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Manolito ist ein Junge von neun Jahren, der zusammen mit seiner Mutter an der Küste Portugals lebt und eine Leidenschaft für alte Segeljachten hegt. Eines Morgens entdeckt er ein außergewöhnliches Schiff, das in der Nacht im Hafen angelegt hat. Getrieben von seiner Neugier betritt Manolito ohne Erlaubnis das Schiff – der Beginn wundersamer Begegnungen und turbulenter Erlebnisse: Ein unerwarteter Besuch, drei neue, ganz besondere Freunde und eine abenteuerliche Reise auf dem Ozean voller Bewährungsproben stehen dem aufgeweckten Jungen bevor.
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2024
2. Auflage 2024
Copyright: Holger Antz
Herausgeber & Autor: Holger Antz
www.holger360.de
Illustrationen und Cover: Jane Rehkopp-Clasen
Lektorat und Layout: Mark Bloemeke
ISBN 978-3-347-11194-3
Holger Antz
Der kleine Kapitän
Cover
Urheberrechte
Titelblatt
Der kleine Kapitän
Ein Segelschiff namens Esmeralda
Unerwartetes Wiedersehen
Spritzen tun nicht weh
Familienzuwachs
Auszug aus dem Waisenhaus Robins Nest
Viele Fragen und eine ungeplante Reise
Mitten auf dem Ozean
Erinnerungen auf der Haut
Eine Insel nahe Afrika
Die Küste fest im Blick
Ein Donnerwetter ohne Sturm und Regen
Überraschende Veränderungen
Ein Traum wird wahr
Das Auge des Tigers von Udamipur
Cover
Urheberrechte
Titelblatt
Der kleine Kapitän
Das Auge des Tigers von Udamipur
Cover
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Der kleine Kapitän
Es war zwar noch früh am Morgen, aber die Sonne schien schon warm, so wie an fast jedem Tag in diesem Sommer. Die hellen Strahlen fielen durchs Fenster direkt in Manolitos Gesicht, und so rieb er sich verschlafen die Augen und wachte langsam auf. Ausgiebig gähnte der Junge, streckte sich genüsslich in seinem Bett und schob die dünne Decke zur Seite. Obwohl er gerade erst die Augen geöffnet hatte, fragte er sich sofort, ob er heute wohl wieder Geld verdienen würde. Er fand es ungerecht, dass Kinder nicht wie Erwachsene arbeiten gehen durften. Die einzige Zeit im Jahr, in der er etwas dazuverdienen konnte, waren die Ferien, die er gerade hatte. Und er wollte unbedingt sein Erspartes vermehren, denn sonst würde sich sein Traum nie erfüllen: Ein eigenes Segelschiff, kein kleines Boot mit ollem Motor, ein richtiges Segelschiff wollte er besitzen. Ein stattliches Schiff, mit dem man übers Meer segeln konnte und in dem es mindestens zwei Schlafplätze gab. Und darauf sparte er.
Seine Freunde machen sich deswegen manchmal über ihn lustig: „Manolito muss sparen.“ Aber das störte ihn wenig. Irgendwann würde sein Wunsch in Erfüllung gehen, daran glaubte er ganz fest.
Manolitos Mutter arbeitete ganz in der Nähe in einem Restaurant, aber da verdiente sie nur im Sommer gut, wenn Touristen im Ort waren. Als Kind, das allein mit seiner Mutter lebte, hatte Manolito früh gelernt, wie wichtig Geld ist, und da er ja nicht sonderlich viel Taschengeld von seiner Mutter bekam, musste er eben selbst für die Aufbesserung seiner Geldbörse sorgen. Deshalb suchte er, so oft er konnte, nach Arbeit und zum Glück gab es am Hafen von Portimao im Sommer nicht nur viele Besucher, sondern auch reichlich Segelschiffe und Motorboote, und auf denen fand sich fast immer etwas zu tun.
Portimao ist ein kleiner Hafenort in Portugal. Das Häuschen, in dem Manolito mit seiner Mutter lebte, war nur eine Straße von der Marina, dem Gebiet, in dem Segelschiffe und Motorboote ankern, entfernt. Manolito konnte sich nicht sattsehen an den schönen Schiffen, und mit Ehrfurcht betrachtete er die großen und kleinen Yachten. Es verging kein Tag, an dem er nicht durch die Marina streifte. Meistens trieb er sich am Kai bei den Segelschiffen herum und hielt nach deren Besatzung Ausschau. Segelschiffe fand er noch schöner als Motoryachten. Wann immer er konnte, fragte er, ob er etwas helfen könne, und da er noch so jung war, imponierte er vielen Schiffseignern mit seinem Engagement. Und so gaben sie ihm auch hin und wieder kleine Aufgaben. Manchmal schrubbte er ein Deck, um das Salz, das die Wellen und der Wind dort hinterlassen hatten, wegzuspülen. Und manchmal durfte er ein paar Einkäufe erledigen. Irgendetwas gab es im Hafen immer zu tun, das war sein Motto, und da er fleißig sparte, kam er seinem Ziel in jeden Ferien ein Stückchen näher. Stolz rechnete Manolito am Ende einer jeden Woche seine Einnahmen nach und brachte das Geld zur Bank. Er hatte ein eigenes Konto und da er fleißig war, hatte sich schon eine ordentliche Summe angesammelt. Nur eines war ihm klar: Bis er von seinem Angesparten ein eigenes Schiff würde kaufen können, vergingen wohl noch einige Jahre.
Wie viele Kinder, die an der Küste leben, hatte Manolito schon früh das Segeln gelernt, weswegen er bereits mit den unterschiedlichsten Segelschiffen draußen auf dem Meer gewesen war. Mitzusegeln war stets der beste Job, den er ergattern konnte. Wann immer er mit einem Schiff rausdurfte, war für ihn eine Art Feiertag. Jedes Schiff funktionierte ein wenig anders, und das war es, was ihn faszinierte. Mal musste er die Segel per Hand setzen und die Taue straff ziehen, bis die Finger schmerzten, und ein anderes Mal brauchte er nur auf einen Knopf zu drücken, und das Segel begann, sich wie von Zauberhand von allein zu hissen. Einfach nur mitzusegeln hätte er auch ohne eine Entlohnung angeboten, denn das war ja reines Vergnügen und keine richtige Arbeit. Aber die Besitzer der Schiffe fanden es großartig, wenn er fast schon wie ein erwachsener Mann beim Segeln mithalf, und sie bezahlten ihn dafür gerne und gut.
An diesem Morgen jedenfalls griff der neunjährige Junge nach seiner blauen Lieblingshose und einem frisch gewaschenen T-Shirt, schlüpfte in die Sachen, packte sich in der Küche noch zwei Bananen ein und begab sich geradewegs in Richtung Hafen. Bestimmt waren wieder Touristen angekommen, die neuen Proviant brauchten, und wenn nicht, dann benötigte eines der Schiffe bestimmt Hilfe beim Putzen. Manolito kaufte gerne Lebensmittel für die Schiffe ein, denn dann gab es immer gutes Trinkgeld. Weil er kleiner als die Erwachsenen war, musste er auch des Öfteren in einen der Schiffsbäuche klettern und helfen, wenn es dort Probleme gab. Und die gab es da reichlich: Mal war die Batterie kaputt, ein anderes Mal war lediglich eine Sicherung defekt und das Licht im Schiffsinneren funktionierte nicht mehr. Manolito war beinahe ein Meister im Ergründen von einfachen Ursachen. Und wenn der Motor wieder einmal nicht starten wollte, dann fragte er ganz vorsichtig: „Ist eure Batterie schon alt und soll ich beim Hafenmeister fragen, ob der eine Ersatzbatterie hat?“ Die Schiffsbesitzer staunten regelmäßig über seine vielen Fragen, vor allem, wenn eine der Antworten darauf auch die Lösung des Problems brachte.
Ein Segelschiff namens Esmeralda
Wie fast zu erwarten, lag auch an diesem Morgen ein neues Schiff am Steg. Es ankerte ganz vorne, wo die Neuankömmlinge festmachen mussten. Im Gegensatz zu den meist weißen Segelyachten war dieses hier aus Holz. Der Schiffsbauch war braun glänzend, sodass man bei genauer Betrachtung die schöne Maserung erkennen konnte. Die Reling: dunkelbraun gestrichen und der Aufbau aus lackiertem Holz. Manolito liebte alte Segelyachten, und so betrachtete er dieses und zwirbelte sich dabei eine Haarsträhne.
Das machte er immer, wenn er nachdachte oder – wie jetzt – etwas bestaunte. So ein elegantes, altes Schiff hatte er hier noch nie gesehen, und viele Fragen gingen ihm durch den Kopf. Wo mochte es wohl herkommen, wohin wollen, und warum hieß es ausgerechnet Esmeralda? „Interessant“, dachte Manolito, Esmeralda war auch der Name seiner Mutter, und instinktiv formte sich sein Mund zu einem Lächeln. Was für ein Zufall!
Mindestens fünfzehn Meter lang war die Yacht, und wunderschön schlank war sie geschnitten. Sie musste schnell auf dem Wasser sein, dachte Manolito bei sich, eine richtige Rennziege würde sein Freund, der Hafenmeister, jetzt sagen, wenn er es hätte sehen können. Wie schade, es war niemand an Deck zu entdecken. Auf den anderen Schiffen lief bereits die Besatzung herum. Nur hier auf diesem war noch niemand zu sehen. Manolito horchte aber so sehr er auch lauschte, es rührte sich nichts. Ob das Schiff verlassen war? Das konnte kaum sein, es war ja gerade erst angekommen, und jemand musste es ja schließlich in den Hafen gesteuert haben. Manolito stellte sich auf Zehenspitzen und versuchte, über das Schiffsgeländer zu spitzeln, aber das half nicht, er war einfach nicht groß genug. Er musste nur etwas finden, auf das er sich stellen konnte, einen großen Eimer oder so etwas wie eine alte Öltonne, wie sie hier sonst herumstanden. Manolito schaute sich um und suchte den Kai ab. Irgendetwas muss es doch geben, aber in seiner Nähe lag nichts herum, das er hätte benutzen können.
Manolitos Neugier wurde so stark, dass es in seinem Bauch zu kribbeln begann. Einem Reflex folgend, drückte er mit einer Hand seinen Magen, als könnte das die Neugier lindern. Er wollte sich das Schiff unbedingt ansehen und musste schon deshalb herausfinden, ob es hier etwas für ihn zu tun gab. Langsam lief er die graue Kaimauer auf und ab, fünfzig Schritte in die eine Richtung und dieselbe Strecke zurück.
Aus der Ferne betrachtet, erinnerte der Junge an einen Tiger im Käfig eines Zoos, der unentwegt umherstrich. Während er so auf und ab ging, ließ er das Schiff nicht eine Sekunde aus den Augen, denn wenn sich jemand zeigen würde, wollte er sich sofort bemerkbar machen.
Das Hin- und Herlaufen war nutzlos, weder verstrich dadurch die Zeit schneller, noch rührte sich deswegen etwas auf dem Schiff. Vielleicht sollte er einfach an Deck gehen und an die Kojen klopfen oder laut rufen. Für einen Moment überlegte Manolito und verharrte auf der Stelle. Er musste lediglich den kleinen Bootssteg entlang gehen und einige Sekunden später wäre er oben an Deck, was war schon dabei?
Manche Leute mochten es nicht besonders, wenn man ungefragt an Bord kam, und eigentlich war es auch nicht erlaubt, das wusste er. Wenn sich die Besitzer hinterher über ihn beschwerten, bekäme er erst Ärger mit dem Hafenmeister und danach womöglich eine Standpauke von seiner Mutter. Unschlüssig und mit einer Hand die Haare zwirbelnd, stand Manolito da und tippelte von einem Fuß auf den anderen. Erlaubt hin, erlaubt her, dachte er bei sich und gab sich schließlich einen Ruck, immerhin hatte er ja nichts Böses im Sinn.
Vorsichtig balancierte er über den schmalen Schiffssteg, und nach einigen Schritten setzte er, so leise es ging, einen Fuß nach dem anderen auf das Deck. Dieses war ebenfalls wunderschön, das erstaunte ihn nicht. Im Unterschied zum glänzenden Schiffsbauch war das Holz hier matt und grau. Die Farbe erinnerte ihn spontan an das vom Wasser ausgelaugte Treibholz, das am Strand angespült wurde. Ganz gleichmäßig war der Boden, und Manolito betrachtete die Holzdielen, die vom einen bis zum anderen Ende des Schiffes verlegt waren. So ein Schiff wie dieses hatte er noch nie gesehen.
Da stand er nun allein auf diesem fremden Schiff und ließ seine Augen über das Deck wandern. So viel war ihm klar: Dieses Schiff war eindeutig zu groß, um es allein hierher zu bringen. Es musste eine richtige Besatzung geben. Er schaute den Mast entlang nach oben und schätzte seine Höhe auf etwa zwanzig Meter. Das große Segel, das daran wehte, wollte auf den Reisen erst einmal hochgezogen werden, und gleichzeitig musste auch noch jemand am Steuerrad stehen, das stand für ihn fest.
„Wuff!“, bellte es plötzlich hinter ihm und Manolito bekam einen Schreck. Seine Augen weiteten sich, und ein unangenehmer Schauer lief ihm über den Rücken. Das war kein Ton eines kleinen Hundes, dieses Geräusch kam aus einer tiefen Kehle, und die gehörte zu einem großen Tier. Vorsichtig und etwas ängstlich drehte sich Manolito um, wobei seine Augen gleichzeitig nach Gegenständen suchte, mit denen er sich zur Not hätte verteidigen können. Nur, war da nichts, was er hätte erreichen können, ohne dem Hund gleichzeitig näher zu kommen.
Vor ihm stand ein merkwürdiger Vierbeiner, nicht sehr groß, mit kurzen, krummen Beinen, einem ungewöhnlich massiven Kopf, einem dicken Bauch und einem beeindruckenden Maul, bei dem die Unterlippe etwas vorstand. So einen wie diesen hatte Manolito noch nie gesehen. Die Hunde hier in Portimao sahen ganz anders aus. Manche waren größer als dieser, andere gleich groß oder eben kleiner. Viele von ihnen hatten hellbraunes Fell, und wenn es diese Farbe hatte, dann sahen sich die meisten irgendwie ähnlich, so, als würden sie aus einer einzigen großen Familie stammen. Manche hatten auch dunkles Fell, aber weißbraun wie dieser hier war keiner.
Der dicke Hund beäugte ihn und beschloss, näher zu kommen, um leise knurrend an seiner Kleidung zu schnüffeln. Manolito hielt es für klug, still zu stehen und sich vorerst lieber nicht zu rühren. Zu seinem Glück kniff ihn der Hund nicht mit seinen Zähnen, aber das war nur ein schwacher Trost, denn das beängstigende Knurren verstummte nicht.
Und was jetzt geschah, war irgendwie vorauszusehen gewesen, nur war es leider das Gegenteil von dem,