Äneas plus Vater und Sohn. Der Raub der Proserpina. Die Frucht- und Blattgewinde drumrum, mit den Putten, Schwänen und Doggen drin … Jeder nahm ein Auge voll davon mit. Vom Mobiliar dürfte sonst nicht mehr viel am alten Platz gewesen sein. Einiges haben sie später wieder eingesammelt, die fleißigen Ameisen von der Stiftung. Truhen, Bilder, Betten, sogar das alte Kohlenbecken, das immer so qualmte. Kein Iglu ist so kalt wie ein italienisches Mietshaus im Winter. Und natürlich das eiserne Bettgestell in der Schlafnische, wo ich zur Welt kam. Denn, um die Wahrheit zu sagen: Ich bin nicht auf dem Meer geboren. Auch nicht auf der Brigantine »Irene«. Ich weiß, es war meine Idee. Aber man wird ja wohl noch einen Scherz machen dürfen? Also nichts da: Von wegen »die Adria, das mare nostrum selbst ging schwanger mit ihm«. Es waren auch keine Einsiedler aus den Abruzzen die Vorfahren. Von wegen »sie geißelten sich, bis das Blut kam. Sie aßen Schnee und pflückten sich die Adler vom Himmel.« Sie kratzten auch nicht ihr Siegel in die Felsen mit »dem Nagel, den Sant’ Elena vom Heiligen Kreuz rettete«. Sie gingen von Haus zu Haus und stopften den Leuten die Matratzen nach; das war es. Aber was soll man machen. Mythen, Legenden, der ganze Schwindel. Die Leute sind ganz wild auf sowas. Wenn ich an die Bildergeschichten denke, die über mich in Umlauf sind. Taumaturga: Der Liebling der Frauen. Der Freund des Volkes. Der Mann, der den Roten Baron in der Luft zerbröselt hätte, hätte er sich nur einmal in den italienischen Luftraum gewagt … Ich hau mir ja selbst ab und zu so ein Heftchen hinter die Linse, zusammen mit »Zorro« und »Buffalo Bill«. Ich kann mich gut gemalt sehen … Daß ich den Leutchen rechtzeitig hätte die Augen öffnen sollen? Hat sich was. Eher hätten sie den Spielverderber erschlagen als von ihren Illusionen gelassen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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