Der Hanseschatz von Lübeck - Hans-Joachim Schmidt - E-Book

Der Hanseschatz von Lübeck E-Book

Hans-Joachim Schmidt

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Beschreibung

Nach einer "Einführung" um die Entstehungsgeschichte der Hansestadt Lübeck beginnt die eigentliche Geschichte um diesen Schatz., welche um 1320 beginnt und in den 1950-ern enden wird.Es ist ein Krimi, als auch eine Historie um die Hanse, speziell um Lübeck als auch ein Gästeführer. Alles fängt mit einer Salzlieferung von Halle über Lübeck nach Moskau und Kiew an. Halle deswegen, weil die Salzvorräte in Lüneburg eingefroren wurden.¬¬ Beglaubigt wurde der Handel vom damaligen Bürgermeister Johann Wittenborg. Als es darum ging die Salzlieferung zu bezahlen, stellte sich heraus, dass der Stadthalter von Moskau nicht liquide ist und dem Lübecker Kaufmann, in dem Fall Karl Menssen, alles mögliche für seine Ladung anbietet, nur kein Geld, wie zuvor vereinbart. Ein Gegenstand, der ihm allerdings nicht angeboten wird sticht ihm ins Auge und nach langen Verhandlungen bekommt er ihn, muss aber als Gegenleistung einige Ikonen zurück lassen. Sein begehrtes Stück stellt sich als Mütze des Monomach heraus, eine Krönungsinsignie. Da Menssen auch noch einen Partner bei diesem Geschäft hat und seine Koggen zum Opfer von Piraten fallen, sieht es für ihn, bezüglich des Gewinns, nicht gut aus. Er hintergeht seinen Partner und behält die vom Stadthalter erhaltenen Schätze. Von Vorteil, bezüglich des Betruges, ist die Tatsache, dass jener Wittenborg hingerichtet wurde. Der Wittenborg, der den Handel mit seinem Kaufmannskollegen hätte bestätigen können. Bevor Menssen stirbt, vergräbt er seinen Schatz im Keller seines Hauses. Dies geschah Mitte des 14. Jahrhunderts. Bis Mitte des 16. Jahrhunderts, zu der Zeit als Jürgen Wullenwever Bürgermeister von Lübeck wurde und ebenfalls hingerichtet wird, wird die Geschichte Lübecks, auch über Hildebrand Veckinchusen hinaus beschrieben, auch ihre Auswirkungen auf die Hanse und Lübeck im allgemeinen. 1534 war nun Friedrich Menssen, ein Nachfahre von Karl, Besitzer dieses Schatzes.

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Seitenzahl: 267

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Hans-Joachim Schmidt

Der Hanseschatz von Lübeck

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Entstehung und Entwicklung der Hansestadt Lübeck

Ein unerwarteter Handel

Tödliche Bekanntschaft?

Feuer – Fluch oder Segen?

Eine unglaubliche Entdeckung

Lübeck

Der neue Alltag

Erste Ergebnisse

Taktik des guten Willens

Eine neue Spur

Eine Leiche taucht auf

Der Preis des Hauses

Hellner bekommt einen Beweis zu fassen

Auszeichnung?

Anonyme Anzeige

An den Gräbern ihrer Mütter

Ein Plan

Zwangsmaßnahme

Wie es kommen musste

Klärung

Impressum neobooks

Entstehung und Entwicklung der Hansestadt Lübeck

Das im 7. Jahrhundert errichtete Liubice war eine slawische Königsresidenz. Liubice, was „die Liebliche“ bedeutet, ist der ursprüngliche Name für Lübeck. Erstmals wurde der Name Liubice in der Chronik des Geschichtsschreibers Adam von Bremen erwähnt. Der damalige Standpunkt von Liubice selbst ist eine Vorsiedlung des heutigen Lübecks, dem Alt-Lübeck, demzufolge nicht die geografische Keimzelle der Hansestadt.

1138 wurde Liubice von Truppen unter der Führung des slawischen Fürsten Race völlig zerstört und nicht wieder aufgebaut.

Haithabu, unweit vom damaligen Liubice entfernt, war seiner Zeit der erste Handelsort und Hauptumschlagsplatz für den Handel zwischen Skandinavien, Westeuropa, dem Norden und dem Baltikum. Haithabu war damals der einzige Ort mit Zufahrt zur Ostseeküste. Nach ständigen kriegerischen Überfällen im 11. Jahrhundert wurde Haithabu aufgegeben. Als Ersatz bot sich eben das später neu gegründete Lübeck an.

Erst 1143 wurde das moderne Lübeck, auf dem Hügel Bucu, von Graf Adolf II. von Schauenburg und Holstein gegründet.

Nach einem verheerenden Brand im Jahr 1157, der Lübeck in Schutt und Asche legte, ließ der sächsische Herzog Heinrich der Löwe Lübeck als die „Königin der Hanse“, wie sie auch heute noch gern und stolz genannt wird, 1158 neu errichten.

Um das zu bewerkstelligen, musste er Graf Adolf II. von Schauenburg und Holstein zur Übergabe der Burg und des Hügels Bucu bewegen, was ihm dank seines Verhandlungsgeschicks letztlich gelang.

Heinrich der Löwe erkannte das Potenzial von Lübeck, nahm es in Besitz und stattete die Stadt mit weitreichenden Rechten und Freiheiten aus.

Stadtplan von Lübeck um 1250

Kein Wunder, denn der Standort für die Neuerbauung Lübecks war nicht rein zufällig von Heinrich dem Löwen gewählt und gewollt. Wenn man sich die Lage Lübecks genauer betrachtet, wird einem schnell klar, dass es nicht nur um die Errichtung einer Stadt, sondern um viel mehr ging. Bis zur Ostsee sind es über die Trave nur 20 Kilometer und die Nordsee ist praktisch in Reichweite. Selbst die Halbinsel Schonen ist gut erreichbar.

Lübeck soll, so seine Idee, zu einem neuen Handelszentrum ausgebaut werden. Und sein Plan sollte aufgehen. Die Gründung Lübecks selbst und die Privilegien die der Stadt eingeräumt wurden, waren dann auch der Startschuss für die Hanse.

Mit den Jahren schlossen sich immer mehr Kaufleute und Städte dem mächtigen Bündnis der Hanse in Lübeck an.

Gerade diese Halbinsel Schonen war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Kaufleute um Lübeck. Um Schonen kommen jeden Sommer Heringsschwärme, die dann bis in den Herbst hinein, im Auftrag der Kaufleute, gefangen wurden. Ja, die Kaufleute waren es, die das Zepter um den Fisch fest in der Hand hatten, denn sie hatten Schiffe und alles andere, was zum Fang der Heringe benötigt wurde. Eigens für diese Saison des Fischfangs heuerten sie Mannschaften an. Es reichte nicht nur die Fische zu fangen. Sie mussten konserviert werden, um sie über längere Zeit haltbar zu machen. Und die Lübecker erwiesen auch da ein sicheres Händchen, sie sicherten sich den Vertrieb dieses Konservierungsmittels - Salz, welches in Lüneburg, eine der größten Fertigungsstätten Europas, gewonnen wurde.

Nach dem Fang wurden die Fische sofort gesalzen, eben um sie zu konservieren, eingepackt, verschifft und gewinnbringend verkauft.

Schon damals legten die Kaufleute viel Wert auf Gewinnmaximierung, ihr ordneten sie alles unter.

Heringe und Salz waren das Geschäft zu der Zeit und das sahen viele Kaufleute so, natürlich mit unterschiedlichem Erfolg, eben auch, weil die Fanggebiete unterschiedlich, auch in Größe, aufgeteilt waren und wenig Platz für Neuzugänge zuließen.

Die Hanse entwickelte sich seit ihrer Gründung Mitte des 12. Jahrhunderts, welche bis Mitte des 17. Jahrhunderts hineinreichte, zu einem Imperium von Kaufleuten, welche unerbittlich ihre Geschäfte verteidigten, auch mit Gewalt.

Auf der Jagd nach Profit legten die Kapitäne der deutschen Hanse, auch im Norden, über Tausende Seemeilen zurück und das 300 Jahre bevor die Spanier und Portugiesen die Welt entdeckten.

Zunächst sollte die Hanse lediglich der Sicherheit bei Überfahrten besonders ins Ausland dienen, sowie den gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der niederdeutschen Kaufleute. Aber die Hanse entwickelte sich unaufhaltsam weiter. Sie bekam im Laufe der Zeit politische, wirtschaftliche sowie militärische Macht. Auch auf dem kulturellen Gebiet war die Hanse ein wichtiger Faktor. Die Entwicklung der anfänglichen Kaufmannshanse zu einer Städtehanse war spätestens Mitte des 14. Jahrhunderts auszumachen. Über 200 Städte schlossen sich der Hanse an und Lübeck, die erste Hansestadt, war somit der Mittelpunkt des Handelns. Allerdings war anfangs nicht Lübeck, sondern Visby der Hauptort der Hanse, das sollte sich aber bald ändern.

Die Farben der Hanse waren rot und weiß. Als Kennzeichen ihrer Zugehörigkeit benutzten die Kaufleute weiß-rote Fahnen, unter anderem für ihre Handelsschiffe.

Dass sich die Hanse als Macht überhaupt so entwickeln konnte, lag in erster Linie daran, dass sich die deutschen Kaiser eher mit Italien und dem Papsttum beschäftigten, als um die Belange ihrer Regentschaften. Diese Nachlässigkeit war für die Entwicklung der Hanse das Optimum. Der Erfolg der Hansekaufleute lag am Gewinn der Waren aus der ganzen Welt, die sie in Europa vertrieben und an deren Umschlag. Auch die Stadt Lübeck verdiente daran und das nicht zu wenig. Die alten Salzspeicher an der Trave und das Holstentor zeugen noch heute von Macht und Überfluss.

Skizze der Holstentore um 1700.

Ganz vorn ist das zweite, äußere Holstentor. Gefolgt vom äußeren und mittleren Holstentor. Hinter der Holstenbrücke liegt das innere Holstentor - in dieser Zeichnung der Fachwerkbau, der das ursprüngliche Tor im 17. Jahrhundert ersetzt hatte.

Die Salzspeicher, direkt neben dem Holstentor an der Obertrave, wurden zwischen 1579 und 1745 im Stil der Backsteinrenaissance und des Backsteinbarock erbaut.

Das spätgotische Holstentor - Wahrzeichen Lübecks (Ansicht Stadtseite) wurde 1478 erbaut. Es ist ein Stadttor, welches die Altstadt der Hansestadt nach Westen begrenzt. Das Holstentor ist neben dem Burgtor ein Überbleibsel der Befestigungsanlagen.

Ein unerwarteter Handel

Karl Menssen war einer dieser freien Schonenfahrer, der sich der Heringsschwärme bis ins schwedische Öresund hin bemächtigte. Seines Standes war er Kaufmann und Schiffer. Seine Familie war eine der Ersten und von Lübeck überhaupt, die das Recht an Gebieten und den Fang von Fischen um Schonen zugeteilt bekamen.

Von seiner Erscheinung her war Karl Menssen ein stattlicher Herr von fünfundvierzig Jahren mit festem Wohnsitz in der Hansestadt Lübeck.

Menssen war sehr geschickt, um nicht zu sagen gewieft, in seinem Handeln mit Fisch, jenen Heringen um Schonen, Stockfisch aus dem Norden als auch anderer Waren, wie Pelzen und Bernsteinen, wenn es seinen Interessen, um nicht zu sagen seinem Geldbeutel, dienlich war. Sein Erfolg gründete auch daher, dass er erkannte, dass er, wenn er Ware verkauft hatte, andere Ware zuladen musste, um nicht leer den Rückweg antreten zu müssen. Manchmal erledigte er auch einfach nur so einen Transport und verdiente sich dadurch nicht nur Ansehen.

Diesem Modell eiferten viele seiner Kaufmannskollegen nach. Ganz selten gehörten Gewürze zu seiner Handelsware. Nicht zuletzt, weil diese Ware unter der Federführung einer anderen Kaufmannsfamilie lag, der Familie Wittenborg unter der Führung von Johann, der das Geschäft von seinem Vater Hermann übernahm.

Der schwunghafte Handel mit Gewürzen wie Pfeffer und Safran begann aber erst um etwa 1401.

Nicht selten botete Karl Menssen Mitinteressenten aus, um seine angestrebte Handelsware zu erhalten. Dass im Endeffekt einige dabei auf der Strecke blieben, bewegte ihn nicht. Denn er hatte ein Weib und sechs Kinder, alles Knaben, zu ernähren. Allzu oft musste er als fürsorgender Familienvater diese Tatsache seinen Konkurrenten gegenüber als Argument für sein unerbittliches Vorgehen vorschieben, weil es eben so oft Streit wegen seiner skrupellosen kaufmännischen Methoden gab.

Eigentlich bestand kein Grund so hart mit seinen Handelspartnern und Konkurrenten umzugehen, denn der Familie Menssen ging es nicht schlecht, nein, eher sogar sehr gut und das war allgemein bekannt, auch außerhalb Lübecks. Umso unverständlicher war es, gerade für seine Kaufmannskollegen die selbst Kinder zu ernähren hatten, dass er sich dennoch so in den Vordergrund spielte. Kam es etwas lauter zu Unmut in diesen Kreisen, gab er gern an, dass schließlich zwei seiner Jungs im Handwerk tätig und nicht so wie er Kaufmann waren um ihn zu unterstützen, was viele Kinder anderer Kaufleute taten.

Sehr zum Leidwesen Menssens konnte sich in der Tat bisher keiner seiner Söhne für den Handel begeistern, auch sein drittältester Sohn war ebenfalls bestrebt sich anderweitig zu orientieren. Er wollte sich in der Medizin niederlassen, so wie sein Vater selbst es zuvor tat. Nur brach Karl Menssen auf Wunsch seines Vaters, der ebenfalls Kaufmann war, sein Medizinstudium ab und stieg in das Geschäft seines Vaters ein.

Das war nichts Ungewöhnliches zu jener Zeit. Damals ging man gern dem Wunsch des Vaters nach. Die Menssens waren derzeit in der vierten Generation Kaufleute und durch Karl Menssen würde dieses Gewerbe wohl noch lange in der Familie währen. Er hatte die Hoffnung, dass wenigstens einer seiner Söhne seinem Wusch das Geschäft zu übernehmen nachkam. Sein Jüngster, der Alois, schien sich dafür zu begeistern. Jedenfalls bekniete er immer seinen Vater bei seinen Handelsgeschäften dabei sein zu dürfen. Er hätte ihn gern mitgenommen, aber seine Frau war strikt dagegen, weil er noch zu jung für die See sei.

So streng und skrupellos Menssen in seinem Handeln auch war, umso liebevoller und nachgiebiger war er seiner Familie gegenüber.

Wir könnten jetzt fast annehmen uns im 21. Jahrhundert zu befinden. So ist es aber nicht, denn wir schreiben das Jahr 1356. Das Jahr in dem der erste allgemeine Hansetag, die Versammlung der Hansestädte, im Lübecker Rathaus stattfand.

Menssens Handelspartner waren die, die sich ausschließlich über den Seeweg erreichen ließen, eben wegen des Fischhandels.

Einer seiner Vorteile beim Handel war, dass er sowohl Latein als auch Russisch sehr gut sprach und schrieb.

Dass Menssen und seine Kollegen den Ostseeraum überhaupt bedienen konnten, war nur möglich weil Lübeck 1160 das Soester Stadtrecht erhielt und im Jahr darauf das Artlenburger Privileg. Dieses Privileg war damals außerordentlich wichtig für die Kaufleute Lübecks, weil sie dadurch rechtlich mit den dominierenden Gotländischen Kaufleuten gleichgestellt wurden und im Ostseehandel kräftig mitwirken konnten.

Nur sehr selten machte Menssen Touren die übers Land gingen und wenn dann nur wenn es sich nicht vermeiden ließ oder wenn der zu erwartende Gewinn seine Bedenken übertraf.

Einen dieser unüblichen und für ihn ungeliebten Handelswege sollte ihn Anfang 1361 nach Halle an der Saale führen. Es ließ sich im Verlauf eines Handelsangebotes dann doch nicht vermeiden, selbst den Landweg zu beschreiten. Es waren die Unruhen, die ihn selbst tätig werden ließen.

Der ortsansässige Kaufmann Hansen wurde bei Karl Menssen wegen einer größeren Handelsware vorstellig.

Menssen und Hansen kannten sich sehr gut. Sie konnten sich zwar nicht ausstehen, respektierten sich aber. Zumindest wenn das Thema Loyalität im Handel zur Sprache kam.

Hansen mied nach Möglichkeit die Gesellschaft Menssens, nicht nur wegen seiner unsagbaren Erfolge und Skrupellosigkeit in dem Geschäft, sondern auch, weil er Hansen damals seine Freundin Isolde ausspannte und später heiratete. Menssen hätte eigentlich nie seine Frau kennen gelernt, hätte nicht Hansen dieses Mädchen bei einer seiner kaufmännischen Unternehmungen aus Sachsen mitgebracht. Zu allem Überfluss zahlte Hansen auch noch einen nicht unwesentlichen Betrag an Isoldes Eltern für das damals vierzehnjährige Mädchen. Schließlich war Isolde zu der Zeit das älteste von 8 Kindern und trug für den Unterhalt ihrer Familie bei.

Hansen musste Isolde ja überall wie eine Trophäe herumzeigen. Auch oder gerade vor Menssen wollte er seinen Triumph zelebrieren. Er wusste, dass Menssen schon lange eine Frau suchte, aber nie die Richtige fand. Vielleicht auch weil er viel unterwegs war. Bei dieser Präsentation verliebte er sich in Isolde und sie sich in ihn. Keine Woche nachdem Hansen ihm Isolde vorstellte, zog sie bei Karl Menssen ein und sie heirateten einige Wochen später. Hansen versuchte noch das Geld, welches er ihrer Familie gab, von Menssen zurückzubekommen. Dass dieses Verlangen ohne Erfolg blieb, liegt beim Geschäftsgebaren Menssens auf der Hand. Verärgert zog sich Hansen zurück und sprach nie wieder ein Wort mit Karl Menssen.

Aber in diesem Fall musste er seinen Schwur brechen. Hansen kam mit einer bestimmten Handelsware nicht ohne Menssen zurecht. So kam es, dass Hansen in seiner Verzweiflung den Kaufmann Menssen zunächst um Hilfe in Form eines Kredites bat und dann, als er Menssens missmutiges Gesicht sah, für die stets ausgesprochene Loyalität plädierte und ihm eine Partnerschaft vorschlug.

„Hansen, es ist lobenswert, dass du dich an mich wendest, aber solange ich nicht weiß, um was für eine Ware es geht, werde ich keine Entscheidung treffen können. Das verstehst du doch, oder?“

„Menssen, zunächst wollte ich nur wissen, ob du überhaupt bereit bist einen Partner an deiner Seite zu sehen.“

„Wie gesagt, wenn ich nicht weiß, um was genau es geht, wirst du von mir keine zufriedenstellende Antwort erhalten können. Und so wie ich das sehe, wird es sich nicht um eine Ladung Heringe von den Wikingern handeln.“

„Nein, kein Fisch“, sagte Hansen aufgeregt. Und nachdem er Menssen eine Weile ins Gesicht sah, um bei ihm irgendeine Regung zu erkennen, sagte er, als Menssen keine Miene verzog und immer noch fragend dreinschaute: „Aber um Salz, Menssen.“

Bei dem Wort Salz musste sich Menssen zusammenreißen, um keine Luftsprünge zu machen. Endlich hatte er einen Weg gefunden, sich an dieser wertvollen Handelsware zu beteiligen.

Ein Temperamentsausbruch im Beisein von Hansen hätte den Gewinn für ihn um einiges geschmälert.

„Hansen, von wo abzuholen und nach wohin zu transportieren?“, fragte Menssen gelangweilt.

„Also, es muss aus Halle abgeholt, nach Moskau und Kiew transportiert werden. Die Abnehmer warten schon seit geraumer Zeit auf diese Lieferung“, antwortete Hansen ebenso gelangweilt.

„Soll das heißen, dass die Ware schon längst geliefert sein sollte, Hansen?“

„Nein, natürlich nicht. Das heißt lediglich, dass die Zeit drängt.“

Jeder wusste welche Zustände gerade in Russland und speziell um Kiew herrschten. Da sind Überfälle noch das geringste Übel. Obwohl der Seeweg nicht ungefährlicher war, aber die See und ihr Umfeld, damit konnte er sehr gut umgehen.

„Bist du überhaupt noch imstande einen klaren Gedanken zu fassen, Hansen? Du willst mich wohl ins Verderben schicken?!“

„Menssen, hast du überhaupt zugehört? Es geht hier um Salz. Und zwar nicht mal nur um eine Tüte, sondern um genau 1000 Salztonnen.“

„Das sind ja 405 Pfund oder etwa 135 Liter pro Tonne“, sagte Menssen etwas freundlicher. „Wie um Gottes Willen bist du an diesen Auftrag gekommen, Hansen?“

„Eher durch Zufall. Ein Kaufmannsfreund aus Halle hat sich an diese Ware, auch weil es nach Russland gehen soll, nicht rangetraut.“

„Und was ist mit den Wittenborgs? Haben die nicht die Hand auf diese Güter?“

„In der Regel schon. Da aber die Salzproduktion in Lübeck gedrosselt wurde, weicht auch ein Wittenborg nach Halle aus. Aber diesen Kaufmann in Halle hat der Wittenborg mächtig verärgert. Er hat ihn schlichtweg übers Ohr gehauen. Außerdem ist er, wenn es um Salz geht, ausschließlich in Lüneburg aktiv. Er hat keine Verbindungen woanders hin, wenn man so will.“

„Scheint ja ein toller Freund zu sein, dass er da an dich dachte. Aber bist du dir sicher, dass er dich, mit dem Bestimmungsort der Salzladung, nicht ins Verderben schicken will, so wie du mich jetzt?“

„Ich hätte mich doch nicht an dich gewandt, Menssen, wenn ich nicht wüsste, dass du weit und breit der Einzige bist, der Wittenborg und allen anderen die Stirn bieten kann und das mit Erfolg zu Ende bringt. Du hast auch als Einziger die Mittel dazu oder sagen wir mal so, mir ist niemand bekannt, der nur halbwegs das Zeug dafür hat.“

„Was soll denn das? Appellierst du jetzt an mein Ego? Na, egal. Gut, Hansen, lass mich das mal durchdenken, vielleicht bin ich dabei.“

Salzproduktion in der Hansestadt Halle an der Saale

Allein schon, dass es hier um Salz ging, welches als „weißes Gold“ bezeichnet wurde, prädestinierte Menssen für dieses Geschäft, zumal in Lüneburg nur begrenzt, wenn überhaupt Salzankäufe zu tätigen waren. Beide Vertragspartner wussten nun um den möglichen Verdienst bei diesem Auftrag, ließen es sich gegenseitig aber nicht anmerken.

„Menssen, du hast fünf Koggen und die fassen doch solche Mengen bequem.“

„Und was ist mit Pferd und Wagen, Hansen? Wir müssen über Land und da sind eben Pferde und Wagen unerlässlich. Außerdem werden wir einige Männer brauchen, die die Tour absichern. Das muss ich also auch noch irgendwie hinbekommen. Aber ich glaube da eine Idee zu haben.“

Hansen war es nicht möglich die finanziellen Mittel aufzubringen, sowie auch noch den Transport über den Seeweg zu bewerkstelligen, um diese riesige Ladung Salz von Halle nach Lübeck und dann nach Moskau und Kiew zu bringen.

So vereinbarten sie, dass Hansen den Landweg und er den Seeweg und Landweg nach Moskau und Kiew allein zu bewältigen hatten. Da Menssen keinen eigenen Transport, und schon gar nicht für sofort, über Land zur Verfügung hatte, stimmte er dem Angebot des Kaufmanns Hansen zu, allerdings nur dann, wenn Hansen seine gesamten Transportmöglichkeiten zur Verfügung stellte, welches er anstandslos bewilligte.

Nachdem das abgeklärt war, ging man jetzt die Einzelheiten bezüglich des Transports und der Finanzen durch.

Menssen bestand, nach Abzug aller Kosten, auf 60 Prozent der Einnahmen, die ihm Hansen schließlich auch widerwillig zusagte. Eines seiner Argumente für den Löwenanteil des Gewinns waren eben die Unruhen, die gerade in den Regionen der Anlieferung des Salzes herrschten, was allerdings auch für den Seeweg zutraf. Hansen verlangte im Gegenzug einen schriftlichen Vertrag für die Aufteilung der Arbeit nebst seiner Fuhrwerke, die er bereitstellt und des zu erwartenden Gewinns.

„Menssen, wir müssen noch zum Bürgermeister Wittenborg um das Schreiben beglaubigen zu lassen.“

„Ist mir klar, Hansen. Nur glaube ich, dass wenn er von dem Salzgeschäft erfährt, er uns einen Strick daraus drehen wird.“

„Das Risiko müssen wir halt eingehen.“

„Du hast ja recht. Die Unterschrift muss rauf um diesen Handel amtlich zu machen.“

Sowie per Handschlag abgemacht, gingen sie zum Schreiber der Stadt Lübeck und setzten eine Urkunde auf.

Danach gingen sie mit gemischten Gefühlen los und ließen die Urkunde vom Lübecker Bürgermeister Johann Wittenborg beglaubigen, der diese dann, darauf bestand er, in der Trese, dem Tresor der Stadt in der Marienkirche, wegschloss. Diese Trese war mit sieben Schlössern gesichert. Beide wunderten sich im Nachhinein, dass der Bürgermeister keine Fragen stellte.

Wittenborgs Schweigen konnte auch damit zusammenhängen, dass eine Salzlieferung seines Vaters Hermann nach Schweden und Dänemark von Räubern überfallen wurde. Alle seine Männer wurden getötet, bis auf einen. Dieser konnte die schlechte Nachricht, dass die Männer tot waren und die Salzladung verloren war, bis nach Lübeck zu Hermann Wittenborg tragen.

Nachbau einer Hansekogge um 1400 mit dem Wappen des Deutschen Ordens in den Segeln. Sie hatte eine Länge von 21 Metern, eine Breite von 7 Metern und wurde aus Eichenholz gefertigt. 1962 wurden beim Ausbaggern der Fahrrinne im Bremer Hafen Teile einer solchen Kogge entdeckt. Jene Kogge soll, so die Vermutung der Archäologen, bei der Sturmflut 1380 gesunken sein. Es ist die einzige Kogge die je gefunden wurde.

Johann Wittenborg wurde 1321 in der Johannisstraße 9 in Lübeck geboren. Schon sehr früh wurde er von seinem Vater Hermann um die Welt geschickt, um ihn mit den Gegebenheiten des Handels vertraut zu machen. Mit von der Partie war immer der gleichaltrige junge Brun Warendorp (auch Bruno von Warendorp). Zwischen Wittenborg und Warendorp bestand eine lebenslange Freundschaft.

Seinen Weg zu den Ratsherren ebnete sich Wittenborg durch die Heirat mit Elisabeth von Bardewik, der Tochter eines der einflussreichsten Ratsherren Lübecks. Durch diese Heirat erhielt er Zutritt zur politischen Elite. Mit gerade einmal dreißig Jahren wurde er selbst Ratsherr. Nur reichte ihm das nicht aus, er wollte mehr. Und er sollte seine Ziele erreichen.

Einige Jahre später kam er für die machtvollste Position Europas infrage. Er wurde Bürgermeister der Hansestadt Lübeck.

Nun war er der gefragteste Mann der Hansestadt und darüber hinaus. Auch weil der Lübecker Bürgermeister der angesehenste Mann seiner Zeit war.

Wittenborgs Handelswege reichten nun vom Baltikum bis nach Flandern und London.

Johann Wittenborg

Übrigens hatte Hermann Wittenborg ein Handelsbuch geführt, welches sein Sohn Johann weiter führte. Jenes Handelsbuch ist im Original erhalten und befindet sich heute im Archiv der Hansestadt Lübeck. Dass es überhaupt noch da ist, liegt daran, dass man dieses Handelsbuch zu Johann Wittenborgs Lebzeiten vom Rat beschlagnahmen ließ. Ein Glücksfall für die Historiker.

Auszug einer Seite aus dem Handelsbuch der Wittenborgs. Erledigte Geschäfte wurden von den Wittenborgs selbst ausgekreuzt.

Auf seinem Weg nach Hause hatte Menssen, wie so oft wieder, ein komisches Gefühl im Magen, weil er die Urkunde beim Bürgermeister zurücklassen musste. Er wusste, dass das nicht gut für ihn war, sie dort zu belassen. Er hätte diese Urkunde lieber bei sich. So kam es, dass er noch am späten Abend beim Bürgermeister vorstellig wurde und die Urkunde für einen Nachtrag, so seine vorgetäuschte Angabe, abverlangte. Er gab sie ihm mit einer Selbstverständlichkeit zurück, der er hätte so nicht nachgehen dürfen. Er betonte allerdings: „Das kann ich ohne Hansen nur so handhaben, weil Sie ein gefragter Kaufmann und Ehrenmann sind.“

Da ihm der Bürgermeister Johann Wittenborg diese Urkunde ohne Beisein Hansens aushändigte, konnte er sich der Verschwiegenheit des Bürgermeisters sicher sein. Wäre dieser Vertrauensbruch Hansen gegenüber ans Tageslicht gekommen, hätte man ihn und wahrscheinlich auch Wittenborg gelyncht.

Dass die Salzladung aus Halle jetzt sechs Koggen benötigen würde, bereitete Menssen keine Sorgen. Er selbst besaß fünf dieser neuartigen Schiffe und ein Verwandter aus Hamburg eine weitere Kogge. Er bemühte seinen Neffen Klaus öfters, wenn es um eine größere Ladung ging. Klaus war auch Kaufmann, aber nicht so erfolgreich wie sein Onkel Karl.

Karl Menssen war in Lübeck nicht der mächtigste Kaufmann seiner Zunft, aber der den man fürchtete. Menssen war nicht gewalttätig, aber da wo er geschäftlich agierte, zogen alle anderen immer den Kürzeren. Hin und wieder wurde ihm deswegen von angeheuerten Schurken aufgelauert und er sollte verprügelt werden. Aber jedes Mal bezogen die Angreifer selbst Prügel von Menssen.

Als sich Hansen im Juli 1360 mit seinem Track und über 50 Mann Begleitung nach Halle aufmachte, fing Menssen an seine Mannschaft zusammenzustellen und die Route auf dem Landweg zu planen.

Aufgrund der Machtkämpfe in der Region um Moskau und Kiew gestaltete sich seine Planung etwas komplizierter als erwartet. Die Wege, die jetzt zurückzulegen waren, sind um einiges weiter und die Kosten für den Transport dementsprechend teurer. Hinzu kommt, dass er einen Führer aus der Region bemühen muss, um seine Ware halbwegs heil an den Mann zu bringen.

Als Hansen nach zehn Wochen immer noch nicht aus Halle zurück war, wurde Menssen unruhig. Denn schon in diesen Transport hatte er viel Geld und einige seiner Männer gesteckt. Seine Männer deswegen, weil er dem Hansen einfach nicht über den Weg traute. Deswegen bestand Menssen darauf, dass eben 20 seiner besten Männer den Transport nach Halle begleiten sollten.

Mit vier Wochen Verspätung trudelte Hansen endlich mit den Ladungen Salz in Lübeck ein. Er und Menssens Leute berichteten von zwei Überfällen, was ein pünktliches Erscheinen unmöglich machte. Da nun auch die Ladung unberührt eintraf, machte er trotzdem einen zufriedenen Eindruck.

„Hansen, wir müssen die Ladung zwischenlagern. Ich kann unmöglich jetzt los.“

„Warum nicht, Menssen?“

„Wir haben Anfang November, ich würde dann bei Eiseskälte in Russland landen. Vor März geht gar nichts.“

„Dann kommen ja wieder Kosten auf uns zu.“

„Ja, leider. Aber das werden wir schon hinbekommen.“

„Wenn ich fragen darf: wie?“

„Noch habe ich eigene Lagerkapazitäten frei. Du musst halt nur dafür Sorge tragen, dass sich keiner daran vergreift.“

Als jetzt noch Hansen im Gegenzug darauf bestand, dass auf jedes der sechs Schiffe zehn seiner Mannen als Begleitung mit sollten, gab Menssen bekannt, dass alle Plätze für die Überfahrt nach Russland belegt seien. Er gab ihm aber die Option, dass, wenn er ein weiteres Schiff auf eigene Kosten anheuerte, er gern bereit sei, dem zuzustimmen. Schnell war die Idee von Hansen Geschichte, weil er bis dato nur investiert hatte und sich einfach keinerlei Zusatzkosten mehr leisten konnte.

Im Prinzip sah es doch so für Hansen aus: Wenn es schief ging, war er pleite und seine gutgläubigen Geldgeber vielleicht auch.

Hansen stellte nun täglich Leute ab, die die Salzladung bewachten.

Endlich, das Wetter gab es her, konnten die Schiffe Ende März beladen werden.

Nachdem die Ladung auf den Schiffen verteilt war, ging es auch schon los. Moskau war das erste Ziel, welches Menssen ansteuerte. Nicht nur weil es noch ein sicherer Weg war, sondern auch weil dort zwei Drittel der Ware ausgeliefert werden mussten.

In Riga angekommen, wurden alle sechs Schiffe vor Anker gelegt und die Ware der sechs Koggen an Land gehievt. Anschließend wurden fünf der Schiffe und die Hälfte der Mannschaft sofort nach Lübeck und Hamburg zurückgeschickt. Menssen und seine Crew machten auf dem Landweg weiter. Auf halber Strecke in Welikije Liki, einer größeren Ortschaft, blieb die Ware für Kiew schwer bewacht stehen. Diese Ortschaft empfahl der einheimische Führer, denn seine Familie war seit dem Ende des 12. Jahrhunderts dort ansässig und kannte sich dementsprechend bestens mit den Gegebenheiten in dieser Region aus. Menssen versprach, bevor er weiter fuhr, sofort nach dem Moskauhandel mit seinen Männern wieder zu der zurückgebliebenen Gruppe in Welikije Liki und der Ware aufzuschließen.

In der Regel war es so, dass sich die Crew mehrere Monate nach solchen Touren am Bestimmungsort der Ware amüsieren durfte.

Der Weg nach Moskau war sehr beschwerlich. Sehr oft mussten sie Wochen in Wäldern verharren, weil immer wieder kleinere Armeen Überfälle verübten. Nur der Verkauf in Moskau selbst lief sehr gut und wie versprochen reiste er sofort wieder ab nach Welikije Liki. Wie einer der Späher zuvor angab, gab es für den Transport bis Kiew selbst keine Probleme. Nur in der Stadt Kiew soll es nicht ganz so gut gehen.

Menssen transportierte jetzt seine anderen Waren mit einem flauen Gefühl im Magen, obwohl keine Kämpfe prognostiziert wurden. Und er sollte mit seinem Gefühl recht behalten. In Kiew sollten, wie jetzt vom Späher berichtet, Unruhen herrschen. Dementsprechend legte er, in Zusammenarbeit mit seinem Führer, seine Route erneut fest. Diese Änderung kostete sechs Monate zusätzliche Zeit.

Der Grund für die andauernden Kämpfe in Kiew lag schon lange zurück.

Nach dem Tode Swjatoslaws III. 1194 setzte der endgültige Zerfall des Kiewer Reiches ein. Die fürstlichen Fehden während der folgenden vierzig Jahre wurden begleitet von verheerenden Überfällen. Kiew war zu der Zeit eines von vielen politischen Zentren. Immer wieder gab es Feldzüge gegen Kiew. Die Streitigkeiten unter den Rurikiden, der benachbarten Fürstentümer, setzten sich bis zur mongolischen Eroberung Kiews im Jahr 1240 fort.

Die Rurikiden sind das russische Fürstengeschlecht, aus dem russische Großfürsten und Zaren sowie viele heute noch blühende Fürstengeschlechter hervorgingen. Sie gehen auf den Wikinger, den Warägischen Fürst Rurik, der als Gründer des russischen Staates im Jahr 862 gilt, zurück.

Jedes Adelsgeschlecht was gerade Kiew eroberte, setzte einen neuen Stadthalter für Kiew ein. Und dieser Umstand bereitete Menssen richtig Kopfschmerzen. Er weiß nicht, ob noch immer der das Sagen hat, mit dem er vor fast 2 Jahren schriftlich verhandelte.

Aber seine Sorgen bestätigten sich nicht. Der Transport lief zwar nicht reibungslos, aber in Kiew herrschten noch immer die gleichen Zustände und der gleiche Eroberer wie bei Vertragsabschluss -die litauische Streitmacht- die Kiew seit der Schlacht am Irpen um 1321 regierte, und jetzt unter dem Stadthalter Nowikow verwaltet wurde.

Im März 1362 traf er bei dem Salzabnehmer, also dem derzeitigen Stadthalter ein. Von ihm erfuhr er von den Untergängen seiner Handelsschiffe, auch das seines Neffen Klaus. Wie es speziell mit den Besatzungsmitgliedern aussah, ob und wer überlebte, war zum Zeitpunkt der Information nicht bekannt. Allerdings munkelte man, was auch der Stadthalter für möglich hielt, dass keiner der Besatzungsmitglieder überlebt haben soll.

Da ja nun der Wert der Ware zuvor taxiert wurde und der Vertragspartner sich nicht geändert hatte, nahm Menssen an, dass es jetzt in Kiew genau so gut wie in Moskau laufen würde.

Es sah derzeit etwas anders aus in Kiew. Es waren zwar noch die gleichen Machthaber am Ruder, nur die Kassen waren so gut wie leer. Aber der Stadthalter von Kiew Nicolai Nowikow bot Menssen, neben wenigen Gold- und Silbermünzen nur Bernsteine, einige Wertgegenstände, wie Ikonen, Statuen und zum Schluss auch noch Edelsteine als Ausgleich, weil kein Geld vorrätig war, an.

Das war zu der Zeit durchaus üblich, aber nur als Zugabe und nicht wie in dem Fall als Hauptzahlungsmittel.

„Nowikow, so werden wir uns nicht einig. Ich habe meine Mannschaft und einen Partner zu bezahlen.“

„In fünf oder sechs Monaten kann ich Geld auftreiben. Wenn Sie bis dahin warten wollen?“

„Wie soll das gehen, Nowikow? Wir sind jetzt schon zu spät dran und meine Kasse ist auch nicht so gefüllt wie ich es gerne hätte.“

„Sie werden natürlich bis dahin meine Gäste sein. Was sagen Sie dazu?“

„Schön, ich lasse mich darauf ein. Aber egal wie sich das hier entwickelt, ich muss allerspätestens im August wieder los.“

„Da werden Sie wieder zu Hause sein, wenn alles gut geht.“

„Na, das ist aber sehr optimistisch. Wir haben wegen der Überfälle ein Jahr bis hierher gebraucht.“

„Ach, Menssen, das beruhigt sich bis dahin wieder.“

Wie es Nowikow anbot, konnten er und seine Männer ohne entstehende Kosten in Kiew verbleiben. Nur das mit dem Zahlungstermin klappte nicht, sodass Menssen im September immer noch in Kiew fest hing.

Menssen suchte Nowikow in seinen Privatgemächern für ein Gespräch auf.

„Oh, Menssen, Sie bei mir. Was kann ich für Sie tun?“

„Ist Ihnen aufgefallen, dass der August an uns vorbeizog und wir mittlerweile September haben? Ich werde dieses Jahr nicht mehr zurückkommen.“

„Dann seien Sie weiter unser Gast. Vielleicht kommt bis zu Ihrer Abreise doch noch Geld ins Haus.“

„Gut, bis März muss… kann ich bleiben, dann müssen wir uns etwas einfallen lassen.“

„Keine Sorge, Väterchen, bis dahin habe ich genug Geld aufgetrieben.“

Und es wurde März. Menssen hatte Nowikow einige Monate nicht mehr zu Gesicht bekommen. Gerade als er sich aufmachte um ihn zur Rede zu stellen, erschien er in seinem Lager.

„Menssen, kommen Sie mit, ich habe Geld aufgetrieben.“

Menssen konnte nicht fassen, was er an Geld bekam.

„Das wird nicht reichen, Nowikow!“, sagte Menssen etwas lauter.

„Beruhigen Sie sich. Ich weiß, dass das nicht reichen wird. Schauen Sie mal hier“, sagte Nowikow und öffnete eine riesige Truhe.

Egal was Nowikow ihm aus der Truhe auch anbot, Menssen war nie zufrieden.

Aber dann sah Menssen einen Gegenstand, der ihm bekannt vorkam. Er glaubte diesen Gegenstand vor Jahren auf einer der vielen Ikonen gesehen zu haben, die ihm früher schon mal ein Stadthalter anbot. Im Gegensatz zu seiner Erinnerung fehlte ihm da aber ein Detail, um es zu dem zu machen, wofür er es hielt.

Er zeigte darauf und sagte: „Das noch.“

„Das? Nein, das geht nicht“, antwortete Nicolai Nowikow mit festem Ton.

„Warum nicht? Ist doch nur eine olle Schale mit einigen Steinen darauf“, erwiderte Menssen mit dem Versuch den Gegenstand abzuwerten.

„Sie scheinen wirklich nicht zu wissen, was das hier ist, oder?“

„Sie werden mir schon sagen, um was es sich bei diesem Gegenstand handelt, Nowikow.“

„Sie wissen doch was das ist, Menssen, sonst würden Sie nicht darauf bestehen.“

„Nun, anfangs dachte ich schon an etwas Bestimmtes, aber da fehlt was dran, etwas was das Bild, was ich im Kopf habe, vervollständigen würde.“

„Das ist richtig und gut erkannt, Menssen. Es fehlt der Zobel, der Ihre Schale zur Mütze macht. Das ist nicht ungewöhnlich, dass der Zobel fehlt, weil er immer wieder mal ausgetauscht wird. Sie wissen schon, wenn das Fell vor sich hin rottet.“

„Sind Sie sich da wirklich sicher, dass es sich bei diesem Gegenstand um das handelt, woran ich womöglich denke, Nowikow?“

„Ja, es ist die Mütze des Monomach, also keine Schale, wie Sie es abwertend nannten.“

„Quatsch. Wenn es tatsächlich die Mütze des Monomach ist, dann würde sie doch nicht so achtlos hier herumliegen. Aber egal, die nehme ich noch und wir sind uns handelseinig.“

„Handelseinig nur…“, gab Nowikow dem Drängen Menssens nach, „…wenn ich im Gegenzug alle Ikonen zurückbekomme.“

Menssen tat als würde er das Angebot abwägen und setzte schon zu einem erneuten Gebot an, als ihn Nowikow unterbrach und sagte: „So oder gar nicht.“