Der Leibwächter - Lori Foster - E-Book

Der Leibwächter E-Book

Lori Foster

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Luna Clark will der verführerischen Anziehungskraft des ehemaligen Bodyguard Joe Winston widerstehen. Doch dann braucht sie seine Hilfe: Sie und die Kinder ihrer verstorbenen Cousine werden bedroht. Während Joe den mysteriösen Vorfällen auf den Grund geht, wächst Lunas Verlangen nach ihm, und die Affäre nimmt ihren Lauf.

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Seitenzahl: 551

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Titel der Originalausgabe: SAY NO TO JOE?
Copyright © 2003 by Lori Foster Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2004 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH Copyright © dieser Ausgabe 2006 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Coverillustration: Larry Williams / CORBIS Covergestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN: 978-3-641-16946-6V002
www.heyne.dewww.penguinrandomhouse.de

Inhaltsverzeichnis

Erstes KapitelZweites KapitelDrittes KapitelViertes KapitelFünftes KapitelSechstes KapitelSiebentes KapitelAchtes KapitelNeuntes KapitelZehntes KapitelElftes KapitelZwölftes KapitelDreizehntes KapitelVierzehntes KapitelFünfzehntes KapitelSechzehntes KapitelSiebzehntes KapitelCopyright

Erstes Kapitel

Er lag im Bett, auf dem Bauch. Sein hünenhafter Körper füllte es vom einen bis zum anderen Ende aus. Zwei Frauen beugten sich über ihn und strichen ihm unter vielen »Ohs« und »Ahs« immer wieder über den Leib. Sie waren so in ihr Tun vertieft, dass sie gar nicht bemerkten, wie Luna ins Zimmer kam. Selbst ihr Klopfen hatten sie offenbar nicht gehört. Luna schüttelte den Kopf, obwohl sie durchaus verstehen konnte, warum die Frauen so gefesselt waren.

Denn Joe war schließlich splitterfasernackt.

Und auf dem Hintern schien er eine … Tätowierung zu haben.

Ha! Luna kniff die Augen zusammen, um die verschnörkelte Inschrift zu entziffern, die sich um ein dreidimensional wirkendes Herz schlang. Offenbar lautete sie Ich liebe Lou. Luna runzelte die Stirn. Was hatte das denn zu bedeuten? Sie wusste mit hundertprozentiger Sicherheit, dass Joe Winston nicht schwul war. Davon legten ja auch die beiden Barbiepuppen Zeugnis ab, die gerade dabei waren, ihn zu betatschen.

»Ich wünschte, er würde endlich aufwachen«, flüsterte eine der beiden Frauen voller Verlangen.

Die andere seufzte. »Ich versuche schon seit einer halben Stunde, ihn zu wecken, aber es will mir einfach nicht gelingen.«

Luna räusperte sich. Als die Frauen erschrocken aufblickten und sie mit schuldbewusster Miene ansahen, erklärte sie: »Die Wohnungstür war nicht abgeschlossen.«

Statt sie, wie Luna erwartet hatte, zu fragen, was sie hier zu suchen habe, oder sie aus der Wohnung zu weisen, wechselten die Frauen einen Blick und wurden knallrot. Die vollbusige Blondine hörte sogar auf, Joe zu streicheln, und nahm die Hände von seinem Rücken.

Die Rothaarige knabberte nervös an ihrer Unterlippe herum. »Ähm … Wer sind Sie denn?«

Da Luna bemerkte, dass Joe sich nicht rührte und offenbar wirklich fest schlief, ergriff sie die Gelegenheit beim Schopfe. Sie starrte die beiden Frauen mit gespielter Empörung an und reckte verächtlich das Kinn. »Ich bin seine Frau«, log sie. »Verschwinden Sie.«

Dass sie ihre Aussage nicht anzweifelten, verriet Luna alles, was sie wissen musste. Diese Frauen konnten Joe nichts bedeuten, denn sonst hätten sie gewusst, dass er nichts vom Heiraten hielt. Als die beiden an ihr vorbeitrippelten, hätte sie fast gelächelt. In diesem Augenblick entdeckte sie die Flasche mit Pillen, die auf Joes Nachttisch stand.

Rasch ging Luna zum Nachttisch und las das Etikett. Bei den Pillen handelte es sich um ein ziemlich starkes Schmerzmittel. Stirnrunzelnd stellte Luna die Flasche wieder hin. Kein Wunder, dass er so lethargisch war. Was war bloß passiert? Warum hatte er Medikamente genommen?

»Joe?«

Er gab ein leises, grunzendes Schnarchen von sich und bewegte sich kaum merklich. Unwillkürlich zog es ihre Hand zu seinen breiten, kräftigen Schultern. Als Luna ihn berührte, seine heiße seidige Haut und sein festes Fleisch spürte, merkte sie, dass sie zitterte. Nicht dass sie das, was sie hergeführt hatte, nervös machte. Nicht im Geringsten. Aber Joe war schließlich nackt, und das reichte ganz gewiss aus, um eine heißblütige Frau zum Zittern zu bringen.

Drei lange Monate hatte sie ihn nicht gesehen. Bei ihrem letzten Date hatte er gesagt, dass er sich nicht mehr mit ihr verabreden würde, wenn sie sich weigerte, mit ihm ins Bett zu gehen.

Sie hatte sich geweigert.

Sein dichtes, blauschwarzes Haar war völlig zerzaust und hob sich scharf von dem zerknitterten, schneeweißen Kissenbezug ab. Die Muskeln seiner mit dunklen Stoppeln übersäten Kinnlade wirkten angespannt, und als Luna genauer hinsah, entdeckte sie eine ins Purpurne spielende Verfärbung um sein Auge. War es blau?

Luna setzte sich auf die Bettkante und rüttelte ihn an der Schulter. »Joe, wach auf.«

Ihre Nähe hatte zur Folge, dass seine Nase zuckte. Dann runzelte er leicht die Stirn und atmete langsam tief ein. Mit einiger Mühe gelang es ihm, eines seiner mit dichten Wimpern besetzten Augen zu öffnen. Mehrere Sekunden lang starrten sie einander an.

Abrupt öffnete sich das andere seiner dunkelblauen Augen, sodass Luna unversehens in den Bann seines durchdringenden Blicks geriet. »Mir war doch so, als kenne ich diesen Duft«, sagte er mit einer Stimme, die vom Schlaf noch ganz tief und rau war.

»Tut mir Leid, Kumpel«, erwiderte Luna verwundert, »aber ich hab gar kein Parfüm benutzt …«

Doch als Joe sich ächzend auf den Rücken drehte, blieben ihr die Worte in der Kehle stecken. Was sie sah, war schockierend. Seine Rippen waren lädiert, seine Brust, sein Gesicht und sein Unterleib mit blauen Flecken und Schrammen übersät.

Jemand hatte ihn zusammengeschlagen.

Empörung stieg in ihr auf, doch in diese Empörung mischte sich eine gehörige Portion Erregung, denn der Anblick, den sein nackter Körper von vorn bot, war rundum prächtig.

Joe Winston mochte ein ziemlicher Blödmann, ja, sogar ein sexistisches Schwein sein, doch an seinem Körperbau hatte Luna nicht das Geringste auszusetzen. Er bestand rundum aus schwellenden Muskeln, kräftigen langen Gliedmaßen und dunklen Haaren. Und einen Sexappeal strömte der Mann aus – bis zum Gehtnichtmehr.

Während sie mit sich rang und versuchte, den Blick von ihm abzuwenden, packte Joe sie bei den Oberarmen und zog sie auf sich.

»Du brauchst kein Parfüm«, säuselte er in verführerischem Ton.

»O nein, mein Junge«, stieß Luna alarmiert hervor. »Lass das gefälligst …«

Obwohl er geschwächt war und unter dem Einfluss von Medikamenten stand, bereitete es Joe keine Mühe, sie zu überwältigen. Zum Schluss lag sie so auf ihm, dass ihre Brüste gegen seine breite haarige Brust drückten und ihre Beine zwischen den seinen klemmten. Er ächzte vor Schmerz, um gleich darauf zufrieden zu knurren.

»Joe«, versuchte sie zu protestieren, doch in diesem Augenblick pressten sich seine Lippen auf ihren Mund.

Obwohl Luna wollüstig erschauerte, als seine kräftigen Arme sie umfingen, sein Unterleib sich gegen ihren Bauch presste und sein feuchter heißer Mund sich über den ihren hermachte, war ihr bewusst, wie gefährlich diese Situation war. Im Vergleich zu Joe wirkten die sommerlichen Temperaturen, die draußen herrschten, geradezu winterlich. Der Mann war einfach zu heiß. So war das aber immer gewesen. Sobald er sie berührte, setzte ihr Verstand aus.

Ohne es zu wollen, schloss Luna die Augen und gab einen Moment, einen einzigen Moment lang nach, um seinen Kuss zu erwidern.

Er stieß einen hungrigen Laut aus und legte ihr seine große harte Hand flach auf den Rücken, der, da sie ein Top mit Nackenband trug, größtenteils nackt war. Seine rauen warmen Fingerspitzen glitten nach unten und schlossen sich mit sanftem Druck um eine ihrer Gesäßbacken.

Blitzschnell sprang Luna aus dem Bett und starrte wütend zu Joe hinunter. Trotz ihrer Verärgerung musste sie sich eingestehen, dass er einfach zum Anbeißen aussah.

Er kniff seine tiefblauen Augen zusammen und sah sie durchdringend an. »Komm sofort wieder her.«

Das sagte er so, als erwartete er wirklich, dass sie ihm gehorchen würde. Und fast tat sie es auch. »Du«, erwiderte sie, heldenhaft der Versuchung widerstehend, »bist mit Medikamenten voll gepumpt.«

Seine Hand glitt zu seinem Schoß, und er ließ die Finger auf seiner Männlichkeit ruhen. »Ich bin aber trotzdem voll funktionsfähig«, murmelte Joe mit schiefem Lächeln.

Luna klappte der Unterkiefer herunter. O Gott! Obwohl sie die Fassung normalerweise nicht so leicht verlor, wurde ihr ganz schwummrig zumute. Am liebsten hätte sie ihn berührt, um seine Kraft zu spüren, über die heiße Seide seines Fleisches zu streichen, seine krausen schwarzen Haare anzufassen.

Absurd. Eine solche Wirkung hatten Männer sonst nicht auf sie, selbst muskulöse, übertrieben selbstbewusste Hünen nicht. Trotzdem bereitete es ihr Schwierigkeiten zu atmen und einen klaren Gedanken zu fassen. Sie schluckte schwer und zwang sich, ihren Blick auf sein Gesicht zu richten. »Deshalb bin ich nicht hergekommen, Joe.«

»Nein?«

»Sondern um mit dir zu reden.«

»Das können wir auch im Bett tun.«

Sein säuselnder Ton ging ihr durch und durch und brachte ihre Entschlossenheit ins Wanken. Sie riss sich zusammen und brachte ein spöttisches Lächeln zustande. »Ich hab noch nie einen Mann gekannt, den Schmerzmittel sexuell erregen.«

Sein Blick wanderte über ihre Brüste, die sich unter ihrem farbenfrohen, mit glänzenden Perlen besetzten Top abzeichneten. »Ich schlucke jetzt seit drei Tagen Schmerzmittel, Schätzchen. Dass die mich anturnen, kann ich wirklich nicht behaupten.«

Luna beschlich ein Verdacht. »Dann bist du wohl gar nicht so hinüber, wie ich dachte, wie?«

Ächzend versuchte er, sich im Bett aufzurichten. »Nein. Jedenfalls nicht mehr. Aber Schmerzen habe ich nach wie vor. Hilf mir mal, ja?«

Mit aufeinander gepressten Lippen und wachsamem Blick schlang Luna beide Hände um seinen dicken Oberarm. Als sie spürte, wie seine Muskeln sich spannten, wurde ihr wieder ganz schwummrig. Er stemmte sich gegen sie und schob sich nach oben, bis er sich mit dem Rücken gegen die Kopfstütze des Bettes lehnen konnte. Die Anstrengung schien ihn so mitgenommen zu haben, dass er ganz bleich aussah. Fast tat er Luna ein bisschen Leid.

»Mannomann«, murmelte er, »meine Rippen bringen mich noch um, und mein Knie tut höllisch weh.«

Das sah sie. Er war geradezu starr vor Schmerz, seine Stirn feucht von Schweiß. Aber Joe war kein Mann, den man bemutterte, am allerwenigsten, wenn er nackt im Bett lag.

Sobald er aufrecht dasaß, stieß er vorsichtig einen Seufzer aus.

Um nicht länger den Reizen seines nackten Körpers ausgesetzt zu sein, warf Luna ihm die Bettdecke über den Schoß.

Joe blinzelte sie an. »Das macht dich wohl zu sehr an, wie?«

Ja. »Überhaupt nicht.« Da seine langen, behaarten Beine noch zu sehen waren, breitete sie die Decke über seinen Unterkörper aus und packte ihn sorgfältig ein, wobei sie sich alle erdenkliche Mühe gab, sein wissendes Lächeln sowie die Tatsache, dass sich die Bettdecke über seinem halb erigierten Penis wölbte, zu ignorieren.

»Danke«, murmelte er in einem Ton, der vor Ironie triefte. Dann streckte er sich vorsichtig aus, um sich bequemer hinzulegen. »Ich bin froh, dass du hier bist.«

»Na selbstverständlich.« Luna trat ein Stück vom Bett zurück, um außer Reichweite seiner langen muskulösen Arme zu sein. »Als die beiden Frauen dich vorhin betatschten, machtest du ganz den Eindruck, als würdest du entsetzlich leiden.«

»Leiden? Ja, das ist der richtige Ausdruck. Warum, glaubst du wohl, habe ich mich schlafend gestellt?« Er strampelte sich frei, bis sein rechtes Bein wieder zu sehen war. »Diese unersättlichen Hyänen begreifen einfach nicht, dass ich auch nur ein Mensch bin und wie jeder Mensch verletzt werden kann.«

Luna vermied es geflissentlich, ihren Blick von seinem Gesicht abzuwenden, um andere Teile seines Körpers zu beäugen. »Willst du damit sagen, dass sie wegen Sex hier waren?«

»Sah eine von denen vielleicht wie Florence Nightingale aus? Und auf Geld können sie auch nicht aus sein, da ich keins habe. Was bleibt dann noch außer Sex?«

Luna verdrehte die Augen. »Es fällt mir schwer zu glauben, dass ich freiwillig hergekommen bin.«

»Mir auch. Nebenbei bemerkt, warum bist du eigentlich hier? Ach so, du bist ja meine Frau, stimmt’s?«

Sein Gesichtsausdruck verriet, dass das Ganze ihm teuflisches Vergnügen bereitete, ein Eindruck, der durch seine leicht schiefe Nase und den kleinen goldenen Ring in seinem Ohr noch um einiges gesteigert wurde. Joe würde es genießen, sie aufzuziehen, sie verlegen zu machen. Doch dafür hatte sie keine Zeit, ebenso wenig wie sie es sich erlauben konnte, noch einmal über ihre Entscheidung nachzudenken.

Sie hoffte inständig, dass er es ihr nicht zu schwer machen würde. Nachdem sie tief Luft geholt hatte, sagte Luna: »Die Sache ist die, Joe … Ich brauche dich.« Joe gab sich alle erdenkliche Mühe, sich die unerträglichen Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Jeder Muskel, jeder Knochen und jedes Gelenk taten höllisch weh. Er warf einen Blick auf die Uhr und sah, dass es fast acht war. Offenbar lag er schon seit ewigen Zeiten im Bett, ganz abgesehen davon, dass er das Gefühl hatte, man hätte ihn durch den Wolf gedreht. Doch im Augenblick konnte er es sich nicht erlauben, sich von seinen lästigen Schmerzen ablenken zu lassen.

Luna hatte ihn aufgesucht, und diese Gelegenheit würde er sich zunutze machen, koste es, was es wolle.

»Wenn ich mich recht erinnere«, sagte er, »hast du damals gesagt, du würdest mich nie wieder sehen wollen. Hatte eigentlich den Eindruck, dass du es ernst meinst.«

Es passierte nicht oft, dass Luna Clark rot wurde. Normalerweise trat sie sehr bestimmt und selbstbewusst auf. Dass sie unsicher war, hatte er noch nie bei ihr erlebt.

Sie reckte das Kinn. »Du weißt, warum ich das gesagt habe, Joe.«

»Weil du kaltherzig bist?«, entgegnete er, um im selben Augenblick abwehrend die Hand zu heben. »Keine Tätlichkeiten! Mein Körper ist schon genug geschunden. Wenn er noch was abbekommt, bin ich erledigt.«

Sie sah in der Tat so aus, als hätte sie ihm am liebsten eine verpasst, was er, wie er zugeben musste, durchaus verdient hätte. Wenn er mit ihr zusammen war, schien er keine Kontrolle über seine lose Zunge, seinen Verstand und seine Lust zu haben. Aber verflucht noch mal, ihre abweisende Haltung brachte ihn derart auf, dass er sich immer wieder wie der letzte Arsch benahm.

Voller Unbehagen setzte Joe sich um und stöhnte dabei, ohne es zu wollen, vor Schmerz auf.

Luna kam ein Stück näher. »Was ist überhaupt mit dir passiert? Hast du wieder eine Frau belästigt? Ist sie dann mit einem Baseballschläger auf dich losgegangen?«

Joe verbiss sich ein Grinsen. »Kleine Tätscheleien sind keine Belästigung.« Selbst in einer Situation wie dieser schaffte es Luna, ihn zu amüsieren. Und jetzt hatte er sie endlich da, wo er sie haben wollte.

Gestern hatte sein Cousin Zane angerufen, um ihm mitzuteilen, dass Luna ihn aufsuchen würde, dass sie ein Problem hätte – mehr wollte Zane nicht verraten – und seine Unterstützung bräuchte. Joe hatte sich natürlich bereit erklärt, ihr zu helfen. Luna war schließlich die beste Freundin der Frau seines Cousins, was sie praktisch zu einem Mitglied der Familie machte. Und für seine Familie tat Joe alles.

Ja. Das hörte sich auch in seinen Ohren plausibel genug an.

Allerdings war sie früher bei ihm aufgekreuzt, als er erwartet hatte. Er hatte gehofft, noch ein paar Tage zu haben, um sich von seinen Verletzungen zu erholen, bevor er sich mit ihr auseinander setzen musste.

Ihre faszinierenden Augen funkelten vor Ärger. »Ich kannte dich ja kaum, Joe. Ich habe dir ein Sandwich gebracht, und eine halbe Minute später warst du schon dabei, mich zu betatschen.«

Trotz seiner Schmerzen wurde Joe ganz warm zumute, als ihm die Sache wieder einfiel. Er sah Luna unverwandt an. »Dein runder weicher Hintern ist eben unwiderstehlich, Schätzchen«, sagte er zu seiner Verteidigung.

Luna wurde knallrot. »Noch so eine blöde, sexistische …«

»Er fordert einen geradezu auf, ihn anzufassen«, insistierte Joe. »Er …« Da Luna aussah, als würde sie gleich explodieren, ließ Joe es vorsichtshalber erst einmal dabei bewenden und wechselte das Thema, um sie abzulenken. »Und zu deiner Information: Ich bin nicht von einer Frau zusammengeschlagen worden.« Er schnaubte verächtlich. »Wäre ja wohl auch ein bisschen absurd, wie?«

»Warum denn?« Ihr Körper vibrierte vor Spannung. »Ich wäre durchaus bereit, dich zusammenzuschlagen.«

Sollte sie es doch versuchen. Dann würde sie wenigstens näher kommen. Als sie eben kurz auf ihm gelegen hatte, sodass ihre Körper sich an den richtigen Stellen berührt hatten, war er von einem Verlangen erfüllt gewesen, wie er es nicht mehr gespürt hatte, seit … nun ja, seit er sie das letzte Mal berührt hatte. Verflucht noch mal.

Doch sie kam nicht näher. Kluges Mädchen. »Wenn du unbedingt die blutigen Details hören willst: Irgendein schmieriger Dreckskerl hat sich von hinten an mich angeschlichen und mich überrumpelt. Allerdings ist er wohl eher mit einem Schraubenschlüssel als mit einem Baseballschläger auf mich losgegangen.«

»O mein Gott!«

Endlich zeigte sie ein Mitgefühl, wie er es verdiente. Joe grunzte. »Tja. Der erste Schlag hat mich am Kopf erwischt. Die Beule kann ich dir noch zeigen. Das hat mich sofort ausgeknockt.« Vorsichtig berührte er die empfindliche Stelle hinter seinem linken Ohr. »Das ist alles, woran ich mich erinnern kann.« Der Vollständigkeit halber fügte er hinzu: »Ich habe es kaum bis nach Hause geschafft.«

Was in keiner Weise übertrieben war. Es war eine monumentale Leistung gewesen, die Stufen zu seinem Apartment hochzukommen, das im ersten Stock lag, zumal mit seinem vermaledeiten kaputten Knie. Trotz der Hilfe, die er gehabt hatte, war es eine verdammt schwierige Sache gewesen.

Mit einem äußerst zufrieden stellenden, sehr fraulichen, sehr besorgten Ausdruck in den schönen hellbraunen Augen trat Luna näher ans Bett heran. »Bist du beim Arzt gewesen?«

»Ja. Der hat unzählige Röntgenaufnahmen gemacht und mich gründlich beklopft und betastet. Gebrochen ist glücklicherweise nichts, obwohl ich das Gefühl habe, als sei mein ganzer Körper durch die Mangel gedreht worden. Der abschließende Befund war, dass ich es überleben und in einer Woche ungefähr wieder so gut wie neu sein werde, wenn ich im Bett bleibe, Eis auf die lädierten Stellen packe und fleißig Schmerzmittel schlucke.«

Mit besorgtem Blick musterte sie ihn von oben bis unten. »Wie weit bist du imstande, dich zu bewegen?«

Jetzt kommen wir der Sache schon näher. »Meine Hüften funktionieren prächtig, Schätzchen. Aber wahrscheinlich wäre es leichter, wenn du alle … hey, ich hab doch nur Spaß gemacht, Luna.« Er schaffte es kaum, sein Lachen zu unterdrücken. »Kein Grund, so empört davonzustürmen.«

Sie machte auf dem Absatz kehrt und kam langsam auf ihn zu. Joe wartete auf einen Zornesausbruch. Zu seiner Überraschung holte sie lediglich mehrmals hintereinander tief Luft.

Er seufzte. Sie war so aufbrausend, so leidenschaftlich, dass es einfach Spaß machte, sie zu provozieren. Er zog eine Augenbraue hoch. »Hast du dich jetzt wieder unter Kontrolle?«

Sie nickte kurz.

Die kleine Lügnerin! In Wirklichkeit hätte sie ihn am liebsten zu Brei geschlagen. »Gut.« Er klopfte neben seiner Hüfte aufs Bett. »Dann erzähl mal, warum du mich brauchst. Ich bin ganz Ohr.«

»Herrgott noch mal, Joe, du bist einfach unmöglich.« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das heute eine hellbraune Farbe hatte und bis zu den Schultern reichte. In dieser Hinsicht war Luna jedoch das reinste Chamäleon, sodass es Joe in keiner Weise überrascht hätte, wenn sie morgen rothaarig und übermorgen blond gewesen wäre. Er hatte sie schon mit so vielen Haarfarben und Frisuren gesehen, dass er keine Ahnung hatte, welche Farbe ihr Haar von Natur aus hatte. Aber das würde er herausfinden, wenn er sie erst einmal nackt vor sich hatte. Er konnte es kaum erwarten.

Bis dahin war er gern bereit, über ihre eigentliche Haarfarbe zu spekulieren. Der ständige Wechsel zog ihn an. Ja, das war es. Dieser ständige Wechsel.

Luna hatte ihn von Anfang an gefesselt. Und er hatte nicht gelogen – die Frau hatte in der Tat einen Wahnsinnshintern. Das war ihm in dem Augenblick aufgefallen, als sie in den Computerladen seines Cousins gekommen war, in dem er damals gerade ausgeholfen hatte, weil Not am Mann gewesen war. Da Joe Zane einen großen Gefallen damit getan hatte, dass er auf die Kasse aufpasste, hatte Zane Luna gebeten, Joe etwas zum Lunch zu bringen.

Zunächst war Luna sehr zugänglich gewesen und hatte sogar mit ihm geflirtet, was aber, wie Joe inzwischen wusste, nicht ihm persönlich gegolten hatte, sondern einfach zu ihrer Natur gehörte. Als sie ihn mit ihren schräg geschnittenen, goldenen Augen angesehen hatte, hatte er dort genau das gesehen, was er sehen wollte: eine Aufforderung.

Unter normalen Umständen behielt Joe stets einen klaren Kopf. Doch bei Luna war alles anders. Bei ihr löste sich seine ganze Gelassenheit in nichts auf. Als sie sich an jenem Tag umgedreht hatte, um seinen Lunch auf den Verkaufstresen zu legen, hatte sie Joe ihren hinreißenden Hintern präsentiert. Und Joe hatte sie, ohne weiter darüber nachzudenken oder die möglichen Konsequenzen zu bedenken, berührt.

Falls man die Tatsache, dass er sie getätschelt und anschließend mit der ganzen Hand ihre Pobacke gedrückt hatte, als bloße Berührung bezeichnen konnte. Sobald er ihr weiches, warmes, nachgiebiges Fleisch gespürt hatte, wollte er mehr als nur eine Hand voll davon. Unendlich viel mehr.

Doch Luna war ganz steif und starr geworden, und im nächsten Augenblick hatte Joe seinen Lunch im Gesicht gehabt. Anschließend war sie aus dem Laden gestürmt, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, sich zu entschuldigen oder ihr alles zu erklären.

Es war nicht leicht gewesen, Luna dazu zu bringen, ihm zu vergeben, doch nach einiger Zeit hatte er es geschafft. Die gegenseitige Anziehung war schließlich da, was sie beide nicht leugnen konnten. Auf Zanes Hochzeit war es Joe endlich gelungen, ihr einen langen, leidenschaftlichen Kuss zu geben, der ihm seit drei Monaten nicht mehr aus dem Sinn ging.

Danach hatte er wiederholt versucht, sie allein zu erwischen. Verflucht noch mal, er hatte sogar versucht, sein bestes Benehmen an den Tag zu legen. Nicht dass das bei ihm sonderlich viel hieß. Er war sechsunddreißig und hatte schon reichlich Zeit damit verbracht, genau das zu tun, was ihm gefiel. Und die Jobs, die er gehabt hatte – als Leibwächter, Kopfgeldjäger und Privatdetektiv –, hatten nur dazu beigetragen, dass er noch tougher und härter wurde. Das brachte die Sache so mit sich und war manchmal sogar absolut notwendig.

Doch um Lunas willen hatte er versucht, sich zu benehmen, und sich dabei verdammt unbehaglich gefühlt.

Und trotzdem hatte sie ihn abblitzen lassen.

Joe rieb sich im Geiste die Hände. Jetzt hatte sie Probleme und brauchte Zane zufolge jemanden wie ihn. Jemanden, der weder Skrupel noch Angst hatte. Jemanden, der über die nötige Härte verfügte und gegebenenfalls imstande war, anderen in den Arsch zu treten.

Bevor er allerdings zu Letzterem in der Lage war, musste er erst einmal wiederhergestellt sein. Doch das würde ihm schon gelingen, denn schließlich ging es um Luna. Schließlich bot sich ihm auf diese Weise die Möglichkeit, seine überwältigende Lust zu stillen.

Da Luna sehr unentschlossen wirkte, sagte Joe keinen Ton und hielt sogar den Atem an. Nachdem eine halbe Minute verstrichen war und er schon meinte ersticken zu müssen, weil sie sich nicht entschließen konnte, kam sie endlich zu ihm.

Sie setzte sich auf die Bettkante, Hüfte an Hüfte mit ihm. »Aber benimm dich, Joe.«

»Na klar.« Joe wartete, doch sie sagte kein Wort. »Also?«

Sie sah ihn stirnrunzelnd an und blickte rasch wieder weg.

Na, das war ja köstlich. »Schüchtern?« stichelte er in leisem Ton. »Luna traut sich nicht? Luna, die Göttin des Mondes! Luna, die …«

»Na schön!« Sie zog die Brauen zusammen und machte ein strenges Gesicht, um dann zu sagen: »Ich habe zwei Kinder.«

Vor lauter Verblüffung blieb Joe die Luft weg, was bei seinen Verletzungen teuflisch wehtat. Er hielt sich die Rippen und versuchte keuchend, wieder zu Atem zu kommen. Sicher hatte er sie eben missverstanden. Zane hatte behauptet, sie habe ein Problem, mit dem nur er fertig werden könne, und Luna selbst hatte gesagt, dass sie ihn brauche. Joe hatte angenommen, dass sie sich irgendwie bedroht fühlte, von einem zudringlichen Freund vielleicht oder einem ungeduldigen Hauswirt, oder dass sie irgendwie finanziell in der Bredouille war. Mit alldem vermochte er fertig zu werden. Aber Kinder? Was zum Teufel wusste er denn von Kindern? Das Einzige, was er wusste, war, dass er keine haben wollte.

»Was du nicht sagst!«, stieß Joe schließlich mit tränenden Augen hervor. »Muss ja eine Ruckzuckgeburt gewesen sein.«

»Könntest du nicht mal einen Moment ernst sein?«

Joe presste die Hände gegen seine schmerzenden Rippen. »Ich bin so ernst wie eine Nonne am Sonntag, meine Süße, das kannst du mir glauben.«

Sie holte tief Luft. »Vor zwei Jahren ist eine Cousine von mir gestorben. Sie hat zwei Kinder hinterlassen. Niemand weiß, wer der Vater ist. Also brauchen sie einen Vormund.« Sie starrte ihre im Schoß liegenden Hände an. Joe hatte einen Augenblick lang den Eindruck, sie würde gleich anfangen zu weinen.

Wie die meisten Männer in einer solchen Situation schmolz Joe auf der Stelle dahin. Eine weinende Frau hat etwas an sich, das einen Mann dazu bringt, sich noch mehr als Mann zu fühlen, in die Rolle des starken Beschützers, des Helden zu schlüpfen, der bereit ist, das verletzliche Frauchen zu trösten. Und wenn es sich bei diesem Frauchen auch noch um Luna handelte … Luna, die gewöhnlich so beherrscht und selbstsicher war. Es warf ihn einfach um, sie in einer solchen Verfassung zu sehen. Wenn er nicht so lädiert gewesen wäre, hätte er sie an sich gezogen, um sie in die Arme zu nehmen und zu streicheln … Das wäre sicher sehr schön gewesen. Aber wahrscheinlich hätte er sich dann zu irgendetwas hinreißen lassen, das ihm eine Ohrfeige eingetragen hätte.

Besser, er versuchte es gar nicht erst.

Doch zumindest ihre Hand konnte er halten, bis sie sich wieder gefasst hatte. Ihre Nägel waren fuchsienrot lackiert, und sie trug mehrere silberne Ringe. Ihre kleine Hand fühlte sich in seiner ganz zart an.

Scheiße. Er hatte nicht die Absicht gehabt, Luna als zartes Wesen zu sehen. Er wollte in ihr nur eine Frau sehen, die sexy war. Heiß. Aufreizend.

Die sein war.

In den letzten drei Monaten hatte er sich allerlei ausgemalt und sich vorgestellt, wie es wäre, wenn sie ihn brauchte, aber nicht auf diese Weise. Der ganze Gefühlskram hatte dabei keine Rolle gespielt. Er stöhnte innerlich auf, diesmal nicht vor Schmerz, sondern weil sein Gehirn sich zusammenkrampfte.

»Woran ist sie denn gestorben?«, fragte er mit leiser, sanfter Stimme.

»Sie ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Eines Abends ist sie einkaufen gefahren und nie wieder nach Hause gekommen.« Luna zog die Nase hoch. »Die Kinder haben Schlimmes durchgemacht, Joe.«

Er legte den Kopf schräg und versuchte, ihr abgewandtes Gesicht zu sehen. Sie zu necken schien ihm die beste Methode zu sein. »Wenn du weinst, fange ich auch an loszuheulen, das schwöre ich dir!«

Diese Bemerkung quittierte sie mit einem verächtlichen Schnauben. Im nächsten Moment schien ihre Verletzlichkeit wie weggeblasen, und sie war wieder so kühl wie die Rückseite seines Kopfkissens. »Der Vormund hat schon mehrmals gewechselt, denn keiner konnte sich entschließen, die Vormundschaft permanent zu übernehmen. Ich habe etwa eine halbe Stunde lang mit Willow, Chloes Tochter, telefoniert. Sie hörte sich … nahezu verzweifelt an. Das gefällt mir ganz und gar nicht.«

»Chloe war deine Cousine, ja?« Joe strich ihr mit dem Daumen über die Knöchel und bestaunte die Weichheit ihrer Haut, um sich von den emotionalen Problemen abzulenken, die versuchten, sich in sein Gehirn zu drängen.

Sie nickte. »Wir sind uns ein- oder zweimal begegnet, als wir jünger waren, aber ich kann mich kaum noch an sie erinnern. Ich wusste nicht einmal, dass sie gestorben ist, da mich niemand benachrichtigt hat.«

»Und warum haben sie jetzt mit dir Verbindung aufgenommen?«

»Weil ich die Einzige bin, die noch übrig ist. Willow ist noch nicht ganz fünfzehn, hört sich aber viel älter an. Sie hat versucht, sich um ihren jüngeren Bruder zu kümmern und mit den ständigen Veränderungen fertig zu werden, doch das Ganze ist zu viel für sie. Ich muss hin.«

»Klar.« Joe drückte ihre Hand. Ihm war schleierhaft, welche Rolle er nach Lunas Vorstellung bei der Sache spielen sollte. Verdammt noch mal, er war kein Familienmensch, aber auch kein kompletter Scheißkerl. »Und was soll ich dabei tun?«

»Du bist also bereit, mir zu helfen?«

Was für eine lächerliche Frage! Er schaute sie fest an. »Willst du damit sagen, das weißt du nicht? Und ich dachte, du seist Luna, die allmächtige, allwissende Göttin des Mondes …«

Wieder machte sie den Eindruck, als würde sie ihm am liebsten eine knallen.

Joe lachte. »Reg dich ab, Schätzchen. Du hast doch von vornherein angenommen, dass ich dir helfen würde. Sonst hättest du mich gar nicht darum gebeten.«

Sie zuckte die Achseln. »Geb ich ja zu. Alles in allem bin ich davon ausgegangen, dass ich wahrscheinlich mit dir rechnen kann.«

Aha. Sein Mund verzog sich zu einem frechen Grinsen. »Du meinst, weil wir uns sexuell voneinander angezogen fühlen.«

Luna sah ihn mit großem Ernst an. »Nein. Sondern weil du im tiefsten Innern einer der besten Menschen bist, die ich kenne.« Der sanfte Ton ihrer Stimme überraschte ihn. »Zane hat absolutes Vertrauen zu dir.«

Verflucht, das brachte ihn ziemlich aus der Fassung. Während er auf sexuelle Plänkeleien aus war, versetzte sie ihm einen Tiefschlag, indem sie ihm Komplimente zu seinem übel beleumundeten Charakter machte.

»Aber bevor du zustimmst«, fuhr Luna fort, »solltest du wissen, dass die Kinder nicht gerade pflegeleicht sind. Willow hat angedeutet, dass sie ein paar Nachbarn mit harmlosen Streichen geärgert haben, sodass einige Leute die Kinder jetzt für alle möglichen Dinge verantwortlich machen und ihnen insgesamt ziemlich zusetzen.«

»Zusetzen, ja?« Joe grinste. Es musste noch mehr dahinter stecken, sonst würde Luna nicht versuchen, ihn zum Mitkommen zu überreden. Sie war nicht gerade hilflos, und unter gewöhnlichen Umständen würde sie zweifellos spielend mit ein paar lästigen Nachbarn fertig werden. Mit ihm war sie ja schließlich auch fertig geworden, indem sie ihm sehr deutlich zu verstehen gegeben hatte, nichts mit ihm zu tun haben zu wollen. Dass sie jetzt zu ihm gekommen war, verriet einiges über die Situation, in der sie sich befand.

Es zeigte aber auch, welches Vertrauen sie zu seinen Fähigkeiten hatte. Du bist einer der besten Menschen, die ich kenne. Das war doch wirklich der Gipfel! Sie war nicht hier, weil sie ihn begehrte, sondern weil sie sich was zusammenfantasiert hatte und ihn für einen noblen Menschen hielt. Joe presste die Zähne zusammen. Sie würde sicher stocksauer sein, wenn sie herausfand, dass sein nobles Wesen nur in ihrer Fantasie existierte. Es wäre in keiner Weise fair – weder ihr noch den Kindern gegenüber –, wenn er sich auf die Sache einließ.

Aber wie schlimm konnten zwei Kinder denn sein? Das waren doch kleine Menschen, deren Zerstörungspotenzial folglich begrenzt war. Weder er noch seine Schwester waren verheiratet, sodass sie – sehr zum Verdruss ihrer Mutter – weit davon entfernt waren, die Familie mit Babys zu bereichern. Doch seine vier Cousins hatten eine ganze Schar von Kindern in die Welt gesetzt, das jüngste achtzehn Monate, das älteste fast fünfzehn Jahre alt. Joe genoss es immer, bei ihnen zu Besuch zu sein. Kinder konnten bezaubernd sein, solange es nicht seine Kinder waren.

Nachdem er einen Entschluss gefasst hatte, schob er sein stets präsentes körperliches Unwohlsein beiseite und sah Luna an. »Na schön. Dann lass mal hören.«

»Was denn?«

»Die Einzelheiten. Was haben die Rabauken ausgefressen? In wie großen Schwierigkeiten sind sie?«

»Von Schwierigkeiten würde ich nicht unbedingt sprechen wollen«, wiegelte Luna ab. »Es geht nur darum, dass ein paar Leute sie von dort vertreiben wollen.«

»Was für Leute?«

Nachdem Luna ihn von oben bis unten gemustert hatte, sagte sie: »Große, kräftige Leute.«

»Groß und kräftig sind die, ja?«

»Und Furcht einflößend.«

Er grinste. »Tatsächlich?«

»Und gemein.«

»Ich bin nicht gemein.«

»Das habe ich auch nicht gesagt. Ich habe gesagt, die Leute, die die Kinder schikanieren, sind gemein.«

»Okay. Und dir schwebt vor, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, indem du mich aus der Tasche ziehst?«

Jetzt war es an ihr zu grinsen. »Wie imponierend und skrupellos die auch sein mögen, Joe, gegen dich kommen sie nicht an. Ich habe dich in Aktion gesehen, als du bei Zane ausgeholfen hast, und kenne all die Geschichten, die deine Cousins erzählen. Du wirst mit allem und jedem fertig.«

»Schon möglich«, erwiderte er, um mit einem Stirnrunzeln hinzuzufügen: »Aber ich bin nicht gemein.« Warum es so wichtig war, ihr das begreiflich zu machen, vermochte Joe nicht zu sagen.

»Du bist genau der richtige Mann. Diese Typen werden sich wundern!«

»Du hast mir noch immer nicht erzählt, was eigentlich passiert ist. Warum werden die Kinder schikaniert?«

Stirnrunzelnd starrte Luna auf eine besonders üble Prellung unterhalb von Joes linkem Brustmuskel. Sie sah aus, als würde sie ihn zu gern berühren, und Joe hoffte, dass sie es auch täte, obwohl er wusste, dass er im Augenblick nicht zu Schmusereien in der Lage war. Doch dann wandte Luna den Blick ab und sah ihm wieder ins Gesicht. »Willow hat gesagt, es liege daran, dass ihre Mutter nicht verheiratet war und die beiden jetzt Waisen sind.«

»Und niemand hat eine Ahnung, wer der Vater ist?«

»Nein. Er hat sich nie blicken lassen und nie Alimente gezahlt. Ich wollte nicht indiskret sein, aber Willow hat von sich aus gesagt, dass es nie einen Dad gegeben hat und nie einen geben würde.«

»Scheiße.«

»Traurig, nicht wahr? Wie kann eine Stadt Kinder dafür verantwortlich machen, dass sie unehelich beziehungsweise verwaist sind? Trotzdem hat keiner der Vormunde auch nur die geringsten Anstalten gemacht, sie zu adoptieren. Einer nach dem anderen hat sich wieder davongemacht und die Kinder aus diesem oder jenem Grund im Stich gelassen.«

Joe fand das Ganze ebenfalls grässlich, obwohl er wusste, dass Kleinstädter bei solchen Sachen wirklich eigenartig sein konnten. Das Leben in Kleinstädten war in mancherlei Hinsicht schlimmer als das in Großstädten. In einer Großstadt konnte man zumindest anonym bleiben, und niemand kümmerte sich darum, wer man war oder was man tat. »Wer ist jetzt ihr Vormund?«

»Eine Tante. Sie bleibt bis zu meiner Ankunft dort, hat aber deutlich zu verstehen gegeben, dass sie langsam ungeduldig wird. Vor ihr hat sich ein anderer Cousin um die Kinder gekümmert. Wie ich gehört habe, ist seine Frau beruflich versetzt worden, und sie wollten die Kinder nicht mitnehmen. Davor hat ein Großonkel Vormund gespielt, der schon halb im Ruhestand lebte und behauptete, die Kinder seien zu schwierig. Die Tante ist also bereits die dritte. Jetzt will sie heiraten, aber ihr Verlobter will nicht zwei Kinder am Hals haben.«

Joe machte ein finsteres Gesicht, als er sich vorstellte, wie Kinder sich fühlen mussten, wenn es in ihrem Leben keine Sicherheit, keine Beständigkeit gab. Aber dass sich Luna dieser Aufgabe jetzt annehmen wollte …

Luna war viel zu individualistisch, zu exotisch und zu sexy, um Mutter zu spielen. Außerdem arbeitete sie als Hellseherin beziehungsweise war die Assistentin einer Hellseherin.

Joe war schon vor einiger Zeit zu dem Schluss gelangt, dass sie wahrscheinlich echte übernatürliche Fähigkeiten besaß, denn es war mehrmals vorgekommen, dass sie mehr gewusst hatte, als sie hätte wissen können, vor allem über ihn.

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, fuhr Luna fort: »Die Überprüfung des Backgrounds habe ich bereits hinter mir, doch sobald ich mich dort niedergelassen habe, steht mir auch noch die Begutachtung der häuslichen Verhältnisse bevor. Das bereitet mir aber keine allzu großen Kopfschmerzen, denn obwohl ich vielleicht nicht die ideale Mutter bin …«

»Das hast du gesagt, nicht ich.«

Ohne in ihren Ausführungen innezuhalten, kniff Luna ihn so heftig in den Arm, dass er zusammenzuckte. »… ist der CPS derart überlastet, dass man dort durchaus bereit ist, ein Auge zuzudrücken, wenn Kinder bei Verwandten untergebracht werden können. Zumindest hat mir das die Sozialarbeiterin erzählt. Obwohl ich eine entfernte Verwandte bin, die niemand kennt, bin ich trotzdem immer noch besser als andere.«

»Ah ja? In welcher Hinsicht?«

Ein Funkeln in ihren Augen verriet Joe, dass eine zweite Kneifattacke nicht ganz ausgeschlossen war. Deshalb hielt er vorsichtshalber ihre Hand fest. »Weiß die Sozialarbeiterin von deiner Neigung, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen?«

»Sei nicht kindisch, Joe. Ich habe dir nicht wirklich wehgetan.«

Das stimmte natürlich. Im Vergleich zu seinen anderen Schmerzen war das, was sie getan hatte, nicht der Rede wert. Trotzdem konnte er weiß Gott auf zusätzliche Schmerzen verzichten.

»Jedenfalls werde ich dort hinziehen.«

»Und wo ist das?«, fragte Joe.

»In North Carolina.«

Joe fuhr überrascht zusammen. So ein Mist. Luna wohnte schon jetzt über eine Stunde von ihm entfernt, in Thomasville, Kentucky. Alles, was darüber hinausging, war so weit weg, dass er sie nicht mehr bequem erreichen konnte. Er musste sich etwas einfallen lassen, um ihr diesen Umzug auszureden.

Er wollte sie in seinem Bett haben. Für wie lange, wusste er noch nicht. Doch bis er sich darüber schlüssig geworden war, wollte er sie in seiner Nähe haben. Mit Kindern konnte er fertig werden. Mit den Typen, die sie schikanierten, ebenfalls.

Aber nie herauszufinden, wie es war, auf Luna zu liegen … das war nun wirklich ganz unmöglich.

Zweites Kapitel

»Darüber sollten wir erst noch mal reden.«

»Mein Entschluss steht fest. Sie sind allein, Joe. Zwei ganze Jahre haben sie in Ungewissheit gelebt und einen Erwachsenen nach dem nächsten präsentiert bekommen, der versucht hat, ihnen seine Regeln aufzudrücken. Im ersten Moment habe ich mit dem Gedanken gespielt, sie herzuholen, aber laut Testament gehört das Haus ihnen, vorausgesetzt, der Vormund lebt dort.«

Das verblüffte Joe. Warum hatte ihre Mutter darauf bestanden, dass die Kinder weiter dort wohnten? Ihr war doch sicher klar gewesen, welche Schwierigkeiten ein Umzug für die meisten Erwachsenen mit sich brachte. Insgesamt verlangte sie ziemlich viel, denn schließlich war es ja schon eine große Verantwortung, die Kinder eines anderen großzuziehen.

Als hätte sie erneut seine Gedanken gelesen, meinte Luna: »Ich könnte mir vorstellen, dass das Haus sogar als besonderer Anreiz gedacht war. Da die Hypothek abbezahlt ist, braucht man nämlich keine Miete zu zahlen. Chloe wollte wahrscheinlich nicht, dass es verkauft wird, um zu verhindern, dass der Vormund das Geld durchbringt und die Kinder dann im Stich lässt. Außerdem hat es schon genug Veränderungen für die beiden gegeben. Das ist ihr Zuhause, und man sollte sie nicht zwingen, woanders hinzuziehen. Das Haus ist in den letzten zwei Jahren die einzige Konstante im Leben der Kinder gewesen.«

Luna schien so entschlossen zu sein fortzuziehen, dass Joe ein Gefühl der Verzweiflung beschlich. Er schüttelte dieses Gefühl jedoch ab und sah Luna finster an. »Was ist mit deinem Leben hier? Mit deinem Job bei Tamara, mit deinen Freunden, mit deiner Familie?« Was ist mit mir? Das sprach er zwar nicht aus, doch schon bei dem Gedanken krampfte sich alles in ihm zusammen. Verdammt noch mal, er wollte einfach, dass er ihr nicht ganz egal war.

Gleichgültig zuckte Luna die Achseln. »Meine Familie ist ohnehin über das ganze Land verstreut. Außerdem standen wir einander nie sonderlich nahe. Glaub mir, denen ist es gleich, was ich tue.«

»Tatsächlich?« Die Vorstellung, dass Verwandte nicht zusammenhielten, war Joe, in dessen großer Familie jeder stets für den anderen da war, völlig fremd. In diesem Zusammenhang wurde ihm klar, dass er eigentlich nicht sehr viel über Lunas familiäre Umgebung wusste.

Luna schüttelte den Kopf, ging aber nicht näher auf das Thema ein. »Arbeit finde ich überall. Und ich kann Tamara, Zane und die anderen ja jederzeit besuchen.«

Verstimmt verdrehte Joe die Augen. Die Vorstellung, fern von ihm zu sein, machte ihr offenbar nicht das Geringste aus. Aber er würde schon einen Weg finden, dass sie sich in diesem Punkt anders besann. »Und welche Rolle hast du mir dabei zugedacht? Soll ich alle, die den Kindern das Leben schwer machen, nach Strich und Faden vermöbeln? Soll ich jemanden krankenhausreif schlagen?«

Dieses Angebot schien Luna zu amüsieren. »Hör auf damit, Joe, das kauf ich dir sowieso nicht ab.«

»Wie meinst du das?« Die Unschuldsmiene, die er aufsetzte, mochte zwar nicht hundertprozentig überzeugend wirken, doch im Großen und Ganzen war er recht zufrieden mit seiner Leistung.

»Zane hat mich schon darauf vorbereitet, dass du wahrscheinlich irgendwas in dieser Art von dir geben würdest. Er sagte, dass du dir keine Gelegenheit entgehen lässt, dich als echten Bulldozer hinzustellen.«

Zane war wirklich ein Spielverderber. Allerdings konnte sich Joe noch daran erinnern, das Zane ihn einmal als Profikiller bezeichnet hatte. Offenbar war er inzwischen ein wenig in Zanes Achtung gestiegen. Joe grinste. »Also – was soll ich tun?«

»Ich brauche dich lediglich, um mir Rückendeckung zu geben und die Leute einzuschüchtern, die besonders aggressiv auftreten.« Luna musterte ihn von oben bis unten und ließ den Blick auf seiner Brust und seinen Schultern ruhen, um die Augenbrauen anschließend beeindruckt hochzuziehen. »Selbst wenn du so lädiert bist wie jetzt und in einem fort vor Schmerzen stöhnst, kann ich mir nicht vorstellen, dass allzu viele Leute so blöd wären, sich mit dir anzulegen.«

»Von dir einmal abgesehen«, sagte er mit wölfischem Grinsen.

»Ich hatte eher den Eindruck, dass ich dir aus dem Wege gegangen bin«, erwiderte Luna, die es kränkte, mit irgendwelchen blöden Leuten in einen Topf geworfen zu werden.

Behutsam zog Joe die Decke weiter nach unten. Offenbar war er aber nicht behutsam genug vorgegangen, da Lunas Blick sich sofort auf seinen Unterleib richtete. »Mir aus dem Wege gegangen?« fragte er, damit sie nicht bemerkte, dass er bemerkt hatte, wo sie hinschaute. »Dann warst das gar nicht du, die mich auf Zanes Hochzeit in dem dunklen Korridor geküsst, sich an mich geklammert und sich gegen mich gepresst hat?«

Blitzschnell sprang sie vom Bett hoch. »Etwas mehr Takt würde dir nichts schaden, weißt du.«

»Takt ist was für Schlappschwänze.« Er schob die Decke noch weiter nach unten. Noch ein Stückchen weiter, und er würde völlig entblößt daliegen.

Doch Luna war derart stur, dass sie nicht einmal hinsah. »Na schön, ich habe dich also geküsst. In einem Anfall von Wahnsinn.«

Joe nickte und tat so, als besäße sie sein ganzes Mitgefühl. »Diese Wirkung habe ich auf viele Frauen.«

Sie war fest entschlossen, sich nicht vom Kurs abbringen zu lassen. »Aber dann bin ich wieder zu mir gekommen und davongegangen.«

Es bereitete Joe ungeheure Genugtuung, sie auf eine nicht zu leugnende Tatsache hinzuweisen. »Und jetzt bist du wieder da.«

»Notgedrungen.« Als könne sie nicht anders, glitt ihr Blick über seinen Körper. Ihr stockte der Atem. Röte schoss ihr ins Gesicht. »Ich will es gar nicht abstreiten, Joe«, sagte sie sanft. »Du bist sehr anziehend. Aber ich habe nicht die Absicht, für eine weitere Kerbe in deinem Bettpfosten herzuhalten.«

So, er war also sehr anziehend? Die in ihm aufsteigende Lust ließ ihn einen Augenblick lang sogar die Schmerzen vergessen. »Kann ich absolut verstehen«, beruhigte er sie. »Kein Grund, in Abwehrhaltung zu gehen.«

»Tu ich ja gar nicht.« Sie drehte ihm den Rücken zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Besser hätte sie ihre Abwehrhaltung gar nicht zum Ausdruck bringen können.

»Wie wäre es denn, wenn ich für eine Kerbe in deinem Bettpfosten herhielte? Hätte ich nichts gegen einzuwenden. Könnte natürlich passieren, dass du zwei Kerben einritzen musst. Nicht dass ich prahlen will oder so …«

Luna schien abermals kurz davor zu sein, die Geduld zu verlieren. »Kommst du nun mit oder nicht?«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.

Ihre schwarzen, tief sitzenden Jeans lagen so eng an, dass ihr hinreißender Hintern perfekt zur Geltung kam. Als sie sich Joe wieder zudrehte und auf ihn zukam, konnte er einen flüchtigen Blick auf ihren Bauch werfen, der zwischen ihren Jeans und ihrem farbenfrohen Top hervorlugte. Für eine Frau mit so ausladenden Hüften und einem derart großen Busen war Lunas Taille bemerkenswert schmal. Ihr Bauch war nur leicht gerundet. Wenn er sie sah, musste er immer an die Pin-up-Girls aus früheren Zeiten denken. Prall. Kurvenreich. Sexy.

»Darüber muss ich erst noch nachdenken«, murmelte er zerstreut, während er in Gedanken damit befasst war, sie nackt auszuziehen, um ihre Reize besser in Augenschein zu nehmen.

»Ich werde dich selbstverständlich bezahlen.«

Mit dieser Bemerkung machte sie all seine schönen Fantasien kaputt. »Kommt gar nicht in Frage. Ich will und ich brauche dein Geld nicht.«

Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Aber du hast mir doch gerade erzählt, dass du völlig abgebrannt bist.«

Diesen Einwand tat Joe mit einer Handbewegung ab. Unmittelbar darauf presste er sich vor Schmerz die Hände gegen die Rippen. »Das sag ich immer, damit die Frauen nicht auf falsche Gedanken kommen. Das ist besser, als zu behaupten, ich sei ein schlechter Liebhaber, was mir wahrscheinlich ohnehin niemand abnehmen würde.«

Sie kniff drohend die Augen zusammen. »Dann hast du also gelogen?«

»Natürlich nicht.« Er versuchte, eine beleidigte Miene aufzusetzen. »Ich habe nur übertrieben, das ist alles. Ich meine, ich bin nicht reich oder so. Aber ich habe immer bescheiden gelebt, habe immer Arbeit gehabt, und was ich mache, mach ich gut. Ich habe genug gespart, um sorgenfrei leben zu können.«

»Du bist echt ein Schwein.«

»Ich bin Realist«, korrigierte er sie. »Seit Jahren versuchen die Frauen, mich zum Altar zu schleifen. Wenn sie glauben, dass ich arm bin, sind sie nicht mehr so wild auf eine feste Beziehung und neigen eher dazu, sich auf eine kurze Affäre einzulassen.«

»Schon gut, schon gut. Was du anderen Frauen erzählst, ist mir völlig egal. Aber ich bestehe darauf, dich für diese Sache zu bezahlen.«

»Nein.« Er würde es vorziehen, dass sie ihm verpflichtet war. Nicht dass er die Absicht hatte, sie damit unter Druck zu setzen, um sie ins Bett zu bekommen. Aber wenn sie ihm gegenüber milder gestimmt war, in ihm ihren Helden sah, würde sie vielleicht aufhören, so heftigen Widerstand zu leisten.

»Sei doch vernünftig, Joe. Ich habe keine Ahnung, auf was wir uns da einlassen. Vielleicht brauche ich dich eine Woche, vielleicht aber auch einen Monat. Kannst du es dir leisten, so lange keinen Job zu haben?«

Joe schätzte, dass es eine Woche, höchstens zehn Tage dauern würde, um herauszubekommen, wie die Dinge lagen, und anschließend alles in Ordnung zu bringen. Danach würde er sich voll und ganz auf Luna konzentrieren können – und auf ihre Dankbarkeit.

»Ja, kann ich«, sagte er mit breitem Grinsen. Als sie Einwände machen wollte, hob er die Hand. »Jetzt hör mal gut zu. Ich wollte meine Wohnung sowieso aufgeben. Hier schneien einfach zu viele Leute herein und …«

»Du meinst, zu viele Frauen.«

Er quittierte ihren anzüglichen Blick mit einem Grinsen.

»Vielleicht solltest du aufhören, rundum Wohnungsschlüssel zu verteilen …«

»Also das kannst du mir nun wirklich nicht vorwerfen. Niemand kriegt einen Schlüssel von mir.« Ganz im Gegenteil, denn von seiner Familie abgesehen war ihm nichts wichtiger als seine Privatsphäre und sein Junggesellenleben.

»Und wie sind dann Barbie und ihre Freundin reingekommen?«

»Barbie?« Durch das ständige Grinsen taten ihm seine Kiefermuskeln allmählich genauso weh wie seine Rippen. »Du meinst Beth? Sie ist mit Amelia reingekommen, das ist die andere von den beiden, die mich gerade betatscht haben, als du in die Wohnung kamst. Um deiner Frage zuvorzukommen: Nein, auch Amelia habe ich keinen Schlüssel gegeben. Wir hatten an dem Abend, als ich zusammengeschlagen wurde, ein Date. Sie hat mich ins Krankenhaus gefahren und mich anschließend nach Hause gebracht. Ich nehme an, sie hat einfach den Schlüssel behalten. Und ich war wahrlich nicht in der Verfassung, ein neues Schloss einzubauen.«

Ein nachdenklicher Ausdruck verdrängte die Verärgerung in Lunas Miene. »Warum ist sie nicht verletzt worden, wenn sie bei dir war, als du überfallen wurdest?«

»Als es passiert ist, war ich allein.« Das war das einzig Gute an jenem Abend. Die Vorstellung, dass einer Frau, die sich in seiner Obhut befand, etwas zustieß, fand Joe absolut unerträglich.

Gedankenverloren ging Luna mit gesenktem Kopf langsam durch das Schlafzimmer. Abgesehen von den Sachen, die Joe in der Nacht, als er verprügelt worden war, hatte zu Boden fallen lassen, lag nichts umher. Seit dem Überfall hatte er sich nicht mehr angezogen, hatte kaum etwas gegessen und das Bett nur heute Morgen verlassen, um sich die Zähne zu putzen und etwas zu trinken. Als Beth und Amelia aufgetaucht waren, hatte er sich gerade dazu aufraffen wollen, sich etwas zu essen zu organisieren.

Natürlich hatten die beiden keinen Gedanken daran verschwendet, ihm etwas zu essen zu bringen. Dabei hatte er nach seiner Schätzung in den letzten paar Tagen mindestens acht Pfund abgenommen.

»Du hattest also ein Date mit Amelia, die aber nicht in deiner Nähe war, als dieser Mistkerl dich angriff?« Luna wippte mit dem Fuß. »Wie praktisch, findest du nicht?«

»Für wen?«

»Für sie.«

Die Unterstellung brachte ihn ziemlich aus der Fassung. »Ich hab gar nicht gewusst, dass du so misstrauisch bist.«

Luna zuckte die Achseln und wartete auf eine Erklärung.

»Das war keine abgekartete Sache«, sagte er verstimmt. »Falls es dir entgangen sein sollte: Amelia mag mich immer noch. Und das obwohl ich es abgelehnt habe, mich auf etwas Ernsthafteres einzulassen.«

»Etwas Ernsthafteres?«

Er zuckte die Achseln. »Irgendwann kommt ihnen allen in den Sinn zu heiraten. Aber sie war mit einer Beziehung einverstanden, die rein …«

»Sexuell war?«

Joe grinste.

»Blöde Frage«, sagte sie in ihrem schönsten Luna-die-Göttin-Ton, um dann immer noch misstrauisch zu fragen: »Was ist denn nun eigentlich passiert? Erzähl doch mal, Joe.«

Joe gab sich geschlagen. »Ich bin zum Parkhaus rüber gerannt, um meinen Truck zu holen, denn es hat fürchterlich geregnet. Ich bin nun mal ein Gentleman, wie du weißt.«

»Natürlich.«

Musste sie das in einem so ironischen Ton sagen? »Ich hatte den Wagen gerade aufgeschlossen, als mir jemand von hinten eins überzog. Ich bin zu Boden gegangen und hab noch weitere Prügel bekommen, aber da war ich schon bewusstlos, sodass ich keine Ahnung habe, wie viel Zeit verging. Als ich nicht ins Restaurant zurückkam, hat sich Amelia auf die Suche nach mir gemacht und mich auf dem Boden des Parkhauses gefunden. Vielleicht ist der Typ sogar wegen ihr abgehauen. Wenn sie nicht aufgetaucht wäre, hätte er mich womöglich umgebracht. Jedenfalls hatte ich schwer den Eindruck, dass er das vorhatte.«

Jetzt lag nur noch Sorge in Lunas Blick. »Hat sie die Polizei geholt?«

»Ich kam gerade wieder zu mir, als Amelia aufkreuzte. Sie hat mich sofort ins Krankenhaus gebracht. Als die mit mir fertig waren, habe ich den Bullen dort gleich alles erzählt. Nicht, dass ich mir viel davon verspreche. Ich habe nicht gesehen, wer es war, sodass es letzten Endes keine Anhaltspunkte gibt.«

Luna wirkte in keiner Weise überzeugt. »Hat Amelia denn niemanden gesehen?«

»Nein. Sie hat im Parkhaus zwar irgendwelche Geräusche gehört, aber als sie mich auffand, war ich allein.«

»Hmm. Du musst ziemlich lange bewusstlos gewesen sein.« Als Joe sie empört anblickte, sagte sie: »Okay, Amelia betet dich also an, obwohl du sie nicht heiraten willst. Fällt dir irgendjemand ein, der dir gegenüber nicht so wohlgesinnt ist?«

»Oh, ich habe da einen ganz bestimmten Verdacht.« Bei diesen Worten zogen sich Joe vor Wut alle Muskeln zusammen, sodass er noch größere Schmerzen verspürte. Wenn er diesen Dreckskerl in die Finger bekam, konnte der sich auf einiges gefasst machen.

»Nämlich?«

Joe riss sich zusammen. Das war nicht der richtige Zeitpunkt, an Rache zu denken. Nicht wenn Luna in seiner Nähe war. »Ich glaube, es war Bruno Caldwell, der Mistkerl, der mir ins Knie geschossen hat.«

Luna riss die Augen auf. »Deshalb humpelst du manchmal? Weil du angeschossen worden bist?«

Joe grunzte. »Hast du vielleicht gedacht, ich hätte mich beim Softballspielen verletzt?«

»Ich weiß auch nicht«, erwiderte sie mit bestürzter Miene. »Ich habe überhaupt nicht … Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich meine, ich weiß ja, dass einige deiner Jobs ziemlich heikel waren, aber …«

Joe hätte fast laut losgelacht. Offenbar hatte sie nicht die geringste Ahnung, wie gefährlich sein Leben bisweilen schon gewesen war. »Ich hätte Bruno auseinander nehmen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte. Aber als es mir fast ein Jahr später gelang, ihn nochmal zu schnappen, war ich längst wieder ein gesetzestreuer Bürger und habe ihn blöderweise der Polizei übergeben.«

»Du warst wieder ein gesetzestreuer Bürger?«

Er zuckte die Achseln. »Nach dem Schuss ins Knie war ich gezwungen, aus dem Polizeidienst auszuscheiden, was mich in … schlechte Stimmung versetzte.« Was für ein Understatement! Monatelang hatte er damals eine Mordswut im Bauch gehabt. »Ich gebe zu, dass ich eine Zeit lang ziemlich wild und aufsässig war.«

»Haben sie dich rausgeschmissen?«

»Schlimmer. Sie haben mir einen Schreibtischjob angeboten.« Was völlig indiskutabel schien. Er war ein Mann der Tat und ertrug es nicht, sich mit dem Papierkram herumzuschlagen, nachdem der Staub sich gelegt hatte. »Eine Zeit lang war ich stinksauer. Dann bin ich darüber hinweggekommen und stattdessen Kopfgeldjäger geworden.«

»Ein Kopfgeldjäger, der humpelt?«

»Keineswegs, du Klugscheißerin. Na ja, schon, aber nur, wenn ich mich überanstrenge.« Was hätte er denn ihrer Meinung nach tun sollen? Dasitzen und Däumchen drehen? Dann wäre er in weniger als einem Monat reif für die Klapsmühle gewesen.

»Okay. Du hast also diesen Bruno geschnappt und ihn der Polizei übergeben.«

Das war zwar eine recht vereinfachte Darstellung, aber Joe ließ es dabei bewenden. Luna wusste ja nicht, wie mühselig es war, jemanden aufzuspüren, der sich nicht fangen lassen wollte und noch dazu über das Talent verfügte, sich gut zu verstecken. Vor allem, wenn es sich bei diesem Jemand um einen skrupellosen Dreckskerl wie Bruno handelte. »Genau.«

»Offenbar eine ziemlich turbulente Geschichte, die da zwischen euch beiden abgelaufen ist.«

»Das kannst du laut sagen. Als ich ihn das erste Mal verhaftet habe, hat er mich angeschossen. Er kam auf Kaution frei und ist sofort untergetaucht, bis ich ihn dann wieder gefasst habe. Daraufhin wurde er eingelocht, bis er bei einem Arbeitseinsatz mit einem Truck geflohen ist. Jetzt ist er wieder untergetaucht beziehungsweise er war es, bis er zu dem Schluss kam, dass ich ein Problem bin, das er aus der Welt schaffen muss.«

»Mein Gott. Glaubst du wirklich, dass er dich umbringen will?«

Joe zuckte die Achseln, als sei das völlig belanglos. Tatsache war, dass er nicht die Absicht hatte, sich noch einmal überrumpeln zu lassen. Von jetzt an würde er auf der Hut sein. Und wenn er Bruno schnappte, würde er dem Dreckskerl alles heimzahlen. »Wenn er nicht ins Gefängnis wandern will, bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Er weiß, dass ich ihn zu guter Letzt doch kriegen werde.«

Luna sank halb gegen die Kommode und sagte mit schwacher Stimme: »Falls er dich nicht zuerst erwischt.«

Sofort machte sich Joe ihre Sorge zunutze. »Genau. Aber wenn ich eine Zeit lang mit dir nach North Carolina gehe, bin ich außerhalb seiner Reichweite.« Zumindest bis ich wieder so fit bin, dass ich zum Gegenschlag ausholen kann. »Bruno wird überhaupt nicht auf die Idee kommen, mich dort zu suchen. Außerdem werde ich damit auch einige der hartnäckigeren Damen los. Wenn sie mich nicht finden, werden sie’s schließlich aufgeben.«

Luna machte sich wieder daran, durchs Zimmer zu tigern. »Aber nur, bis du hier wieder auftauchst.« Während sie umherwanderte, hob sie seine Jeans, sein T-Shirt und seine Socken auf.

Ihre Stimme klang bitter, was Joe voller Genugtuung zur Kenntnis nahm. Ob sie eifersüchtig war? Er hoffte es sehr. »Nun ja, ich habe ohnehin mit dem Gedanken gespielt, nach Kentucky zu ziehen, um näher bei meinen Cousins zu sein.« Und bei dir. »Weißt du, ich glaube, Zane vermisst mich, wenn ich nicht da bin.«

Angesichts dieser gigantischen Lüge presste sie die Lippen zusammen, um nicht loszuschnauben oder mit der Wahrheit herauszuplatzen. Zane mochte Joe jetzt zwar mehr als vor einem Jahr, aber so recht trauen würde er ihm nie. In jüngeren Jahren waren sie häufig hinter derselben Frau her gewesen, und dabei hatte Zane allzu oft den Kürzeren gezogen.

Jetzt, da Zane verheiratet war, gab es keine anderen Frauen mehr für ihn. Er wusste zwar, dass Joe sich nie an die Frau eines anderen heranmachen würde und dass er seiner süßen kleinen Gattin Tamara vertrauen konnte, aber trotzdem erfüllte es ihn mit Unbehagen, wenn Joe in ihre Nähe kam.

Joe hingegen genoss es rundum, Zane aufzuziehen und ihn ein bisschen nervös zu machen.

»Joe!« Luna warf die Sachen auf das Fußende des Bettes. »Wenn man dich so hört, könnte man denken, ich würde dir einen Gefallen tun. Dabei ist es genau umgekehrt.«

»Du tust mir ja auch einen Gefallen.« Du gibst mir die Gelegenheit, dich weich zu kochen.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Das ist absurd, und das weißt du auch. Nein, widersprich mir nicht. Ich muss bei dieser Sache auch mir selbst gegenüber ehrlich sein. Ich bin von alldem überfordert und brauche deine Hilfe. Das heißt, ich werde dich bezahlen, wie es jeder andere Auftraggeber auch tun würde.«

Joe runzelte die Stirn. »Du bist also für Ehrlichkeit, meine Süße? Kannst du haben.«

Da er bei dieser Auseinandersetzung eine etwas aufrechtere Stellung einnehmen wollte, schob sich Joe ein Stück im Bett hoch. Zwar tat ihm jede Bewegung, jeder Atemzug weh, doch diese Gelegenheit wollte er sich auf gar keinen Fall entgehen lassen. Er war nicht daran gewöhnt, enthaltsam zu leben, und fand diesen Zustand einfach zum Kotzen. Aber verdammt noch mal, er wollte Luna, nicht irgendeine andere Frau. Vor drei Monaten war sie ihm gewissermaßen unter die Haut gegangen, und seitdem schien er unter einem permanenten Juckreiz zu leiden. Das machte ihn wahnsinnig.

Als er sich aufgesetzt hatte und die Zähne nicht mehr zusammenbeißen musste, sah er Luna unverwandt an. »Es gibt da etwas, das du wissen solltest.«

Voller Sorge kam Luna näher. »Bist du in Ordnung, Joe?« Sie streckte die Hand nach ihm aus.

»Ich will dich noch immer.«

Sie blieb sofort stehen.

»Das wird erst aufhören, wenn ich dich gehabt habe.«

Sie trat einen Schritt zurück.

Allein die Worte turnten Joe schon an. Ihre exotischen, weit aufgerissen Augen blickten überrascht drein, während sich ihre Lippen langsam öffneten. Joe senkte die Stimme. »Und zwar ungefähr ein Dutzend Mal auf ein Dutzend verschiedene Weisen, Luna. Und selbst das könnte noch nicht genug sein.«

Ihr Mund schloss sich wieder.

Joe zuckte mit gespielter Lässigkeit die Achseln. »Ich dachte, das solltest du wissen.«

Eine Ewigkeit schien zu vergehen. »Ist das deine Bedingung? Dass ich mit dir schlafen muss, wenn ich deine Hilfe will?«, sagte Luna schließlich mit gepresster Stimme.

»Nein, verdammt noch mal, nein«, erwiderte er aufgebracht. »Ich hab’s nicht nötig, Frauen mit solchen Tricks in mein Bett zu bekommen.«

»Oh.« Sein Ton überraschte sie einigermaßen, doch sie legte erneut die Stirn in Falten. »Was hast du dann damit gemeint?«

»Ich meinte, dass ich nicht aufhören werde zu versuchen, dich ins Bett zu kriegen. Wir werden da Familie spielen, Schätzchen, unter einem Dach wohnen, auf engem Raum zusammenleben. Das werde ich mit Sicherheit zu nutzen wissen.«

Nach und nach zeichnete sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln ab. »Und du glaubst, ich werde dir nicht widerstehen können? Das ist wirklich gottvoll, Joe. Du hast so viel Selbstbewusstsein, dass es dir förmlich zu den Ohren herauskommt.«

Joe lächelte ebenfalls. Er liebte Herausforderungen. »Hauptsache, du hast nichts dagegen, dass ich mich um dich bemühe.«

»Vielen Dank für die Warnung. Ich werde auf der Hut sein.« Amüsiert schüttelte sie den Kopf, nahm seine schmutzige Kleidung auf und schlenderte aus dem Zimmer. In der Tür blieb sie noch einmal stehen, um ihn über die Schulter anzublicken. »Ich werde dir jetzt etwas zu essen machen. Du siehst aus, als hättest du abgenommen. Danach können wir uns dann überlegen, wann wir aufbrechen.«

»Danke, ich bin völlig ausgehungert.«

»Nein, Joe, ich danke dir.« Man merkte ihrem Lächeln an, wie erleichtert sie war. »Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du mir helfen willst.«

Sie war ihm dankbar. Perfekt, dachte Joe. Die Dinge entwickelten sich genau in die Richtung, die ihm vorschwebte.

Luna behielt ihr heiteres Lächeln bei, bis sie außer Sichtweite war. Doch dann stöhnte sie auf und schluckte schwer. Ihr Herz hämmerte wie wild.

Seit sie Joe Winston begegnet war, war ihr Leben gewaltig aus den Fugen geraten, was ihr ganz und gar nicht gefiel. Und er gefiel ihr auch nicht.

Lügnerin.

Ein Teil des Problems bestand darin, dass ihr Naturell dagegen rebellierte, auf die Hilfe von jemanden angewiesen zu sein. Sie lebte ihr Leben nach Regeln, die sie selbst festgelegt hatte. Sie war unabhängig, tüchtig und lebenserfahren.

Und trotzdem brauchte sie Joe.

Als Feministin konnte Luna Männer wie Joe Winston nicht ausstehen. Für solche Leute waren Frauen keine gleichwertigen Menschen, sondern hilflose Wesen, die man beschützen und verhätscheln musste.

Lunas Körper war das freilich egal.

In ihrer gegenwärtigen Lage war er genau der Mann, den sie brauchte. Aber er war auch so gefährlich, dass sie jedes Mal erschauderte, wenn sie an ihn dachte. In den letzten drei Monaten hatte sie immer wieder mit dem Gedanken gespielt, ihn anzurufen, weil sie mit ihm zusammen sein wollte. Wenn sie einschlief, galt ihr letzter Gedanke ihm, und wenn sie aufwachte, verspürte sie das Verlangen, ihn zu berühren.