Der kleine Fahrradladen - Werner Schwanfelder - E-Book

Der kleine Fahrradladen E-Book

Werner Schwanfelder

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Beschreibung

Oft werden Teams vor unerwartete Herausforderungen gestellt, etwa durch den Weggang einer Führungskraft. Wie kann ein Team das verkraften? In der Fabel vom kleinen Fahrradladen finden Führungskräfte und Teams die Inspiration, die sie in Zeiten des Umbruchs brauchen.

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Der kleine Fahrradladen
Schwanfelder, Werner
Campus Verlag
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
9783593404592
Copyright © 2008. Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de
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|2|Werner Schwanfelder war viele Jahre Einkaufsleiter bei einem international tätigen Unternehmen und kann auf einen reichen Erfahrungsschatz als Topmanager zurückgreifen. Heute hält er Vorträge und ist als freier Autor von Finanzratgebern und Managementbüchern erfolgreich. Bei Campus erschienen von ihm unter anderem Sun Tzu für Manager, Laotse für Manager und Buddha und der Manager.

|5|Peter Fleischmann ließ den Hörer auf die Gabel sinken. Einige Sekunden lang saß er wie gelähmt an seinem Schreibtisch, dann rieb er sich mit beiden Händen das Gesicht und atmete einmal tief durch. Es war noch früh am Morgen, doch der Tag hätte kaum schlimmer beginnen können. Soeben hatte er erfahren, dass der Einkaufsleiter seiner Division in der Nacht plötzlich und unerwartet verstorben war. Er war noch nicht alt gewesen, gerade 49 Jahre. Herzinfarkt, die gefürchtete Managerkrankheit. Die Nachricht vom Tod des Mitarbeiters bedrückte ihn. Mit ihm hatte er einen geschätzten und werten Kollegen verloren; zudem wurde ihm unsanft sein eigenes Alter ins Bewusstsein gerufen. Der Stress, die Belastungen – er wurde auch nicht jünger.

Peter Fleischmann zwang sich, seine Gedanken auf die Aufgaben zu lenken, die nun vor ihm lagen. Als Divisionsleiter war es an ihm, dafür zu sorgen, dass die Arbeit in der Einkaufsabteilung trotz des plötzlichen eingetretenen Verlusts reibungslos weitergehen konnte. Er würde mit den Mitarbeitern sprechen müssen, sich über ihre Aufgaben und Tätigkeitsbereiche |6|informieren und mit dem Personalchef über einen möglichen Nachfolger beraten. Das, so fürchtete er, könnte schwieriger werden, als ihm lieb war. Normalerweise gab es für jede seiner Führungskräfte einen sogenannten »Ziegelsteinkandidaten«. Das war so ein Sprachgebrauch. Eigentlich brutal, überlegte er. Mit diesem Begriff bezeichneten sie eine Vorsorgeregel. DieIdee dahinter: Ging eine der Führungskräfte spazieren und fiel ihr ein Ziegelstein auf den Kopf, sodass sie für das Unternehmen vom einen auf den anderen Tag ausfiel, gab es sofort, quasi nach Plan, einen designierten Nachfolger. Die Ziegelsteine der menschlichen Schicksale konnten damit dem Unternehmen nichts anhaben.

Doch in diesem Fall, das wusste Peter Fleischmann, gab es keinen Ziegelsteinkandidaten. Der Einkaufsleiter war ein überaus fähiger Kopf gewesen, engagiert und kompetent. Erst vor zwei Jahren hatte er die Leitung der Abteilung übernommen und in dieser kurzen Zeit bereits einiges geleistet. Er hatte die Mitarbeiter an klare Prozesse gewöhnt und darauf geachtet, dass sie auch eingehalten wurden. Es herrschte ein kollegiales Klima in der Abteilung, jeder Mitarbeiter arbeitete in seinem eigenen Verantwortungsbereich sehr eigenständig. Alles in allem eine Vorzeigeabteilung. Längerfristig, so war es mit Peter Fleischmann abgesprochen, hatte der Einkaufsleiter geplant, einen seiner drei Gruppenführer |7|stärker in die Führungsaufgaben einzubinden und so zu einem potenziellen Nachfolger heranzuziehen. Doch dazu war es nun zu spät. Seufzend griff Peter Fleischmann wieder zum Hörer und wählte die Durchwahl des Personalchefs.

*

Einige Tage später hatte sich Philip Roche, ein alter Studienkollege, zu Besuch angesagt. Er hatte in der Stadt zu tun und wollte kurz bei ihm vorbeikommen. »So kurz muss es auch nicht sein«, hatte Peter Fleischmann gesagt und ihn zum Abendessen eingeladen.

Nun saßen sie beisammen, unterhielten sich über die Vergangenheit und auch ein bisschen über die Gegenwart. Sein Freund war Unternehmensberater; seine Erzählungen klangen kompetent. Irgendwann hörte Peter Fleischmann gar nicht mehr intensiv zu, sondern überlegte. Sollte er? Vielleicht war diese Begegnung auch ein kleines Stück Schicksal? So setzte er sich plötzlich auf und sah seinen Freund an. »Ich habe da ein Problem.«

Dann erzählte er die Geschichte von seinem Einkaufsleiter.

»Ich möchte die Stelle möglichst intern besetzen. Doch keiner der drei potenziellen Nachfolger hat sich bislang als der richtige hervorgetan. Und die Abteilung braucht Klarheit, wie es für sie weitergeht|8|. Es stehen wichtige Entscheidungen an, deshalb muss dringend jemand her, der die Leitung übernimmt. Mir läuft die Zeit davon und ich bin völlig ratlos.«

Philip hatte aufmerksam zugehört. Nun sagte er: »Also, nach dem, was ich gehört habe, ist diese Mannschaft so gut aufeinander eingespielt, dass keiner eindeutig herausragt. Es gibt drei Gruppen mit jeweils einem Gruppenführer. Einer ist zuständig für die Commodities, einer für die Projekte und einer für den Support. Dein Einkaufsleiter hat es verstanden, die drei so zu einem Team zu verschmelzen, dass sie sich bestens ergänzen.«

Peter Fleischmann nickte. »Gemeinsam tragen sie die Abteilung. Und ich befürchte, wenn ich einem der drei die Leitung übertrage, zerstöre ich damit die Harmonie im Team. Das würde die Arbeit der gesamten Abteilung beeinträchtigen. Außerdem – selbst wenn wir einen Mitarbeiter aus dem Team mit der Leitung beauftragen könnten, ohne das Team zu schwächen, wüsste ich immer noch nicht, welcher von ihnen der Nachfolger sein sollte.«

Sein Freund sah ihn an. »Dann lass doch die Abteilung diese Frage für dich entscheiden.«

Peter Fleischmann schüttelte verwirrt den Kopf. »Wie soll denn das funktionieren?«

»Du sagst doch selbst«, erklärte Philip, »dass die Abteilung hervorragend läuft und du drei kompetente und engagierte Teamleiter hast, von denen du |9|grundsätzlich jedem die Leitung der Abteilung zutrauen würdest.« Sein Freund nickte stumm.

Philip fuhr fort: »Bisher haben sich die drei Gruppenführer natürlich darauf verlassen, dass ihr Chef ihnen die Linie vorgibt und die nötigen Impulse liefert. Sein Tod hat eine Lücke hinterlassen und sie haben zurzeit nicht das nötige Selbstbewusstsein, um diese Lücke füllen zu können.«

Peter Fleischmann nickte wieder. »Da hast du recht.« »Aber du kannst es ihnen geben«, stellte Philip fest. »Neue Aufgaben machen auch neue Kräfte frei. Gib ihnen die nötige Motivation, und du wirst sehen, bald läuft die Abteilung wieder wie geschmiert.«

Peter Fleischmann hob die Hände und zuckte mit den Schultern. »Und wie soll ich das anstellen?«

Philip Roche lächelte. »Auch da hätte ich eine Idee. Erinnerst du dich noch an meinen Fahrradladen?«

»Dieser Traditionsbetrieb, in dem du schon seit Jahren deine Räder warten lässt?« Peter Fleischmann wusste von der Leidenschaft seines Freundes, an der sich mit den Jahren offenbar nichts geändert hatte.

»Genau der«, bestätigte Philip. »Der hatte nämlich ein ganz ähnliches Problem. Es ist schon einige Jahre her …«

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Die Geschichte des Fahrradladens

In der Nacht des 10. April verstarb er, im Schlaf, ohne jedes Aufsehen. Um 23 Uhr 14 ging sein Atem plötzlich schneller, wurde schließlich zu einem kurzen Keuchen – fast schien er sich aufzubäumen –, dann sank er zurück in die Kissen. Er atmete nicht mehr.

Später sagten die Leute auf der Straße, es sei ein schöner Tod gewesen.Was immer damit gemeint war. Er hatte jedenfalls keine Schmerzen gehabt. Am Morgen erst bemerkte seine Frau seinen Tod, obwohl sie die ganze Nacht neben ihm gelegen hatte. Aber sie schlief gut und tief. Sie rüttelte ihn sofort, unwillkürlich, mit schnell wachsender Panik, aber da war ihr auch schon klar, was geschehen war. Sie weinte leise vor sich hin. Dann rief sie ihre Tochter an und den Arzt. Beide betraten fast gleichzeitig das Schlafzimmer. Die Tochter weinte.Der Arzt untersuchte denToten,nickte, murmelte etwas, stellte dann den Totenschein aus.

Er habe nicht gelitten. Todesursache Herzstillstand, altersbedingt. Dabei war er nicht so alt. Vor ein paar Tagen hatte er seinen 71. Geburtstag gefeiert. Man kann sich darüber streiten, ob 71 Jahre genug sind für ein ausgefülltes Menschenleben oder nicht. Seine |12|Frau bedauerte den Verlust, aber sie freute sich auch über 48 gemeinsame Jahre, und sie wusste, dass dies im Sinne ihres Mannes gewesen wäre.

*

In dem kleinen Fahrradladen, der sich nur einen Häuserblock entfernt in der gleichen Straße befand, hatte pünktlich wie jeden Tag um acht Uhr morgens der Arbeitstag begonnen und der erste Kunde mit einer kleineren Reparatur wartete schon ungeduldig vor der Tür. Der Fahrradmechaniker nahm sich sogleich des Problems an und war auch schon exakt neun Minuten später fertig. Der Kunde konnte wieder losziehen und seinenWeg zur Arbeit fortsetzen.Er fuhr wie jedenTag mit dem Fahrrad. Das Auto hatte er schon vor vielen Jahren verkauft. Er liebte das Fahrradfahren. Außerdem waren ihm die Unterhaltskosten für das Auto zu hoch geworden. Insbesondere der Benzinpreis war in astronomische Höhen gestiegen. Der Fahrradladen lag gerade auf seinem Weg ins Büro und er ließ sein Fahrrad regelmäßig dort warten. Diesen Luxus genehmigte er sich.

Peter Lehmann, der Besitzer, erschien an diesem 11. April nicht im Laden. Sonst war er jeden Tag zur Stelle, pünktlich um acht Uhr. Seine Angestellten zeigten sich leicht irritiert.

Kuni, der Lehrling, fragte die Kollegen verwundert: »Kommt der Chef denn heute nicht?« Die anderen |13|zuckten mit den Schultern. Sie begannen ihre Tagesarbeit und für einige Zeit konzentrierten sie sich darauf, sodass ihre Gedanken nicht abschweiften.

Aber es wurde neun Uhr und der Chef war noch immer nicht erschienen. Da rief der Meister Kuni zu sich und sagte zu ihr:»Kuni, geh doch mal rüber in dieWohnung und frag, wo der Chef bleibt.«