Der Komet - Bruno Schulz - E-Book

Der Komet E-Book

Bruno Schulz

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Beschreibung

Eine traumartige, surreale Allegorie über einen Himmelskörper, der keiner war: Ein Komet droht auf die Erde zu fallen, dreht jedoch kurz vor dem erwarteten Aufprall ab und verliert seine Spannkraft. Die Welt ist somit gerettet. Doch der Komet stellt sich als Allegorie heraus, der im Wettrennen gegen den Zeitgeist verlor. Schulz kreiert mit seiner eigentümlichen Sprache eine phantastische Parallelwelt.-

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Seitenzahl: 32

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Bruno Schulz

Der Komet

Josef Hahn

Saga

Der Komet ÜbersetztJosef Hahn Coverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1938, 2020 Bruno Schulz und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726539233

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

1

Das Ende des Winters stand in diesem Jahr im Zeichen einer besonders günstigen astronomischen Konjunktur. Die bunten Prophezeiungen des Kalenders erblühten rot im Schnee an der Gemarkung des Morgens. Vom brennenden Rot der Sonntage und Feiertage fiel ein Abglanz auf die halbe Woche; die Tage brannten kalt in einem falschen Strohfeuer, die enttäuschten Herzen schlugen ein Weilchen lebhafter, geblendet von jenem verkündigendem Rot, das nichts verkündigte und nur ein vorzeitiger Alarm war, eine bunte Aufschneiderei des Kalenders, mit grellem Zinnober auf die Umschlagdeckel der Woche gemalt. Von Dreikönig an saßen wir Nacht für Nacht über der weißen Parade des Tisches, der von Leuchtern und Silber funkelte, und legten endlose Patiencen. Von Stunde zu Stunde wurde die Nacht vor den Fenstern heller, überzuckert und funkelnd, voll endlos keimender Mandelbäume und Zuckersträuche. Der Mond, dieser unerschöpfliche Verwandlungskünstler, spulte – ganz vertieft in seine späten lunaren Praktiken – der Reihe nach, immer heller und lichter, seine Phasen ab, bekleidete sich mit allen Preferencefiguren und doublierte in allen Farben. Schon tagsüber stand er oft auf der Seite, voreilig bereit, kupfern und ohne Glanz, ein melancholischer Bube mit seinen leuchtenden Eicheln, und wartete, bis die Reihe an ihn kam. Indes zogen ganze Himmel von Schäfchenwolken in stiller, weißer, ausgedehnter Wanderung über sein einsames Profil und bedeckten ihn da und dort mit schillernden Schuppen aus Perlmutter, in das gegen Abend das bunte Firmament gerann. Dann verzettelten sich die Tage in öde Leere. Der Wind flog mit Getöse über die Dächer, blies den erkalteten Kaminen bis auf den Grund, baute über der Stadt imaginäre Gerüste und Gewölbe auf und riß diese luftigen Gebäude unter dem Gepolter der Sparren und Balken wieder ein. Mitunter brach in einer fernen Vorstadt ein Brand aus. Die Schornsteinfeger liefen die Stadt auf der Höhe der Dächer und Galerien unter dem Grünspan des zerfetzten Himmels ab. Von Dach zu Dach, von Haus zu Haus übersetzend, träumten sie neben den Dachreitern und Wetterfahnen in dieser luftigen Perspektive, daß ihnen der Wind ein Weilchen die Deckel der Dächer über den Alkoven der Mädchen höbe und sie gleich wieder krachend über dem großen, aufgewühlten Buch der Stadt zuschlüge – eine betörende Lektüre für viele Tage und Nächte. Dann wurden die Winde weicher und müde. Im Fenster des Ladens hängten die Verkäufer Frühjahrsstoffe aus – und von den weichen Farben der Wolle wurde die Aura gleich linder. Sie färbte sich mit Lavendelblau, blühte in blassen Resedatönen auf. Der Schnee schrumpfte, faltete sich zu greinenden Säuglingsgrimassen, trocknete in der Luft ein, aufgesaugt von kobaltblauen Hauchen, eingeschlürft von einem ausgedehnten, hochgewölbten Himmel ohne Sonne und ohne Wolken. Da und dort blühte in den Wohnungen schon der Oleander auf, die Fenster wurden geöffnet, und das sinnlose Gezwitscher der Spatzen füllte das Zimmer in der dumpfen Träumerei des azurblauen Tages. Auf den sauberen Plätzen liefen ein Weilchen gewaltige, einander feindliche Haufen von Finken, Dompfaffen und Meisen mit entsetzlichem Gekreisch zusammen und stoben wieder nach allen Seiten auseinander, weggefegt, weggewischt von den Lüften, vernichtet im leeren Firmament. Noch Sekunden hernach standen sie als bunte Flecken im Auge – eine Handvoll Konfetti, zur Blendung in den hellen Raum geschleudert – und versanken auf den Grund des Auges in neutrales Lazur.