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Beschreibung

In dem vorliegenden Buch werden Ergebnisse alter und neuer Forschung zur Geschichte des Kirchenbergs von Bad Deutsch-Altenburg zusammenfassend dargelegt.

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DER KIRCHENBERG

Copyright © 2000 by Hollitzer Baustoffwerke Ges. m. b. H., Bad Deutsch Altenburg.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Abdrucks oder der Reproduktion einer Abbildung, sind vorbehalten.

Jede Verwertung ohne Zustimmung des Herausgebers ist unzulässig.

Recherche, Redaktion und Lektorat: Redaktion Tagbau

(Käthe Springer / Katharina Sacken).

Graphische Gestaltung, technische Betreuung und Umschlagentwurf

(unter Verwendung eines Fotos aus dem Archiv Kurt Trimmel sowie zweier Pläne von Franz Sauer, Bundesdenkmalamt): Loys Egg.

Repros: Digital Laut, Wien.

Druck: Remaprint, Wien.

© der unveränderten Neuauflage 2011: Hollitzer Wissenschaftsverlag, Wien www.hollitzer.net

ISBN 978-3-99012-031-6 Hollitzer Wissenschaftsverlag, Wien, pb

ISBN 978-3-99012-032-3 Hollitzer Wissenschaftsverlag, Wien, epub

ISBN 978-3-99012-033-0 Hollitzer Wissenschaftsverlag, Wien, pdf

DER KIRCHENBERG

ARCHÄOLOGIE UND GESCHICHTEIM BEREICH DER MARIENKIRCHE VON BAD DEUTSCH-ALTENBURGNIEDERÖSTERREICH

Herausgegeben von Christa Farka

Leiterin der Abteilung für BodendenkmaleBundesdenkmalamt

INHALT

Christa Farka

VORWEG

Pavel Balint

ZUM GELEIT

Josef Schrammel

VORWORT

Manfred Kandler

DER KIRCHENBERG VON BAD DEUTSCH-ALTENBURG UND SEINE ARCHÄOLOGISCHEN DENKMÄLER

Von der Urgeschichte zur Neuzeit

Franz Sauer

ARCHÄOLOGISCHE UND BAUHISTORISCHE BEOBACHTUNGEN AN DER PFARRKIRCHE MARIÆ HIMMELFAHRT

Bericht über eine Grabung des Bundesdenkmalamts in Bad Deutsch-Altenburg · durchgeführt von 26. April bis 15. Mai 2000

Herbert Lachmayer

NOCHMALS VOM NUTZEN UND NACHTEIL DER HISTORIE FÜR DAS LEBEN

KOLLEKTANEEN

Käthe Springer · Katharina Sacken

Käthe Springer

AUSBLICK

BILDNACHWEIS

AUTORINNEN UND AUTOREN

Blick vom nördlichen Donauufer auf die Hundsheimer (oder Hainburger) Berge; links der Hainburger Schloßberg, in der Mitte der Hexenberg, rechts der Pfaffenberg, noch ohne den Hollitzer-Steinbruch; im Vordergrund der Kirchenberg mit dem einstigen, donauseitig vorgelagerten Felsstock „Stein“, 1896.

VORWEG

In dem vorliegenden Buch werden Ergebnisse alter und neuer Forschung zur Geschichte des Kirchenbergs von Bad Deutsch Altenburg zusammenfassend dargelegt.

Der „Hausherr“ am Kirchenberg, Pavel Balint, Pfarrer von Bad Deutsch-Altenburg und Dechant des Dekanats Hainburg an der Donau, gibt uns das Geleit; danach bietet eine Vorerinnerung von Altpfarrer Josef Schrammel einen Überblick der bisher erschienenen (lokal-) historischen Werke zum Thema Bad Deutsch-Altenburg bzw. Kirchenberg.

Eigentlicher Anlaß für diese Publikation war eine Grabung des Bundesdenkmalamts in und an der Pfarrkirche von Bad Deutsch-Altenburg: Im Bericht von Grabungsleiter Franz Sauer werden die archäologischen Befunde vorgestellt. Diese für die Baugeschichte der Marienkirche, aber auch für die Kirchengeschichte von Niederösterreich wichtigen Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der archäologischen Quellen als einzige und unverzichtbare Zeugnisse für einen Zeitabschnitt unserer Geschichte, über den schriftliche und bildliche Quellen keine Auskunft zu geben vermögen.

Dem Bericht geht eine Darstellung der aus archäologischen Quellen fließenden historischen Einsichten voraus: Manfred Kandler stellt die aktuellen Befunde in den epochenübergreifenden Zusammenhang der archäologischen (Forschungs-) Geschichte des Kirchenbergs von Bad Deutsch-Altenburg.

Herbert Lachmayer schließlich reflektiert eine grundsätzliche Frage, die im heutigen „Europa des Aufbruchs“ wichtiger ist denn je: nämlich die nach Bedeutung und Wert der Geschichtsforschung. Die umfangreichen Kollektaneen – eine Auswahl vorangegangener Forschungsbeiträge, versammelt von Käthe Springer und Katharina Sacken – schließen den Band ab; sie spiegeln den wissenschaftlichen Diskurs der vergangenen 150 Jahre, die Wege und Irrwege der Forschung rund um die Baudenkmale des Kirchenbergs – verbunden mit der Hoffnung, die Zusammenstellung werde künftige Auseinandersetzungen mit diesen Themen nicht belasten, sondern erleichtern und aufs lebhafteste beflügeln.

All jenen, die an der Erstellung und Gestaltung des vorliegenden Buches mitgewirkt haben, sei an dieser Stelle Dank ausgesprochen. Dieser gilt vorab den Autoren für ihre Beiträge. Zu danken ist auch Käthe Springer und Katharina Sacken von der Redaktion Tagbau, in deren Händen Recherche und redaktionelle Betreuung lag.

Ein besonderer Dank gilt Frau Kommerzialrat und Herrn Gewerken Weidinger, auf deren Initiative die Erforschung der Pfarrkirche, die Herausgabe des vorliegenden Buches und nicht zuletzt die Finanzierung beider Vorhaben zurückgeht. Durch dieses in der Familiengeschichte, aber auch in persönlicher Geisteshaltung begründete vorbildhafte Interesse am historischen Erbe des Ortes war es möglich, einen bedeutenden Abschnitt der Geschichte dieser Gegend mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu bereichern.

Möge dieses Beispiel verantwortungsvollen Umgangs mit den Zeugnissen unserer Vergangenheit als Teil gemeinsamer europäischer Kultur zahlreich Nachfolge finden!

Hofrat Dr. Christa Farka

Leiterin der Abteilung für BodendenkmaleBundesdenkmalamt

ZUM GELEIT

Hic saxa loquuntur: Auch hier, auf dem Kirchenberg von Bad Deutsch-Altenburg, sprechen die Steine – das möchte die vorliegende Broschüre uns und den künftigen Generationen mitteilen. Die archäologischen Grabungsarbeiten in der Marienkirche und an ihrer Außenseite sind ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte unserer Gegend auf Grundlage jener materiellen Relikte, die sich unter dem jetzigen Gotteshaus befinden.

Der fachmännischen Arbeit auf dem Kirchenberg, vom Bundesdenkmalamt durchgeführt, konnte ich selbst von Anfang an beiwohnen. Vor meinen kritischen Augen erschienen die übereinandergelagerten Reste verschiedener Epochen, ähnlich den Schichten einer angeschnittenen Torte. Jedes Fundstück wurde aufgelistet und beschrieben, und die zusammengefaßten Ergebnisse dieser archäologischen Grabungstätigkeit werden nun der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt.

Mit einem herzlichen „Vergelt’s Gott“ wende ich mich an die Familie Weidinger, besonders an Frau Kommerzialrat Erna Weidinger, die diese archäologischen Aktivitäten sowie die Drucklegung des Forschungsberichts angeregt und finanziert hat; ihre lange, vielfältige Tätigkeit für den Ort findet damit zum Abschluß. Im Namen der Pfarrgemeinde Bad Deutsch-Altenburg sei der verehrten Frau Kommerzialrat herzlichst gedankt.

Der Himmel ist der Himmel des Herrn, die Erde aber gab er den Menschen (Psalm 115, 16). Es bleibt zu hoffen, daß wir, die Altenburgerinnen und Altenburger, Alteingesessene und Zugezogene, durch diese Broschüre nachhaltig angeregt werden, uns mit den für die Geschichte unseres Ortes interessanten Themen zu beschäftigen, weitere Forschungen selbst mitzutragen – und nunmehr auch selbst mitzufinanzieren. Helfe Gott!

Pavel Balint

Pfarrer von Bad Deutsch-Altenburg

Dechant des Dekanats Hainburg an der Donau

12. November 2000

Blick vom Braunsberg über Hainburg und Deutsch Altenburg. Anonymes Ölgemälde, nach 1818 (Detail).

VORWORT

Von 1952 bis 1989, also 37 Jahre lang, war ich Pfarrer in Bad Deutsch-Altenburg. Was habe ich damals, bei meinem Amtsantritt, an historischen Werken über den Ort vorgefunden, abgesehen von der reichen Literatur über die Römerstadt Carnuntum? Oft sind die Pfarrer die frühesten Chronisten, und so fand ich im Pfarrarchiv sechs handschriftliche Gedenkbücher der Pfarre Bad Deutsch-Altenburg, beginnend mit dem Pfarr-Protocoll (1755–1774) von Pfarrer Georg Benka bis zum Gedenkbuch der Pfarre Deutsch-Altenburg (ab 1914), das ich bis 1965 fortsetzte; 1966 fügte ich als siebentes und bisher letztes Buch das Cum Deo! Gedenkbuch der Pfarre Bad Deutsch-Altenburg hinzu und führte es bis zum Ende meiner Amtszeit 1989 weiter.

In der kleinen Bibliothek des Pfarrhofs fand ich das bekannte Buch von Joseph Maurer Geschichte der landesfürstlichen Stadt Hainburg (1894) und darin einen kurzen Abschnitt über unsere Pfarre. Joseph Maurer, der von 1890 bis 1894 Pfarrer von Deutsch Altenburg war, ist leider bald nach Erscheinen seines bis heute grundlegenden Werkes über Hainburg gestorben. Sicherlich hatte er geplant, ein ebenso gründliches Quellenstudium über Deutsch Altenburg anzustellen und eine Ortsgeschichte zu schreiben.

Es gab auch einen kleinen Kirchenführer, ohne Autoren- und Zeitangabe und in ganz wenigen Exemplaren. Er war im wesentlichen eine Zusammenfassung aus dem Hainburg-Buch von Pfarrer Maurer. Auf meine Anregung und unter meiner Mitwirkung hat der damalige Volksschuldirektor von Bad Deutsch-Altenburg, Oberschulrat Franz Müllner, einen neuen Kirchenführer erarbeitet, der vier Auflagen (1962, 1966, 1972 und 1980) erlebte. Müllner hat nach seiner Pensionierung weiterhin historische Forschung betrieben, und 1973 erschien als Frucht seiner Mühe das grundlegende Werk Bad Deutsch-Altenburg. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart. Es fand großes Interesse und war bald vergriffen.

Damals schrieb eine junge Bad Deutsch-Altenburgerin, Gertrude Sesztak, ihre Dissertation im Fach Geschichte, die Studien zur Ortsgeschichte von Bad Deutsch-Altenburg (1974), und begann damit ihre wertvolle historische Arbeit für den Ort. Nach dem Tod von Franz Müllner übernahm sie die Fortsetzung des Kirchenführers (fünfte Auflage 1993, gemeinsam bearbeitet mit Wolfgang Reinisch, Gemeindesekretär und Diakon) und wirkte an der Broschüre 700 Jahre Bad Deutsch-Altenburg mit, die 1998 zum 700. „Namenstag“ des Ortes erschienen ist.

Seit 1990 gab es den schätzenswerten Bildband Bad Deutsch-Altenburg in alten Fotografien, gesammelt, fotografiert und liebevoll gestaltet von Walter Krems. Diese künstlerisch-dokumentarische Arbeit bildete den Grundstock für die Abbildungen des jüngsten Buches, das – anläßlich des 1999 begangenen „Doppeljubiläums“ 150 Jahre Freie Gemeinde Bad Deutsch-Altenburg und 150 Jahre Unternehmung Hollitzer – im Schwellenjahr 2000 erschien: Bad Deutsch-Altenburg. Bild einer Gegend. Herausgeber waren Dr. Gertrude Geng-Sesztak, Walter Krems und o. Univ. Prof. Dr. Herbert Lachmayer; weitere Beiträge verfaßten Univ. Prof. Dr. Heide Dienst, Univ. Doz. Dipl. Ing. Dr. Hilke Thür und Dr. Käthe Springer; die neuen Fotos stammen von Margherita Spiluttini, Manfred Rahs und Andreas Balon. Das Entstehen dieses Buches verdanken wir der Initiative und intensiven Bemühung von Gewerke Hans Weidinger – er hat die vertiefte Quellenarbeit angeregt, eigens die Redaktion Tagbau ins Leben gerufen und die Beiträge genauestens mit durchgearbeitet. Ich selbst durfte bei der Durchsicht der Druckbögen im Dezember 1999 mithelfen. Das Buch wurde schließlich am 30. Juni 2000 in der „Hollitzer-Villa“, dem neuen Gemeindeamt der Marktgemeinde Bad Deutsch-Altenburg, festlich präsentiert.

Doch nicht nur Bücher mit dem Schwerpunkt Geschichte, auch Projekte mit utopischer Zukunft sind zum Thema Kirchenberg entstanden: 1993/1994 wurde der baukünstlerische Wettbewerb HIC SAXA LOQVVNTVR (HIER SPRECHEN DIE STEINE) unter der Leitung von o. Univ. Prof. Dr. Herbert Lachmayer durchgeführt. Der Wettbewerb, in dessen Beirat ich mitwirken konnte, war in Österreich der erste seiner Art. Von den Hollitzer Baustoffwerken finanziell getragen, hat er den Ort mit den historischen wie baukünstlerischen Zentren Wien, Berlin und Venedig durch die Ausstellung seiner Ergebnisse verbunden und so Bad Deutsch-Altenburg mit seinem Kirchenberg einem internationalen Publikum bekannt gemacht. Der Katalog HIC SAXA LOQVVNTVR. Museum – Theater – Belvedere – Pavillon. Gutachterverfahren Pfaffenberg, Bad Deutsch-Altenburg, der die Projekte des Wettbewerbs im einzelnen vorstellt, erschien 1995 in zwei Bänden (deutsch/englisch sowie italienisch/französisch). Gewerke Weidinger und seine Mutter, Kommerzialrat Erna Weidinger, sowie die Hollitzer Baustoffwerke unter Geschäftsführer Kurt Trimmel haben sich – in Fortsetzung der Tätigkeit von weiland Kommerzialrat Ing. Hans Wertanek – über all die Jahre auch um die Pflege der Kunstobjekte von Bad Deutsch-Altenburg bemüht und als Mäzene zur Wahrung des historischen und kunsthistorischen Erbes des Ortes beigetragen. Ich erinnere mich an das „Rote Kreuz“, das 1976 erneuert und 1988 in der Kapellennische, 1994 an den Außenmauern mit Malereien von Stefan Riedl ausgestattet wurde; 1998 entstand, nach einem Entwurf von Stefan Riedl, das „Steinbrecherkreuz“ auf dem einstigen sogenannten „Heldenfriedhof“, und 1999 folgte – ebenfalls nach Plänen von Riedl – der „Frauen“- oder „Heimsuchungsbrunnen“ mit der Frauensäule vom Kirchenberg als Mittelpunkt. 1999/2000 schließlich erfuhren zur Würdigung des schon erwähnten Doppeljubiläums die zahlreichen Denkmäler von Bad Deutsch-Altenburg eine sorgsame Restaurierung. Im selben Zeitraum fand auch die Adaptierung der Hollitzer-Villa ihren Abschluß; als großzügige Schenkung der Familie Weidinger wurde die Villa – zusammen mit dem nach Plänen der Architektin Elsa Prochazka neugestalteten Park – Sonntag, den 12. März 2000 von der Marktgemeinde feierlich als neues Gemeindezentrum eröffnet. Aus diesem Anlaß wurde kurz darauf, im April 2000, die Broschüre Erinnerung an der Schwelle. Von der Hollitzer-Villa zum neuen Gemeindezentrum der Marktgemeinde Bad Deutsch-Altenburg publiziert, eine erweiterte Wiedergabe der zur Eröffnung des Hauses übermittelten Grußbotschaft von Gewerke Weidinger.

Zum Abschluß des „Doppeljubiläums“ erscheint nunmehr die vorliegende Publikation Der Kirchenberg. Archäologie und Geschichte im Bereich der Marienkirche von Bad Deutsch-Altenburg, Niederösterreich – zugleich endet damit die Tätigkeit der Nachkommen von Hans und Anna Wertanek für Bad Deutsch-Altenburg. Zusammen mit dem schon genannten Werk Bad Deutsch-Altenburg. Bild einer Gegend soll dieses Buch weitere Forschungsarbeiten fördern und erleichtern. Demselben Zweck dient auch das neu erstellte digitale Bildarchiv Bad Deutsch-Altenburg – Fotos, Bilder, Karten. Es enthält das gesamte Bildmaterial über Bad Deutsch-Altenburg, das der Redaktion Tagbau im Zuge ihrer Arbeit bekannt geworden ist, auf CDs; ein übersichtliches Beiheft macht es für alle Interessierten zugänglich. Das Bildarchiv wurde, wie das vorliegende Buch, als Abschiedsgeschenk der Familie Weidinger am 20. Dezember 2000 in einer Festsitzung des Gemeinderats der Bad Deutsch-Altenburger Öffentlichkeit übergeben.

Es ist beiden Gaben von Herzen eine gute Aufnahme und Annahme zu wünschen. Viele mögen davon angeregt werden, sich mit der Geschichte dieses Ortes zu beschäftigen. Vor allem die Jugend! Unbekannte Zeugnisse der Altenburger Geschichte – alte Fotografien, Drucke, Zeitungsausschnitte, künstlerische Werke – finden sich gewiß als „Hausschatz“ bei so manchen Deutsch-Altenburger Familien. Auch die Pfarrbücher enthalten noch viel Ungehobenes zur Gemeindegeschichte. Und an Hand der alten Grundbücher könnte man die Geschichte jedes Hauses erzählen …

Also: finden, sammeln und aufschreiben, damit nichts verlorengeht – denn das Bewahrte birgt unser Wissen.

Msgr. Dr. Josef Schrammel

Altpfarrer von Bad Deutsch-AltenburgAltdechant des Dekanats Hainburg an der Donau

„Ansicht des Dorfes Deutsch-Altenburg“. Stich von F. F. Runk, 1810. Links der Fuß des damals „Kreuzelberg“ genannten Tumulus.

Manfred Kandler

DER KIRCHENBERG VON BAD DEUTSCH-ALTENBURG UND SEINE ARCHÄOLOGISCHEN DENKMÄLER

Von der Urgeschichte zur Neuzeit

Ausschnitt aus dem Katasterplan des Jahres 1868.

Dreiteilige Ansicht des Kirchenbergs von Westen aus den 1890er Jahren, angefertigt von Carl Tragau. Zuoberst Wiedergabe des zeitgenössischen Zustands, in der Mitte als Umrißzeichnung die geologischen Formationen, in der unteren Reihe eine phantastische Rekonstruktion der römerzeitlichen Verbauung in der Senke des Sulzbachs.

„Lange bevor man den Ort erblickt, tauchen die hochgelegene Ortskirche mit dem Friedhofe und ein von Menschenhand aufgeführter kegelförmiger Erdhügel […] auf“ – so beginnen Wilhelm Kubitschek und Salomon Frankfurter das Kapitel „Deutsch-Altenburg“ in ihrem 1891 zum ersten Mal erschienenen Führer durch Carnuntum (1891, 44). Diese Beschreibung nimmt Bezug auf das damals von Besuchern hauptsächlich verwendete Verkehrsmittel, das Dampfschiff. Sie galt aber gleichermaßen für den Landweg, wenn man sich dem Ort auf der alten Reichsstraße von Petronell aus näherte und dabei das erhöht liegende Areal des alten römischen Legionslager durchquerte. Diese Ansicht hat Carl Tragau, 1895 und 1896 Grabungsleiter des „Vereins Carnuntum“, in einem leider nur als Foto überlieferten Aquarell festgehalten. Das ungefähr 40 m über der Donau liegende, leicht abfallende Plateau des Kirchenbergs bricht nach Norden und Nordwesten mit steilen Schroffen gegen Ort und Fluß ab. Die heute sichtbaren Felswände gehen auf die Steinbrüche zurück, in denen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der vor allem bei der Donauregulierung verwendete wertvolle Kalkstein gewonnen wurde. Doch auch vorher, als er noch nicht durch Menschenhand abgegraben wurde, zeigte sich der Felssporn, der wohl ob seines Aussehens mit dem Namen „Stein“ belegt wurde, mit steil abfallenden Flanken, die für die Hochfläche einen natürlichen Schutz bildeten. Eine Ansicht des Ortes von F. N. de Sparr aus dem Jahr 1751 zeigt uns sehr anschaulich diesen ursprünglichen Zustand. Zwischen Fels und Fluß mußte sich der Mensch erst mühsam Platz schaffen, um einen Weg entlang des Ufers führen und bescheidene Hütten bauen zu können.

Die nur von Süden zugängliche Hochfläche des Kirchenbergs ist aufgrund ihrer geographischen Lage an einem Donauübergang schon seit alters her von Menschen als Siedlungsplatz genutzt worden. Den Ablauf dieser Siedlungstätigkeit anhand von im Boden verborgenen Artefakten zu rekonstruieren, ist Aufgabe der Archäologie, die sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten deshalb immer wieder mit dem Altenburger Kirchenberg beschäftigt hat.

Leider war die frühere Forschung nicht immer erfolgreich und kann unsere heutigen Ansprüche nicht befriedigen, da manche dieser Grabungen weder technisch noch inhaltlich wissenschaftlichen Vorgaben gerecht zu werden vermochten. Dementsprechend mangelhaft sind diese Unternehmungen dokumentiert. Darüber hinaus konnte die Erforschung der teilweise noch sichtbaren archäologischen Denkmäler nicht mit deren Zerstörung durch die Steinbrüche Schritt halten, die sich von Norden und Westen in den Hügel hineinfraßen. „Umso schmerzlicher muß es die heutige Forschung treffen, daß damalige Untersuchungen nur in ungenügendem Maße durchgeführt bzw. veröffentlicht wurden“ (Neugebauer-Maresch 1980, 38). Daß ein Mann wie Matthäus Much, der sich in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts intensiv mit den Monumenten des Kirchenbergs beschäftigte, sich dieses Dilemmas durchaus bewußt war, entnehmen wir seiner 1875 angesichts der damals noch vorhandenen überwältigenden Reste der großen Wallanlage auf dem „Stein“ getroffenen resignierenden Feststellung: „Das Dunkel, welches über den einzelnen Ereignissen dieser Stätte schwebt, werden wir nie völlig beseitigen können und in wenigen Jahrzehnten wird diese merkwürdige Ansiedlung, obwohl auf Felsen wie für die Ewigkeit gegründet, unter dem Schlägel der Steinbrecher gänzlich verschwunden sein“ (Much 1875, 107). Muchs Befürchtung erfüllte sich: Viele der heute noch offenen oder neu auftauchenden Fragen werden wohl für immer unbeantwortet bleiben müssen.

Die durch Steinabbau entstandenen Felswände an der Nordostseite des „Steins“.

„Vuë de Teutsch Altembourg“. Kolorierter Stich aus dem Donau-Atlas von F. N. de Sparr, 1751.

Unklarheiten und Ungereimtheiten der älteren Berichte über die mehr oder weniger wissenschaftlichen Grabungen in den archäologischen Denkmälern werden sich kaum mehr klären lassen, da die fraglichen Objekte entweder nicht mehr bestehen, nicht auffindbar oder, wie der Tumulus, so durchgegraben sind, daß Überprüfungen oder Nachuntersuchungen kaum erfolgversprechend erscheinen.

Da aus den eben dargelegten Gründen noch heute die zeitliche Einordnung einzelner Objekte diskutiert wird, wäre es vielleicht einfacher gewesen, die archäologischen Denkmäler des Kirchenbergs in topographischer Ordnung vorzustellen. Dem Verfasser schien es jedoch sinnvoller, eine chronologische Abfolge zu wählen, da auf diese Weise die jahrtausendlange Nutzung dieses Geländes anschaulicher zum Ausdruck gebracht werden kann. Strittige Objekte werden so gereiht, wie sie die Forschung heute mehrheitlich zuordnet.

URGESCHICHTE

Die ältesten Spuren

Den ältesten Fundbestand, der sich dem Raum Kirchenberg zuordnen läßt, verdanken wir, wie dies bei der Auffindung archäologischer Überreste häufig vorkommt, dem Zufall. Im Jahre 1927 fand ein an solchen Dingen interessierter Wiener Spaziergänger auffällige Scherben, die bei der Anlage eines Gemüsegartens im Haus Dr.-Sommer-Weg 18 achtlos beiseite geworfen worden waren. Nach dem Zusammensetzen hielt er drei vollständige Gefäße in Händen, die – wahrscheinlich aus einem Grab stammend – in die frühe Bronzezeit (1700–1500 v. Chr.) datiert werden können (Franz 1929, 112 f., Abb. 1–3; Beninger 1930, 19 f.)*.

Der noch unbewaldete Türkenhügel auf dem Kirchenberg, von Südosten aus gesehen. Um 1880. – „Just without this church yard towards the South is a little round Mount, made artificially, and which seems to be the work of some later time than that of the Romans“, beschreibt schon der englische Reisende Jeremiah Milles (1714–1784) den Tumulus von Deutsch Altenburg.

„View of the town of Altenburg on the road to Presburg with a distant view of Vienna“. Die Skizze eines anonymen englischen Reisenden – etwa zur Zeit der Reise von Jeremiah Milles – zeigt den Blick vom Türkenhügel über den Kirchenberg auf Dorf und Schloß Deutsch Altenburg. Im Vordergrund die alte Straße, links im Mittelgrund das Schloß Petronell, rechts im Hintergrund Wien mit dem Stephansturm. Aquarellierte Zeichnung, 18. Jh.

Der Tumulus – ein Hügelgrab, oder … ?

Das einzige archäologische Denkmal, das man heute auf dem Kirchenberg – wenn auch nur schwer, da vollkommen mit Sträuchern und Bäumen bewachsen – noch sehen kann, ist ein südlich der Kirche sich erhebender mächtiger, künstlich aufgeschütteter Hügel. Alte Ansichten zeigen ihn bis ins 20. Jahrhundert völlig frei von Bewuchs. Nach jüngsten Messungen ist er noch 16 m hoch, sein Durchmesser beläuft sich auf 72 bis 80 m (Cech u. a. 1995, 269). Der unterschiedliche Durchmesser ergibt sich daraus, daß der Hügel seit drei Jahrzehnten nicht mehr ganz vollständig ist: Beim Neubau der Bundesstraße 9 (1969–1972) wurde der nun als Begleitstraße dienende ältere Straßenzug verlegt und dafür ein Teil der östlichen Hügelböschung abgetragen. Seit jeher hat der Hügel die Aufmerksamkeit historisch Interessierter erregt. So beschreibt ihn schon der englische Reisende Jeremiah Milles (1714–1784) während einer Reise, die ihn 1736/37 bis nach Ungarn führte, und datiert ihn, ohne eine Begründung anzuführen, in nachrömische Zeit (Kubitschek 1929, 67).

Viele Namen wurden dem Hügel von der Bevölkerung gegeben, die sich alle mit Legenden über seine Entstehung verbinden. Pfarrer Franz Prack bezeichnet ihn im Memorabilienbuch der Pfarre Deutsch-Altenburg 1836 als „Kreuzelberg“. Vielleicht hat der Hügel zu dieser Zeit einen Kalvarienberg oder einen Kreuzweg getragen (Barb 1966). Die wahrscheinlich jüngste, doch heute bekannteste Überlieferung berichtet, daß er im Jahr 1529 von den Türken auf ihrem Zug nach Wien als Signal- oder Fahnenhügel aufgeworfen worden sei (Sacken 1852, 754). Davon leitet sich der Name „Türkenhügel“ ab. Auch ein anderer Name, „Hütelberg“, hängt mit den Türkenkriegen zusammen: Nach dem Abzug der Türken hätten die Bewohner von Deutsch-Altenburg zur Erinnerung mit ihren Hüteln Erde zu einem Hügel aufgeschüttet. Eine weitere Legende ist verwandt mit der Geschichte, die zu der Bezeichnung „Hütelberg“ geführt hat – auch nach dieser Überlieferung wurde der Hügel angeblich mittels Kopfbedeckungen aufgehäuft. Diesmal aber sind es römische Legionäre, die mit ihren Helmen Erde zu einem Hügel aufgeschüttet hätten, um auf diese Weise symbolisch die Macht der Römer an der Donau zu demonstrieren. Franz Müllner berichtet von Legenden, die den Hügel mit den Römern in Verbindung bringen. So sei er beispielsweise aufgeschüttet worden, um einen Schatz mit einem goldenen Wagen zu verbergen (Müllner 1973, 194).

Die von einem vergrabenen antiken Schatz berichtende Legende war der Anlaß für die erste uns überlieferte „Grabung“. Sie wurde im Jahre 1824 von Hainburger Sappeuren im Rahmen einer militärischen Übung durchgeführt und erbrachte keine Funde. Die Grabungen waren von dem an den Überresten des römischen Carnuntum interessierten Wiener Universitätsprofessor Martin Johann Wikosch angeregt worden, der sich ungefähr zwischen 1816 und 1825 mit diesem Thema beschäftigte, in der Absicht, darüber eine Monographie zu veröffentlichen, zu der es allerdings nicht gekommen ist (Niegl 1980, 88). Es muß für die Ausgräber eine herbe Enttäuschung gewesen sein, als sich die Legende angesichts der spärlichen und wenig ansehnlichen Funde in nichts auflöste. Das bis in das späte 20. Jahrhundert hinein tradierte Gerücht von einem Steinplattengrab sowie Lanzen- und Pfeilspitzen und Urnen, die man im Hügel gelassen habe, wurde vielleicht nur deswegen in die Welt gesetzt, um nicht ganz das Gesicht zu verlieren.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es durch Matthäus Much zu einer Neubewertung des Tumulus. Aufgrund der für ihn offensichtlichen Parallelität zu Stillfried an der March brachte er den Tumulus wie auch die noch zu besprechende Wallburg auf dem „Stein“ mit dem germanischen Stamm der Quaden in Verbindung und datierte die Anlage in die Spätantike (Much 1875, 108, 209). Rund 30 Jahre später datierten Kubitschek–Frankfurter (1904, 32) den Hügel hingegen in vorrömische Zeit, erwogen aber auch einen römerzeitlichen Ursprung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchte man nachzuweisen, daß der Hügel im frühen Mittelalter entstanden sei und eines der wichtigsten Denkmäler der ungarischen Frühgeschichte darstelle: Man vermutete in ihm das Grab des Gründers des ungarischen Reiches, Arpad. Über ungarische Initiative wurden deshalb 1912/13 neuerlich Grabungen im Hügel veranstaltet. Sie endeten mit einem für die Hypothese negativen Ergebnis, und der erste, noch unmittelbar unter dem Eindruck der Grabungen stehende Bericht über dieses Unternehmen trägt den für die Initiatoren niederschmetternden Titel: „Resultatlose Nachforschungen nach Arpads Grab“ (Kyrle 1913).

Aus den im heutigen Sinne unwissenschaftlichen Stollengrabungen von 1824 und 1912/13 konnten dennoch einige Angaben zum inneren Aufbau des Hügels gewonnen werden. Von besonderer Bedeutung war dabei die Beobachtung von mindestens 3,5 m langen und zwischen 6 bis 17 cm dicken Rundhölzern, die an den Ecken wie bei einem Blockbau kreuzweis übereinander gelegt waren. Sie werden heute im allgemeinen als Reste einer Grabkammer interpretiert. Insgesamt fanden sich drei Bestattungen: das Körpergrab eines sechs- bis achtjährigen Kindes und zwei Brandgräber (Cech u.a. 1995, 285). Die Entstehung des Grabhügels wird in die Hallstattzeit* (7.–6. Jh. v. Chr.) verlegt. Diese Datierung kann aber nicht mit Funden aus dem Hügel selbst gestützt werden, sondern beruht auf den jüngsten Ergebnissen der Grabungen auf dem Braunsberg bei Hainburg, bei denen eine in dieser Zeit bestehende Bergsiedlung festgestellt werden konnte (Urban 1995). Ein Charakteristikum dieser Zeit sind einzeln stehende oder auch kleinere Gruppen von Grabhügeln, die stets in Sichtverbindung zur zugehörigen Siedlung angelegt wurden. Aus diesem Grund wurde jüngst der Altenburger Tumulus auf die Siedlung am Braunsberg bezogen. Die Bemerkung Muchs, im Fundmaterial der Wallanlage auf dem „Stein“ hätten sich auch hallstattzeitliche Scherben gezeigt (Much 1875, 104), macht eine solche Siedlung aber auch in unmittelbarer Nähe des Hügels vorstellbar (Neugebauer-Maresch 1980, 51): Der „Türkenhügel“ könnte also zu der hallstattzeitlichen Siedlung auf dem „Stein“ gehört haben.

Im Kern hallstattzeitlicher Grabhügel lagen aus Holz errichtete Grabkammern, wie dies z. B. für den Tumulus von Pillichsdorf (Kalvarienberg) beobachtet wurde (Nebelsick 1997, 57). Darauf könnte man den erwähnten kammerartigen Einbau im Tumulus von Deutsch Altenburg beziehen. Dennoch bleibt Otto H. Urban in dessen Einschätzung vorsichtig: „[…] nach unserem bisherigen Wissen ist nicht einmal der Grabhügel-Charakter gesichert, geschweige die Datierung in die ältere Eisenzeit und noch weniger in die Stufe Hallstatt C und D1 […]“ (Urban 1995, 498). Zur weiteren Verunsicherung hat die Beobachtung von römischen Scherben in der Aufschüttung des Hügels beigetragen – diese Tatsache wurde zunächst auch für eine Datierung des Hügels in römische Zeit oder danach ins Treffen geführt. Dabei ist aber zu bedenken, daß prähistorische Grabhügel in späterer Zeit immer wieder einer Nachnutzung zugeführt worden sind. Dies mag auch beim Altenburger Hügel der Fall gewesen sein. Ob es sich dabei um eine mittelalterliche Wehranlage in Form eines Hausberges gehandelt hat, wie manche Forscher (Schad’n 1953, 39 f.; Neugebauer 1985, 129) annehmen, muß dahin gestellt bleiben. Jedenfalls kann römisches Fundgut auch bei nachrömischen Arbeiten in den Hügel gekommen sein.

In Zusammenhang mit der Suche nach Arpads Grab im Altenburger Tumulus sei noch eine weitere, heute völlig vergessene Grabung in Erinnerung gerufen. In den Jahren 1935 und 1936 suchte der schon über siebzigjährige Preßburger Buchhändler Josef Keil beim Wiener Bundesdenkmalamt um die Genehmigung an, auf dem Kirchenberg nach dem Grab des Hunnenkönigs Attila zu suchen. Trotz eindringlicher Warnungen, sein Geld nicht einem Hirngespinst zu opfern, ließ sich Keil nicht von seinem Vorhaben abbringen. Seine Grabungen führte er aber nicht am „großen“ Tumulus durch, sondern in der „Umgebung eines kleineren Hügels, welcher in einem Akazienwäldchen an dem von Hainburg kommenden Fußsteig […] liegt und der heute eine Statue der Unbefleckten Empfängnis trägt“ (Walter 1950). Dieser Hügel lag ca. 350 m nordöstlich des Tumulus, wurde aber im Zuge der Bauarbeiten für die neue Trassenführung der Bundesstraße 9 (1969–1972) völlig abgetragen; die Statue bildet heute den Mittelpunkt des „Frauenbrunnens“ von Bad Deutsch-Altenburg. Die späteren Bemühungen Walters, Ergebnisse oder Funde dieser Grabungen aufzuspüren, blieben verständlicherweise ergebnislos.

RÖMERZEIT

In römischer Zeit lag der Kirchenberg an Carnuntums östlicher Peripherie. In der Einsattelung zwischen Kirchen- und Pfaffenberg, wo heute die moderne Straße durchzieht, verlief auch ein antiker Straßenzug, der vom nordöstlichen Tor des Legionslagers Carnuntum seinen Ausgang nahm und entlang des Donauufers zum Kastell Gerulata (Rusovce) führte (Pascher 1949, 197 f.).

Die Deutsch Altenburger „Frauensäule“ am Ostabhang des Kirchenbergs Richtung Hainburg. Stich von S. Lacey nach einer Zeichnung von Jakob Alt. Um 1850.

Ein fragwürdiges Kastell

Wie schon erwähnt, hatte Matthäus Much bei den Untersuchungen der großen Wallanlage an der Nordwestseite des Kirchenbergs auch zahlreiche römische Ziegel beobachtet, fand jedoch „keine Spuren irgend eines Mauerwerkes“ (Much 1875, 105). In der zweiten Hälfte der 1880er Jahre kamen im Zuge der Abbauarbeiten im Hollitzer’schen Steinbruch drei Bruchstücke einer monumentalen Bauinschrift (CIL 11204) zutage, die aufgrund des Beinamens Antoniniana, mit dem darin die seit dem Beginn des 2. Jahrhunderts in Carnuntum stationierte 14. Legion genannt wird, in die Regierungszeit des Kaisers Caracalla (211–217 n. Chr.) zu datieren sind. 1890 und 1891 fanden sich große Bauquader mit Nennung der 10. (CIL 11245 a, b) Legion, wiederum der 14. (CIL 11245 c) Legion und der 15. (CIL 13479) Legion: Dies war für Eugen Bormann, der die Inschriften publizierte, Grund genug, um im nordwestlichen Abschnitt des Kirchenbergs in der Flur „Am Stein“ eine militärische Anlage der Römerzeit anzunehmen (Bormann 1889, 173; Bormann 1893, 219 ff.). Wilhelm Kubitschek und Salomon Frankfurter übernahmen die Deutung Bormanns und gingen noch einen Schritt weiter: Aufgrund der genannten Bauinschrift und zahlreicher angeblich hier gefundener Architekturstücke – wir kennen allerdings nur Quaderblöcke, die später beim Bau des Museums Carnuntinum* mitverwendet worden sind – nahmen sie nach einer leider nie publizierten Rekonstruktion des schon genannten Carl Tragau im Kastell einen prächtigen dreitorigen Triumphbogen an (Kubitschek–Frankfurter 1904, 83 f.). Für Tragau (1897, 173) war die Existenz des Kastells eine fixe Tatsache: „Als Flankenschutz (des Legionslagers) gegen Osten fungierte das Castell ‚am Stein‘ […]“. Er berechnet für das Kastell eine Fläche von 15.000 m2, also 1,5 ha. Unter den bis heute bekannten römischen Kastellen würde diese Anlage zu den kleinsten zählen (Johnson 1987, 320); als Besatzung käme nur eine Fußtruppe in Frage. Die von Tragau gemessene Fläche entspricht ungefähr jener, welche von dem noch zu beschreibenden Erdwall eingefaßt wird – so drängt sich der Verdacht auf, Tragau habe den Wall für das angenommene römische Kastell in Anspruch genommen. Die nach den kartographischen Darstellungen mögliche Rekonstruktion zeigten einen nierenförmigen bis ovalen Verlauf des Walles. Römische Kastelle haben im allgemeinen einen viereckigen Grundriß. Aus diesem Grund ist eine Zuordnung zu einem römerzeitlichen Kastell nicht aufrechtzuerhalten. Auch die Konstruktion des Walles und seine Mächtigkeit sprechen dagegen. Neugebauer-Maresch (1980, 42) hat daher die Flächenangabe Tragaus zu Recht für die Rekonstruktion der frühmittelalterlichen Wallburg herangezogen (siehe auch den Beitrag von Christine Neugebauer-Maresch in den Kollektaneen).

Kommen wir zum zweiten Befund, der als Nachweis für die Existenz eines Kastells herangezogen wurde. Neben Tragau beschäftigte sich zu Beginn der 1890er Jahre auch der Jurist Edmund Schmidel, Gründungs- und Vorstandsmitglied im „Verein Carnuntum“ und Ausschußmitglied im „Wissenschaftlichen Club“ zu Wien, mit dieser Anlage auf dem „Stein“. Im Club hielt er sogar am 12. November 1891 einen Vortrag über den „Quadenwall von Deutsch-Altenburg“ mit einer Ausstellung von Funden (Wieser 2000, 41). Im Gegensatz zu Much beobachtete Schmidel (Kubitschek–Frankfurter 1904, 84) in diesem Bereich römerzeitliches Mauerwerk, das als Substruktionen gedeutet wurde. Wie dieses Mauerwerk ausgesehen hat, wissen wir nicht. Es wird lediglich berichtet, daß die von Much beschriebene Wallanlage über diesem römerzeitlichen Mauerwerk liege und daher jünger sein müsse. Ist dieses Mauerwerk identisch mit jenem, das für den Triumphbogen in Anspruch genommen wurde? Lag es direkt unter dem jüngeren Wall oder in der vom Wall eingefaßten Fläche? Noch eine ganze Reihe von Fragen ließe sich vorbringen, doch keine einzige darunter können wir beantworten. Nur eines scheint mir weitgehend zweifelsfrei – daß keine der Nachrichten verläßlich mit einem Kastell in Zusammenhang gebracht werden kann (Kandler 1977, 689 f.).

Die „Frauensäule“ (auch Statue der Unbefleckten Empfängnis oder „Fiebersäule“), an ihrem ursprünglichen Standort auf einem kleinen Hügel (Tumulus?) ca. 350 m nordöstlich des großen Tumulus. Um 1960.

Das postulierte Kastell hätte zwei Aufgaben zu erfüllen gehabt: einerseits als östlicher Flankenschutz des Legionslagers zu dienen, andererseits und vor allem den im Nahbereich des Kirchenbergs angenommenen Donauübergang (Tragau 1897, 173 f.) mit dem am jenseitigen Ufer liegenden Brückenkopf des „Öden Schlosses“ zu überwachen. Tatsächlich würden diese Aufgaben eine militärische Anlage auf dem strategisch günstig gelegenen Felssporn erwarten lassen, ja, sie geradezu fordern: Das spärliche archäologische Material und dessen völlig unzulängliche Dokumentation reichen aber nicht aus, eine solche Anlage zu beweisen. Im übrigen ist auffallend, daß ein Zeitgenosse der genannten Personen und genauer Kenner der topographischen Situation, Maximilian Groller – ab 1897 (als Nachfolger Tragaus) für zehn Jahre Leiter der Ausgrabungen in Carnuntum und selbst Ausgräber der Ruine des „Öden Schlosses“ –, anscheinend als einziger schon damals die Existenz eines Kastells auf dem „Stein“ bezweifelt: „Wenn hier das Römercastell ‚Am Stein‘ bei Deutsch-Altenburg […] nicht genannt wird, so ist der Grund der, daß für die Existenz dieses Castells jeder tatsächliche Nachweis, ja sogar jede begründete Vermuthung fehlt“ (Groller 1902, 30, Anm. 1). Es ist verwunderlich, daß der kritische Einwurf Grollers ungehört blieb und die Kastell-Theorie auch in der jüngeren Literatur übernommen wurde (zuletzt Neugebauer-Maresch 1980, 51: „Gesichert sind Reste einer römischen Fortifikation […]“). Schon Much hatte seinerzeit zu Recht darauf verwiesen, daß römisches Fundmaterial sehr leicht in späterer Zeit sekundär hätte hierher verlagert werden könnnen. Auf diese Weise ist z. B. das Fragment eines Grabsteines (CIL 11226) auf den Kirchenberg gekommen, das 1890 – der Zeit von Schmidels Untersuchungen – ebenfalls im Hollitzer-Steinbruch gefunden worden ist (Bormann 1893, 222 f.).

*Die Gefäße befanden sich zunächst im Privatbesitz des Finders; jedenfalls macht noch Eduard Beninger keine anderslautenden Angaben. Wo sich die Objekte heute befinden, ist uns nicht bekannt.

*Der geographische Raum der Hallstattkultur wird im allgemeinen in zwei Bereiche gegliedert: einen westlichen, der mit den Kelten in Verbindung gebracht wird, und in einen östlichen, der den im nördlichenBalkangebiet angenommenen Illyrern zugeschrieben wird – das Gebiet des heutigen Bad Deutsch-Altenburg liegt im Übergangsbereich.

*Sie wurden vermutlich im ersten Stock des Gebäudes eingebaut.

Der Kirchenberg. Ausschnitt aus einer für Deutsch Altenburg erstellten kolorierten Version des Katasterplans von 1868 (siehe auch S. 14/15). Links ist der Hollitzer-Steinbruch eingezeichnet, in dem 1852 das Mithräum I aufgedeckt wurde.

Ein gesicherter Befund: das Mithräum I

Im Katasterplan des Jahres 1868 ist am nördlichen Ausgang des Ortes – dort, wo die heutige König-Stephan-Gasse das ehemalige Donauufer erreicht – ein Steinbruch des Karl Hollitzer eingetragen. Seit 1860 war Hollitzer im Besitz des Areals, das er von dem Badearzt Dr. Anton Dominik Bastler erworben hatte, der es wiederum zehn Jahre vorher der Grundherrschaft abgekauft hatte (Müllner 1973, 140; Geng-Sesztak–Springer 2000, 291). In diesem schon „seit vielen Jahren in Betrieb“ (Sacken 1853, 339) stehenden Steinbruch wurde im Jahre 1853 während der Abbauarbeiten eines der bedeutendsten religionsgeschichtlichen Denkmäler Carnuntums aufgedeckt. Anton Widter (Kandler 1999), einer der großen Mäzene, deren sich Carnuntum im 19. Jahrhundert erfreuen durfte, überbrachte die Nachricht, daß sich dort im Frühjahr etliche bearbeitete Steine mit Inschriften gefunden hatten, auf denen mehrfach der persische Lichtgott Mithras genannt war, dem kaiserlichen Münz- und Antikenkabinett. Zur Begutachtung der Steine sandte man einen Kustos des Kabinetts, Eduard Freiherrn von Sacken, nach Deutsch Altenburg, der in der Folge am Fundort eine Grabung veranstaltete, welche zur Freilegung eines Heiligtumes dieses Gottes führte (es war die erste offizielle Grabung in Carnuntum). Sacken beschreibt die Überreste für die damalige Zeit ziemlich ausführlich (Sacken 1853, 339 f.): „Nach Wegschaffung des Erdreiches zeigte es sich, dass die Felsen, etwas zurücktretend, eine Art von Bucht oder Grotte bilden, fast halbrund, indem sie zu beiden Seiten wieder vorspringen. Unter der Dammerde war eine Schicht von gelblichem Alluvium, darin eine erstaunliche Menge von Ziegeltrümmern, Bruchsteinen und Mörtel. Die Ziegel, unter denen sich auch viele Rand- und Hohlziegel befinden, haben theils den Stempel: LEG XIIII G.M.V. […]; LEG XIV in schlechteren Buchstaben und LEG XV AP […]. Die Dicke dieser Schichte von Mauertrümmern erwies sich bedeutend. Weiter fand man Stücke von einem Estrich-Fussboden, bestehend aus feinem Kalk mit zerstossenen Ziegeln gemengt, dann Kohlen, Holz, zum Theile angebrannt, eine beträchtliche Menge von Asche, darunter Knochen und Zähne von Ochsen, Schafen und Böcken, vorzüglich aber viele Hühner- und Gänseknochen. Diese scheinen von Opfern und Opfermahlzeiten herzurühren. Einige stark beschädigte Thongefäße haben theils ausgebauchte Form mit weiter Mündung, theils sind sie krug- oder flaschenartig mit engem Halse und etwas trichterförmiger Ausgussmündung. Das Gebäude, welches hier stand, muss von fast halbkreisfömiger Grundform gewesen sein, grottenartig, denn seine Umfassung bildeten grösstentheils Felsen; nur wo diese Spalten und Unregelmäßigkeiten haben, wurde zur Nachhilfe Mauerwerk angebracht, oder einzelne grosse Werkstücke (Quadern) eingelegt. Von der Mauer in welcher der Eingang war, wurde noch ein Theil aufgegraben, und am halbkreisförmigen, gegen Osten gelegenen Schlusse ein sehr wohl erhaltenes Mauerstück mit feinem Mörtelwurf entdeckt, auf den eine gelbliche Tünche aufgetragen war, mit einer Verzierung von braunrothen Horizontalstreifen und fortlaufenden schiefen Quadraten. Diese Mauer bildete das Segment eines Bogens, bezeichnete also die halbrunde Schlussmauer des Gebäudes.“

Mithras tötet den Stier. Teilweise ergänztes Kultbild aus dem Mithräum I. Gefunden 1860 im Hollitzer-Steinbruch hinter der „Zottmann-Villa“. Heute im Archäologischen Museum Carnuntinum als Leihgabe des Kunsthistorischen Museums Wien, Antikensammlung.

Weiters wurden auch zwei Münzen im Heiligtum gefunden, eine davon aus der Regierungszeit Kaiser Constans’ I. (337–350). Daraus kann geschlossen werden, daß zu diesem Zeitpunkt das Heiligtum noch in Benützung war.

Das Heiligtum bestand demnach aus einem in einen natürlichen Felsspalt eingebauten, nach Osten ausgerichteten und mit Wandmalereien verzierten Raum. Die westliche Abschlußmauer verlief gerade, die östliche war halbrund in Form einer Apsis geführt. Die beiden Längsbegrenzungen des Raumes wurden in erster Linie durch Felsschroffen gebildet; nur deren Spalten waren mit Mauerwerk geschlossen worden. Auf diese Weise entstand ein höhlenartiger, mit einem Estrichboden versehener Raum, wie er für die Mithrasheiligtümer charakteristisch ist. Solche Kulträume wurden in Erinnerung an die in einer Höhle vollzogene Tötung des Stieres durch Mithras möglichst in realen Höhlen eingerichtet. Meist war man aber gezwungen, künstliche Höhlen – wie etwa beim dritten Carnuntiner Mithräum in Petronell – zu errichten. In unserem Falle kam man durch den Einbau der Kultkammer in einen natürlichen Felseinschnitt dem Eindruck einer natürlichen Höhle ziemlich nahe.

Im Inneren des Raumes waren sechs Altäre im Halbkreis aufgestellt (siehe auch die Abbildung S. 76). Vier davon waren Mithras geweiht, die beiden übrigen der petra genetrix, dem Felsen, aus dem Mithras geboren worden war. Von den Stiftern der Altäre gehörten zwei dem Militär an, die anderen waren Privatpersonen. An Skulpturen fanden sich neben dem Kultbild – einem Relief mit der obligaten Stiertötungsszene – eine Felsgeburt des Mithras, ein fragmentiertes Relief des Mithras-Begleiters Cautopates sowie eine kleine Löwenfigur. Diese weist vom Hinterkopf zum aufgerissenen Maul eine Bohrung auf, durch die mit Hilfe einer brennenden Fackel der Eindruck eines feuerspeienden Löwen dargestellt werden konnte (Jobst 1992, 40). Alle Objekte kamen in das kaiserliche Antikenkabinett zu Wien, befinden sich aber heute teilweise als Leihgabe des Kunsthistorischen Museums im Archäologischen Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg (Jobst 1992, 35, 40 f., 45 f.). Nicht in diesem Heiligtum gefunden, sehr wahrscheinlich aber in seinem Zusammenhang zu sehen, ist eine weitere Altar-Weihung an Mithras. Im Jahr 1846 hatte Freifrau von Walterskirchen am Steiner Weg ein Haus im Schweizer Stil erbauen lassen, dessen Räume an Kurgäste vermietet wurden. 1855 kaufte es Anton Hollitzer. In der Folge wurde anstelle des „Schweizerhauses“ von Hollitzers Schwiegersohn Karl Zottmann eine Villa errichtet, die spätere Parkpension (Müllner 1973, 142), heute Verwaltung und Depot des Museums Carnuntinum. Auf diesem Grundstück, auf dem übrigens auch das Kultbild des Heiligtumes mit der üblichen Stiertötungsszene zutage kam, wurde der genannte Mithras-Altar – gestiftet von einem Centurio der 15. Legion namens C. Sacidius Barbarus – gefunden (Sacken 1860, 300): Die Nähe zum Mithras-Heiligtum ist nicht zu übersehen. Diese vielleicht noch dem 1. Jahrhundert n. Chr. zugehörige Inschrift ist die bisher älteste Weihung an Mithras aus Carnuntum. Stimmt dieser Zusammenhang, hätte das Heiligtum bereits in sehr früher Zeit, nämlich im ersten nachchristlichen Jahrhundert, bestanden.

Villa Zottmann, 1905.

Die Josephinische Landesaufnahme, Section 84: „Theil deren Vierteln unter Manhartsberg und unter Wienner Wald“, 1764–1787.

MITTELALTER

Die verschwundene Wallburg

Als erster beschrieb Matthäus Much die Reste jener mehrfach erwähnten großen Wallanlage, die sich an der Nordwestseite des Kirchenplateaus befunden hat (Much 1875, 100 ff.). Innerhalb der Umwallung beobachtete Much eine aus Kohle, Asche, Knochen, Keramikscherben und etlichen Eisenobjekten zusammengesetzte Kulturschichte. Auf drei Seiten bildeten die steil abfallenden Felsen einen natürlichen Schutz, der teilweise durch niedrige Wälle noch erhöht wurde. Nur nach Süden zu mußte die Siedlungsfläche mit einem in den Felsen eingetieften Graben und einem hoch aufgeschütteten Wall künstlich geschützt werden. Die Wallschüttungen bestanden aus Asche und rot gebrannter Erde (Much 1875, 103) bzw. aus „stark mit Sand versetzter Humuserde ohne Beimischung von Lehm“ (Kubitschek–Frankfurter 1904, 84). Außen soll der Wall mit Flechtwerk verkleidet gewesen sein. Im Kern wies er eine aus Holzstämmen errichtete Konstruktion auf, die als Stützung der Schüttung gedeutet wurde. Damals war der Wall stellenweise noch über 12 m hoch – also um nur wenige Meter niedriger als der Tumulus. Zu welchem Zeitpunkt im Zuge der Steinbrucharbeiten der „Stein“ mit dem Wall endgültig verschwunden ist, läßt sich nicht genau festlegen. Im allgemeinen wird die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert angenommen. Auf einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1909 ist am linken Bildrand noch ein letzter kleiner Rest des Walles erkennbar. Wenn die Jahresangabe auf der Karte die Erstauflage wiedergeben sollte, wäre die Zerstörung der Wallanlage um 1910 anzusetzen.

Der Franziszeische Kataster. Ausschnitt mit Deutsch Altenburg und Umgebung, 1819. Rechts oben der Kirchenberg mit dem

Ansicht des Kirchenbergs von Westen. Links ist noch der letzte Rest des über 12 m hohen Walles der frühmittelalterlichen Befestigungsanlage zu sehen. Ansichtskarte aus dem Jahr 1909.

Über die Größe der Anlage gibt es widersprüchliche Angaben (Neugebauer-Maresch 1980, 42 f.). Tragau spricht – allerdings in Zusammenhang mit dem angenommenen römischen Kastell – von einer Fläche von 15.000 m2. Diese Angabe wird, wie schon erwähnt, von Neugebauer-Maresch zu Recht auf die Wallburg bezogen. Kubitschek–Frankfurter (1904, 84) beschreiben sie als ovale Anlage mit einer Längsachse von 170 m und einer kurzen Achse von 80 bis 100 m. Diese Angaben stimmen mit der kartographischen Aufnahme im ersten Carnuntum-Führer (Kubitschek–Frankfurter 1891) überein. Die daraus resultierenden Flächen sind kleiner bzw. größer als die von Tragau überlieferte. Ausgehend von der Wiedergabe des Walles auf der aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammenden Grenzkarte Ungarn–Österreich des C. Johann von Walter nimmt Neugebauer-Maresch an, daß die umwallte Siedlungsfläche im westlichen Teil weiter nach Süden ausgegriffen habe, so daß die Befestigung eine S-förmige Kurve gebildet hätte. Dieses wesentlich größere Siedlungsareal wird auf eine Fläche von ca. 200 x 170 m geschätzt (Neugebauer-Maresch 1980, 51), was etwa 3,5 ha entspricht.

Geologische Karte von Bad Deutsch-Altenburg (Burgerstein 1882). In der Nordwestecke des Kirchenbergs ist durch unterschiedliche Färbung das Gelände der Wallanlage zu erkennen.

Much fand sowohl in der Bauweise der Anlage als auch in den Funden Parallelen zum Burgwall von Stillfried an der March, dessen Errichtung er dem germanischen Stamm der Quaden zuwies. Aus diesem Grund bezeichnete er auch die Altenburger Anlage als „quadisch“ (daher kommt die in der älteren Literatur immer wieder verwendete Bezeichnung „Quadenwall“). Nach der damals gängigen Ansicht glaubte man, Carnuntum sei nach der Ermordung des Quaden-Königs Gabinius durch die Römer im Jahr 374 n. Chr. von germanischen Stämmen zerstört worden: „Wuthentbrannt ob des Frevels stürmten die Quaden über die Donau, zerstörten das glänzende Carnuntum gänzlich und verwüsteten einen großen Theil Oberpannoniens“ (Much 1875, 50). Danach hätten die Quaden die Wallburg auf dem „Stein“ errichtet. Für diese späte Datierung verweist Much (1875, 105) auf 35 Funde von römischen Ziegeln; zu einem ähnlichen Ergebnis kamen – wie wir schon gesehen haben – auch Tragau und Schmidel (Neugebauer-Maresch 1980, 44). Andererseits hat Much aber auch hallstattzeitliche Keramik beobachtet (vgl. den Abschnitt: Der Tumulus – ein Hügelgrab, oder … ?). Es wäre daher möglich, daß die Siedlung keine Neuanlage der nachrömischen Zeit darstellt, sondern daß eine schon bestehende, vielleicht nicht mehr benutzte Befestigung aus prähistorischer Zeit wieder verwendet wurde.

Darstellung des Kirchenbergs auf einer Übersichtskarte des Führers durch Carnuntum von Wilhelm Kubitschek und Salomon Frankfurter, 1891.

Die „Grenzkarte Ungarn–Niederösterreich“, angefertigt vom k.k.Hauptmann und Ingenieur Constantin Johann von Walter 1754–1756, im Auftrag der Kaiserin Maria Theresia. Die Karte zeigt Befestigungen wie Stillfried, Hausberge, aber auch Hügel wie den Tumulus von Bad Deutsch-Altenburg, hier „Creuzer Berg“ genannt.

Ein christlicher Friedhof

Heute herrscht die übereinstimmende Meinung, daß diese befestigte Siedlung dem frühen Mittelalter zuzuordnen ist (Neugebauer-Maresch 1980, 51). Für diese Datierung spricht auch ein zwischen Wallburg und romanisch-gotischer Kirche liegendes Gräberfeld des 10. und 11. Jahrhunderts, das man in Zusammenhang mit dem wohl schon christlichen frühmittelalterlichen Siedlungsplatz wird sehen dürfen. Reste dieses Gräberfeldes wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie in den Jahren 1926–1928 bei Steinbrucharbeiten angefahren. Die dabei festgestellten Körperbestattungen wurden aber bedauerlicherweise ohne archäologische Untersuchungen zerstört. Erst 1947 und 1949 kam es zu wissenschaftlichen Grabungen (Kutschera 1949, 3 f.; Kutschera 1951, 39 f.), bei denen insgesamt noch 62 Gräber gesichert werden konnten. Kutscheras Ergebnisse wurden nach seinem Tod von Herbert Mitscha-Märheim (Mitscha-Märheim 1955, 32 ff.) veröffentlicht. Leider läßt sich die Stelle dieser Grabungen nicht mehr lokalisieren, so daß weitere elf Gräber, die 1966 geborgen wurden (Adler 1966, 25), nicht mit dem alten Grabungsplatz verbunden werden können. Aufgrund der einheitlichen Befunde ist jedoch der Zusammenhang zwischen den beiden Fundplätzen eindeutig. Berichtet wird, daß eine Reihe von Gräbern schon vor Beginn der Grabungen zerstört worden war. Auch zwischen 1949 und 1966 fiel eine unbekannte Anzahl von Gräbern ohne archäologische Untersuchungen dem Steinbruch zum Opfer. Lediglich einige Beigaben, darunter zwei Garnituren von Bronzearmringen und Schlangenkopfdarstellungen, konnten für das Museum Carnuntinum gerettet werden (Mitscha-Märheim 1960, 47 f., Abb. 3–6). Das Gräberfeld muß also eine beachtliche Ausdehung gehabt haben. Zu ihm müßte auch eine wohl in Holz errichtete Kirche gehört haben, von der aber archäologisch nichts bekannt ist.

Unter den freigelegten Bestattungen finden sich etwa gleich viele Erwachsene und Kinder. Von letzteren waren wieder ungefähr die Hälfte Kleinkinder, ein Hinweis auf die hohe Kindersterblichkeit dieser Zeit. Die Toten lagen in gestreckter Rückenlage in bis zu 1 m tiefen Grabgruben. Hinweise auf Holzsärge gibt es nicht. Die Gräber waren beigabenlos, nur in einem Grab fanden sich Reste einer Speisebeigabe (in Form von Eierschalen). Daraus dürfen wir den Schluß ziehen, daß die in diesem Friedhof Bestatteten bereits Christen waren. Gefunden wurden lediglich Schmuckgegenstände und Trachtzubehör, von den Bestatteten getragen. Dazu gehören Armreifen, Schläfen- und Fingerringe aus Bronze bzw. Silber sowie Glas- und Bernsteinperlen von Halsketten. Kostbarer sind je eine Perle aus Karneol und Bergkristall. Zu den bemerkenswerten Funden zählen Kaurimuscheln, die in einem Grab ebenfalls zu einer Halskette aufgefädelt waren. Diese aus den tropischen Meeren stammenden Muscheln finden sich häufig in slawischen Fundkomplexen und sind vermutlich über Byzanz in unser Gebiet gekommen (Mitscha-Märheim 1955, 41 f.). Einige der Beigaben lassen zudem vermuten, daß in diesem Friedhof auch Magyaren bestattet worden sind (Mitscha-Märheim 1955, 43, Anm. 8a; Friesinger 1976, 56).

Mitscha-Märheim datierte das Gräberfeld zwischen 950 und 1050 n. Chr., also in jene Zeit, in der unser Raum im Spannungsfeld zwischen dem Herrschaftsgebiet der Ungarn und dem deutschen Königreich zu liegen kam. Die zwischen den beiden Machtblöcken ausgetragenen kriegerischen Auseinandersetzungen führten zur Ausbildung einer militärisch befestigten Grenze zwischen dem zum Reich gehörigen Herzogtum Bayern – als dessen östlichster Teil die Grenzgrafschaft Ostarrichi fungierte – und dem ungarischen Königreich (Dienst 2000, 331). Zu diesen Grenzfestungen zählte auch die in unserem Gebiet gelegene „Heimenburc“, deren Errichtung bislang um die Zeit zwischen 990 und 1020 angesetzt und mit einem Vogt des Klosters Tegernsee namens Heimo in Verbindung gebracht wurde. Heide Dienst hat, anknüpfend an ältere Annahmen (Maurer 1894, 14), unlängst einen anderen Heimo als Bauherrn vorgeschlagen, der als Gefolgsmann Kaiser Arnulfs als „Grundherr im Osten und als einer der dem Grenzgrafen Arbo untergeordneten Richter“ überliefert ist. In einer Urkunde aus dem Jahr 888 wurde Heimo verpflichtet, seine Leute zum Bau einer Fluchtburg anzuhalten, in welche in gefährlichen Zeiten auch die Bevölkerung der Umgebung sich hätte zurückziehen können (Dienst 2000, 334 f.).

Um 1020 wurde das Gebiet bis zur Fischa von Heinrich II. an seinen Schwager Stefan I. von Ungarn abgetreten. 1042, während des Feldzuges gegen die Ungarn, wurde das Gebiet durch Heinrich III. wieder zurückerobert und gelangte damit endgültig unter deutsche Hoheit. Die „Heimenburc“ wurde während dieser kriegerischen Auseinandersetzung zerstört. Acht Jahre später kam es zu einem Neubau der Burganlage. Etwa um die gleiche Zeit erfolgte auch der Bau einer Marienkirche, die 1051 zur Reichspropstei erhoben (Dienst 2000, 331 f.) und 1058 von Kaiser Heinrich IV. seiner Mutter, der Kaiserwitwe Agnes, geschenkt wurde. Etliche Jahre später wurde die Burg weiter nach Osten vorgeschoben (Hainburg), die frühere Anlage erhielt nun den Namen Altenburg (Klebel 1933). Diese letztere wird überzeugend mit der oben beschriebenen, heute leider verschwundenen „Wallburg“ in der nordwestlichen Ecke des „Stein“ in Verbindung gebracht (Neugebauer-Maresch 1980, 51).

1162 wird mit Albero de Dörr der erste Angehörige jener Familie genannt, welche bis in den Beginn des 17. Jahrhunderts die Grundherrschaft in Deutsch Altenburg innehatte und die nachfolgend erwähnte Marienkirche zu jenem architektonischen Juwel ausbaute, das wir heute kennen. „In der Nähe der Donau“ (Müllner 1973, 124) erbaute sich dieses Rittersgeschlecht seinen Sitz; der genaue Standort ist leider nicht bekannt. Vielleicht entstand die Burg der Dörr, die schließlich beim ersten Türkeneinfall 1529 zerstört wurde, im Bereich der alten Wallanlage, wie unlängst vermutet wurde (Weidinger 2000, Anm. 1) – und spannt so den Bogen der Siedlungstätigkeit auf dem Kirchenberg von der Urgeschichte bis in die beginnende Neuzeit.

Die Marienkirche

Die seit fast tausend Jahren bestehende Marienkirche ist natürlich kein archäologisches Denkmal im Sinne der eingangs getroffenen Bemerkungen, sondern auch heute noch das lebendige Zentrum einer katholischen Gemeinde. Dennoch dürfen wir diesen Beitrag rechtens mit diesem bedeutsamen Baudenkmal schließen, da in diesem Jahr vom Bundesdenkmalamt durchgeführte Ausgrabungen gezeigt haben, daß sich im Boden bis jetzt nicht bekanntes Mauerwerk verborgen hat, das geeignet scheint, die Frühzeit der Kirche in neuem Licht zu sehen. Vor allem die bislang ungeklärte Frage, ob das 1051 erwähnte Kollegiatstift bestanden habe oder nicht (Dienst 2000, 334), dürfte nun doch positiv beantwortet werden können. Über die Ergebnisse dieser Grabungen berichtet im nachfolgenden Beitrag der Grabungsleiter Franz Sauer. Den Forschungen im Bereich der Kirche möge ein besseres Schicksal bestimmt sein als jenen der anderen archäologischen Denkmäler des Kirchenbergs – den ersten Arbeiten sollten weitere Untersuchungen folgen können, um die Baugeschichte eines der bedeutendsten und schönsten mittelalterlichen Bauwerke Niederösterreichs immer besser zu klären.

LITERATURVERZEICHNIS

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Kyrle 1913: Georg Kyrle, Resultatlose Nachforschungen nach Arpads Grab. In: Mitteilungen der Zentralkommission 3. F. 12, 1913, S. 69–71. [Siehe Kollektaneen]

Maurer 1894: Joseph Maurer, Geschichte der landesfürstlichen Stadt Hainburg. Hainburg 1894. [Siehe Kollektaneen]

Mitscha-Märheim 1955: Herbert Mitscha-Märheim, Gräberfunde am Kirchenberg in Bad Deutsch-Altenburg. In: Archaeologia Austriaca 18, 1955, S. 32–45. [Siehe Kollektaneen]

Mitscha-Märheim 1960: Herbert Mitscha-Märheim, Archäologische Anmerkungen zur Frage der slawischen Besiedlung Niederösterreichs. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, 34, 1958-1960, S. 44–48.

Much 1875: Matthäus Much, Germanische Wohnsitze und Baudenkmäler in Niederösterreich. In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft 5, 1875, S. 37–115 und 173–231. [Siehe Kollektaneen]

Müllner 1973: Franz Müllner, Bad Deutsch-Altenburg. Bad Deutsch-Altenburg 1973. [Siehe Kollektaneen]

Nebelsick 1997: Louis D. Nebelsick, Die Kalenderberggruppe der Hallstattzeit am Nordostalpenrand. In: Louis D. Nebelsick/Alexandrine Eibner/Ernst Lauermann/Johannes-Wolfgang Neugebauer, Hallstattkultur im Osten Österreichs. Wissenschaftliche Schriftenreihe Niederösterreich 106-109. St. Pölten 1997, S. 9–128.

Neugebauer 1985: Johannes Wolfgang Neugebauer, Bad Deutsch-Altenburg. In: Andreas Lippert (Hrsg.), Reclams Archäologieführer Österreich und Südtirol. Stuttgart 1985.

Neugebauer-Maresch 1980: Christine Neugebauer-Maresch, Zur verschwundenen Befestigungsanlage „Am Stein“, Bad Deutsch-Altenburg, NÖ. Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte 30, 1980, S. 37–57. [Siehe Kollektaneen]

Niegl 1980: Manfred Alois Niegl, Die archäologische Erforschung der Römerzeit in Österrreich. Wien 1980. Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 141.

Pascher 1949: Gertrud Pascher, Römische Siedlungen zwischen Enns und Leitha. Der römische Limes in Österreich 19 (1949).

Sacken 1852: Eduard von Sacken, Die römische Stadt Carnuntum, ihre Geschichte, Überreste und die an ihrer Stelle stehenden Baudenkmale des Mittelalters. In: Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften 9 (1852), S. 660–784.

Sacken 1853: Eduard von Sacken, Über die neuesten Funde zu Carnuntum besonders über die Reste eines Mithraeums und ein Militär-Diplom von Kaiser Trajan. In: Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften Wien 11 (1853), S. 336–364. [Siehe Kollektaneen]

Sacken 1860: Eduard von Sacken, Funde und Ausgrabungen in der Nähe von Wien. In: Mitteilungen der Zentralkommission für Denkmalpflege 5, 1860, S. 300–302.

Schad’n 1953: H. P. Schad'n, Die Hausberge und verwandte Wehranlagen in Niederösterreich. In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft 81, 1953, S. 25–184. [Siehe Kollektaneen]

Tragau 1897: Carl Tragau, Die Befestigungsanlagen von Carnuntum. In: Archäologisch-Epigraphische Mitteilungen 20, 1897, S. 173–174.

Urban 1995: Otto H. Urban, Keltische Höhensiedlungen an der mittleren Donau vom Linzer Becken zur Porta Hungarica 2: Der Braunsberg. Linz 1995. Linzer Archäologische Forschungen 23.

Walter 1950: Hans G. Walter, Der Große Tumulus von Bad Deutsch-Altenburg. In: „Der Grenzbote“ vom 25. 6. 1950. [Siehe Kollektaneen]

Weidinger 2000: Hans Ernst Weidinger, Erinnerung an der Schwelle. Bad Deutsch-Altenburg 2000.

Wieser 2000: Magdalena Wieser, Edmund Schmidel. In: Mitteilungen des Museumsvereins Lauriacum 38, 2000, S. 33–43.

Der stillgelegte Steinbruch des ehemaligen Strombauamts; im Hintergrund die Marienkirche.

Franz Sauer

ARCHÄOLOGISCHE UND BAUHISTORISCHE BEOBACHTUNGEN AN DER PFARRKIRCHE MARIÆ HIMMELFAHRT

Bericht über eine Grabung des Bundesdenkmalamts in Bad Deutsch-Altenburg durchgeführt von 26. April bis 15. Mai 2000

Zur Erforschung der Baugeschichte der Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariæ Himmelfahrt wurde von der Familie Weidinger ein namhafter Geldbetrag gestiftet; dies veranlaßte die Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamts, Teile der Kirche archäologisch und bauhistorisch zu untersuchen.

Eine archäologische Befundung war vorderhand im Inneren des Gebäudes nur im Ostjoch des nördlichen Seitenschiffs und im Westjoch des gotischen Chores möglich. Außerhalb des Gebäudes wurden die Fundamentzonen beider Seitenschiffe und der Taufkapelle ergraben sowie fotografisch und zeichnerisch dokumentiert.

HISTORISCHER ÜBERBLICK

Konkrete Daten zur Baugeschichte der Marienkirche fehlen. Die lokale Legende benennt den heiligen Stephan von Ungarn als Gründer des Gotteshauses im Jahr 1028.

Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche ist nur wenig jünger und stammt aus der Mitte des 11. Jahrhunderts. In zwei, am 25. Oktober 1051 in Heimenburc ausgestellten Urkunden – die Originale sind im Archiv des Hochstifts Bamberg verwahrt – hat Kaiser Heinrich III. seinen Eigenbesitz Sieghartskirchen sowie den Fruchtzehent des südlich und nördlich der Donau neu erworbenen Grenzgebiets gegen die Ungarn dem Altar in Heimenburc, welcher der heiligen Gottesgebärerin Maria und den heiligen Märtyrern Mauritius und Laurentius geweiht ist, zu Eigen übergeben. „[…] Das alles geschah mit der Bestimmung, daß der Propst der Brüder, die dort Gott dienen, volle Freiheit habe, dieses Gut in Eigenbesitz zu bewirtschaften, zu verpachten, zu vertauschen oder was immer ihm zum Nutzen der Kirche zu tun beliebe.“1 Genaueres über den Umstand und den Zeitpunkt der Kirchengründung erfahren wir nicht – die Kirche wird jedoch als bestehend vorausgesetzt.

Aus beiden Urkunden geht außerdem hervor, daß es bei der Kirche auch ein Chorherrenstift, dem ein Propst vorstand, gegeben hat. Historiker neigten zur Ansicht, dieses Stift, über welches keinerlei weitere Nachricht vorliegt, wäre nie wirklich ins Leben getreten.

„Wir gehen daher wohl recht in der Annahme, daß das 1051 geplante und dotierte Kollegiatstift nie realisiert und die neue Kirche gleichsam von Reichs wegen eingezogen worden ist. […] Die Errichtung von Kollegiatstiften als geistliche Zentren zur Organisation der Seelsorge […] lag durchaus im Zug der Zeit. Warum ein solches Zentrum in der Heimenburg nicht in Funktion getreten ist, wissen wir nicht.“2 Mehr darüber im übernächsten Abschnitt.

Wenige Jahre später wird die Kirche ein weiteres Mal genannt. In einer Urkunde vom 18. Oktober 1058 überträgt König Heinrich IV. seiner Mutter, der Kaiserin-Witwe Agnes, die Marienkirche bei der Heimenburg und alles, was sein Vater, Kaiser Heinrich III., dafür bestimmt hatte. Ein „Propst“ oder „Brüder, die dort Gott dienen“ werden in diesem Dokument nicht mehr erwähnt.3

F. K. Wissgrill stellt schließlich 1795 in seinem Buch über den niederösterreichischen Adel die Beziehung zwischen dem in Wildungsmauer, Hundsheim und (Deutsch) Altenburg begüterten Adelsgeschlecht der Dörr und der romanischen Kirche her; er nennt auch das Jahr des Kirchenbaus: „Alban und Johann von Dörr sollen schon im Jahr 1213 die Kirche zu Deutsch-Altenburg erbauet und einen Priester dazugestiftet, auch ihre Grabstätte in selber Kirche bestimmt haben. (Enenkel, Collectaneen II)“4 Mehr darüber etwas später.

ZUSAMMENFASSUNG DER BISHERIGEN FORSCHUNGSERGEBNISSE

Die im Jahr 1963 von Adalbert Klaar vorgenommene Bauaufnahme – zu diesem Zeitpunkt wurde durch das Bundesdenkmalamt ein bis heute verwendeter Grundrißplan der Kirche angefertigt – stellt an der Pfarrkirche zwei grundlegende Bauabnschnitte fest (siehe Abbildung S. 42/43).5 Die romanische, dreischiffige Pfeilerbasilika wurde mitsamt der Taufkapelle als einheitlicher Baublock der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zugeordnet, die gotischen Zu- und Umbauten des Turmes, des zweijochigen Chores und der Sakristei wurden als Bestandteile einer einzigen Bauführung gewertet und allgemein in das 14. Jahrhundert datiert.

Das Ergebnis zweier Detailstudien, die am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien erstellt wurden6, ist die unterschiedliche chronologische Bewertung der gotischen Bauteile. Demnach ist der frühgotische Turm zwischen den Jahren 1350 und 1380 entstanden; das hochgotische Presbyterium ist dem Zeitraum von 1380–1400 zuzurechnen.

Anhand der Nachricht aus dem Jahr 1795, wonach die Brüder Alban und Johann Dörr im Jahr 1213 den Kirchenbau veranlaßt hätten – diese Mitteilung konnte übrigens bei einer Überprüfung der Quelle an der angegebenen Stelle nicht verifiziert werden7 – wurde die romanische Basilika von der kunstgeschichtlichen Forschung an den Beginn des 13. Jahrhunderts datiert. Die Stichhältigkeit dieses späten Datierungsansatzes wurde erst vor wenigen Jahren von Carola Schreiner anhand umfangreicher Detailstudien zur Baugeschichte der Pfarrkirche in Frage gestellt:

„Da jedoch auch vor diesem Zeitpunkt eine Pfarrkirche an dieser Stelle bestanden hat, lassen sich Vermutungen nicht von der Hand weisen, daß möglicherweise ein älterer Bau um 1213 nur umgebaut wurde und im Kern erhalten blieb. Dadurch könnten einerseits am heutigen Bau erkennbare Baumerkmale erklärt werden, die vergleichbaren (d. h. im konservativen Stil errichteten) Bauten aus der Zeit um 1213 entsprechen (wie plastische Details an Portalen und Kapitellen), andererseits auch ‚altmodische‘ Grundstrukturen, die sich von denen um 1213 im konservativen Stil errichteter Bauten unterscheiden. Aber auch die Möglichkeit, daß der Bau mit konservativen Merkmalen um 1213 ‚neu‘ errichtet wurde, kann nicht ausgeschlossen werden. Die Literaturhinweise diese Frage betreffend bleiben aufgrund fehlender konkreter Hinweie vage, sodaß keine eindeutige Klarheit in dieser Frage gewonnen werden kann“.8

Das Ergebnis der archäologischen Sondagen und einer neuerlichen, diesmal vom Autor durchgeführten Bauaufnahme der romanischen Basilika ist in der Tat der Nachweis von zwei aufeinanderfolgenden romanischen Bauphasen.

Diese beiden Bauphasen sollen im folgenden beschrieben werden.

DIE ROMANISCHE BASILIKA IM ARCHÄOLOGISCHEN UND BAUHISTORISCHEN BEFUND

Phase 1 (Plan: siehe vordere Umschlagklappe)

Am Beginn der für uns faßbaren Entwicklung steht eine dreischiffige, fünfjochige, querhauslose Pfeilerbasilika.

Dieser Basilikalbau unterliegt – wie damals anscheinend üblich – einem klaren geometrischen Konstruktionsprinzip. Zwei aneinandergefügte Quadrate legen die Maßverhältnisse des Kirchensaales fest: Länge und Breite verhalten sich wie 2 : 1 (zu ihren Maßen s. u.). Die lichte Saalbreite – sie dient als Basislinie – stimmt mit der Länge einer Quadratseite exakt überein. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß an den beiden Längsseiten des Saales die inneren Mauerschalen mit dem Konstruktionsnetz zur Deckung gebracht wurden, während sowohl bei der West- als auch bei der Ostwand des Kirchenschiffs die Außenfluchten der Mauern mit den jeweiligen Quadratseiten zusammenfallen.

Die Teilung und Unterteilung des Konstruktionsquadrats ergibt 16 quadratische Figuren. Der Grundriß des Saales besteht somit aus 2 Groß- bzw. 32 Kleinquadraten: Die Breite eines Seitenschiffs wird durch die Seitenlänge eines Kleinquadrats festgelegt, die Seitenlänge zweier Kleinquadrate bestimmt die Breite des Mittelschiffs.9