Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
"Der Knappe Bo" ist eine Kurzgeschichte. Cornelius Dram wird als Held gefeiert und ist im ganzen Land bekannt. Als Bo sein neuer Knappe wird und fortan mit ihm von Ort zu Ort reist, behandelt Dram ihn jedoch alles andere als gut. War der Ritter schon immer so ein egoistischer Arsch? Oder hat er vielleicht etwas was gegen ihn? Bo wird nicht schlau aus dem Mann. Doch was ist das? Hat Lord Dram da etwa eben gelächelt? Verbirgt sich hinter der stahlharten Rüstung vielleicht doch ein weicher Kern?
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 51
Veröffentlichungsjahr: 2019
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
eine Kurzgeschichte von
Cassy Dee
Impressum
Der Knappe Bo
Autor: Cassy Dee
©2019
Sabrina Sierks
(Cassy Dee) Hehn 341a
41069 Mönchengladbach
Die Verwendung der Inhalte für kommerzielle Zwecke bedarf der ausdrücklichen, schriftlichen Zustimmung des Autors.
»Bitte passt gut auf ihn auf. Er ist unser einziger Sohn.«
»Selbstverständlich.« Der Mann warf meinen Eltern einen kleinen prall gefüllten Geldbeutel zu und mein Vater fing ihn auf.
»Danke.«, sagte er leise, während meine Mutter mir einen letzten trauervollen Blick zuwarf und dann schluchzend ihr gerötetes, tränenüberströmtes Gesicht in seiner Schulter vergrub. Wie gerne wäre ich zu ihr gegangen, hätte sie getröstet und in die Arme genommen, aber ich durfte nicht. Ich musste fort. Zusammen mit diesem Mann, der mich von dem Rücken seines Pferdes aus ausdruckslos ansah und mir dann mit einem Nicken zu verstehen gab, dass ich mich in Bewegung setzen sollte. Wiederstrebend gehorchte ich. Meine Schuhe schlurften über den trockenen Schotter, als ich über meine Schulter einen Blick zurück warf und meine Eltern einander umklammernd in die Knie sinken sah.
~
»Sprich, Junge. Wie ist dein Name?«
»Ich heiße Philip, Sir.«
»Philip, soso…« Der Mann mit dem kurzen, strohblonden Haar überlegte einen Moment, bevor er weiter sprach. »Vergiss diesen Namen. Ab heute hörst du auf Bo.«
»Bo?« Meinte er das ernst? Bo war doch kein Name! »Aber… Ich kann doch nicht einfach meinen Namen vergessen.«
Das Gesicht des Mannes wurde vom flackernden Schein des Lagerfeuers erhellt, an dem wir gerade saßen und eine Rast einlegten. Der Blick mit dem er mich betrachtete war ausdruckslos. Insgesamt schien es mir, als würde dieser Mensch keinerlei Gefühle oder Gedanken haben. Zumindest ließ er sich nichts dergleichen anmerken.
»Solange du mein Knappe bist, wirst du nur auf den Namen hören, den ich dir gegeben habe und auf keinen anderen. Und du wirst tun was ich dir sage. Dein bisheriges Leben ist jetzt nicht mehr von Bedeutung.«
Ich sah ihn ungläubig an. Später würde ich verstehen, wie ernst er es meinte. Aber zu diesem Zeitpunkt fragte ich mich nur, wie ich mich so in diesem Mann täuschen konnte, der im ganzen Land als Held gefeiert wurde. Lord Dram von Syra war bekannt für seine glorreichen Taten. Er hatte in hunderten Schlachten die Truppen des Königs zum Sieg geführt, unzähligen Maiden das Leben gerettet und sogar einen Drachen erlegt. Alle Frauen verzehrten sich nach ihm und alle Männer wollten sein wie er. Und nun reiste ich an seiner Seite, um ihm als Knappe zu dienen, weil meine Eltern hofften, mir so eine bessere Zukunft bescheren zu können.
Wir hatten schon immer wenig von allem gehabt. So gut wie immer war das Essen knapp, von Gold ganz zu schweigen. Und dann war dieses Jahr auch die Ernte durch Unwetter und Hochwasser so spärlich ausgefallen, dass wir zu dritt kaum den Winter überleben könnten. Darum blieb meinen Eltern keine Wahl, als mich zu verkaufen.
Zuerst dachte ich noch, ich hätte Glück gehabt, dass ausgerechnet der sagenumwobene Cornelius Dram ihr Angebot angenommen hatte. Zumal es eigentlich Jungen mit adliger Abstammung vorbehalten war, Knappen zu werden. Und auch das nur mit einer mehrjährigen Ausbildung, die sie als Pagen beginnen mussten. Aber mittlerweile plagen mich Zweifel.
Wir sind seit Mittag unterwegs. Die Sonne ist nun bereits untergegangen. Und Lord Dram hat, abgesehen davon, mir einen neuen Namen zu geben, kaum ein Wort mit mir gesprochen. Auch sonst macht er den Eindruck, ganz anders zu sein, als ich es von ihm erwartet hatte. Sein Blick ist stets ernst und nachdenklich. Noch nie habe ich ihn lächeln sehen. Er wirkt, als wäre ich eine Last für ihn. Aber warum ist er dann den Handel mit meinen Eltern eingegangen?
Ich ziehe die Beine an meinen Körper und umklammere meine Knie. Meine Eltern… Ob ich sie jemals wiedersehe?
Die ersten Tage sehne ich mich danach. Ich vermisse sie und wünsche mich zurück in ihre liebevolle, heimische Obhut. Doch schon bald denke ich kaum noch an sie. Die harte Arbeit pustet meinen Kopf leer. So traurig es ist, um der Vergangenheit oder irgendwelchen Träumen nachzuhängen bleibt mir einfach keine Zeit. Stattdessen muss ich Tag für Tag neben dem Pferd herlaufen, von dem Lord Dram sich tragen lässt und zusätzlich noch seine Sachen tragen: Mal das Schwert, mal den Schild, mal Rüstungsteile, Brennholz oder Lebensmittel. Und ich weiß nicht einmal, wohin unsere Reise führen soll. Immer wenn wir ein Dorf oder eine kleine Stadt erreichen, hoffe ich, wir wären endlich am Ziel angekommen, aber nach dem Aufstocken unseres Vorrats geht der Marsch weiter. Ich habe an Muskelmasse zugelegt durch das viele Laufen und meine Kondition hat sich ebenfalls verbessert. Doch meine Schuhe, die sowieso nur aus Lumpen bestehen, sind komplett durchgescheuert und meine geschundenen Füße schmerzen. Jeder Schritt ist eine Qual. Unzählige kleine Steinchen haben sich bereits in die Hornhaut gebrannt.Seit gestern durchqueren wir ein trockenes Ödland. Obwohl es schon Herbst ist, heizt die Sonne den Boden noch auf. Es ist, als ginge ich auf glühenden Kohlen. Der Schmerz in meinen Füßen wird unerträglich. Und nicht nur der Boden ist heiß. Auch die Luft flimmert vor Hitze und versucht mich mit Fata Morganas in die irre zu führen. Meine Kehle ist wie ausgetrocknet, aber wir müssen unser Wasser einteilen. Also versuche ich meinen Durst unter Kontrolle zu halten. Mein Haar klebt in Strähnen in meinem Gesicht. Ich atme schwer und keuchend. Schweiß brennt in meinen Augen. Ich bin so müde… so unendlich müde… Ein Stein liegt mir im Weg, doch ich sehe ihn nicht. Ich stolpere und falle der Länge nach hin. Der Boden ist so heiß. Alles dreht sich…
»Hey!«, höre ich Lord Dram brüllen. Aber der kann mich mal. Ich bleibe liegen. Und wenn das mein Ende bedeutet…
~
».. o…« Da ist ein Geräusch. Eine Stimme…?
»… Bo…« Jemand ruft mich. Aber ich bin so müde…