Überzeugend führen mit Machiavelli - Werner Schwanfelder - E-Book

Überzeugend führen mit Machiavelli E-Book

Werner Schwanfelder

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Beschreibung

Niccolo Machiavellis Anleitung zum Herrschen - "Il principe" - ist schon seit Jahrhunderten legendär. In seinem Buch stellt Werner Schwanfelder die Kerngedanken Machiavellis vor und "übersetzt" dessen überraschend aktuelle Erkenntnisse in Handlungsstrategien für Führungskräfte. Wie geht man mit unliebsamer Konkurrenz um und wie erlangt man die Loyalität seiner Mitarbeiter? Ist es klüger ein Ehrenwort zu halten oder unberechenbar zu sein? Antworten auf diese und andere Fragen findet der Autor in seiner fundierten, vor allem aber auch kurzweiligen Re-Lektüre Machiavellis.

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Seitenzahl: 392

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Werner Schwanfelder

Überzeugend führen mit Machiavelli

Warnung

Machiavelli kann für Ihre Karriere tödlich sein.

Bitte lesen Sie dieses Buch nur, wenn Sie sicher sind, dass Sie gemein sein wollen.

Für eventuell auftretende Folgeschäden bei unsachgemäßer Nachahmung von Machiavellis Theorien übernehmen weder Autor noch Verlag irgendeine Art von Haftung.

Werner Schwanfelder

Überzeugend führen mit Machiavelli

Machen macht mächtig

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-636-01512-9 | Print-Ausgabe ISBN 978-3-86881-187-2 | E-Book-Ausgabe (PDF)

E-Book-Ausgabe (PDF): © 2009 by Redline Verlag, FinanzBuch Verlag GmbH, München.www.redline-verlag.dePrint-Ausgabe: © 2005 by Redline Wirtschaft, Redline GmbH, Heidelberg.Ein Unternehmen von Süddeutscher Verlag | Mediengruppe.© dieser Sonderausgabe 2007 by Redline Wirtschaft, Redline GmbH, Heidelberg.Ein Unternehmen von Süddeutscher Verlag | Mediengruppe.Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur GmbH, München Satz: M. Zech, Redline GmbH Druck: Himmer, Augsburg Printed in Germany

Vorwort

An wen sich das Buch wendet und was man aus dem Buch lernen kann

Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Machiavelli. Er begleitet mich seit langem durch mein Managerleben. Ich beobachte mich und andere, ob und wie ich „machiavellisch“ handle. Mittlerweile habe ich keinen Zweifel, dass jeder Manager machiavellisch handelt. Aber was heißt schon machiavellisch? Was verbirgt sich hinter diesem Begriff, der eine Eigenschaft darstellt?

Viele verschiedene Definitionen habe ich gefunden und mich daher entschlossen, daraus ein Buch zu machen. Der erste, lang gehegte Gedanke war, eine Satire zu schreiben. Dem Manager den Spiegel vorzuhalten, ihm seine machiavellischen Wurzeln gnadenlos zu offenbaren. Aber damit würde ich Gefahr laufen, Machiavelli genauso zu missbrauchen, wie es viele Autoren vor mir gemacht haben.

Je mehr ich mich mit dieser Materie beschäftigt habe, desto mehr musste ich erkennen, dass die Worte Machiavellis große Weisheit enthalten. Dabei ist eine Weisheit wie eine Wahrheit, beide sind relativ. Nicht jede Wahrheit ist für jeden wahr und nicht jede Weisheit ist für jeden weise.

Dennoch bin ich immer wieder erstaunt über die Aktualität vieler Aussagen Machiavellis und als Mensch und Manager bin ich überzeugt, dass sich hinter den meisten ein wahrer Kern verbirgt. Manchen der Ratschläge Machiavellis werde ich aus Überzeugung nicht folgen, manchen nicht, weil sie geprägt sind durch die spezifische historische Situation. Aber – wäre ich in dieser Situation, würde ich dann anders handeln? Manchen Vorschlägen Machiavellis wäre ich schon aus Angst nicht gefolgt, andere hätte ich nicht einmal gedacht. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von Anregungen, denen ich bereits folgte, als Machiavelli noch nicht mein Bewusstsein prägte. Außerdem habe ich auch zur Kenntnis genommen, dass viele Manager „ihren“ Machiavelli wortgetreu in die Praxis umsetzen, was ich persönlich nicht unbedingt gutheißen kann.

Dabei haben nicht alle Manager gleichermaßen die Möglichkeit, Machiavelli als Rezeptbuch für sich selbst zu verwenden. Die Vorstände von großen Unternehmen haben die Macht, die persönlichen Eigentümer von mittleren und kleineren Unternehmen haben ebenfalls die Macht, „ihren“ Machiavelli allumfassend umzusetzen. Managern in einer unteren Hierarchieebene gelingt dies dagegen weniger. Sie müssen sich mehr mit traditionellen Motivationstheorien beschäftigen.

Im Bereich Management existiert also eine Zweiklassengesellschaft: Es gibt die Gruppe der Eigentümer, der Vorstände, der Manager, die in großen Firmen dem „Obersten Führungskreis“ angehören, wie dieser elitäre Zirkel in manchen Unternehmen genannt wird. Sie haben naturgemäß viel Macht. Und es gibt die „arbeitenden“ Manager, die nur ein bisschen Macht, aber sehr viel Arbeit haben. Während sich die erste Klasse der Manager mit dem Machterhalt beschäftigt, also der richtige Adressat der Machiavelli-Worte sind, beschäftigt sich die zweite Klasse in der Tat mit Motivationstheorien, mit Führungsphilosophie, mit vielen Themen, die man aus der aufgeklärten Managementliteratur kennt. Diese Gruppe hat Machiavelli weniger im Fokus. Aber auch sie haben sich in Praxis und Theorie mit machiavellischen Tendenzen auseinanderzusetzen. Wenn diese Manager in das obere und oberste Managementsegment aufsteigen wollen, ist es für sie schon aus diesem Grund interessant, Machiavelli zu studieren. Außerdem ist es für sie sicherlich nützlich, zu wissen, wie ihr Top-Management „tickt“.

Machiavellis Aussagen wirken vielfach sehr plakativ. Sie sind fokussiert auf den Herrscher, auf den absolutistischen Führer. So eng gesteckt ist der potenzielle Adressatenkreis natürlich gering. Aber beginnt man zu differenzieren, werden viele Bemerkungen klarer, griffiger, verständlicher. Und denkt man nicht nur an den absolutistischen Herrscher von damals, sondern an die vielen kleinen Herrscher in unserer Welt, wird die Zahl derjenigen, die Machiavelli mit Gewinn lesen können, fast unübersehbar. Schließlich ist jeder Manager in irgendeiner Art und Weise ein Herrscher und sei es nur über drei Mitarbeiter!

Somit kann ich nur jedem Manager empfehlen, sich mit Machiavelli open minded zu beschäftigen. Man sollte sich mit seinen Ratschlägen und Methoden auseinandersetzen und dann für sich entscheiden, welche man übernehmen will und welche man ablehnt. Zudem muss man die historischen Zusammenhänge verstehen, aus denen heraus Machiavelli sein Buch geschrieben hat. Sie treffen heute nicht mehr zu. Daher treffen natürlich auch manche Schlussfolgerungen Machiavellis nicht mehr zu. Oder doch? Das soll der Leser selbst entscheiden.

Manager ist mittlerweile bereits ein Massenberuf geworden. Untersuchungen gehen davon aus, dass mindestens fünf Prozent aller deutschen Arbeitnehmer Führungskräfte sind. Und Führungskräfte managen. In modernen Industrien und Branchen kommt man auf einen Managementanteil von 20 oder sogar 30 Prozent. Damit gibt es viele Menschen, die sich angesprochen fühlen können. Selbst dort, wo man herablassend über Machiavelli die Nase rümpft, wird Machiavelli gepflegt. Und in den meisten Fällen, in denen Machiavelli zitiert wird, wird er verkehrt verstanden, verunglimpft oder einfach falsch interpretiert. Viele Arbeitnehmer und alle Eigentümer sollten sich deshalb mit der Weisheit Machiavellis auseinandersetzen. Es würde ihnen nutzen.

Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass Machiavelli vielfach „gelebt“ wird, vielleicht nicht immer so direkt, wie die Lektüre von Machiavelli es vermuten lassen würde, sondern eher subtil. Aber manche Manager haben sich so offenkundig machiavellisch verhalten, dass bereits in der Öffentlichkeit über sie berichtet wird. Gegenwärtig gibt es eine Diskussion über „überbezahlte Konzernführer“, die verantwortlich dafür seien, dass die Akzeptanz unserer Wirtschaftsordnung schwinde. Dann wird vielfach auf Ron Sommer verwiesen, der dafür verantwortlich sei, dass zwar die Vorstandsgehälter um 89 Prozent erhöht werden, die Volksaktie jedoch absolute Tiefststände erreicht hat. Ein gutes Beispiel ist auch die Commerzbank, die die Firmenpension für ihre Mitarbeiter streicht, die Vorstände aber daraus eine vielfach erhöhte Pension und Erfolgsbeteiligung ableiten. Oder der Mannesmann/Vodafone-Fall, in dem Manager sich großzügig bedient haben: Machiavelli hätte sich gefreut. Ich sehe hier durchaus Parallelen zu den Gedanken Machiavellis. Der hätte jedoch empfohlen, ruhiger und stiller vorzugehen, wenn man nicht die Macht hat, Entscheidungen ohne Widerspruch zu treffen und umzusetzen.

Wenn ich selbst über mein Managerleben nachdenke, dann muss ich gestehen, dass ich nicht viel „Machiavellisches“ betrieben habe. Das war vielleicht ein Fehler. Während ich dieses Buch schrieb, überlegte ich mir, ob ich meine Arbeitspraxis ändern sollte. Vielleicht sollte ich die Ratschläge Machiavellis stärker befolgen. Es gilt dann allerdings, einige Barrieren bewusst zu überwinden. Ob dies sinnvoll ist, werden wir feststellen, wenn wir Machiavelli folgen.

Der Aufbau des Buches ergibt sich aus dem Werk „Il Principe“. Ich habe mich an den jeweiligen Kapiteln orientiert und diese dann „übersetzt“ oder vielmehr „übergeleitet“ in meine Managementerfahrung. Ich habe meine Schlussfolgerungen mit Zitaten begründet oder mit Managementerfahrungen aus Vergangenheit und Gegenwart. Einen Anspruch auf die absolute Wahrheit erhebt dieses Buch selbstverständlich nicht – die Wahrheit eines Managers ist zu facettenreich. So muss sich auch jeder Leser seine eigene Wahrheit mit diesem Buch erarbeiten.

Ich wünsche Ihnen eine anregende und unterhaltsame Lektüre!

Werner Schwanfelder

Wer war eigentlich Machiavelli?

Machiavellis Gedanken sind nur zu verstehen, wenn man sich mit seinem Leben und seiner Zeit beschäftigt. Deshalb werfen wir zuerst einmal einen Blick in das 15. Jahrhundert.

Niccolò Pietro Michele Machiavelli wurde am 3. Mai 1469 in Florenz geboren. Sein Vater war ein gut situierter Notar, der dem oberen Mittelstand angehörte. Um Machiavellis Philosophie zu verstehen, muss man sein gesellschaftliches Umfeld kennen, denn gerade dieses ist bestimmend für seine Entwicklung und seine Erfahrungen.

In Machiavellis Geburtsjahr, 1469, übernimmt Lorenzo de Medici die Macht über Florenz und seine knapp 90.000 Einwohner. Anfangs herrscht er zusammen mit seinem Bruder Giuliano, aber bald kommt es zu diversen Streitigkeiten zwischen den Brüdern, die natürlich auch Auswirkungen auf die Regierungsgeschäfte haben. Als Giuliano von einer Verschwörergruppe ermordet wird, schwingt sich Lorenzo zum Alleinherrscher auf. Man munkelt, dass Lorenzo in das Attentat verstrickt sei, aber nachweisen lässt sich ihm nichts. Der Alleinherrscher Lorenzo de Medici schafft aber Ruhe und Sicherheit in seinem Staat. Die Bürger verehren ihn.

Machiavellis Jugend verläuft also in Ruhe und Freude, und in der Stadt Florenz herrscht Frieden. Er verlebt eine wunderbare Kindheit, und es ist eine stabile Zeit für den ganzen Staat. Daher verbindet Machiavelli mit dem Begriff „Alleinherrscher“ nur positive Assoziationen. Lorenzo de Medici sichert während seiner Herrschaft dauerhaften inneren Frieden und äußere Sicherheit für die Region. Die schönen Künste und die Naturwissenschaften werden gefördert und gepflegt.

Machiavellis Vater ist nicht sonderlich reich, aber er investiert bewusst in die Erziehung seines Sohnes. Niccolò erhält die notwendige Ausbildung, um in Florenz bestehen und ein politisches Amt übernehmen zu können.

Die aktive politische Karriere Machiavellis beginnt 1498. Schon seit ein paar Jahren neigt sich die stabile Periode in Florenz ihrem Ende zu. Das politische Umfeld verändert und verschlechtert sich. Piero de Medici übernimmt 1492 die Macht. Er ist jedoch unfähig und kann dem Staat Frieden und Sicherheit nicht mehr garantieren. Nur zwei Jahre später, 1494, besetzt Karl VIII., König von Frankreich, die Stadt Florenz. Piero de Medici kann sich gegen die Franzosen nicht durchsetzen und verliert an Einfluss und politischem Gewicht. Er wird zu einer Marionette der Franzosen. Aber es kommt noch schlimmer. Piero de Medici wird von dem Prediger Savonarola vertrieben. Der errichtet in Florenz eine Theokratie und gibt der Stadt eine radikaldemokratische Verfassung.

Vier Jahre lang regiert Savonarola bis Papst Alexander VI. ihn exkommuniziert und als Ketzer auf der Piazza della Signorina hängen und hinterher auf dem Scheiterhaufen verbrennen lässt (23. Mai 1498).

Genau in diesem Jahr, das sicherlich nicht zu den ruhigsten in der Geschichte von Florenz zählt, wird Machiavelli am 19. Juni zum Sekretär der „Zweiten Kanzlei“ ernannt. Dies ist eine Art Kriegs- und Außenministerium und untersteht direkt dem „Rat der Zehn“. Damit befindet sich Machiavelli im Zentrum der Macht. In dieser Zeit lernt Machiavelli die Strukturen der Macht kennen – und er ist sehr lernbegierig!

Eine seiner ersten Aktivitäten dürfte die Abfassung einer uns überlieferten Denkschrift an den „Rat der Zehn“ sein, in der er behauptet, dass die Auseinandersetzung mit der abtrünnigen Stadt Pisa allein militärisch zu lösen sei. Kurz darauf kann Machiavelli Machtausübung in der Praxis erproben. Aufgrund seiner Empfehlungen wird der Krieg begonnen. Machiavelli agiert zwar nicht als Feldherr, aber er organisiert den mühevollen Krieg. Er beschafft den Sold und sichert den Nachschub, er rechtfertigt den Krieg vor der Bürgerschaft und vermittelt pausenlos zwischen den konkurrierenden Söldnerführern. Kriege in diesen Jahren wurden von bestehenden Söldnerheeren geführt, die man mehr oder weniger mieten konnte. Die Zusammenarbeit mit den Befehlshabern der Söldner war aber nicht immer einfach und schon gar nicht berechenbar. Aus dieser Zeit resultiert Machiavellis Ablehnung des weit verbreiteten Söldnerwesens, das er als ineffizient, teuer und letztlich auch als politisch unzuverlässig empfindet.

Seine wirkliche diplomatische Laufbahn beginnt 1499. Machiavelli reist in diplomatischem Auftrag durch Europa. Er agiert als Teil des Macht- und Beziehungsgeflechts im europäischen Hegemonialkrieg, der gerade blutig in Italien ausgetragen wird. Dabei versucht er, das mit Frankreich verbündete Florenz aus den Unruhen herauszuhalten.

Machiavelli erlernt mit dieser Aufgabe die Kunst der Diplomatie. Ob seine Vermittlungsbemühungen jedoch erfolgreich waren, kann man heute nicht mehr nachvollziehen. Wahrscheinlich war er nur ein kleines „politisches Licht“ in diesem Spiel.

Im Jahr 1500 reist Machiavelli nach Nevers an den Hof von Ludwig XII. und bleibt als Gesandter ein halbes Jahr in Frankreich. In Briefen berichtet er von der diplomatischen Ohnmacht, die seine Mission kennzeichnet. Er erkennt die Grenzen von Macht und Einfluss, stellt fest, dass andere noch mächtiger sind. In dieser Zeit formuliert er bereits manche seiner späteren Lehrsätze. Er begreift, dass ein Gemeinwesen ohne Waffen im Machtspiel dem Untergang geweiht ist und dass nur ein national geeinter Staat wirklich im europäischen Hegemonialkampf bestehen kann.

Von 1506 bis 1507 baut er in Florenz eine Volksmiliz auf und verwirklicht damit seine militärische und politische Lieblingsidee. Er begreift dies als seine politische Aufgabe und sein Vermächtnis. Sein Ziel ist es, Florenz von den nicht berechenbaren Söldnerheeren unabhängig zu machen.

Bereits in der Vergangenheit hat sich Machiavelli für die Rückeroberung Pisas eingesetzt – allerdings erfolglos. Mit den Söldnerheeren, die ursprünglich eingesetzt worden waren, misslang der Feldzug. Erst 1509 unterwirft die Florentiner Bürgermiliz Pisa nach langer Belagerung. Dies kann man als den größten politischen Erfolg Machiavellis bezeichnen.

1510 wird eine „Heilige Liga“ gegründet, mit der Absicht, Florenz zu erobern. Die Medici unterstützen diese heilige Liga und wollen mit ihrer Hilfe die Stadt für sich zurückerobern. Machiavelli versucht die Bürgermiliz zu verstärken, um in dieser Lage Florenz wehrhaft und verteidigungsfähig zu machen. Dabei hat er aber die Kraft der Bürgerwehr überschätzt. Erwartungsgemäß kann sie die Stadt nicht verteidigen: 1512 nehmen von den Medici finanzierte Söldnerheere Florenz ein.

Der Rat wechselt sofort die politischen Fronten und auch Machiavelli folgt diesem Vorbild. Er singt das Lob der Medici und hofft darauf, Amt und Einfluss zu behalten. Er ist fest davon überzeugt, dass gute Beamte überall gebraucht werden. Doch er täuscht sich, es kommt anders. Am 9. November entlässt der neue Medici-Rat den einstigen Spitzenbeamten Machiavelli aus allen Ämtern. Außerdem darf er die Stadt für die Dauer von zehn Jahren nicht verlassen.

Dies bedeutet für Machiavelli zunächst das Aus. Aber er kapituliert nicht. Bereits im Jahr 1513 versucht er mit allem Nachdruck wieder ein Amt zu bekommen. Doch seine Anstrengungen sind nicht von Erfolg gekrönt. Im Gegenteil, Machiavelli wird sogar verdächtigt, gemeinsam mit Freunden an einer Verschwörung gegen die neue Regierung teilgenommen zu haben. Er wird verhaftet und sogar mehrmals gefoltert. Erst nach einiger Zeit stellt sich seine Unschuld heraus und er wird auf freien Fuß gesetzt, bleibt jedoch weiterhin verdächtig. Die Situation hat sich für ihn aber insofern verbessert, dass er Florenz verlassen und er auf sein ärmliches Landgut La Strada bei San Casciano zu Sant’ Andrea ziehen darf. Dort lebt er mit seiner Familie und dort entsteht auch seine Werk „Il Principe“ („Der Fürst“). So verdankt die Menschheit den schwärzesten Stunden im Leben Machiavellis die hellsichtigsten Analysen der Politik. Manche Historiker bezeichnen dies als die Geburtsstunde der Politikwissenschaft.

Machiavelli schreibt aber nicht nur dieses Buch, sondern auch Theaterstücke und Novellen. 1518 entsteht die erste Fassung der Komödie „La Mandragola“. Sie handelt von Macht und Ohnmacht der Tugend. Weiterhin schreibt er (1520) die Abhandlung „Über die Kriegskunst“. Im gleichen Jahr entsteht die Herrschernovelle: „Das Leben Castruccio Castracani aus Lucca“. Dies ist die Geschichte eines Herrschers, der aus eigener Kraft zu Macht kommt, der sie aber auch wieder verliert. In dieser Geschichte werden die philosophischen Lehrsätze Machiavellis praktisch umgesetzt.

Das Jahr 1520 bringt aber auch eine entscheidende Veränderung seiner Lebenssituation mit sich: Auf Veranlassung Kardinals Giulio de Medici wird er von der Universität Florenz beauftragt, die Geschichte von Florenz zu Papier zu bringen. Fünf Jahre später liefert er die Arbeit seinem Auftraggeber, der mittlerweile Papst geworden ist (Clemens VII., vormals Giulio de Medici) ab. Damit ist Machiavelli öffentlich rehabilitiert und erhält wieder kleinere Gesandtschaftsaufträge. 1526 überträgt man Machiavelli erneut ein wichtiges politisches Amt in seiner Heimatstadt, er wird zunächst Mitglied, schließlich Vorsteher der „Procuratori delle mura di Firenze“, eines Gremiums, das zuständig ist für die Instandhaltung der Stadtbefestigung. Damit hat er wieder eine politisch-militärische Aufgabe. Er hat Florenz vor den kaiserlichen Truppen zu schützen.

Doch 1527 verliert die Heilige Liga das politische Spiel. Der Medici-Papst flieht in die Engelsburg. Florenz wird zwar verschont, die Medici aber werden verjagt und die alte republikanische Ordnung wieder hergestellt. (Aber auch dies sollte nur ein Intermezzo im Machtkampf sein, nach nur drei Jahren kehren die Medici wieder zurück!)

Da sich Machiavelli auf die Seite der Medici geschlagen hatte, wird er nun ironischerweise als deren Gefolgsmann politisch geächtet, er verliert wieder alle Ämter und zieht sich resigniert auf sein Landgut zurück. Am 22. Juni 1527 stirbt Niccolò Machiavelli und wird einen Tag darauf in der Franziskanerkirche Santa Croce beigesetzt.

Machiavellis Visionen und sein Meisterwerk „Il Principe“

Machiavelli erlebte sein Umfeld als eine ständige Bedrohung von unterschiedlichsten, nicht berechenbaren Machtströmungen. Das Italien am Anfang des 16. Jahrhunderts bestand aus einer Unzahl von Kleinstaaten, Fürstentümern und dem Vatikanstaat. Diese bekriegten sich gegenseitig und wurden auch noch von den mächtigen spanischen und französischen Nachbarn instrumentalisiert. Kriege waren an der Tagesordnung und viele Menschen sehnten sich nach Frieden, Stabilität und Ordnung.

In diesem historischen Kontext schrieb Machiavelli sein Hauptwerk „Il Principe“. Die Arbeit war eine typische Zweckschrift, ursprünglich als Anleitung und Unterstützung für Giuliano de Medici gedacht. Giuliano de Medici war unter den damaligen Politikern und Herrschern ein einflussreicher Mann, dem Machiavelli die Einigung Italiens zutraute. Auf diese Persönlichkeit konzentrierte Machiavelli seine Sehnsucht nach Frieden und Stabilität. Machavelli hatte erkannt, dass eine solide Ordnung ohne eine feste, mächtige Hand nicht umsetzbar ist. Deshalb plädierte er für die Macht und den Machterhalt des Herrschers.

Das Werk Machiavellis ist nur vor diesem sehr persönlichen Lebens- und Erfahrungshintergrund zu verstehen, der durch das politische und gesellschaftliche Zeitgeschehen geprägt ist. Seine politische Überzeugung resultierte aus der Erkenntnis, dass sich seine Heimatstadt und auch das restliche Italien in einer tiefen Krise befanden. Er sah in Stadt und Staat den Spielball der Interessen ausländischer Mächte. Daher suchte Machiavelli nach Mitteln und Wegen, die aus dieser Lage herausführen könnten. Er setzte sich dafür ein, die Umklammerung der Stadtstaaten durch fremde Mächte zu lösen. Er kam zu dem Schluss, dass eine Voraussetzung hierfür starke Regierungen, also starke Fürsten seien und er sprach den amtierenden Regierungen die ausreichende Stärke ab und konstatierte deren Unfähigkeit zur politischen Gestaltung. So wurde für Machiavelli die Errichtung einer neuen und starken Herrschaft die Lösung. Denn: Nur ein starker Fürst kann den Frieden des Gemeinwesens sichern. Dies ist sein absolutes und immer wieder variiertes Credo.

„Il Principe“ ist aber auch eine Zweckschrift im eigenen Interesse. Machiavelli hatte den Verlust seiner politischen Ämter nie verwunden und fühlte sich ungerecht behandelt. Mit seiner Schrift versuchte er, sich wieder für ein Staatsamt zu qualifizieren. Seine politischen Schriften, die er auf seinem Landgut verfasste, sind also durchaus egoistisch motiviert. Sie dienten in erster Linie seiner Rehabilitation und sollten ihm im Stadtstaat Florenz wieder zu Amt und Würden verhelfen.

Sein politisches Vermächtnis hat Machiavelli im 26. Kapitel hinterlassen. Es ist überschrieben mit: „Aufruf zur Befreiung Italiens von den Barbaren“.

Diese Aussage kann man für die damalige Zeit durchaus als visionär und revolutionär bezeichnen. Machiavelli wünschte sich nichts sehnlicher als einen italienischen Nationalstaat, groß und mächtig genug, um mit den anderen Großmächten wie Frankreich, England, Spanien und der Habsburger Monarchie konkurrieren zu können. Aber diese Vision Machiavellis war historisch verfrüht. Seine Gedanken waren weder reif für seine Zeit noch hatten sie auch nur die geringste Chance auf Umsetzung. Aber die Geschichte gab ihm Recht. Der italienische Nationalstaat wurde in den Jahren 1861 bis 1870 durch Giuseppe Garibaldi verwirklicht.

Die Zweckschrift „Il Principe“ richtete sich an das damals in Florenz regierende Geschlecht der Medici. Die Medici nahmen es aber wahrscheinlich gar nicht zur Kenntnis. Jedenfalls hielten sie sich nicht an die Ideen und Ratschläge Machiavellis. Erneut wurden sie 1527 aus Florenz vertrieben, konnten sich allerdings ab 1551 als Herzöge der Toskana etablieren. Im 16. und 17. Jahrhundert spielten die Medici in Italien eine wesentliche Rolle. Aus ihrem machtvollen Geschlecht gingen immerhin drei Päpste und zwei Königinnen von Frankreich hervor. Machiavelli erhoffte sich von diesem starken Geschlecht die Verwirklichung eines italienischen Nationalstaats. Viele Passagen seiner Werke beziehen sich direkt auf die Medici:

„So verharrt Italien immer noch in Todesstarre und Erwartung, bis der kommt, der es von seinen Schlägen heile […] Es gibt aber gegenwärtig niemanden, auf den es mehr Hoffnung setzen könnte als auf euer berühmtes Geschlecht […] es könnte die Führung der Befreiung übernehmen.“

Machiavellis Stil ist nüchtern und distanziert. Das lässt ihn manchmal kalt und zynisch erscheinen. Er gibt dem Fürsten manche Ratschläge, die aus unserer heutigen Lebenserfahrung eher realitätsfern erscheinen. „Der Fürst“ war aber gedacht als eine Anleitung oder Gebrauchsanweisung zur Erhaltung und Festigung von Fürstenhäusern und Staatsgebilden. Machiavelli verfasste diese durchaus einseitige Schrift, da die Fürsten für ihn die Garanten für Ruhe und Stabilität waren, sozusagen die Basis des Wohlstands. Seine Vorschläge basieren also immer auf folgender Grundannahme: „Ist der Fürst stark, geht es auch seinem Volk gut.“

Weiterhin darf man nicht außer Acht lassen, dass damals ein Fürst in der Regel nicht aufgrund seiner Qualifikation oder durch demokratische Wahlen Herrscher wurde, sondern durch Geburt oder durch gewaltsame Machtübernahme. Die Medici sind dafür ein gutes Beispiel: Aufgrund ihrer finanziellen und regionalen Macht etablierten sie drei Päpste, die sich nicht eben durch besondere Frömmigkeit für dieses heilige Amt auszeichneten. Aus dieser Tatsache konstruierte Machiavelli ein einfaches Gedankenspiel:

Ein Großteil aller Fürsten (weltlicher wie kirchlicher) verfügt weder über die notwendigen Führungsfähigkeiten noch über Charisma. Sie halten sich nur durch verbrecherische Machenschaften an der Macht. Daraus folgt natürlich, dass selbst (die wenigen) fähigen Fürsten in einer Krisensituation zu unlauteren Mitteln greifen müssen, um zu überleben.

Machiavelli und seine Fürsten lebten in einer Zeit, in der ein jeder Fürst eifersüchtig danach trachtete, sich selbst und seine Macht zu erhalten und nach Möglichkeit seine Macht, und damit sein Land und die Zahl seiner Untertanen zu vergrößern. Ihre Triebfeder war lediglich ihr Egoismus. Es herrschte ein Prinzip, das wir aus dem Tierreich kennen: „Fressen oder gefressen werden.“ Und nicht nur die Fürsten lebten nach diesem Prinzip. Auch die Bürger eiferten ihnen nach. Jeden Tag erlebten die Bürger, dass sie von ihren Fürsten, Beamten, von all den mehr oder weniger Mächtigen ausgenutzt wurden. Und sie erwarben im Laufe der Zeit eine gewisse Geschicklichkeit, ihrerseits die Herrscher auszunutzen. Und jeder Bürger, der in eine noch so kleine Machtposition kam, nutzte sie aus.

Machiavelli wirft daher einen recht desillusionierten Blick auf seine Zeitgenossen. Weder die Herrscher noch das Volk sind für ihn „zukunftsfähig“. Die Fürsten bieten jedoch immerhin Stabilität, auch wenn sie habgierig sind. Das Volk dagegen verkörpert für ihn das Chaos. Denn das Volk ist ebenso habgierig und lebt dies aus, sobald man ihm die Freiheit dazu gibt. Deshalb charakterisiert Machiavelli die Menschen in einer für uns heute vielleicht hart anmutenden Weise

„Denn von den Menschen kann man im Allgemeinen das sagen: Sie sind undankbar, wankelmütig, heuchlerisch, scheuen die Gefahr und sind gewinnsüchtig.“

Ambivalent ist Machiavellis Einstellung zu Cesare Borgia (1475 bis 1507), dem ausschweifenden, mordenden und intriganten Renaissancefürsten und späteren Papst Alexander VI. Einerseits äußert er sich ziemlich zynisch über ihn, andererseits aber auch ehrfürchtig. Denn auch wenn Cesare Borgia nach unserem Verständnis kein Vorbild war (und wohl auch nicht nach dem Verständnis von Machiavelli), erfüllte dieser Fürst aber gerade die Ansprüche seiner Zeit und war, so betrachtet, sehr erfolgreich. Machiavelli stellt zu Cesare Borgia mehr als sachlich fest:

„Cesare Borgia galt als grausam; trotzdem hatte diese Grausamkeit die Romagna wiederhergestellt, geeint und wieder zu Frieden und treuer Ergebenheit gebracht.“

Die Grausamkeit brachte Cesare Borgias Herrschaftsbezirk auch eine gewisse Stabilität. So stellte sich für Machiavelli die Frage, was besser sei: ein schwacher Fürst mit Chaos in seinem Land oder ein grausamer Fürst mit Stabilität in seinem Reich.

Machiavellis Empfehlungen sind für seine Zeit durchaus fortschrittlich. Er toleriert Grausamkeiten bei der Erschaffung und Sicherung eines neuen Staatsgebildes (wobei er immer die Schaffung eines italienischen Nationalstaats vor Augen hat), lehnt sie jedoch bei erfolgter Stabilisierung ab. Machiavelli warnt seine Fürsten daher davor, „verhasst“ zu werden. Vorsichtig und zurückhaltend formuliert er seine Thesen und Ratschläge, fast wirken sie im Ton unterwürfig. Dieser Duktus mag in dem Rangunterschied begründet sein. Der Schreiber Machiavelli ist von niedererem Stand, die Fürsten dagegen sind die Herrscher der Welt. Einem Herrscher kann man in dieser Zeit Zusammenhänge nur dann versuchen zu verdeutlichen, wenn man ihm gleichzeitig auch schmeichelt – zumindest in einem Zweckbuch. Machiavellis Botschaft enthält dabei immer die Mahnung, dass die Fürsten nach der Konsolidierung gerecht, ehrenhaft, rücksichtsvoll und maßvoll regieren sollten.

Seit dem Erscheinen im Jahr 1532 bis zum heutigen Tage wurde das Werk „Il Principe“ vielfach kritisiert, indiziert und falsch interpretiert. Der Verfasser wurde als Menschenfeind diffamiert, ihm machtbesessener Despotismus unterstellt. Häufig wurden Zitate aus dem Zusammenhang gerissen und missbraucht. Gut dreißig Jahre nach Machiavellis Tod wurden seine Schriften auf den Index gesetzt und verbrannt. Die Brutalität in den Religionskriegen wurde Machiavelli angelastet. Die wissenschaftlichen Kommentare Fichtes und Hegels begünstigten später, dass Faschisten das Werk rezipierten, die Gedanken Machiavellis instrumentalisierten und sein Gedankengut einseitig umzusetzen versuchten. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde es möglich, das Werk Machiavellis ohne Vorbehalte zu lesen, zu besprechen und zu nutzen. Denn Machiavelli beschreibt unbestreitbare politische Tatsachen, an denen keine Monarchie, Oligarchie oder demokratische Regierungsform vorbeikommt. Dabei liegt sein Hauptaugenmerk nicht auf dem Wohle Einzelner (z. B. der Fürsten), sondern auf dem Wohle aller und dabei besonders auf dem des Bürgertums. Machiavelli betont immer wieder die wechselseitigen Abhängigkeiten: Auch das Wohl und Wehe des Fürsten hängt vom Volke ab.

Wer Machiavelli komplett liest, wird dieser Interpretation zustimmen. Um das Wohl des Volkes zu erreichen, muss ein Fürst ab und an auch unpopuläre Entscheidungen fällen. Aber er muss sehr darauf achten, dass es dem Volk gut geht, denn das Volk ist der Bestandsgarant des Fürsten.

Wir werden versuchen, Machiavellis Herrschaftsanleitung mit der Managerbrille zu lesen, und uns fragen, was man davon heute noch als Manager übernehmen kann und was endgültig der Vergangenheit angehört.

Wer wäre Machiavelli heute: Herr Meyer-Machiavelli

Da sowohl die persönliche Situation Machiavellis als auch die politische Grundstimmung im 16. Jahrhundert nicht jedem geläufig sind, versuchen wir die Aussagen Machiavellis in die heutige Managementwelt zu übertragen. Blicken wir also einen Moment auf den modernen Niccolò Machiavelli, einen Meyer-Machiavelli, um Niccolò Machiavellis Leben und Handeln besser nachvollziehen zu können.

Die Lebensgeschichte von Meyer-Machiavelli ist nicht aufregend. Der Knabe wurde geboren, ist der Stolz seiner Eltern. Bravourös meistert er die Volksschule und das Gymnasium, studiert dann an einer angesehenen Universität Betriebswirtschaft. Man erzählt ihm in den Vorlesungen einiges über Unternehmensführung, Führungsverhalten, Motivation und Ähnliches. Er hört aufmerksam zu, das Fach begeistert ihn. Er lernt mit Effizienz, denn er hat geradlinige Lehrer. Sie sind in dieser Zeit seine Vorbilder.

Nach Überreichung seines Diploms tritt er in eine altehrwürdige Firma, die Fahrradfabrik AG ein. Es ist ein großer, traditionsbewusster Konzern mit gutem Image.

Meyer-Machiavelli wird Vertriebssachbearbeiter und nach einiger Zeit Gruppenführer. Der Vorstand dieses Unternehmens ist altgedient, recht autoritär und hat sein Unternehmen fest im Griff. Jeder Manager hat seine Gewohnheiten. So auch dieser. Er hasst zum Beispiel Unpünktlichkeit. Alle Sitzungen beginnen fünf Minuten vor der Zeit und jeder, der nur pünktlich kommt, wird angeschnauzt. Alle Mitarbeiter des Unternehmens haben gelernt, sich mit dem Führungsstil zu arrangieren. So hat sich eine gewisse Ruhe, eine ausgeglichene Emsigkeit ausgebreitet.

Irgendwann geht dieser Vorstand in den Ruhestand und ein anderer wird bestellt. Dieser ist jünger, hat neue Ideen, pflegt einen neuen Stil. Er versucht junge Mitarbeiter um sich zu scharen. Meyer-Machiavelli profitiert davon, er wird zum Abteilungsleiter befördert und untersteht nun direkt dem neuen Vorstand. Für ihn beginnt nun eine höchst schaffensreiche und produktive Zeit. Er baut seine Abteilung auf, schärft sein Produktportfolio und steigert den Umsatz immens. Auch der erwirtschaftete Gewinn kann sich sehen lassen.

Da wird nach gar nicht langer Zeit der neue Vorstand abberufen. Die Mitarbeiter erfahren die Gründe nicht. Sie stellen nur fest, dass sich in kurzer Zeit vieles ändert – insbesondere der Führungsstil. Es weht ein kälterer Wind durch die Flure des Konzerns. Meyer-Machiavelli bleibt zunächst Abteilungsleiter, aber ganz plötzlich bekommt er die Kündigung. Er ist fassungslos, kann sich den Grund nicht erklären. Der neue Vorstand lässt durchblicken, dass er die alten Zöpfe abschneiden will. Dazu gehören auch die Mitarbeiter, die sein Vorgänger eingestellt hat. Um ihm den Abgang etwas zu versüßen, erhält Meyer-Machiavelli noch eine angemessene Abfindung.

Meyer-Machiavelli zieht sich mit dieser Abfindung in sein Haus am Stadtrand zurück und beginnt nach einiger Zeit ein Buch zu schreiben. Es hat den Titel: „Wie man etwas gemein und sehr erfolgreich wird – Tipps für Manager“. In diesem Buch versucht er Managern Ratschläge zu geben, wie sie an die Macht kommen und wie sie sich an der Macht halten können. Es finden sich eine ganze Reihe Tipps, die aus den praktischen Lebenserfahrungen von Meyer-Machiavelli resultieren. Schließlich konnte er bereits einige Vorgesetzte begleiten, hat mit ihnen einige Erfahrung gesammelt. Weiterhin hat er auch Manager in anderen Unternehmen befragt und deren Antworten systematisch ausgewertet. So könnte sein Buch zu einem Grundlagenwerk für jeden Manager werden.

Das Buch ist aber nicht für jeden Manager gedacht – es ist für seinen Vorstand gedacht. Als das Buch fertig ist, lässt er sich einen Termin beim Vorstand geben und überreicht diesem sein Werk. Der Vorstand ist zweifelsohne erstaunt, damit hat er nicht gerechnet. Er liest das Buch und ist begeistert. Ja, genauso will er sein, wird er sein. Er kann dem Buch viele Ratschläge entnehmen. Besonders das letzte Kapitel: „Appell an alle: Wir wollen, dass ein großer Manager die Macht übernimmt und unser aller Geschick positiv beeinflusst“, rührt ihn. Er weiß, er ist der gesuchte „große Manager“.

Voller Dankbarkeit stellt er Meyer-Machiavelli wieder ein, zwar nicht als Abteilungsleiter, sondern als Gruppenführer, aber das ist immerhin auch schon eine beachtliche Position. In dieser Position arbeitet Meyer-Machiavelli einige Zeit eifrig und stetig.

Da erschüttert das Unternehmen mehr als eine Revolution. Der Vorstand wird öffentlichkeitswirksam entmachtet und sein Vorgänger kommt zurück. Die Mitarbeiter freuen sich und auch Meyer-Machiavelli hofft auf noch viel bessere Zeiten. Doch er wird nun verdächtigt mit dem alten Vorstand kooperiert zu haben. Es wird ihm Verletzung von Firmeninteressen vorgeworfen. Schließlich erhält er erneut seine Entlassung. Voller Gram zieht er sich in sein Haus am Stadtrand zurück und stirbt nach kurzer Zeit.

Zum Verständnis: Die Grundzüge der Philosophie Machiavellis

Die Schrift „Il Principe“ kann als erste theoretische Schrift des politischen Realismus bezeichnet werden. Machiavelli entwirft ein Sittengemälde seiner Zeit und gibt Überlebens-Ratschläge. Seine politische Theorie leitet er aus seinen politischen, gesellschaftlichen und ganz persönlichen Erfahrungen ab. Er hat sich aber auch intensiv mit der Geschichte seines Landes auseinander gesetzt und kommt zu folgenden Erkenntnissen:

Geschichte ist von Menschen gemacht und geprägt. Geschichte wiederholt sich. Menschen wiederholen in Zyklen immer wieder das Gleiche. Die Menschen lernen nicht voneinander.

Machiavelli geht nicht darauf ein, warum das so ist. Er versucht aber, die Menschen (die Fürsten), die durch ihr politisches Handeln Geschichte machen, für seine Erkenntnisse zu sensibilisieren. Mit seinen Ratschlägen will er zumindest in den permanenten Kreislauf, die ständigen Wiederholungen eingreifen. Er hegt zwar nicht die Hoffnung, sie vollständig unterbinden zu können, aber er hat durchaus die Vision, dass sich – würden seine Ratschläge auch nur teilweise befolgt – auch der Verlauf der Geschichte änderte.

Der erste Kernsatz der Philosophie Machiavellis: Die Weltgeschichte verläuft immer in gleichen Bahnen und Kreisläufen.

Machiavelli schreibt: „Wenn ich den Lauf der Welt bedenke, so finde ich, dass die Welt stets die gleiche war. Es gab immer so viel Böses wie Gutes, aber beides wechselte von Land zu Land. So wissen wir aus der Geschichte, dass die alten Reiche durch den Wechsel der Sitten bald stiegen, bald sanken; die Welt aber blieb die gleiche.“

Der zweite Kernsatz der Philosophie Machiavellis fußt auf seinem Menschenbild: Menschen können den Verlauf der Geschichte verändern. Aber der Mensch wird angetrieben von egoistischem Ehrgeiz. Der Mensch ist asozial, unpolitisch und triebhaft.

Machiavelli ist der Meinung, dass die Masse der Menschen die Welt in ein Chaos stürzen wird. Daher bedürfe es einer Ordnung, um die Welt zu stabilisieren. Machiavelli begründet dies folgendermaßen:

„Alle […] stimmen darin überein, und die Geschichte belegt es durch eine Menge Beispiele, dass, wer einer Republik Verfassung und Gesetze gibt, alle Menschen als böse voraussetzen muss, dass sie oft ihre üblen Neigungen zeigen werden, wie ihnen Gelegenheit gegeben wird.“

Mit dieser Auffassung unterscheidet sich Machiavelli von den meisten seiner Zeitgenossen, die den Menschen zumindest Vernunft zubilligen. Das sieht Machiavelli nicht so. „Vernünftig“ handeln die Menschen nur, wenn sie dazu gezwungen werden.

Der dritte Kernsatz der Philosophie Machiavellis folgt daraus: Der Erhalt des Staates ist von vordringlicher Bedeutung. Hierfür bedarf es Spielregeln (Gesetzen).

Machiavelli befürchtet aber, dass sich die meisten Menschen nicht freiwillig an diese Spielregeln halten werden. Sie sind viel zu egoistisch und nutzen daher das Gemeinwesen aus. Wenn dies aber jeder tut, wird das Gemeinwesen zerfallen.

Seine Schlussfolgerung ist daher, dass es besser sei, wenn nur wenige bestimmen. Diese wenigen werden den Staat zwar auch ausnützen, aber da sie nur wenige sind, können sie den Staat als Gesamtheit nicht zugrunde richten. Diese wenigen benötigen jedoch die notwendige Macht, um sich durchzusetzen, um die Spielregeln (für die anderen) durchsetzen zu können.

Machiavelli billigt den Herrschenden zu, den Staat auszubeuten. Quasi als Gegenleistung hat der Regierende aber auch die Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen. Es ist also notwendig, dass der Regierende fähig ist. Ist er unfähig, wird er nicht die richtigen Entscheidungen treffen, nicht die richtigen Institutionen für die Entwicklung des Gemeinwesens einsetzen, nicht die richtigen Gesetze verabschieden. Damit gerät das Gemeinwesen über kurz oder lang in eine Krise und löst sich schließlich auf. Das Chaos hält erneut Einzug.

Die Ordnung in einem Land ist abhängig von den Charaktereigenschaften der Führer. Machiavelli machte seine sehr persönlichen Erfahrungen mit seinen „Chefs“, die seiner Ansicht nach den Niedergang seiner Heimatstadt Florenz und den Krisenzustand Italiens zu verantworten hatten. Die Inkompetenz der politischen Führer ist seiner Ansicht nach schuld am Verfall. Diese Führer verstehen es nicht, die Menschen zu „ordnen“. Auf den Straßen ihres Gemeinwesens herrschen anarchische Zustände, die jede Ordnung zu Fall bringen müssen.

Der vierte Kernsatz der Philosophie Machiavellis lautet: Der Herrscher hat stark zu sein. Ist er stark, führt er mit fester Hand, dann wird das Gemeinwesen stark und die Menschen werden sich mit dem Gemeinwesen auch identifizieren.

So verstanden könnte man annehmen, Machiavelli glaube doch an historischen Fortschritt. Er will den Herrscher stärken, damit dieser wiederum das Gemeinwesen stärkt. Davon erhofft er sich Stabilität und Frieden für alle Menschen. Aber er gibt sich keinen Illusionen hin; die dauerhafte Pflege des Gemeinwesens ist eine fast unmenschliche, unlösbare Aufgabe.

Aus seinen Überlegungen leitet sich das Acht-Phasen-Modell der Gemeinschaft nach Machiavelli ab.

1. Phase: Das Gemeinwesen liegt in der Krise danieder. Ein erster Führer kristallisiert sich heraus. Er wird in den meisten Fällen jemand sein, der eine bestimmte Stärke aufweist.

2. Phase: Der Führer festigt seine Herrschaft und erlässt die ersten Gesetze, um das Gemeinwesen zu ordnen.

3. Phase: Die Ordnung stabilisiert sich. Nun kommt es darauf an, ob der Herrscher eine Vorbildfunktion übernimmt. Dadurch und durch neu zu gründende Institutionen wie Gerichte und Schulen werden die Menschen politisch erzogen und entwickeln ein erstes Gemeinschaftsgefühl.

4. Phase: Der Herrscher entwickelt eine Republik, einen Staat, der selbsterhaltungsfähig ist. In dieser Phase tritt der Herrscher ab. Er gibt damit auch seine Macht ab.

5. Phase: Die Republik stabilisiert sich. Jeder Bürger versteht sich als ein Teil der Gesellschaft, identifiziert sich auch mit deren Schicksal und trägt zum Erhalt der Gesellschaft bei. Das Gemeinwesen hat den Gipfel der Vollkommenheit erreicht.

6. Phase: Es setzt ein Verfall der sittlichen und politischen Moral ein, das Gemeinwesen zerfällt.

7. Phase: Die Institutionen verlieren ihre Macht und können daher die Ordnung nicht aufrechterhalten.

8. Phase: Es kommt zu Chaos und Bürgerkrieg, der Tiefpunkt der Entwicklung ist erreicht. Aus dem Chaos mündet der Weg erneut in die 1. Phase.

Nach Machiavelli wiederholen sich immer wieder die gleichen Handlungsstränge im Laufe der Menschheitsgeschichte. Sein Anliegen ist daher, dass die Herrscher aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernen, um die Zukunft anders gestalten und die Phasen des Aufschwungs verlängern zu können.

Machiavelli: „Wer sich mit der gegenwärtigen und antiken Geschichte beschäftigt, erkennt leicht, dass alle Staaten und alle Völker von jeher die gleichen Wünsche und die gleichen Launen hatten. Untersucht man nun sorgfältig die Vergangenheit, so ist es ein Leichtes, in jedem Staat die Zukunft vorherzusehen und die gleichen Mittel anzuwenden, die auch von den Alten angewandt wurden, oder bei ähnlichen Ereignissen neue auszudenken, wenn bereits erprobte Mittel nicht zur Hand sind.“

Je mehr ich mich mit der Philosophie Machiavellis beschäftigt habe, desto „wahrer“ wurde sie für mich. Es gibt heute keine Herrscher mehr, die jenen ähnlich sind, für und über die Machiavelli geschrieben hat. Aber noch immer gibt es viele Herrscher, die die Macht über ihren Einflussbereich haben – so wie über kleine Fürstentümer. Das sind neben den Politikern in vermehrtem Maße auch Manager, die Herrscher über unsere Wirtschaft. Ein großer Teil der Macht in unserem Staat liegt bei diesen Lenkern der Wirtschaft. Während im politischen Staat viel Macht vom Volk ausgeht, zumindest bei den Wahlen, hat der Manager eine unangefochtene Position. Er wird, wenn überhaupt, nur von anderen Managern kontrolliert, von der gleichen Gattung sozusagen. Damit bleibt die Kontrolle systemimmanent.

Das Acht-Phasen-Modell Machiavellis lässt sich auch auf den Zustand unserer Unternehmen anwenden. In welchem Stadium befinden sich unsere großen Unternehmen? Welche Entwicklung haben wir in den nächsten Jahren zu erwarten?

Macht, Gewalt und Verantwortung

Ehe wir uns nun mit Machiavellis Theorie im Einzelnen beschäftigen und uns überlegen, wie wir von ihm profitieren können, möchte ich noch einen gewissen Rahmen ziehen.

Machiavelli spricht von Macht. Er empfiehlt diese Macht auch zu nutzen, letztendlich für „gute“ Ziele. Hat jemand Macht inne (Machiavelli hatte sie nicht, aber die Herrscher, die er beraten wollte), so hat die Vergangenheit und unser aller Erfahrung gezeigt, dass viele Machthaber vor Machtmissbrauch nicht gefeit sind. Der Machtmissbrauch kann durchaus unterschiedliche Dimensionen beinhalten, er kann von einer kleinen Übervorteilung bis zu einem autoritären Regiment reichen.

Der Machtmissbrauch im Großen fällt heute natürlich stärker auf und wird auch öffentlich gebrandmarkt. Die Medien – die natürlich auch selbst Machtmissbrauch betreiben können –, wachen darüber. Alltäglich scheint dagegen der Machtmissbrauch im Kleinen zu sein. Bei aller emanzipatorischen Mitarbeiterführung sind viele Vorgesetzte vor Machtmissbrauch nicht gefeit, insbesondere wenn sie selbst unter Druck stehen.

Was Machtmissbrauch in Unternehmen ist, wird selbstverständlich auch subjektiv und unterschiedlich beurteilt. Der gleiche Tatbestand stellt für den einen einen gravierenden Eingriff in seine Freiheiten dar, ein anderer empfindet ihn dagegen als vollkommen natürlich. Schon aus diesen wenigen Sätzen wird ersichtlich, wie problematisch hier eine Einschätzung und Wertung ist.

Macht und Gewalt werden erst durch die verantwortungsbewusste Anwendung gesellschaftsfähig. Eigentlich dürfte es nicht verantwortete Macht gar nicht geben. Dem ist natürlich nicht so. Die Mächtigen zu allen Zeiten haben sich geweigert zuzugeben, dass sie im Grunde schwache und angstgesteuerte Menschen sind. Solche Menschen neigen dazu, Macht verantwortungslos einzusetzen. Häufig ist ihnen dies gar nicht bewusst.

Beispiel:Ein Manager in der Fahrradfabrik AG wurde mit den schlechten Zahlen konfrontiert. Nach einer Phase des Staunens sagte er: „Meine Herren, dies muss anders werden.“ Er erhob seine Stimme. „Wir werden andere, sehr ernste Maßnahmen ergreifen.“ Die Zuhörer lauschten den Worten. Dann setzte der Manager noch nach: „Wenn diese Maßnahmen nicht wirken, werden wir noch zu ganz anderen Maßnahmen greifen müssen. Sie werden sich wundern.“ Was sollten die Zuhörer nun mit diesen Aussagen anfangen, welche neue Botschaft enthielten sie? Keine! Der Manager hat nur seine Verunsicherung und seine Angst weitergegeben. Es wäre besser gewesen, er hätte nichts gesagt, nachgedacht und dann zielgerichtete Maßnahmen ergriffen. Angst und Unsicherheit sind immer schlechte Berater.

Auch die Parteien der Politik verbrauchen in Zeiten der politischen Krise, bei hoher Arbeitslosigkeit und Unsicherheit der Bevölkerung ihre Kräfte gerne in Konfrontation und Schuldzuweisungen und verhalten sich nicht lösungsorientiert. Auch hinter solchem Verhalten vieler Politiker steckt Unsicherheit und sicher auch Versagensangst.

Es bleibt auch heute noch eine Tatsache, dass Herrscher (Politiker und auch Manager) immer wieder überfordert sind. Das ist kein Vorwurf. Herrscher sind auch nur Menschen. Aber Überforderung erzeugt Unsicherheit und ein entsprechendes Führungsverhalten. So können wir immer wieder sehen, dass in vielen Staaten und auch in vielen Führungsetagen Angst als Führungsinstrument eingesetzt wird. Es sind die Angstbesetzten, die Ängstlichen, die Schwachen, die ihrerseits Angst verbreiten. Es ist auch offensichtlich, dass in schlechten Zeiten eher die Angst regiert als in guten Zeiten. Angst ist aber immer ein schlechter Ratgeber. Angst erzeugt Gewalt, in vielen Fällen unverantwortete Gewalt.

Was versteht man unter Verantwortung? Verantwortung kann aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Immer jedoch wird nach Verantwortung folgendermaßen gefragt:

Wer verantwortet? Was, welche Aktion wird verantwortet? Wann wird etwas verantwortet? Wem gegenüber und weswegen wird etwas verantwortet? Wofür wird die Verantwortung übernommen?

Man kann Verantwortung und „Nichtverantwortung“ an einem einfachen Beispiel erklären: Ein Glücksspieler setzt im Kasino sein Vermögen aufs Spiel. Setzt er sein Geld aufs Spiel und hat er keine Verpflichtungen jemandem gegenüber, handelt er leichtsinnig. Setzt er das Geld eines anderen aufs Spiel, handelt er verbrecherisch. Hat er eine Familie und setzt er mit seinem Einsatz deren Existenz aufs Spiel, handelt er verantwortungslos.

So ist klar, dass nur der, der Verantwortung hat, auch verantwortungslos handeln kann. Jeder Fürst und jeder Manager hat Verantwortung. Er muss sich damit auseinandersetzen. Verantwortungslos handelt, wer bei seiner Entscheidung wichtige mögliche Folgen unberücksichtigt lässt. Man kann also durchaus handeln und eventuell sogar einen Schaden verursachen (um einen größeren Schaden zu vermeiden) und trotzdem verantwortungsvoll sein.

Wie geht Machiavelli mit Macht und Verantwortung um? Im Rahmen seiner Philosophie finden wir auch hierzu zwei (weitere) Kernsätze:

Der sechste Kernsatz der Philosophie Machiavellis: Der Herrscher benötigt Macht, um eine (chaotische) Situation positiv zu verändern.

Für Machiavelli ist Ordnung immer besser als Chaos. Deshalb akzeptiert er auch viele Mittel, um diese Ordnung zu erreichen. Sein Verantwortungsbewusstsein ist zielorientiert. Für ihn handelt derjenige Herrscher, der nicht handelt, verantwortungslos. Handelt ein Herrscher täuschend und betrügend, um die bewusste Ordnung zu erreichen, ist dies für Machiavelli durchaus verantwortungsvoll. Als Beispiel führt er häufig Cesare Borgia an. Dessen Handlungen beschreibt er teilweise bewundernd, weil sie effektiv waren, teilweise aber auch distanziert, weil sie die Grenzen der Verantwortungslosigkeit erreichen. Man kann die Frage, die Machiavelli umtreibt, so formulieren: Darf ein Herrscher potenzielle Konkurrenten töten oder nicht? Ist eine solche Handlung von Verantwortung geprägt oder ist diese Handlung verantwortungslos? Nun muss man die Frage der Verantwortung nicht unbedingt an so krassen Beispielen diskutieren, aber es ergeben sich sehr wohl an vielen weniger wichtigen Handlungen dieselben Fragen. Jeder Herrscher hat sich die Frage zu stellen: Mit welchen Handlungen werde ich meiner Verantwortung gerecht und welche Handlungen liegen jenseits dieser Verantwortung.

Der siebte Kernsatz der Philosophie Machiavellis betrifft das Volk: Die Bürger sind unreif. Sie nutzen Situationen zu ihrem Vorteil aus. Deshalb ist eine Einschränkung der Bürger durchaus verantwortungsbewusst.

Diese Einschätzung stimmt natürlich nicht mehr mit unserem heutigen Menschenbild überein und schon gar nicht mit einem emanzipierten Mitarbeiterbild. Dennoch ließen sich auch heute Parallelen in dieser Richtung ziehen. So haben meiner Meinung nach viele Bürger die Möglichkeiten, die die Sozialgesetzgebung bietet, ausgenutzt, haben dabei Bestimmungen großzügig ausgelegt oder sie auch umgangen. Steuerhinterziehung gehört bei vielen Bürgern dazu. In solchen Fällen nehmen die Bürger ihre Verantwortung gegenüber dem Staat nicht wahr. Machiavelli würde sagen: Deshalb ist die Einschränkung der Bürger (Verschärfung von Bestimmungen) durchaus verantwortungsbewusst. Diese Aussage trifft auf alle Organisationen zu, also auch auf Unternehmen, Vereine und Institutionen.

Im Folgenden werden wir nun die Philosophie Machiavellis in der Reihenfolge der einzelnen Kapitel von „Il Principe“ intensiv untersuchen und der Frage nachgehen: Welche Bedeutung hat Machiavelli für unsere heutigen Unternehmen und möglicherweise auch für unseren Staat?

1.Ein Manager mit wahrer Berufung ist gleichzeitig Eigentümer. Wie wird man Eigentümer? Man erbt, man kauft, man stiehlt.

Was unterscheidet einen „Eigentümer-Manager“ von einem „Angestellten-Manager“? Wie kommen sie an die Schalthebel der Macht und wie halten sie sich an der Macht?

Es gibt zwei Arten von Managern, die „Eigentümer-Manager“ und die „Angestellten-Manager“. Sie haben selbstverständlich aufgrund ihres „Einsetzungsverfahrens“ ein unterschiedliches Profil. Der Eigentümer hat keinen Kritiker, keine Herren über sich. Lediglich der Markt bestimmt über ihren Erfolg oder Misserfolg. Der angestellte Manager ist von vielen Faktoren abhängig. Für ihn ist das richtige Verhalten sehr wichtig, um in Machtpositionen zu kommen und um sich seine Macht zu erhalten.

Machiavelli: „Herrschaftsformen sind Republiken oder Fürstentümer. Fürstenherrschaften sind entweder erblich oder neu erworben. Die Letzteren sind entweder völlig neu oder beruhen auf Eroberung. Man erobert sie entweder durch eigene oder fremde Waffen, entweder durch Glück oder Tüchtigkeit.“

Wie wird man Eigentümer?

Vermutlich kann man mit keiner banaleren Frage ein Kapitel beginnen. Wie wird man Eigentümer? Viele werden Eigentümer, weil ihre Eltern ein Unternehmen aufgebaut haben und sie nun die glücklichen Erben sind. Manche dieser Erben wünschen sich jedoch kein Unternehmen, sie ziehen es vor, Vermögen zu haben. Also verkaufen sie. Das sollten sie nicht, denn ein Unternehmen als Eigentümer zu führen ist schön, macht Spaß.

Es gibt auch Individualisten mit Unternehmergeist, die sich eine Firma kaufen. Dabei handelt es sich natürlich meist um kleinere oder mittlere Unternehmen – hier gibt es einen großen Spielraum für Unternehmer, für Eigentümer-Manager. Im Internet gibt es mittlerweile Marktplätze, auf denen Unternehmen gehandelt werden. So werden Unternehmen zur Ware. Man kann also nicht nur Ehepartner per Internet finden, auch Unternehmen kann man online suchen und finden.

Und schließlich gibt es Menschen, die den Kerner-Gang vorziehen: Sie gründen selbst ein Unternehmen. Das war in den Boomzeiten leicht, eine simple Idee genügte und man erhielt Startkapital. Heute benötigt man ein ausgefeiltes Konzept und muss viele geplagte Bankmitarbeiter von seiner Unternehmensidee überzeugen. Dennoch: Unternehmer sein wird wieder modern. Die sogenannte „Ich-AG“ ist ein Kleinunternehmen, wie es im Lehrbuch steht. Plötzlich wird der Berater, der Architekt, der Übersetzer zum Unternehmer. Uns interessieren hier nicht die Vor- und Nachteile des Unternehmerdaseins, auch nicht die soziale Problematik. Der Eigentümer-Manager, also der Unternehmer, ist jemand, der das Heft in der Hand hat, der keinen „Über-Manager“ zu akzeptieren hat.

Die Frage, wie man Eigentümer wird, soll hier nicht beantwortet werden. Wir wollen nur darauf hinweisen, dass Eigentümer ein schönes Leben haben. So können wir dies dem ersten Kapitel aus Machiavellis „Il Principe“ entnehmen. Es trägt die Überschrift „Wie viele Herrschaftsformen es gibt und wie man eine Herrschaft erwirbt“. Natürlich ist bei Machiavelli nicht von Eigentümern oder Managern die Rede. Machiavelli redet von Herrschern. Damit meint er Fürsten und Könige. Da wir von Machiavelli lernen wollen, übersetzen wir einfach „Herrscher“ mit „Manager“. Wir werden feststellen, dass dies bestens funktioniert.

Tatsächlich sind die Manager ja auch die Herrscher über unsere Wirtschaft. Manager bringt man gerne mit dem Begriff Macht zusammen. Manager haben Macht und nutzen sie natürlich auch. In den letzten Jahren gab es dazu viele Schlagzeilen in Presse, Fernsehen und Radio. Es wird über die Außenwirkung von Bilanzfälschungen (Enron und Worldcom) berichtet oder erörtert, welche Effekte Bilanzinterpretationen haben. Manager haben die Macht und damit auch die Verantwortung, die Außenwirkung ihres Unternehmens zu beeinflussen – und sie haben natürlich noch viel mehr Macht die Innenwirkung zu gestalten, also die Mitarbeiter zu lenken und zu leiten.

Manager haben anscheinend weitreichende Macht. Sie haben zum Beispiel die Macht, sich Millionengehälter zu bewilligen, unabhängig davon, ob es ihrem Unternehmen gut geht oder nicht, ob die Aktienkurse in den Keller rauschen oder ob die Kleinanleger ihr Geld verlieren. Die Manager haben die Macht, ihr Unternehmen auszuplündern – Eigentümer-Manager und Angestellten-Manager offensichtlich gleichermaßen. Viele Manager haben aber gleichsam die Verantwortung, genau das nicht