Der Klang der Mitte - Georg Weidinger - E-Book

Der Klang der Mitte E-Book

Georg Weidinger

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Beschreibung

... Hörst Du den Klang in Dir, der sich aus all Deinen Tönen bildet, den Wohlklang für die Unendlichkeit des Moments, all der Momente Deines Lebens, all der Momente mit Deinen Tränen und Deinem Lachen, mit den Schmerzen und der Verzweiflung und der reinen Hoffnung für Dich, die Deinen, für uns? Hörst Du den Klang der Mitte ...? Ein Sach-Geschichten-Gedichte-Foto-Musikbuch ist es geworden, dieser schwarz-weiße Band des Kultautors Georg Weidinger, bekannt durch Bücher wie Die Heilung der Mitte, Der Goldene Weg der Mitte und sein letztes Werk Kochbuch zur Heilung der Mitte (ein Gemeinschaftswerk mit seiner Frau Sandra), durch Artikel in Zeitschriften, durch Auftritte im Radio und Fernsehen, durch seine Lehrtätigkeit der Chinesischen Medizin im gesamten deutschsprachigen Raum, durch seinen Yogaunterricht und seinen Zugang zu Pranayama, der Atemführung, durch seine Musik und seine teils humoristischen, teils tief berührenden Auftritte als Pianist, Sänger und Entertainer und nicht zuletzt durch seine Facebook-Montagskolumne, die er durchgehend seit drei Jahren schreibt. Er wollte einmal all das in einem Werk vereinen, was ihn ausmacht. Und so ist es sehr bunt geworden, dieses Schwarz-weiß-Buch, bunt und lehrreich, bunt und berührend, bunt und sehr persönlich. Schwarz-weiß, um all das Unnötige wegzulassen. Bilder, Worte und Klänge wirken von sich aus und färben die Welt.

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DR. MED. UNIV.

GEORG WEIDINGER

DER KLANG

DER

MITTE

Geschichten

eines

musikali-

schen

Chinesen-

arztes

OGTCM VERLAG

Vertrieb: NOVA MD

mit Fotografien und Musik von

Georg Weidinger

DR. MED. UNIV.

GEORG WEIDINGER

DER KLANG

DER

MITTE

Geschichten eines

musikalischen Chinesenarztes

IMPRESSUM

www.ogtcm.at

Erste Auflage 2019

ISBN 978-3-904098-00-7 (E-Book), ISBN 978-3-96443-504-0 (Print)

Dr. med. Georg Weidinger: DER KLANG DER MITTE

Geschichten eines musikalischen Chinesenarztes

OGTCM Verlag, Föhrenweg 18, 7212 Forchtenstein, Österreich

Bestellung & Vertrieb: NOVA MD GmbH, 83377 Vachendorf, Deutschland

Satz: Dr. Georg Weidinger

Sämliche Fotografienwurden 2018 von Georg Weidinger

angefertigt. Die Orte: Forchtenstein und Umgebung (inklusive Stausee, Rosalia, Burg Forchtenstein), Wiesen, Marzer Kogel, Bad Sauerbrunn, Podersdorf am Neusiedler See, St. Margarethen, Za-kynthos in Griechenland, Frankfurt am Main, Wien

Cover: Burg Forchtenstein im Nebel im Oktober 2018

Umschlaggestaltung: Dr. Georg Weidinger

Lektorat: Mag. Gernot Koller

Druck und Bindung: UAB Overprintas, 10306 Vilnius, Litauen

Copyright © 2019 Dr. med. Georg Weidinger

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Abdrucks oder der Re-produktion einer Abbildung, sind vorbehalten. Das Werk, ein-schließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ohne schriftliche Zustimmung des Verlages ist unzu-lässig.

Erklärung:

Dieses Buch

kann ärztlichen

Rat nur

ergänzen, nicht jedoch ersetzen. Haben Sie ge-sundheitliche Probleme oder den Verdacht darauf, wenden Sie sich bitte

immer an Ihren Arzt. Jede Anwendung der in diesem Buch angeführten Ratschlä-ge geschieht nach alleini-gem Gutdünken des Lesers. Autor, Verlag, Berater, Vertreiber, Händler und alle anderen Personen, die mit diesem Buch in Zusammen-hang stehen, übernehmen keine Haftung für eventuelle Folgen, die direkt

oder indirekt aus den in diesem Buch gegebenen Informationen resultieren oder resultieren sollen. Alle Angaben in diesem Buch erfolgen, trotz sorgfältiger Bearbeitung, ohne Gewähr. Eine Haftung des Verlags oder des Autors ist ausge-schlossen.

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Vorwort 9

Präludium: Heute morgen 13

Kapitel 1: Was ist Chinesische Medizin? 15

Interludium 1: Landeier 23

Kapitel 2: Die Ursprünge der TCM 25

Interludium 2: Koniferen-Hecke 31

Kapitel 3: Das Denken hinter der TCM 33

Interludium 3: Regenwürmer 41

Kapitel 4: Klostermauern 43

Interludium 4: Wut und Ärger 51

Kapitel 5: Der Atem 53

Interludium 5: Grippeviren 59

Kapitel 6: Mein Navi kennt die Zukunft … 61

Interludium 6: Achtsam essen 68

Kapitel 7: Gibt es Gott wirklich? 71

Interludium 7: Was für ein Wochenende 78

Kapitel 8: Das Konzept der Geister 80

Interludium 8: Eingesetzt 89

Fuge 1: Das Glasperlenspiel 91

Kapitel 9: Franz 95

Interludium 9: Ist das Leben nicht schön? 101

Kapitel 10: Die größte Krise meines Lebens 103

Interludium 10: Tipi 109

Kapitel 11: Der Hun und die Milz 111

Interludium 11: TCM und Kinder 118

Fuge 2: Thermenbesuch 121

Kapitel 12: Melancholie 123

Interludium 12: Für etwas brennen 130

Kapitel 13: Der Lärm der Welt 133

Interludium 13: Bilder im Kopf und Fotos an der Wand 139

Fuge 3: So einfach, oder? 142

Kapitel 14: Der Shen 144

Interludium 14: Minuten zum Schreiben 152

Kapitel 15: Westliche oder chinesische Kräuter? 154

Interludium 15: Wenn ich um halb fünf in der Früh erwache 161

Fuge 4: Bewegung! 163

Kapitel 16: Dienstag ist Yoga-Tag! 166

INHALT

7

Interludium 16: Erster Schritt 173

Fuge 5: Trinkmenge 175

Kapitel 17: Abnehmen und die Mitte heilen 176

Interludium 17: Nach einem Wochenende Unterrichten 183

DER KLANG DER MITTE184

Kapitel 18: Konfuzius sprach ... 187

Interludium 18: Jeden Tag gleich in der Früh ... 195

Kapitel 19: ANGST chinesisch 197

Interludium 19: Kinder im Bett 205

Fuge 6: So viel Wind derzeit 207

Kapitel 20: Der Wind, der Wind ... 209

Interludium 20: Ruhe, Stille, Frieden 217

Kapitel 21: 48 Stunden 219

Interludium 21: Zirbitzkogel 227

Kapitel 22: Sraddha 229

Interludium 22: Tiramisutorte 237

Kapitel 23: Huhner, Hünde, die Stille und der Weg 239

Interludium 23: Peter Rosegger 245

Kapitel 24: Leid und andere Gefühle 247

Interludium 24: Konfuzius sagt 253

Kapitel 25: Mein TAO-Kongress 2018 255

Interludium 25: Urlaub! 258

Kapitel 26: Autist oder Mönch 261

Interludium 26: Herbstzeit 269

Kapitel 27: Das Käfer-Syndrom 271

Interludium 27: Hannah und die Erstkommunion 279

Fuge 7: Um halb acht dunkel 283

Kapitel 28: Der Strom des Lebens 285

Interludium 28: Punschstand 293

Kapitel 29: Sicherheit 295

Interludium 29: Blue-eyed Malamute 303

Kapitel 30: Bilanz 307

Interludium 30: Heute endlich 311

Kapitel 31: Attnang-Puchheim 313

Postludium: Das Leben ist schön! 323

Die Akteure des Buches 326

AUDIO-CD „DER KLANG DER MITTE“ 329

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9

VORWORT

2010 schrieb ich mein Buch „Die Heilung der Mitte“. In diesem Buch hatte ich meinen Schreibstil gefunden: Mit persönlichen Worten und mit Beispielen aus meiner Praxis und meinem eigenen Leben wollte ich Interessierten die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) näher bringen. 2011 begann ich in diesem Stil für die Zeitschrift „Ursache & Wirkung“ eine Kolumne zu schreiben. Nach den geplanten vier Ar-tikeln war ich dann auf einmal fix dabei, und so schrieb ich über die Jahre viele Artikel, welche einen großen Bogen spannten, immer mit dem Hintergedanken, diese einmal als Bestandteil eines Buches zu veröffentlichen. Aus der Überlegung heraus, TCM-Interessierte und unsere Patientinnen und Patienten am Laufenden zu halten, begann ich 2016 einen Newsletter einmal wöchentlich, jeweils am Montag, per E-Mail auszusenden. Vor allem ging es darum, bekannt zu geben, ab wann wir wieder neue Patienten in unserer Praxis auf-nehmen konnten. Aus diesem Zweizeiler (anfangs so etwa: „Leider können wir noch immer keine neuen Patienten aufnehmen. Aber vielleicht sieht es bald anders aus ...! Ich halte Sie am Laufenden!“) wurde daraus mit der Zeit, vor allem auch, um die aufgeheizten Ge-müter zu beruhigen, weil es noch immer keine Termine gab, eine Art humoristisches Tagebuch der Familie Weidinger in Forchtenstein im Burgenland mit einem weisen Spruch für die Woche am Ende. Da ging es dann nicht nur um Chinesische Medizin oder Yoga, sondern auch und vor allem um die üblichen Fragestellungen und Streite-reien in einer Familie und auch um die Musik und vor allem darum, sich etwas davon für sich selbst mitnehmen zu können und Stoff zum Nachdenken für die ganze Woche zu haben. Da es bald ein bis zwei Stunden pro Woche in Anspruch nahm, die Newsletter-Adressliste aktuell zu halten, wurde 2017 aus dem Newsletter die „Montags-Ko-lumne“ auf Facebook, wie Sie sie heute noch einmal die Woche auf https://www.facebook.com/GeorgWeidingerlesen können.

Nun ist das vorliegende Buch eine Reise durch unsere letzten sie-ben Jahre, mit meinen schönsten Artikeln aus „Ursache & Wirkung“, mit den schönsten Geschichten meines Newsletters und meiner späteren Montags-Kolumne, mit neuen Geschichten und Gedich-

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ten, mit Fragen und Antworten zu so vielfältigen Themen wie „Was ist die TCM?“, „Wie viel sollte man täglich trinken?“, „Wie atmet man richtig?“, „Welche Geister gibt es in der TCM und was tun sie?“, „Wie wichtig sind Gefühle in der TCM und welche gibt es?“, „Wie nehme ich gesund ab?“, „Was ist die Tiramisutorte?“, „Was tue ich mit mei-nem Sicherheitsbedürfnis?“, „Wie wende ich die TCM bei Kindern an?“, „Wie bekomme ich Vertrauen in mein Leben?“ und zu noch vielen weiteren Themen aus dem Bereich der TCM, des Yoga, der (versuchten) Kindererziehung, der Hundehaltung, weiters Worte über Hermann Hesse ebenso wie über Konfuzius und Peter Roseg-ger, und dann noch über all die Zwischentöne, die uns tagtäglich im zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Bereich begegnen und die das wahre Leben ausmachen, mit vielen Worten, wie man vielleicht weise oder zumindest mit Humor damit umgeht. Dazu kommen dann doch viele weise chinesische und auch europäische Sprüche, die Ihnen, zusammen mit vielen stimmungsvollen Schwarz-weißfotografien, ein wunderbares Lesevergnügen bereiten sollen.

Dieses Buch ist ein sehr persönliches Buch, und die Kehrseite, die sich daraus ergibt, dass ich so ehrlich und direkt über mich, meine Familie und mein Leben schreibe, haben wir als Familie leider im-mer wieder kennenlernen müssen. Trotzdem ist es mein Weg, den mir mein Lehrer François Ramakers gewiesen hat. Er ist vor uns ge-standen und hat offen über seine Krebserkrankungen erzählt. Ge-rade deshalb war er so authentisch, weil er eben nicht Teile seiner selbst im Unterricht ausgeklammert hat. Es geht ja um unsere Mitte, um den Mittelpunkt unseres Lebens und um Mittel, die uns wieder in unsere Mitte bringen. Ehrlichkeit mit sich und den anderen ist dabei die Grundvoraussetzung. Es ist Teil unserer Gesellschaft geworden, dass man sich anders und besser präsentiert, als man wirklich ist, um sich besser zu verkaufen, um erfolgreicher zu sein, um den anderen keine Schwäche zu zeigen, die andere für ihren eigenen Vorteil aus-nutzen könnten, um nicht angreifbar zu sein. Vielleicht ist das in un-serer Gesellschaft mittlerweile überlebenswichtig. Damit ist es aber noch lange nicht richtig. Es soll in diesem Buch keinen Platz haben.

Dieses Buch ist das erste seiner Art: Ich schreibe über das, was ich weiß und was ich bin, über die Chinesische Medizin und über Yoga,

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mit meinem Hausverstand und meiner Erfahrung als Mediziner und Arzt der letzten mehr als 30 Jahre, mit den Erfahrungen, die ich durch meine Patientinnen und Patienten machen durfte, mit meinen Erfahrungen als Ehepartner und Vater, mit meinen Erfahrungen und Erlebnissen als Musiker. Ich zeige Ihnen meine Fotos, die vor allem in und um unsere neue Heimat Forchtenstein im Burgenland 2018 entstanden sind. Die Wälder, Wiesen und Felder, auf denen wir täg-lich ein bis zwei Stunden mit unseren mittlerweile vier Hunden unter-wegs sind, geben uns die Mitte und Ruhe, die wir für unser buntes Leben brauchen. Dann sehen Sie noch, wo wir 2018 überall waren: auf der Buchmesse Frankfurt, auf der griechischen Insel Zakynthos und Camping in Podersdorf am Neusiedler See.

Und ich zeige Ihnen meinen Klang, meine Musik. Daher finden Sie am Ende des Buches die Audio-CD „Der Klang der Mitte“, mit neu-en Stücken von mir, welche ich selbst komponiert und eingespielt habe. Als Zugabe gibt es darauf noch mein Lied „Thirty minutes“, welches wiederum unser wunderbares Leben hier am Land be-schreibt. „Thirty minutes“, dreißig Minuten, ist die Zeitspanne, in der ich täglich meine Frau Sandra nicht sehe, jene Zeit, in der sie Hannah in die Schule bringt und dann in unsere Praxis nachkommt, die sich mittlerweile in Bad Sauerbrunn (und damit nur mehr zehn Kilome-ter von unserem Wohnort entfernt) befindet, wohin ich mit dem Rad vorgefahren bin.

All das bin ich, all das macht mich aus, all das zeige ich Ihnen.

Es ist sehr schwer, in der heutigen Verlagslandschaft als unabhängi-ger nicht gesponserter Kleinstverlag, der wir sind, mit hochwertigen Büchern auf dem Markt zu bestehen. Daher unsere Bitte: Falls Ihnen dieses Buch gefällt, nehmen Sie sich kurz die Zeit und schreiben ein paar Worte darüber auf Amazon, Thalia, Weltbild und Co.

Vielen herzlichen Dank!

Mir bleibt nur noch, Ihnen viel Spaß beim Lesen, Ansehen und Mu-sikhören zu wünschen. Ich freue mich, dass ich Ihnen ein bisschen meines Glückes schenken darf ...!

Ihr Georg Weidinger

Forchtenstein, 29. Jänner 2019

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Eine Person, die behauptet,

etwas sei nicht möglich,

sollte die Person nicht stören

die es gerade tut.

chinesische Weisheit

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Präludium:

Heute morgen

Heute morgen

während eines Spazierganges

mit den Hunden

durch den vereisten Wald

ging mir so einiges durch den Kopf:

...

Ich ging nach Hause

räumte den Geschirrspüler aus

und begann

meinen Tag.

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Kapitel 1: Was ist Chinesische Medizin?

Der Titel, den mir die Universität Wien im Jahre 1995 verliehen hat, lautet „Doctor Medicinae Universae“, was man weitläufig übersetzt mit „Doktor der gesamten Heilkunde“, man meint damit aber die „ge-samte Heilkunde der westlichen Medizin“. Die gesamte Heilkunde unseres „Universums“, unserer Welt, unserer Erde, umfasst aber viel mehr, und wenn man mit dem Internet vertraut ist und Suchmaschi-nen wie Google zu nutzen weiß, wird man sehr schnell bemerken, dass unsere westliche Medizin nur einen Bruchteil der „gesamten Heilkunde“ dieser Welt ausmacht, wenn auch den für uns „Westler“ am meisten geläufigen. „Alternativmedizin“ nennen wir gerne „den Rest“, was für westliche Schulmediziner oft so viel heißt wie: „Wenn ich Ihnen mit unserer Medizin nicht helfen kann, na, dann können Sie ja gerne einmal einen Alternativmediziner aufsuchen“ – also ei-nen Mediziner, der eine „andere“ Medizin praktiziert. Aber, großes Aber: Weltweit gesehen ist unsere westliche Medizin eine „Alterna-tivmedizin“! Wenn hundert Menschen weltweit zu einem Arzt gehen, sind es nicht einmal drei, die zu einem westlichen Arzt gehen. Alle anderen müssen mit einem „Alternativmediziner“ (aus unserer west-lichen Sicht) vorliebnehmen! Und dieser Alternativmediziner macht dann eben Chinesische Medizin oder irgendeine Form der Natur-medizin oder Volksmedizin oder auch Homöopathie …

Die Maxime eines Doktors der gesamten Heilkunde müsste also sein, so viel wie möglich von der gesamten Heilkunde der Welt zu kennen und zu wissen, um unseren Patienten die bestmögliche und damit maßgeschneiderte Therapie anbieten zu können. Das heißt zum Beispiel, dass man ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt be-kommt (eine „westliche Methode“), aber vor und nach der Operation chinesische Kräuter schluckt, die den Blutverlust des Eingriffs mög-lichst gering halten. ODER dass man bei Menstruationsbeschwer-den eine Akupunktur-Behandlung bekommt. ODER dass man bei einer chronischen Entzündung der Nasennebenhöhlen Spülungen mit dem indianischen Luffa-Schwämmchen macht. ODER dass man bei chronischer Verstopfung eine ayurvedische Panchakarma-Kur durchführt. ODER dass man bei chronischer Müdigkeit eine tibeti-

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sche Kräuterrezeptur verordnet bekommt. ODER dass man bei einer Leberentzündung ein Medikament aus der japanischen Kampo-Me-dizin schluckt UND UND UND. Allein schon unser Doktoratstitel sollte uns Ärzten Ansporn genug sein, uns mit der GESAMTEN Heil-kunde dieser unserer Erde zu beschäftigen und uns unserer west-lichen „Wasserkopf der Welt“-Mentalität zu entledigen. Nur wenn ich von einer Methode weiß, kann ich sie anwenden. Ich muss um alle Möglichkeiten einer Therapie wissen, um eine „Alternative“ zu haben, und das kann dann bei einer bestimmten Erkrankung eine Alternative zur Chinesischen Medizin oder eben zur westlichen Me-dizin sein … Gott sei Dank haben wir unsere großartige westliche Schulmedizin! Unsere Schulmedizin ist wie ein Ferrari, und es gibt für einen Auto-Fan wohl nichts Schöneres und Perfekteres als einen roten Ferrari! Sie wissen, dass ein Ferrari sehr viel Geld kostet und ebenso wissen Sie, dass er sehr viel Benzin verbraucht. Wenn man Geld und Benzin hat, ist es wunderbar, mit dem Ferrari täglich in die Arbeit zu fahren, alle Besorgungen mit dem Ferrari zu machen, ihn auch zum Möbelkauf und zum Greißler nebenan zu steuern. Was für ein Luxus! Nun stellen Sie sich vor, dass es auf einmal kein Ben-zin mehr gibt oder dass Benzin sehr teuer geworden ist oder Sie Ihren Job verloren haben und sich das Benzin einfach nicht mehr leisten können. Was werden Sie dann als Fortbewegungsmittel wäh-len? Zum Beispiel Ihr altes Fahrrad! Sie brauchen kein Benzin und kommen trotzdem ans Ziel. Sie benötigen deutlich mehr Zeit und Sie müssen selber treten! Und das kann sehr anstrengend sein – vor allem, wenn es einmal bergauf geht. Das ist die Chinesische Medi-zin! Der Ferrari entspricht neueren Informationssystemen im Körper. Aber es gibt Störungen, Krankheiten, bei denen diese Informations-systeme nicht funktionieren. Sie sind zwar effektiver als die alten Sys-teme, deshalb wurden sie in der Evolution auch durch die neueren ersetzt, aber – wie bei allem, das eine gewisse Komplexität erreicht – auch störanfälliger. Wenn die neue Technik im Körper ausfällt, muss der Körper auf etwas Älteres zurückgreifen, um weiter funktionie-ren zu können. Und genau da setzt die Chinesische Medizin an. Der Vergleich Ferrari mit Fahrrad passt gut auf den Vergleich westlicher mit östlicher Medizin. Die westliche Medizin kann unglaublich viel, ist aber von Benzinpreis und Mechanikern abhängig. Ihren Ferrari

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können Sie nicht selber reparieren. Ihr Fahrrad schon. Die Chine-sische Medizin gibt Ihnen eine Fortbewegungsart, die langsam ist, bei der Sie selber treten müssen, die Ihnen oft Anstrengung abver-langt, aber sie gibt Ihnen den Einfluss auf Ihren Körper und Ihre Ge-sundheit zurück. Chinesische Medizin ist 80 Prozent Lebensführung, 10 Prozent Akupunktur und 10 Prozent chinesische Kräutermedizin (Medikamente). Und mit diesen 80 Prozent haben Sie selbst in der Hand, ob Sie gesund sind oder krank (mit Ausnahme von Katastro-phen und Unfällen und jenen Fällen in der Medizin, bei denen wir alle nicht verstehen, wie und woher die Erkrankung gekommen ist ...). Diese 80 Prozent inkludieren Ihr tägliches Essen und Trinken, Ihr tägliches Atmen, Ihre tägliche Bewegung, Ihren täglichen Schlaf, Ihren täglichen Stresspegel und wie Sie damit fertig werden sowie Ihre tägliche Lebensfreude. Die beste Krankheit ist die, die man nie bekommt! Unsere westliche Medizin ist eine Reparaturmedizin und das Reparieren kann sie sehr, sehr gut. Aber die Reparaturen kos-ten Geld und die Gesundheitssysteme unserer westlichen Welt be-ginnen zunehmend zu schwitzen. Viele Reparaturen wären definitiv nicht notwendig. Die westliche Medizin versucht, Reparaturen, die viel Geld kosten – zum Beispiel bei unserem Ferrari –, dadurch zu verhindern, dass sie regelmäßig „Gesundenuntersuchungen“ unse-res Ferraris macht, also horcht, ob der Motor irgendein komisches Geräusch von sich gibt, ob alle Flüssigkeiten, wie zum Beispiel die Kühlflüssigkeit, gut fließen und alle Leitungen im Ferrari gut leiten, ob alle Lichter funktionieren, ob die Profile der Reifen noch passen, ob der Motor nicht überhitzt und und und. Diese regelmäßigen Untersuchungen sind Früherkennungsuntersuchungen, keine Vor-sorgeuntersuchungen. Sie verfolgen das Ziel, so früh wie möglich Störungen im Organismus „Ferrari“ zu erkennen und wenn notwen-dig auch zu reparieren. Die Chinesische Medizin schaut sich den Ferrari an, schüttelt den Kopf und fährt mit dem Fahrrad ... Wenn man einen Ferrari fährt, ist es nun einmal unumgänglich, dass man diese Reparaturen braucht, dass man viel Benzin braucht. Glücklich der, der sich einen Ferrari leisten kann! Aber wer kann das, weltweit gesehen? Wer kann sich, weltweit gesehen, unsere teure westliche Medizin leisten? Und wie lange können wir uns noch unsere immer teurer werdende Medizin durch die steigende Zahl der Erkrankun-

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gen infolge unserer westlichen Lebensführung leisten? Weltweit ge-sehen ist die Chinesische Medizin die am häufigsten angewandte Medizin der Welt und Sie wissen vielleicht, dass die (traditionellen) Chinesen ein sehr gesundes Volk waren. Ein Fahrrad kann man sich bald leisten, einen Ferrari nicht. Mit beiden kommt man ans Ziel und mit dem Fahrrad weiß man das Ziel, wenn man es dann erreicht hat, auch viel mehr zu schätzen ... Die Chinesische Medizin ist wirklich eine Vorsorgemedizin, weil sie durch jahrtausendelanges Beobach-ten der Natur in und um den Menschen Zusammenhänge sehr gut versteht und sehr früh erkennt, ob etwas in einem System, zum Bei-spiel dem menschlichen Organismus, schieflaufen wird. Die ideale Kombination – und das schlage ich als die ideale Medizin für unsere westliche und so weit wie möglich auch für die gesamte Welt vor: ein Ferrari mit einem Klapprad im Kofferraum (man müsste den Ferrari halt so umbauen, dass ein Kofferraum entsteht, in den dann auch ein Fahrrad hineinpasst ...), also eine intelligente Kombination aus bei-den Welten, aus beiden Medizinsystemen, vielleicht noch erweitert durch einen Tretroller aus Indien (mit Wissen um Yoga und Ayurve-da) auf der Dachgalerie ... Man sollte so kombinieren, dass jedes Gesundheitssystem seine Stärke ausspielen kann, zum Beispiel die Vorsorgeuntersuchung nach Chinesischer Medizin mit entsprechen-der Lebensführungsänderung, das Fahrrad also für den Alltag und die täglichen Besorgungen, und den Ferrari dann einmal in der Wo-che für den Sonntagsausflug, denn die Stärken der westlichen Medi-zin sind ohne jeden Zweifel die Akutmedizin, die Notfallmedizin, die chirurgischen Methoden und die Reparaturleistungen bei eingetre-tenem Schaden. Wenn man heute schaut, welche Erkrankungen uns plagen und welche es im ländlichen China mit seiner traditionellen Ernährung und Lebensführung gibt, dann sind wir hier im Westen eindeutig kränker! Und vor allem haben wir hier im Westen viele Er-krankungen erfunden, die dort – im ländlichen China – nicht oder nur sehr vereinzelt auftreten. Man muss nicht groß Ursachenforschung bei uns betreiben, man muss sich nur verschiedene Völker und Kul-turen dieser Erde ansehen, die all unsere Erkrankungen nicht haben, und lernen und verstehen, warum sie diese nicht haben.

80 Prozent Lebensführung, 10 Prozent Akupunktur, 10 Prozent Kräu-ter! Wenn heute ein neuer Patient zu mir in meine TCM-Praxis kommt

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und erwartet, dass er einfach ein paar Kräuterchen und ein paar Na-deln bekommt, hat er sich getäuscht. – „Sie bekommen gerne Ihre Nadeln und gerne Ihre Kräuterchen, aber am allerwichtigsten ist, was Ihr Körper von Ihnen bekommt!“ Und dann geht es schon wieder los mit meiner Predigt ... Meine 10 Prozent Akupunktur und dann noch die 10 Prozent Kräuter bringen nur dann etwas, wenn Sie an Ihren 80 Prozent Lebensführung arbeiten. Stellen Sie sich die Chinesischen Kräuter als „Supergewürze“ vor. Wenn Sie dreimal täglich „Dreck“ essen, dann werden auch diese Supergewürze, die wir darauf streu-en, nicht wirklich etwas verändern können. Wenn Sie jedoch dreimal täglich ein (für ihren Körper) ganz wunderbares Essen zaubern und dann auch noch die chinesischen „Superkräuter“ verwenden, um Ihr Essen zu veredeln, wird Ihr Körper strahlen!

Gerne erzähle ich Ihnen, woher die Akupunktur kommt und wie wir heute glauben, dass sie funktioniert (obwohl eine typische chinesi-sche Aussage lautet: „Wenn etwas funktioniert, warum fragen, wie es funktioniert …!“). Gerne erkläre ich Ihnen, wie wir uns Puls und Zunge ansehen, um dadurch zu einer chinesischen Diagnose zu ge-langen, und danach unsere Kräutermedikamente zusammenbauen. Aber viel wichtiger sind die 80 Prozent! Viel wichtiger ist, dass Sie Ihr tägliches Leben angehen, dann werden Sie sehr bald bemerken, dass kleine Änderungen eine große Wirkung haben, wenn Sie diese täglich machen. So ist es mit der Ernährung, so ist es mit der Be-wegung, mit dem Umgang mit unseren Mitmenschen, mit unseren Tieren, mit unserer Erde. Ein chinesisches Sprichwort besagt:

„Wenn der Wind des Wandels weht,

bauen die einen Schutzmauern,

die anderen Windmühlen ...“

Bauen Sie Windmühlen!

Zu guter Letzt noch eine Hausübung – und meine Patienten be-kommen immer eine Hausübung –, auch wenn Sie den Zusammen-hang jetzt noch gar nicht verstehen: Essen Sie täglich ein warmes gekochtes Frühstück! Das kann ein gekochter Getreidebrei sein (Hafer- oder Reisflocken oder jede handelsübliche Müslimischung

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in Wasser oder Soja-, Reis-, Hafer- oder Mandelmilch eingeweicht und in der Früh etwa zehn Minuten gekocht, Obst, Nüsse, Sesam, Zimt, was immer Ihnen schmeckt, mitgeköchelt, dann zu dem gan-zen „Gatsch“ etwas gutes Fett dazu, kann Butter oder Pflanzenfett sein, eventuell etwas süßen mit Ahorn-, Agaven-, Reissirup oder Ho-nig – fertig!) oder eine Suppe oder Polenta oder Sterz oder was im-mer, es müssen gute, gekochte Kalorien drinnen sein (der heiße Tee oder Kaffee genügt nicht …!), was immer. Es soll Ihnen so richtig gut schmecken und Ihnen einen guten Start in einen noch besseren Tag ermöglichen! Und zuallerallerletzt noch ein Satz zum Nachdenken oder Meditieren: „Das Wichtigste am Essen ist nicht das, was man isst, sondern das, was man nicht isst!“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein erwärmendes Lesen und Ver-dauen!

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Ein guter Vogel

wählt den Baum aus,

auf dem er rastet.

chinesische Weisheit

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Interludium 1:

Landeier

Am Freitag haben wir zwei Landeier, Sandra und ich,

uns mal wieder nach Wien gewagt.

Nach einem Kurzbesuch im Zehnten

bei Peter, dem Zahnarzt, und einer Wurzelbehandlung,

um die drei Wochen währenden Zahnschmerzen,

durch eine Zahnbehandlung ausgelöst (...), endlich zu beenden,

wobei er verbal eloquent jedem Geräusch des Eingriffs

ein zahntechnisches Instrument und dessen Funktionsweise zu-ordnete, Peter ist auch Musiker, sodass ich heute gezielt die me-morierten Geräusche imitieren kann, wodurch ich mir den Eingriff lebendig im Gedächtnis halte (...), besuchten wir die Albertina,

betrachteten wir zunächst die Impressionisten,

dann die aktuelle Ausstellung mit Bildern von Egon Schiele,

mit 28 Jahren früh gestorben an der spanischen Grippe,

an Zahnschmerzen stirbt man nicht,

auch nicht an Knieschmerzen (Sandra!),

tief berührt wollten wir etwas Lebendiges

und sind weiter ins Schmetterlingshaus,

viele tote Schmetterlinge in den Ritzen der vorderen Scheibenfront,

sonst sehr schön heiß und schöne Falter,

vor allem die blauen sehr schön.

Wir, Schwellbacke und Humpelbein,

sind dann wie ahnungslose Touristen

dem Strahlen einer Chinesin vor ihrem Lokal

in das Lokal in die Falle gegangen.

Sobald die Bauchschmerzen nachließen

weiter durch den Ersten, in den Achten, zu Fuß,

Gyn-Kontrolle mit kollegialem Smalltalk,

er ist auch nicht aus Wien, aus Steyr (...),

und dann versucht schnell zur U-Bahn,

schnell zurück in den Zehnten, schnell zum Auto,

schnell aus Wien raus.

Endlich Stille.

Und Freiheit.

Landeier eben (...).

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Kapitel 2: Die Ursprünge der TCM

Die TCM und das heutige China können Sie vergleichen mit dem antiken Griechenland mit seiner Sprache und Philosophie und dem heutigen Griechenland in seiner Krise. Wie geht das zusammen? Die Traditionelle Chinesische Medizin wurde über Jahrtausende in China praktiziert, und für die Chinesen war sie das Selbstverständ-lichste der Welt. Mit den Kulturen rundherum hatte man Kontakt vor allem durch den Handel mit Waren und durch Kriege. Die Chine-sen waren Meister darin, sich Fremdes anzusehen und dann in ihre Kultur, in ihr Wissen und Denken zu integrieren. So war es mit dem Wissen über die fünf Elemente, welches das eigene traditionelle Denksystem von Yin und Yang bereichert hat. Und so war es dann auch mit dem Kontakt zu unserer westlichen Welt, vor allem ab dem 19. Jahrhundert. Aber irgendetwas war anders.

Der Westen hat China viel einschneidender verändert als der Kon-takt mit verwandten Kulturen in den Jahrtausenden davor. Der Wes-ten hat den „Keim der Veränderung“ in der ganzen Welt gepflanzt, auch in China. Auf einmal hatte die altbewährte Tradition auch in China keine Bedeutung mehr. Viel mehr noch, auf einmal war das Altbewährte verboten. So war es auch mit der Traditionellen Chi-nesischen Medizin. Anfang des 20. Jahrhunderts war es auf einmal verboten, die alte Medizin zu praktizieren. Die neue Medizin, die aus dem Westen kam, so wie die neue Mode aus dem Westen und das neue Denken aus dem Westen, war viel interessanter, viel besser. Und Sie wissen, und das ist nur allzu menschlich, wir wollen immer das, was die anderen haben. So war es auch in China. China wollte die Veränderung, wollte westlich werden und dabei sich gleich des Hemmschuhs der Tradition entledigen. Das ist die Geschichte Chi-nas im 20. Jahrhundert. Was daraus entstanden ist, wissen Sie.

In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts kam Mao Zedong und versprach dem Volk, es mit Ärzten, derer es zu dieser Zeit viel zu we-nige gab, zu versorgen. Mao hätte am liebsten lauter westliche Ärzte gehabt. Er selbst hielt nichts von der alten Chinesischen Medizin. Aber aus der Not heraus entsandte er seine Soldaten in das große

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Land, um all jene alten Meister der Chinesischen Medizin ausfindig zu machen. Die, die er fand, steckte er in eine Universität und wies ihnen die Aufgabe zu, innerhalb von sechs Monaten Ärzte auszu-bilden. Die Zeit war viel zu knapp. Wie gut kann man innerhalb von sechs Monaten Durchschnittsmenschen zu Ärzten machen? Unser Medizinstudium dauert sechs Jahre, und dann geht's erst los mit der Praxis, dem Üben …! Das Volk nannte diese Ärzte dann „die Bloßfüßigen“ und ihre schlechte Ausbildung bezahlten sicher viele Menschen mit dem Leben. Dieses „Wiederbeleben“ der alten Chi-nesischen Medizin war aus der Not heraus, schnell Ärzte hervorzu-bringen, eine totale Vereinfachung des alten Wissens und hatte nur in Ansätzen etwas mit dem großen alten Wissen der Chinesischen Medizin zu tun. Aber dieses vereinfachte Wissen ist das, was dann ab den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts bei uns im Westen als „Chinesische Medizin“ bekannt wurde. Und erst seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts kommt es zu einem Wiederentde-cken und Wiederbeleben des alten chinesischen Wissens hier bei uns, abhängig von guten Übersetzungen aus dem Chinesischen vor allem ins Englische. Was ich damit sagen möchte, ist, dass auch die TCM im 20. Jahrhundert in China gelitten hat und erst mit dessen Ende eine vermehrte Rückbesinnung auf die Tradition stattfindet, wahrscheinlich aber – fast typisch chinesisch – sehr „westlich moti-viert“ und das heißt profitorientiert.

Wenn wir heute im Westen TCM, die wahre alte Chinesische Medi-zin, anwenden, machen wir das im Geiste einer Rückbesinnung auf alte Werte, die es einmal in China gegeben hat und die auch die großartige alte Philosophie Chinas hervorgebracht haben. Wenn wir heute alte chinesische Werte schätzen und hochhalten, zeigen wir dem heutigen China, das sich unter dem Einfluss des Westens und vor allem der Philosophie des Kommunismus und später des Kapitalismus im letzten Jahrhundert so dramatisch verändert hat, friedlich, wie großartig China einmal war und wie großartig es auch in seinem alten Geiste wieder sein könnte. Und hier schließt sich der Kreis ...

Zurück zum „alten China“: Stellen Sie sich vor, wir sind jetzt in einem

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kleinen chinesischen Dorf vor etwa 3500 Jahren. In diesem Dorf lebt ein Schamane, ein Medizinmann, der dafür sorgt, dass die Men-schen im Dorf gesund bleiben, sowohl geistig als auch körperlich. Der Schamane weiß um Krankheiten und er stellt sich diese als böse Geister vor, die von außen in den Körper eindringen wollen. So hat er es von seinem Vater gelernt und dieser wiederum von seinem Vater. Und was macht man, wenn ein böser Geist in den Körper ein-gedrungen ist? Man lässt ihn wieder heraus! Und da gibt es mehrere Möglichkeiten. Der Schamane kann chirurgisch vorgehen, indem er einfach ein Loch in den Körper macht, und das macht er zum Bei-spiel mit einem Stein, einem Dorn oder einem Holzstück. Diese Me-thode nennen wir heute Akupunktur. Und er hat von seinem Vater gelernt, dass es optimale Stellen gibt für dieses Löchermachen und weniger optimale. Die optimalen Löcher führen dazu, dass der böse Geist den Körper verlässt und der Dorfbewohner wieder gesund wird. Die weniger optimalen Löcher führen dazu, dass der Dorfbe-wohner stirbt …

Zum Glück weiß unser Schamane um die optimalen Stellen für die Löcher, und das sind jene Stellen, unter denen sich keine großen Gefäße befinden, keine lebenswichtigen Organe und kein Gehirn. Die optimalen Stellen sind zum Beispiel an Händen und Füßen. Der Schamane kann aber auch internistisch vorgehen, indem er einem vom bösen Geist Befallenen etwas zu essen oder zu trinken gibt, das den bösen Geist dazu veranlasst, fluchtartig diesen Körper zu verlassen. Diese Methode nennen wir heute Kräutermedizin. Das Verabreichte können verschiedenste Pflanzenteile wie Wurzeln oder Früchte sein, aber auch Tierteile wie zerriebene Knochen oder Gallenflüssigkeit. Was immer, es muss dazu führen, dass der Geist verschwindet. So gesundet der Dorfbewohner und das wird er un-serem Schamanen sicher danken, indem er ihm sein Leben etwas schöner macht.

Eines Tages bekommt einer der Schützlinge unseres Schamanen viel Hitze, also Fieber, aber dieses Fieber ist irgendwie anders, als es der Schamane bisher gesehen hat. Er probiert seine Methoden wie Akupunktur und Kräuter aus, aber nichts hilft. Im Gegenteil, alles

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wird schlechter. Was macht er? Er kramt in seinem Gedächtnis, ver-sucht, sich an die Worte des Vaters zu erinnern. Und dann fällt ihm etwas ein: Er hat einmal ein Reh beobachtet, welches alle Anzeichen von viel Hitze (also Fieber) hatte, glasige Augen, unsicherer Gang, ein vom Schwitzen nasses Fell. Und dieses Reh hat dann bei einem bestimmten Strauch die Erde aufgekratzt, dessen Wurzeln freige-legt und die Wurzeln gefressen. Unser Schamane hat dem damals nicht viel Bedeutung beigemessen. Aber ein paar Tage danach sah er dasselbe Reh wieder putzmunter wegrennen … Und so geht der Schamane zu dem Strauch und gräbt ein paar Wurzeln aus, kocht sie gut aus, damit in dem Kochwasser dann alles drin ist, was vor-her in der Wurzel war, und flößt dem Fiebernden dieses Dekokt, diese Wurzelsuppe, ein. Und siehe da, nach ein paar Tagen springt der Dorfbewohner wieder so herum wie zuvor das Reh … Und das merkt sich der Schamane und er erzählt es seinem Sohn. Und die-ser wendet später dieses Wissen an, mehr noch, er schreibt es auf. Und so wie er schreiben viele, viele Söhne und sicher auch Töch-ter von Schamanen und auch Schamanen selbst ihr Wissen und das ihrer Vorfahren auf. Das ist Traditionelle Medizin! Ausprobieren und schauen, was passiert – und dann aufschreiben! Und China ist und war immer groß, und so gibt es viel Wissen aufzuschreiben, viel Wis-sen weiterzugeben.

Mein Lehrer François Ramakers hat gesagt, dass der Zeitpunkt der Entstehung der Traditionellen Chinesischen Medizin jener war, an dem man erkannte, dass Krankheiten nicht nur von außen, also qua-si als böse Geister, so wie es die Vorstellung heute noch im Schama-nismus gibt, sondern auch von innen, also hausgemacht, kommen können. Und das ist auch der Zeitpunkt, da die Selbstverantwortung des Patienten ins Spiel kommt. Man delegiert die Verantwortung nicht an einen Arzt oder Schamanen, der den bösen Geist rausholt, sondern man sorgt selbst dafür, dass man gesund bleibt, indem man gesund lebt, und das ist unsere tägliche Lebensführung, die Art, wie wir täglich leben.

Das Besondere an der TCM ist, dass man das alte Wissen nie verges-sen hat. Es hat zwar immer „neuere“ Methoden gegeben, aber die

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alten Methoden behielten ihre Gültigkeit, im großen Gegensatz zum westlichen Keim der Veränderung. Bei uns gilt das Neueste immer als das Beste: „Ich habe hier die neueste Pille für Sie. Ihnen wird es gleich viel besser gehen.“ Wenn wir zurückdenken hier im Westen an unsere Medizin, und wir denken nur ein paar Jahre zurück, grei-fen wir uns oft an den Kopf: „Wie konnte man nur vor 30 Jahren das und das geben …?“ Was sind 30 Jahre in der Chinesischen Medizin? Gar nichts! Und das können wir wieder von den alten Chinesen ler-nen. Bewahre das Alte und erinnere dich im rechten Moment daran!

Und zu guter Letzt gibt's wieder eine Hausübung. (Sie erinnern sich vielleicht an Kapitel 1: Ich erzähle Ihnen etwas und Sie arbeiten an Ihrer Lebensführung …) Die letzte Hausübung war „täglich ein warmes gekochtes Frühstück essen“. War es schwer auszuführen, in den Alltag einzubauen? Hat es etwas verändert? Denken Sie an den Schamanen und das Reh: Wenn es etwas verändert hat, dann merken Sie sich's! Aber Sie können nur dann wissen, ob und was es verändert, wenn Sie es einmal eine Zeit lang konsequent tun, zum Beispiel einen Monat lang. Und das gilt auch für die heutige Übung: Bitte bewegen Sie sich täglich bewusst! Nutzen Sie einen Teil Ihres Arbeitsweges, um sich zu bewegen. Bauen Sie kreativ Bewegung täglich in Ihren Alltag ein. Wenn Bewegung einmal Teil Ihres Allta-ges ist, brauchen Sie sich nicht mehr zu überlegen, ob Sie sich heute schon bewegt haben oder ob es sich überhaupt ausgeht, sich heute zu bewegen. Sie haben es dann eh schon gemacht! Daher täglich. Dann fallen auch die Fragen wie „Ist heute Montag oder Dienstag?“ oder „Bewege ich mich heute auch?“ und die Ausreden wie „Heute habe ich eigentlich keine Lust!“ oder „Ich bin gerade heute noch so müde …“ oder (und ich schaue gerade zum Fenster hinaus) „Es regnet!“ weg, weil Sie es ja ohnehin täglich tun!

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Jedes Ding hat drei Seiten:

Eine, die du siehst, eine, die ich sehe

und eine, die wir beide nicht sehen.

chinesische Weisheit

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Interludium 2:

Koniferen-Hecke

An der Grundstücksgrenze

zur Gasse hin

steht bei uns eine

über 30 Jahre alte

hohe Koniferen-Hecke,

eine von der Sorte, die hoch wächst

und unten luckig wird.

Sie bietet Abschirmung, Abgrenzung

um den Preis einer Friedhofsstimmung.

Kurzerhand haben wir jene heute

drastisch zurückgeschnitten.

Astlose Stängel ragen nun aus dem Boden

und unsere Gegenübernachbarn

sehen nun, dass wir auch in einem Haus leben.

Nun ist der ganze Garten mit Sonne geflutet,

auch die Hühner haben nun den ganzen Tag Sonne.

Friedhofsstimmung gegen Sonne

eingetauscht.

Ein guter Tausch ...

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Kapitel 3: Das Denken hinter der TCM

Heute möchte ich beginnen, Sie in das grundsätzliche Denken der Chinesischen Medizin einzuführen. Dabei werde ich Ihnen die fünf großen Organe (die Voll- oder ZANG-Organe) der Chinesischen Medizin vorstellen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir als aus-gebildete westliche Ärzte am Anfang unserer Ausbildung in der Tra-ditionellen Chinesischen Medizin vollkommen ungläubig und fas-sungslos den Worten unseres Lehrers François Ramakers gelauscht haben. Ungläubig deshalb, weil ständig Widersprüche zur westli-chen Medizin aufgetaucht sind, und fassungslos, weil die Logik der Chinesen unserer Logik oft entgegengesetzt scheint. Und alle paar Monate habe ich mir gedacht, dass ich so wohl nie werde denken können. Und „klick“, eines Tages habe ich so gedacht wie mein Leh-rer und denke seither so. Wahrscheinlich ergeht es vielen meiner Patienten mit meinen heutigen Worten so, wie es mir am Anfang der TCM-Ausbildung ergangen ist: verständnisloses Kopfschütteln!

Meine Erfahrung mit der Chinesischen Medizin: Sie funktioniert, wenn man so denkt wie „die Chinesen“, wenn man ihre Denkwei-se übernimmt, ohne ständig eine Entsprechung in der westlichen Denkweise einzufordern. Der Denkansatz ist eben ein anderer. Wenn man das annehmen kann, hat man schon gewonnen. Und wa-rum? Weil am Anfang einer Medizin, einer Behandlung, nicht das Denken steht. Erinnern Sie sich an das letzte Kapitel: Ein Medizin-mann braucht eine Behandlung für einen Patienten und er sucht und probiert und irgendwann funktioniert etwas, irgendwann schlägt die Behandlung an. Die Erklärung, wie die Behandlung wirkt, gibt sich der Medizinmann, der Schamane, erst nachher, weil er ja verstehen möchte, wieso diese eine Behandlung gewirkt hat. Und diese Erklä-rung ist abhängig davon, wie der Schamane denkt, in welcher Kultur er aufgewachsen ist, welche Sprache er spricht, welche Erklärungen er von seinen Eltern gelernt hat. So ist es auch in der Chinesischen Medizin. Zuerst haben die Chinesen vor Jahrtausenden eine Krank-heit erfolgreich behandelt und danach versucht, sich zu erklären, wie das möglich war.

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Also, ich fange einmal an, chinesisch zu denken: Das wichtigste Or-gan ist die MILZ. Die Milz ist unsere Mitte, unser Zentrum. Die Milz steht für unseren gesamten Verdauungsapparat, vom Mund bis zum After, alles, was mit Verdauung zusammenhängt, nennen wir chine-sisch Milz. Ich stelle mir das so vor: Die Chinesen haben vor mehr als 2.000 Jahren viel Anatomie betrieben. Sie haben verstorbene Men-schen aufgeschnitten und nachgesehen, wie es drinnen aussieht, um sich ein Bild zu machen. Dabei haben sie dieses große Organ im linken Bauchraum gefunden, das sehr viel Blut enthält – die Milz, so wie wir sie kennen. Von Immunsystem und Blutproduktion hat man damals noch keine Vorstellung gehabt, und weil dieses Organ so groß ist, hat man sich eben gedacht: Hm, das wird wohl der Ver-dauungsapparat sein, das Organ also, das das Gegessene weiter-verarbeitet. So ist der Name geblieben und über die englische Übersetzung dann auch ins Deutsche übertragen worden. Es wäre viel einfacher, man würde die chinesische Milz einfach „XY“ nennen, dann bestünde dieses Problem der Begrifflichkeit nicht ... Und da-mit es nicht ganz so einfach wird, gehört das Gehirn auch noch zur Milz dazu. Chinesisch ist das Denken auch eine Art Verdauungspro-zess und damit man gut denken kann, muss man gut verdauen (Sie kennen den Spruch bei uns „Das muss ich erst einmal in Ruhe ver-dauen“, gemeint ist damit, Erlebtes oder Gehörtes verstehen und verarbeiten zu können).

Ohne die „Milz“ geht gar nichts in unserem Körper, daher die Aus-sage:

Die Milz ist unsere Mitte, unser Zentrum. Die Milz schaut, dass es allen Organen im Körper gut geht.

In diesem Zusammenhang ist die Milz wie eine alleinerziehende Mutter von zehn Kindern. Die zehn Kinder sind die anderen Vollor-gane und alle Hohlorgane. Die Milz muss einkaufen gehen (Nahrung beschaffen), kochen (die Nahrung verarbeiten), dann den ganzen Abwasch machen, die Küche reinigen, die ganze Wohnung zusam-menräumen, sich um alle Kinder kümmern und alle ihre Bedürfnis-se stillen, von körperlichen Bedürfnissen wie eben essen, waschen, schlafen legen, anziehen, die Wäsche waschen, die Kinder erziehen,

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ihnen Geborgenheit geben, Liebe, Aufmerksamkeit und Anerken-nung, bis dazu, sie auch zu motivieren, ihr, der Mutter, im Haushalt zu helfen und sich auch gegenseitig um die Geschwister zu kümmern.

Chinesisch sagen wir, die Milz hält alle Organe am Platz, sie versorgt alle Organe mit Qi und Blut (sie kümmert sich um die Produktion und den Transport). Sie verwaltet die nachgeburtliche Essenz. Da-mit meint man jene Energie (Qi) und Substanz (Blut), welche nach der Geburt ständig produziert und neu gebildet wird. Die nachge-burtliche Essenz ist also jenes Qi und Blut, das die Milz täglich neu herstellt. Und diese verwaltet die Milz. Die Milz, die alleinerziehen-de Mutter, geht im Körper herum und schaut, welches ihrer Kinder etwas braucht, kontrolliert dabei auch gleich, ob Dreck herumliegt, und hebt ihn auf. Und wenn es dieser Mutter gut geht, dann geht ihr das scheinbar mühelos von der Hand und alle Kinder fühlen sich wohl, spielen miteinander, kümmern sich gegenseitig umeinander und alles fließt ... Die Milz baut die Substanz im Körper auf (wie Mus-kulatur und Arme und Beine). Sie beherbergt das Denken (und da-mit im übertragenen Sinne das Gehirn).

Wir essen und wir atmen. Die Milz macht aus beidem Qi und Blut. Qi ist die Energie, die im Körper fließt und den gesamten Körper, jede einzelne Zelle, energetisch versorgt, und Blut ist die Substanz, die im Körper fließt und den gesamten Körper, jede einzelne Zel-le, materiell versorgt. Und Sie werden jetzt sicher schon verstehen, dass das Blut, von dem wir chinesisch sprechen, nicht das Blut ist, das wir westlich mit einer Blutabnahme genauer anschauen und mit Begriffen wie Hämatokrit bestimmen können ... Blut nährt und kühlt, das ist die chinesische Aufgabe.

Damit Qi und Blut gut fließen, weil das die Definition von Gesund-heit und Leben ist, gibt es die Leber. Die Chinesen sagen: „Die Leber sorgt für den glatten Fluss aller Dinge.“ UND: „Die Leber verwaltet und speichert das Blut.“ Westlich gedacht hat die Leber zwei Funk-tionen, die Ausscheidungs- und Verdauungsfunktion (Herstellung von Gallensäuren und Verdauungsenzymen) und die Entgiftungs-funktion. Chinesisch gedacht erfüllt die Leber auch die Entgiftungs-

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funktion: Die Leber säubert sozusagen alle sechs Substanzen (ne-ben Qi und Blut gibt es die Flüssigkeiten, die Nahrung, den „guten“ Schleim – dazu später – und die Wärme, die auch im Körper im Fluss sein sollen), damit diese gut fließen können. So säubert die Leber auch die Nahrung von Giftstoffen, chemischen Zusätzen, Konservie-rungsmitteln und so weiter.

Die Milz hat ein Kind und das Kind heißt Lunge. Die wichtigste Funk-tion der Lunge ist die Atmung. Die Lunge führt die Atemluft (das Kosmische QI) nach unten in den Körper. Die Atemluft wird benötigt, um verdauen zu können. Auf zellulärer Ebene heißt das, dass wir den Sauerstoff für die „Zellatmung“ brauchen, für die Energiepro-duktion in jeder einzelnen Zelle des Körpers. Atmen heißt verdauen. So hängt die Milz mit der Lunge zusammen. Eine weitere wichtige Funktion ist das Verteilen von Abwehr-Qi (WEI QI) und Flüssigkeiten im Gewebe zwischen Muskulatur und Haut am ganzen Körper. Wenn die Verteilungsfunktion der Lunge gut funktioniert, ist das WEI QI unter der Körperoberfläche des gesamten Körpers gut und gleich-mäßig verteilt, sodass der Körper gegen äußere schädliche Einflüs-se (wie zum Beispiel Keime: Bakterien, Viren ... – chinesisch Wind, Hitze ...) geschützt ist. Westlich gesprochen macht daher die Lunge das Immunsystem. Die Haut ist chinesisch ein Teil der Lunge. „Die Lunge kontrolliert die Haut.“ Ein Zeichen einer starken Lunge ist eine starke Körperbehaarung. Diese entspricht dem Fell eines Tieres und dieses schützt das Tier vor Kälte und Wind und Sonneneinstrahlung. Wenn man ein gutes Fell hat, hat man einen guten Schutzmantel gegen äußere Einflüsse.

Das nächste Organ ist die Niere. Die Niere ist eine Art Speicher. Sie speichert YIN und YANG. YIN ist die Substanz in Speicherform, YANG ist die Energie in Speicherform. Beides zusammen bildet die Essenz, das JING.

Das Bild der Chinesen für das Jing in der Tradition ist eine Kerze, die brennt. Die Kerze entspricht dem YIN, die Flamme entspricht dem YANG. Bis ins 20. Jahrhundert war es die Vorstellung der Chinesen, dass, wenn die Kerze abgebrannt ist, der Zeitpunkt des Todes be-

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vorsteht. Auch die Chinesen haben im 20. Jahrhundert sehr viel ge-forscht, unter anderem auch mit der Kombination von westlichen Medikamenten und chinesischen Kräutern beziehungsweise auch mit Acetylsalicylsäure (ASA), einer Substanz aus der Weidenrinde, bei uns weitläufig als Aspirin bekannt. ASA verhindert zum Beispiel, dass das Blut stecken bleibt, verhindert eine Blutstagnation. Wenn das Blut stecken bleibt, wenn die Materie im Körper nicht gut fließt, wird man sehr krank, stirbt man.

Das neue Bild ist folgendes: Man muss mit seinem Nieren-Jing sehr gut haushalten. Aber wenn wenig da ist, ist das nicht zwangs-läufig ein Todesurteil: Wenn man darauf achtet, dass alles im Kör-per gut