Der Leopard jagt im Dunkeln - Angelika Friedemann - E-Book

Der Leopard jagt im Dunkeln E-Book

Angelika Friedemann

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Beschreibung

Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut soll immer wieder mit Blut abgewaschen werden. Bertha von Suttner Martin Kuhlmann findet morgens auf seinem Schreibtisch einen Adventskalender. Er legt den an die Seite, hält das für einen dusseligen Scherz, da er Schokolade nicht mag. Ein neuer Mordfall lenkt ihn ab. Der Reeder fordert den ersten Hauptkommissar beim LKA Hamburg, als Ermittler an. Seine einzige Tochter wurde von ihm soeben tot aufgefunden. Zurück reicht er den Kollegen den Adventskalender. Blass stehen die Mitarbeiter sekundenspäter in seinem Büro: Hinter den Türchen eins bis vier befindet sich keine süsse Überraschung, wie erwartet, sondern jeweils das Foto einer Frau. Am Vierten ist es das Bild der ermordeten Reederstochter aus Blankenese. Eilig entfernen sie die Pappe. Entsetzt starren sie auf die gesichtslosen Köpfe von weiblichen Personen, wie man an den Haaren erkennt. Nun beginnt für das Team ein Wettlauf gegen die Zeit.

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Impressum

Angelika Friedemann

Spurensuche -

Mord verjährt nicht

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Hauptkommissar Eike Klaasen schloss die Jalousie ein wenig, da am frühen Nachmittag die Sonne direkt auf ihn schien. Er setzte sich, tippte weiter den Bericht zu einem Hauseinbruch mit anschließender Festnahme der zwei Täter. Dumme Jungs, die mit ihren 20 Jahren nicht denken konnten.

Die Tür wurde aufgerissen und ein junger Mann stürmte herein, grinste breit. „Moin! Na, kennst du mich noch?“, sprach er Eike an.

„Jochen, 40 Sozialstunden im Tierheim und laut.“

„Hei, klasse. Ich dachte, du hättest mich vergessen.“

„Setz dich. Magst du eine Coke?“

„Gern - danke.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Hört sich toll an, nicht wahr?“

„Fast so korrekt wie Bill Gates“, erwiderte Oberkommissar Rolf Kristens lakonisch. „Nur der ist leiser und klopft vorher an.“

Eike reichte Rolf und Jochen eine Cola, öffnete seine, trank.

Jochen stellte die Dose hin und kramte in dem Rucksack, legte Eike eine Mappe auf den Schreibtisch. „Da, für dich.“

Eike las das Zeugnis, schaute zu seinem Gegenüber, der förmlich strahlte.

„Geht doch. Du bist gar nicht so dumm, wie ich annahm.“

„Du hast mir was versprochen, wenn ich ein gutes Zeugnis habe.“

„Was macht dein Motorroller?“

„Spare. Habe schon 360 Euro zusammen. Habe ich im Tierheim verdient. Da gehe ich jeden Samstag jobben. Ist cool so mit den Hunden. Die Katzen sind blöd, die kratzen immer sofort, nur weil man sauber machen will.“

Eike griff schmunzelnd zum Telefon, während er mit der anderen Hand in einem Buch blätterte, wählte.

„Klaasen, ist Herr Kresse da?“ „Nein, lassen Sie ihn schrauben. Richten Sie ihm bitte aus, ich komme in zehn Minuten. Er weiß dann Bescheid. Danke.“ Er legte den Apparat zurück. „Rolf, ich bin für eine halbe Stunde weg. Jochen, nimm die Cola mit, wir fahren.“

„Cool, wohin?“

„Zweimal um die Ecke.“

„Was gibt es da?“

„Arbeit für dich. Du hast doch Ferien und Zeit.“

Die Miene verdüsterte sich. „Schiet, hätte ich mir denken können. Aber nicht umsonst.“

„Doch umsonst.“

„Hei, das ist unfair.“

„Das Leben ist selten fair. Maul nicht. Ich dachte, du möchtest der neue Bill Gates werden? Ergo ist Arbeiten angesagt.“

„Kann ich nee sagen?“

„Kannst du, aber ich würde erst gucken, was da auf dich zukommt. Vielleicht macht es dir Spaß?“

„Na gut, kieken kann ich ja.“

Minuten darauf hielt Eike vor der Kfz-Werkstatt von Frank Kresse. Hier sah es wie neu aus. Nichts deutete mehr auf die Schrotthalde von vor einem halben Jahr hin. Seit dessen Noch-Ehefrau und Schwiegermutter ausgezogen waren, lief der Betrieb wie geschmiert, dazu sah alles sehr sauber und ordentlich aus.

„Autos schrauben ist cool.“

„Schraubst du aber nicht. Für dich gibt es andere Arbeit.“

„Logo, fegen, schruppen und Autos reinigen.“

„Meckere nicht.“

Frank Kresse in einem fleckenfreien blauen Overall kam auf sie zu. „Moin, Herr Klaasen. Ist er das?“

„Ja, Jochen. Das ist Herr Kresse. Ihm gehört die Werkstatt.“

„Moin!“

„Moin. Gehen wir nach hinten“, griente er.

Sie durchquerten die Halle, Frank Kresse öffnete eine kleine Tür, die ins Freie führte. „Da unter der Plane ist etwas für dich.“

Der Junge schaute zu Eike, der nickte.

Jochen zog an der Plane, bekam große Augen. „Mensch, sieht der verdreckt aus. Welcher Dösbaddel hat denn den so verkommen lassen?“

„War ein Mädchen. Den wirst du in den nächsten Wochen auf Vordermann bringen. Waschen, schrubben, alles überprüfen. Herr Kresse hilft dir dabei, wenn´s an die Elektrik und so geht.“

„Cool. Darf ich damit kurz fahren? Bitte!“

Frank und Eike blickten sich an.

„Wenn du den fertig hast, gehört er dir. Mein Geschenk für das gute Zeugnis.“

Der junge Mann riss die Augen weit auf, starrte ihn mit offenem Mund an. „Meinst du das ehrlich?“, krächzte er leise.

„Meine ich. Du musst ihn nur auf Vordermann bringen. Er fährt gut und ist erst zwei Jahre alt, wurde nur selten benutzt. Eben total vergammelt. Wie gesagt, der Chef unterstützt dich, zeigt dir Kniffe und Tricks. Nur frisiert wird er nicht.“

Der 17-jährige junge Mann bemühte sich, die Tränen zu unterdrücken, die in seinen Augen glitzerten. „Mensch, du bist echt klasse. Danke“, versuchte er, das burschikos zu überspielen. „Fang ich gleich morgen an. Wann kann ich kommen?“

Die beiden Männer lachten und Eike klopfte Jochen auf den Rücken. „Morgen früh als Erstes eine kurze Probefahrt, damit du weißt, was alles nicht richtig funktioniert. Langsam fahren und mit Helm.“

„Echt – Probefahrt?“

„Echt. Keine Dummheiten, sonst ist er weg und du wirst nie ein zweiter Bill Gates. Das ist der Anfang. Legst du mir ein Abi mit einem Notendurchschnitt unter zwei vor, bezahle ich dir deinen Führerschein. Also anstrengen.“

„Für ´nen Bullen bist du echt cool.“

„Bei Bill Gates heißt es Polizeibeamter. Bist du so reich wie Gates, darfst du Herrn Kresse und mich zum Essen einladen“, ulkte Eike.

„Mache ich schon vorher.“

Eike fuhr sehr zufrieden zurück. Wenn er sich nicht völlig täuschte, würde aus dem Jungen etwas werden. Ein schönes Gefühl, das es einer aus der untersten Schicht schaffen könnte. Jochen hatte anscheinend noch früh genug die Kurve bekommen. Die Strafe wegen der gestohlenen Motorroller hatte bei ihm Wirkung gezeigt.

Kaum zurück betrat sein Vorgesetzter, Kriminaldirektor Axel Rothmann, das Büro. Er reichte Eike eine Akte, nicht sehr dick.

„Was ist das? Die stinkt vermodert.“

„Rolf, du darfst mir einen Crema holen. Danke.“ Er zog einen Stuhl heran, setzte sich rittlings darauf, legte die Ellenbogen auf die Lehne. „Bei mir war gestern am späten Nachmittag eine Frau. Sie behauptet, ihr Vater habe vor 21 Jahren ihre Mutter ermordet. Die damals 34-jährige Frau fand man erhängt in ihrem Haus auf. Die Ermittlungen ergaben Suizid. Der Ehemann sagte aus, sie wäre seit Längerem depressiv gewesen. Die 11-jährige Tochter wurde am gleichen Tag nach Recklinghausen zu den Großeltern, seinen Eltern, geschickt, konnte daher nie befragt werden.“

„Nur warum jetzt und warum sollte der Mann seine Frau ermorden?“, erkundigte sich Rolf, während Eike in der Akte blätterte. Nur wenig Papier, sein Resümee.

„Eike kennt wahrscheinlich das Knudsen-Gestüt. Das gehörte bereits teilweise ihrer Mutter, dazu Land, das Wohnhaus, Geld. Schätzwert damals fünf bis sechs Millionen Deutsche Mark. Eva Knudsen, die Tote, hatte allerdings drei Monate vor ihrem Tod ein Testament verfassen lassen. Das wusste der Ehemann nicht. Da Eva bei dem Tod ihrer Eltern, sie war ihr einziges Kind, alles erben würde, wie bekannt war, hinterließ sie ihren gesamten Besitz ihrer Tochter Mariele. Den Schmuck der Toten, ein Sparbuch mit schätzungsweise hunderttausend DM kassierte alles der Vater ein. Den Schmuck seiner ersten Frau reichte er an Ehefrau Nummer zwei weiter. Die Hochzeit fand drei Monate nach Evas Tod statt. Der Tochter erzählte man nie davon. Sie wusste nicht einmal, von dem angeblichen oder nicht angeblichen Suizid. Die Mutter hätte einen Unfall gehabt, so die Version der Großeltern. Mariele lebte bis zum Abitur in Recklinghausen. Man sagte ihr, die anderen Großeltern, also das Ehepaar Knudsen, wollten sie nicht mehr sehen und der Vater würde so unter dem Tod der Mutter leiden, deswegen solle sie dort wohnen bleiben. Es gab in all den Jahren keinerlei Kontakt zum Vater. Nicht ein Telefonat, Besuch – nichts. Nach dem Abitur packte Mariele ihre Sachen und reiste in die Staaten. Das Geld erhielt sie von den Eltern ihrer Freundin, deren Tochter dort studieren wollte. Sie studierte Tiermedizin, arbeitete danach erst in den Staaten, danach drei Jahre in den arabischen Emiraten. Dort traf sie durch einen Zufall vor fünf Monaten einen ehemaligen Schulfreund aus Husum. Man kam natürlich ins Gespräch. So erfuhr sie von der Hochzeit des Vaters, wie sehr ihre Großeltern all die Jahre darunter gelitten hatten, dass sie die Enkelin nie sahen, nicht einmal wussten, wo sie lebte. Die alten Leutchen mussten aus ihrem Haus ausziehen, wohnen in einer 2-Zimmer-Wohnung, da der Schwiegersohn und seine zweite Frau alles für sich beanspruchten. So die Kurzform.“

„Das Gestüt ist seit Jahren am Ende. Sie haben, soviel ich weiß, zwei, drei Gäule. Von dem einstmals guten Ruf ist nichts mehr zu hören.“

„Genau und jetzt komme ich zum springenden Punkt. Der Vater forderte von den Großeltern, sie müssten Grundstücke verkaufen. Das Testament der Mutter kommt ins Spiel. Die Großeltern hatten noch zu Lebzeiten ihrer Tochter, Eva peu á peu Land geschenkt. Das war in weiser Voraussicht, wegen etwaiger Erbschaftssteuern. Die Tochter ist volljährig und er konnte nicht ohne deren Einwilligung verkaufen. Nur er wusste nicht, wo sie ist, wollte sie für Tod erklären lassen. Antrag deswegen war wohl bereits bei der Gemeinde gestellt. Das muss von euch geprüft werden. Mariele Knudsen ist seit zwei Wochen in Husum und hat mit den Großeltern gesprochen, den Rechtsanwalt ihrer verstorbenen Mutter aufgesucht, dessen Sohn heute die Kanzlei führt. Sie erstattete bei mir gestern Anzeige, da man ihr und der Großmutter Schmuck im Werte von schätzungsweise 100.000 Euro entwendete, neben dem Geld, welches die Tote auf einem Sparbuch anlegte, zusätzlich jede Menge Land. Muss ebenfalls geprüft werden. Daneben hat sie dem Vater die Kündigung schicken lassen. Das gesamte Anwesen gehört ihr. Sie sagte ferner aus, dass es damals ständig Streit zwischen den Eltern gab. Ihre Mutter hätte behauptet, er würde sie betrügen. Einige Wochen vor deren Tod wäre es eskaliert. Der Vater habe zugeschlagen. Daraufhin reichte die Mutter die Scheidung ein. Ihre Mutter sei nie depressiv gewesen, habe gern und viel gelacht, selbst als die Ehe am Ende war. Ihr Vater hätte mit nichts gehen müssen, da es einen Ehevertrag gab.“

„Na gut, aber das heißt doch nicht zwangsläufig, dass er sie ermordet hat?“

„Das werdet ihr eben herausfinden. Ich denke, da stimmt einiges nicht und besonders nachdem ich die Ermittlungsergebnisse und die Protokolle heute Morgen gelesen habe.“

„Wie sollen wir nach so langer Zeit da noch etwas Brauchbares finden?“, erkundigte sich Rolf.

„Indem ihr Freunde, Bekannte befragt. Der Anwalt wird ebenfalls einiges dazu sagen können. Ihr seht euch den Tatort an. Dazu gibt es einige alte Fotos. Schwerer Diebstahl ist es generell, egal ob Suizid oder Mord. Eine Aufstellung der Schmuckstücke plus Fotos liegen laut Frau Knudsen bei der Versicherung vor.“

„Die Frau ist wahrscheinlich auf den Vater sauer, dass der wieder geheiratet hat, versucht ihm deswegen etwas anhängen. Der Diebstahl ist generell verjährt“, stellte Rolf fest.

„Der Diebstahl des Geldes geschah erst nach dem 18. Geburtstag von Frau Mariele Knudsen und wurde mittels einer gefälschten Unterschrift oder dergleichen erzielt. Den Schmuck wird die zweite Ehefrau haben und der muss sichergestellt werden. Frau Knudsen hatte von dem Testament nie Kenntnis, ergo wird das anders berechnet.“

„Rolf, lesen wir morgen die Akte und sehen wir weiter. Dem Diebstahl müssen wir auf jeden Fall nachgehen.“

„Nein, es wird wegen des Todes von Frau Eva Knudsen ermittelt, und zwar genau so sorgfältig, als wenn ihr Tod gestern passiert wäre. Das ist eine Anordnung und ich möchte darüber auf dem Laufenden gehalten werden.“ Axel erhob sich. „Kommt mir nicht in zwei Tagen an, wir haben nichts gefunden. Ich schalte zur Not das LKA ein. Ich schließe einen Suizid aus.“

Er verabschiedete sich.

„Oh Mann, so eine alte Geschichte, dabei haben wir zig Fahrraddiebstähle, geklaute Portemonnaies auf dem Schreibtisch liegen.“

„Reden wir mit der Frau und danach sehen wir weiter. Ich denke, dass da nichts bei rumkommt. Der Diebstahl ist hingegen aktuell und deswegen müssen wir generell hin, überprüfen, was an der Sache mit den Großeltern dran ist. Die Geschichte ist vermutlich in zwei Tagen gegessen, ergo reg dich ab.“

„So ein frustriertes Töchterchen, das Papi für sich allein wollte.“

„In der Richtung vermute ich. Sie kommt nach Jahren bei Papi an, weil sie hörte, da ist was zu holen, hält die Hand auf und er sagte Nein. Du hast dich jahrelang um nichts gekümmert, aber jetzt abkassieren. Schreibe ich den Bericht fertig, sonst lyncht mich Frederik.“

„Ich kümmere mich um diese blöden Fahrräder. Kommen noch mehr hinzu, wandere ich aus.“

„Wohin?“, erkundigte sich Eike amüsiert.

„Wo es keine Räder gibt.“

„Ergo Nordpol.“

„Dösbaddel“, schmunzelte Rolf.

~~~

Morgens schaute er die vergilbten Fotos an, reichte sie Rolf.

„Da sieht man, sie ist auf den Stuhl und danach Exitus, als der Stuhl umkippte. Ich lese es mir durch.“

„Warum wissen die Leute nie, was sie für ein Fahrrad besitzen? Keine Nummer, kein Typ“, grummelte Rolf.

„Weil sie vergessen, dass man die Dinger ständig stiehlt. Dabei gibt es Fahrradpässe. Uns würden sie damit die Arbeit erleichtern.“

„Diese ältere Dame sagte gestern, es war Silber und sehr schön. Es hat 635 Euro gekostet und ich hatte es erst drei Monate. Sie weiß nicht wie groß, was auf dem Rahmen stand, nichts. Sie deutete mir an ihrer Taille an, wie hoch das Fahrrad ist.“

„Sie weiß gewiss, wo sie es gekauft hat. Ruf in dem Laden an und frage nach, welche Sorte Fahrrad 635 Euro kostet, Silber und schön ist“, schmunzelte Eike.

„Dösbaddel. Hier ein anderer. Er brachte extra zwei Schlösser an. Ein Blaues und ein Gelbes. Passte farblich gut zu dem Fahrrad, sagte seine Frau. Weißt du welche?“

„Sagst du mir gleich.“

„Diese dünnen Dinger mit dem bunten Plastik Drumherum. Zehn Stück für einen Euro. Sein Rad kostete 780 Euro, aber kein Geld für ein vernünftiges Bügelschloss ausgeben.“

„Sie kaufen ein Schloss im Kaufhaus, lassen sich nicht fachkundig beraten. Vielen sind 100 Euro einfach zu teuer, daneben sind gute Schlösser schwerer, unhandlicher als diese dünnen Dinger.“

„Dann müssen sie sich nicht wundern, wenn die Räder weg sind.“

Eike schaute auf. „Das machen sie nur, um dich zu ärgern, und damit du Arbeit hast“, belustigte er sich.

„Lies du dir lieber den alten Kram durch“, brummte er.

„Hast du miese Laune?“

„Hatte gestern Abend Stress mit Marion. Warum müssen Frauen ständig mit Zusammenziehen und so nerven? Wenn ich das wünsche, rede ich ja wohl davon. Ansonsten nein.“

„Sie hat doch eine hübsche Wohnung.“

„Habe ich auch gesagt, da meckert sie los, sie wäre generell bei mir und so ein Tüch. Ich bemerke, musst ja nicht jeden Abend kommen. Sie flippt aus, heult, weil ich so gemein wäre. Nu sage ich ihr, sie kann ja gehen. Was macht sie? Sie haut ab“, empörte er sich und Eike lachte. „Deswegen moserst du herum?“

„Du hast ja den Zirkus nicht.“

„Ich habe dafür einen zehn Monate alten Pflegesohn und der ist anstrengender. Marion ist ´ne widerstandsfähige Deern, die mit beiden Beinen im Leben steht, dazu sieht sie nüddelich aus.“

„Finde ich dito, aber deshalb muss sie ja nicht bei mir einziehen.“

„Redet in Ruhe darüber. Ihr seid doch keine Kinder. Hier steht, ihr Mann fand sie, als er aus dem Stall kam. Er verständigte sofort die Kollegen.“ Eike blickte auf. „Das war um 13.48 Uhr, als sie den Anruf bekamen. Sie sind etwa zehn Minuten gefahren. Da war er bereits mit der Tochter zum Bahnhof unterwegs.“

„Da reagierte er aber fix. Wie packt man in so kurzer Zeit den Koffer?“

„Das frage ich mich ebenfalls.“

Rolf schaute zu seinem Kollegen. „Eventuell ist da doch was dran?“

„Wir werden nachher mit dem Anwalt sprechen. Es ging immerhin um allerhand Geld.“

„Was ist aus diesem Gestüt geworden?“

„Seit einigen Jahren gibt es das quasi nicht mehr. Die Pferde wurden nach und nach verkauft. Keine Zucht mehr. Mein Opa hat vor vielen Jahren einen Hengst von ihnen gekauft. Er kennt Cornelius Knudsen, den Großvater der Deern, die bei Axel war. Sie hatten seinerzeit eine sehr bekannte Pferdezucht. Richtig wertvolle Pferde. Interessenten sind deswegen von überall gekommen.“

„Ergo sehr lukrativ?“

„Das kannst du annehmen. Ein edles Rennpferd ist ein Vermögen wert und wie gesagt, sie besaßen sehr gute Pferde. So, also hier haben wir den damaligen Bericht. Strangmarke mit Knotenabdruck im Nacken bedingt durch frei hängenden Körper. Komprimierende Gewalt gegen den Hals.“

„Na logisch, wäre ja blöd, wenn die an den Füßen wären.“

„Dösbaddel“, lachte Eike.

„Strangmarke, Zwischenkammblutungen, Strumpfhosenphänomen, Totenflecke an den Fußsohlen, Blutungen an der Clavicula, keine weiteren Halswirbelverletzungen. Nicht natürliche Ursachen des hyperkapnisches Erstickens - Kehlkopfkompression, Behinderung der Atemexkursion, venöse Stauungsblutungen, Hirnischämie, kardiale vagusvermittelte Reflexe. Keine Petechien. Zyanose und Dunsung des Gesichts, Stauungsblutungen in der Gesichtshaut, den Augenbindehäuten, der Mundschleimhaut. Kein Kotabgang, kein Urinabgang. Erhöhter Phosphatidspiegel im Körperblut, erhöhter Histamingehalt in der Strangfurche. Innere Erstickungsbefunde: flüssiges Leichenblut, tardieusche Flecken, Lungenemphysem - interstitiell, Blutstauung von Leber und Niere.“

„Sag mal, wenn ich so baumle, wie lange dauert es, bis ich hin bin?“

„Bewusstseinsverlust schätze ich 8 bis 12 Sekunden, danach geht es fix. Sie haben keine Anzeichen von Gegenwehr gefunden. Keine fremden Hautpartikel, keine Flusen, nichts.“

„Alles porentief rein. Ungewöhnlich. Wann war das? Mittags? Sie saß doch sicher an dem Tag nicht nur irgendwo herum, oder?“

„13.48 Uhr ging der Anruf bei der Polizei ein. Soweit bin ich noch nicht.“

Er las die Zeugenaussage ihres Mannes, Michael Knudsen, damals 40 Jahre alt.

„Ihr Mann sagte aus, er habe mittags seine Frau gesucht und sie schließlich erhängt aufgefunden. Er wäre geschockt gewesen, hätte eine Weile auf die Tote gestarrt. Folgend habe er die Polizei gerufen. Interessanterweise keinen Krankenwagen.“

„Na ja, er sah eben, sie ist tot.“

Eike lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Stell dir vor, du findest deine Frau erhängt vor. Was machst du?“

„Brüllen, hinrennen, versuchen, sie abzubekommen, wiederzubeleben … Er telefoniert.“

„Damals gab es noch keine Handys, so wie heute, wo jeder mindestens eines in der Tasche trägt. Er lässt sie baumeln und geht hinunter, telefoniert.“

„Hört sich dusselig an.“

„Lese ich weiter. Er wartete draußen rauchend auf die Tochter, äußerte er. Wer sagt, ich habe rauchend auf meine Tochter gewartet? Dusselig. Mariele kam aus der Schule und er setzte sie sofort ins Auto, sei mit ihr zum Bahnhof gefahren. Dort habe er mit ihr gewartet, bis der Zug abfuhr. 14.25 Uhr. Gute Ehe, glückliche Familie, keine Geldsorgen. Schöne heile Welt.“

„Nur sie ist tot. Er wartete rauchend. Wann packte er dann den Koffer?“

„Steht hier nicht. Hat anscheinend keiner gefragt. Ist sie ohne Gepäck gereist. Eine 11-jährige Deern schicke ich von Husum nach Recklinghausen? Wie oft muss man da umsteigen? Sehe ich den Hamburger Hauptbahnhof vor mir, in dem Gewusel ein kleines Mädchen, das einen Zug sucht. Breesig! In dieser heilen Welt ist seine Frau depressiv geworden? War wohl zu heil. Also er zurück, da waren bereits ein Arzt und die Polizei da. Seine Schwiegermutter sei völlig verwirrt, verheult, auf ihn losgegangen, habe ihn beschuldigt: Der Verbrecher hat Eva ermordet. Er schaffte die Frau in ihr Schlafzimmer, weil sie der Tod der Tochter so mitgenommen habe. Der Schwiegervater war zu dem Zeitpunkt nicht da, sondern kam erst Stunden später aus Hamburg. Er sagte weiter aus, Eva sei wie gesagt depressiv gewesen, weil sie unbedingt einen Sohn und Erben wollte. Als das nicht klappte, hätte sie sich immer mehr darein gesteigert, wäre zunächst melancholisch, später zeitweise kaum ansprechbar gewesen. Einen Arztbesuch habe sie generell abgelehnt.“

„Was machte er an dem Morgen?“

„War bei den Pferden auf der Koppel.“

„Was macht man da stundenlang?“

„Keine Ahnung. Eventuell mit einem Pferd gearbeitet. Mehr gibt es nicht von ihm.“

„Sehr dürftig. Da ist ja nicht ein Alibi vorhanden. Was tat die Tote?“

„Rolf, woher soll ich das wissen? Hat man nicht gefragt, wie es scheint. Sie gingen von einem Suizid aus. Schau die Akte an, das sagt alles. So dick ist deine von einem Fahrraddiebstahl.“

„Musst du mich daran erinnern? Davon habe ich 26.“

„Die nächste Aussage ist von Sieglinde Knudsen, also Evas Mutter. Sie wunderte sich, dass er mit Mariele weggefahren sei, suchte ihre Tochter und fand sie oben. Sie habe geschrien, sich unter Eva gestellt, dann sei ihr die Leiter eingefallen. Sie wollte Eva retten, sie dort herunterholen. Irgendwann hätte Manfred hinter ihr gestanden, sie festgehalten. So genau wusste sie das alles nicht mehr. Einer der Männer hätte unten einen Arzt angerufen. Da wäre schon die Polizei gekommen und kurze Zeit darauf der Krankenwagen. Zu den Polizisten sagte sie: Das war Michael. Er hat meine Tochter getötet. Er hatte Angst, dass sie ihn mit nichts aus dem Haus jagt. Auf die Frage warum, antwortete sie: Der betrügt sie seit Monaten. Seine Freundin ist schon nach Husum gezogen und wohnt in der Theodor-Schäfer-Straße. Eva reichte deswegen die Scheidung ein. Er ist ein armes Schwein und geht so, wie er gekommen ist, mit nichts. Deswegen ist meine Eva jetzt tot. Ende der Aussage.“

„Wie das war alles? Seine Schwiegermutter mochte ihn anscheinend nicht, wie sich das anhört.“

Eike blätterte die Seite um, abermals Fotos. „Wie es aussieht ja.“

„Moment es gibt nur diese zwei Aussagen? Nichts von den Angestellten?“

„Nein, hier ist eine Aussage von einem Walter Martens, Rechtsanwalt. Er war einen Tag später bei der Polizei, da Suizid nicht zu Eva Knudsen passen würde. Sie war eine lebenslustige Frau, jetzt besonders, da sie endlich die Scheidung eingereicht hätte und er in Kürze ausziehen müsste. Die Ehe sei seit Jahren am Ende gewesen, aber Eva habe wegen Mariele auf eine Scheidung verzichtet. Als ihr Mann sie allerdings schlug, reichte sie sofort die Scheidung ein, beantragte, dass er ausziehen muss. Er hätte nichts gehabt, nicht einen Pfennig, da alles ihr gehörte, selbst das Auto, aber er hätte für Mariele zahlen müssen. Ende der Aussage.“

„Wieso Schluss?“

„Woher soll ich das wissen?“

Rolf stand auf und beugte sich zu Eike hinunter, griff nach der Akte, blätterte. „Das ist doch wohl ein Scherz, oder?“, warf er die zurück. „Ich dachte, du willst mich aufziehen. Was ist das für eine Ermittlung?“

„Keine Ermittlung. Suizid.“

„Hei, wenn man das liest, da schrillen doch alle Alarmglocken?“

„Und wie die Bimmeln. Sie haben den Bericht gelesen und aus. Fall abgeschlossen.“ Eike blätterte noch mal. „Nicht einmal das Seil haben sie untersucht, den Stuhl, nichts. Eventuell ist die Deern, also diese Mariele, doch nicht so breesig, wie ich dachte.“

„Habe sie auch für eine Spinnerin gehalten. Selbst wenn es Selbstmord war, haben sie schlampig ermittelt.“

„Hier habe ich die Liste der Schmuckstücke, teilweise mit Bildern, die fehlen.“

„Hat die seine zweite Frau, ist er dran.“

„Rolf, nicht so ohne Weiteres. Er wusste all die Jahre nicht, also 14 Jahre, wo sich Töchterchen aufhält, ergo durfte seine Frau die tragen. Kein Diebstahl, falls alles vorhanden ist. Ich suche, ob die neue Frau Knudsen damals in der Theodor-Schäfer-Straße gewohnt hat.“

„Wieso heißt die eigentlich auch Knudsen?“

„Weil er anscheinend den Namen seiner ersten Ehefrau angenommen hat.“

Eike tippte schnell, wartete einen Moment.

„Also hier haben wir sie. Sabine Knudsen, geborene Schleifer. Hochzeit 1990. Beruf, keine Angabe. Sie ist wesentlich jünger als er, war damals 22, er 40.“

„Alter Mann und junge Frau. Das ist meistens teuer“, erwiderte Rolf lakonisch, beschriftete eine Akte.

„Das auch. Wir werden uns mit den Bankkonten beschäftigen müssen. So, gemeldet ist sie bereits vor der Hochzeit“, er rechnete, „17 Tage nach dem Tod seiner ersten Frau mit der Adresse von dem Knudsen. Wow, Zeit haben sie wirklich keine verloren. Vorher Theodor-Schäfer-Straße 7. Zuvor war sie in Heide gemeldet, bei den Eltern. Sie wohnen heute noch da. Jetzt schaue ich bei ihm nach.“

Er tippte, wartet. „Michael Knudsen, geborener Müller. Geboren 1950 in Berlin. Jetzt weißt du, warum der andere Name. Kein Beruf. Oh, oh, was haben wir denn da? Vorstrafenregister. 1970 Bewährungsstrafe wegen versuchten Betruges: Er hat eine ältere Frau um 5.000 DM betrogen. Er wurde jedoch bei der Geldübergabe festgenommen. 1972 versuchter Betrug, 1974 Betrug. Dieses Mal sind es 10.000 DM. Er hat einer 57-jährigen Dame die Ehe versprochen, das Geld abkassiert und weg. Aus dem Gefängnis entlassen, wohnte er drei Wochen in einer Pension in Hamburg, ist anschließend nach Husum gezogen. Das war im November 1977. Wohnung bis zur Hochzeit im Bachweg.“

„Da hatte er sein nächstes Opfer bereits im Auge.“

„Genau. Knapp ein Jahr später im Oktober die Hochzeit. Sie muss da bereits schwanger gewesen sein. Die Tochter wurde im Dezember geboren.“ Er lehnte sich zurück. „Wenn ich das so lese, das spricht mehr für Mord, als für Selbstmord. Ich werde in Hamburg die alten Akten anfordern.“

Er telefonierte eine Weile.

„Ich würde vorschlagen, wir fangen bei dem Anwalt an. Rufe bitte Doktor Hansen an, dass wir was für die Bank und die Versicherung benötigen. Alle Konten von Eva, Mariele, Michael, Sabine, Cornelius, Sieglinde Knudsen. Dazu benötigen wir die Grundbucheinträge ab 1990 und einen Durchsuchungsbeschluss für das Anwesen Knudsen. Gib an, wir suchen den Schmuck. Ich frage nach, wann der Vater sie für tot erklären wollte.“

„Ich höre, viel Papierkram und meine Fahrraddiebstähle?“

„Findest du sowieso nicht, außer durch Zufall. Kommt Herr Zufall, darfst du dich intensiv darum kümmern.“

„Am besten alle Fälle auf einmal gelöst.“

„Träumer. Da kommen noch 30 Neue hinzu. Ich rufe gleich bei dem Rechtsanwalt an, ob er Zeit für uns hat und ob sein Vater anwesend ist.“

Eike legte das Telefon zurück. „Michael Knudsen stellte im Oktober letzten Jahres den Antrag. Das Verfahren wurde eingestellt, da der Schulfreund, Heino Jensch im März dieses Jahres meldete, wo Mariele Knudsen lebt. Man schrieb an die dortige Botschaft, zwecks Überprüfung. Das muss den Papi hart getroffen haben.“

„All das schöne Erbe weg.“

„Komm bitte rüber.“ Eike legte drei Fotos nebeneinander. „Wie legte sie sich die Schlinge um den Hals?“

„Was meinst du?“ Rolf nahm jedes Bild hoch. „Gib mir bitte ein Lineal.“

Eike reichte es dem Kollegen, schmunzelte.

„Genau. Sie kann die erst um den Hals gelegt haben, als sie auf der Lehne stand. Kann ja nicht sein. Stell dich auf so eine schmale Lehne und leg dir das Seil um. Der Stuhl kippt vorher und du liegst auf der Nase. Für die Sitzfläche hängt sie zu hoch.“

„Genau. Da stimmt etwas nicht, da bin ich mir sicher. Müssen wir uns vor Ort ansehen.“

„Herr Martens, danke, dass Sie uns so rasch empfangen. Das ist mein Kollege Oberkommissar Rolf Kristens.“

„Setzen Sie sich. Möchten Sie einen Kaffee?“

„Danke, gern.“

Der Mann sagte Bescheid und setzte sich zu ihnen. „Mein Vater wird gleich erscheinen. Wir haben schon die entsprechenden Unterlagen herausgesucht“, dabei deutete er auf fünf dicke Aktenordner.

„Ist ja reichlich Material. Danke. Kannten Sie Eva Knudsen persönlich?“

„Ja, wir haben als Kinder zusammengespielt. Ich bin zwar drei Jahre älter, aber sie war eine Art kleine Schwester für mich, da ich nur zwei ältere, damals eher nervende Brüder habe. Meine Eltern sind, besser waren mit dem Ehepaar Knudsen befreundet. Wir waren oft dort, da wir alle leidenschaftlicher Reiter sind. Sie war eine nüddeliche Deern. Ein bisschen frech, mutig, Angst ein Fremdwort, intelligent und eine Pferdenärrin. Sie besaß ein Gespür für Pferde, wusste genau, welche Tiere das Potenzial für einen großen Champion besaßen. Nur bei der Wahl ihres Mannes hat sie das verloren. Michael, ein Hallodri, ein Weiberheld, ein kleiner mieser Ganove. Er hat sie nur des Geldes wegen geheiratet. Sie war 22, er 28 und wusste genau, wie er sie um den Finger wickelt. Er war ihr erster Mann und sie hat ihm jedes Wort geglaubt. Als ich ihn in den Semesterferien das erste Mal sah, wusste ich sofort, er passt nicht zu Eva. Nur da war es bereits zu spät, da sie schwanger war.“

„Warum passte er nicht zu Eva Knudsen?“

„Sie eine sportliche, sehr hübsche junge Frau, man kann sagen, fast noch ein Mädchen. Die Pferdezucht war ihre Welt. Sie hat trotz Personal überall mit Hand angelegt, Ställe ausgemistet, Stroh hineingelegt, Wasser geschleppt, die Pferde gestriegelt, versorgt und zugeritten. Sie konnte wie ein Teufel reiten. Bei ihr wurde der wildeste Hengst lammfromm. Sie besaß einfach einen Draht zu den Tieren. Daneben erledigte sie die Einkäufe, die Buchhaltung und managte den Verkauf zusammen mit ihrem Vater. Cornelius hat sie nach dem Abitur mehr und mehr in alle Abläufe einbezogen. Michael, ein Nichtskönner, stinkfaul. Er fuhr ständig, fein im Anzug gekleidet, mit dem Sportwagen durch die Gegend, anpacken ein Fremdwort. Tagelang verschwand er nach Hamburg, was er dort machte, wusste keiner. Mariele wurde geboren und er schnauzte sie einmal im Beisein von mir und den Stalljungen an, sie solle das Babygeplärre abstellen. Er verschwand für drei Wochen. Mariele war ständig bei Eva, erst im Wagen, später ist sie mitgelaufen. Sie ist wie Eva mit den Pferden aufgewachsen. Sie hatten eine sehr enge Beziehung zueinander. Zu ihrem Vater gab es keine. Eine Ehe im üblichen Sinne existierte nie. Er lebte sein Leben als Angeber, sie das mit Mariele, den Eltern, den Pferden. Sie war erfolgreich, baute das Gestüt weiter aus. Ein besonderer Glückskauf war Hektor. Ein junger Hengst, den sie billig bekam. Er hat ein enormes Leistungsvermögen, sagte sie damals. Sie können nicht mit ihm umgehen. Der Vorbesitzer fand ihn störrisch, als Reitpferd ungeeignet. Hektor verschaffte den Knudsen noch mehr Geld, sehr viel Geld. Sie ließen die Boxen stückweise erneuern, kauften eine Wiese dazu, stellten einen weiteren Mann ein. Hektor war zehn Jahre Evas Liebling. Seine Nachkommen erzielten Höchstpreise. Cornelius fand ihn eines Morgens erschossen auf der Wiese, da war Eva gerade zwei Wochen tot.“

„Wissen Sie, wer es war?“

„Ja, eine gewisse Sabine Schleifer, heute heißt sie Knudsen.“

„Was ist da passiert?“

„Sie wollte ihn reiten, aber er ließ außer Eva, Cornelius und Manfred, einer der Angestellten keinen aufsitzen. Sie probiert es, er wirft sie ab und das schicke Reitkostüm wird schmutzig, zudem lachten alle. Man hatte sie gewarnt, aber Frau Angeberin kann alles. Michael greift nach ihrer Gerte, schlägt auf den Hengst ein und bekommt eine von Cornelius, fliegt auf die Nase. Sie kreischt, rennt zu ihrem Lover. Cornelius will ihn anzeigen, falls er es wagt, sich noch einmal an einem Tier zu vergreifen. Am nächsten Morgen ist er tot. Ein Bauer hat die Frau dabei beobachtet, wie sie mit einem Gewehr zu der Weide lief. Er hat sich noch gefragt, was das soll. Cornelius tobt und am Mittag bekam er einen Herzinfarkt, konnte im letzten Moment gerettet werden. Ein Angestellter hatte den Krankenwagen angerufen, sonst wäre er verstorben. Das Paar hatte nichts unternommen. Die Ehefrau fanden die Sanitäter eingeschlossen im Schlafzimmer vor. Man hätte die Frau immer einsperren müssen, weil sie noch von Evas Tod völlig verwirrt sei. Das geschehe nur zu ihrem Besten, so hieß es seinerzeit.“

„Wurde damals keine Anzeige gestellt? Das war Sachbeschädigung.“

„Doch, aber Rasmussen winkte ab. Das sei breesig. So ein zartes Persönchen wie Frau Schleifer liefe nicht mit einem Gewehr herum, um Tiere abzuknallen. Der Mann habe sich getäuscht.“

„Knut Rasmussen?“

„Ja, er hat das seinerzeit bearbeitet. Wussten Sie das nicht?“

„Nein, da nur Dietrichs Name erwähnt wurde. Danach hat man auf weitere Ermittlungen verzichtet?“

„Sieglinde hatte Angst vor Michael. Cornelius war über viele Monate nicht auf dem Gestüt. Erst Klinik, danach Reha. Seinerzeit tickten auch in der Medizin die Uhren noch ein wenig anders.“

„Woher hatte Frau Knudsen das Gewehr?“

„Hat sie bei Cornelius aus dem Schlafzimmer gestohlen. Cornelius hatte einen Jagdschein und zwei Gewehre, die eingeschlossen in einer Metallkiste im Kleiderschrank lagerten. Wurde beides aufgebrochen. Davon gibt es Fotos. Sie ging damals schon dort ein und aus, spielte sich auf. Die beiden alten Leutchen hatten danach nie die Kraft, sich gegen dieses Pärchen wirklich durchzusetzen. Das sind miese Gangster. Nur man konnte ihnen nie etwas beweisen. Es stand immer Aussage gegen Aussage.“

Die Tür öffnete sich und ein älterer Mann trat herein. Eike stand auf.

„Bleiben Sie sitzen, Herr Klaasen“, lächelte er, reichte ihm die Hand.

„Herr Martens, mein Kollege Rolf Kristens.“

Er reichte auch ihm die Hand, holte einen Becher Kaffee und setzte sich dazu.

„Wie geht es Ihrem Großvater, Herr Klaasen?“

„Gut, danke. Wie hoffen, dass das noch sehr lange so bleibt.“

„Er geht auf die neunzig zu, nicht wahr?“

„Er wird bald 88, allerdings ist er noch sehr rüstig. Dafür sind seine Urenkel zuständig, sagte er.“

„Ja, da muss man mithalten. Sie rollen den Fall neu auf?“

„Zunächst sammeln wir nur Informationen. Verfolgen werden wir allerdings den Diebstahl des Schmuckes und des Geldes.“

„Vadding, wir waren gerade bei dem feinen Michael und seiner Frau stehen geblieben. Du kennst sie besser als ich.“

„Leider. Es gibt Leute, wo man gern darauf verzichtet. Er ein fauler, dekadenter Schnösel. Sie ist dazu noch geldgierig, aber clever. Sie wickelt ihn um den Finger, da sie ihm vom Intellekt überlegen ist. Die beiden Personen haben sich gesucht und gefunden.“

„Wir haben von Ihrem Sohn bereits einiges gehört. Warum wurde da nie Anzeige erstattet?“

„Haben wir mehrmals getan, nur es hieß stets, nichts nachweisbar - eingestellt. Die beiden alten Leutchen sind ihnen nicht gewachsen. Sieglinde hat förmlich Angst vor ihnen. Cornelius hat nach dem Infarkt körperlich stets mehr abgebaut. Dazu kam, dass man ihnen einredete, Mariele wolle nichts mit ihnen zu tun haben. Es gab da zwei Briefe, angeblich von Mariele, indem teilte sie den Großeltern mit, sie sollten sie bloß in Ruhe lassen. Ihr gehe es gut und sie würde sowieso nie zu den blöden Gäulen zurückkehren. Sie wären all die Jahre so gemein zu ihrer Mutter gewesen.“

„Gibt es die noch?“

„Nein, da man beide gestohlen hat. Ich habe sie seinerzeit gelesen, weil Cornelius wissen wollte, ob es Marieles Schrift sei.“

„Wann kamen diese?“

„Der Erste kam kurz nach Evas Tod. Der zweite Brief etwa anderthalb Jahre nach Evas Tod, da sollte ich herausfinden, wo sich Mariele aufhält. In Recklinghausen sagten mir seine Eltern, sie wäre nicht bei ihnen. Ich fand allerdings heraus, dass sie sehr wohl dort lebte, aber man kam nie an sie heran. Post, Telefongespräche wurden abgefangen. Sogar Päckchen der Großeltern hat sie nie erhalten, wie ich inzwischen weiß. Ich bin hingefahren, habe vor dem Haus gewartet. Mariele kam mit einem Mädchen aus der Schule. Ich sprach sie an, da stürmte sofort eine Frau auf mich zu, kreischte, tobte, schrie. Drei Tage versuchte ich es – vergebens. Das Mädchen kam nicht einmal aus dem Haus, durfte die Schule nicht besuchen. Ich bekam eine Anzeige, da ich angeblich die Familie Müller bedroht hätte. Das wurde eingestellt, da Aussage gegen Aussage stand. Ich zeigte wiederum Frau Müller wegen tätlichen Angriffs und Beleidigung an. Sie wurde verurteilt, da Marieles Mitschülerin vor Gericht aussagte. Mariele selber durfte weder bei der Polizei noch vor Gericht aussagen. Sie sei krank, hieß es. Das finden Sie alles in dem Aktenberg. Wenige Tage danach kam der zweite Brief. Wo der Brief abgestempelt war, unlesbar, da das alles total verwischt wurde. Nun waren mir die Hände gebunden, da er der Vater und alleinige Erziehungsberechtigte war. Er drohte seinerzeit, würden seine Schwiegereltern oder ich weiter seine liebe Tochter belästigen, würde er Anzeige stellen. Seine liebe Tochter wolle die Großeltern nicht mehr sehen. Im Laufe der Jahre setzte man Cornelius und Sieglinde permanent unter Druck. Dieses Gaunerpärchen brauchte ständig Geld. Nach und nach wurde alles in Euro verwandelt. Pferde weg, Weiden wurden verkauft, das Gestüt ließen sie vergammeln. Sieglinde musste für sie putzen, kochen. Cornelius kümmerte sich noch um den Rest, bis er das nicht mehr konnte. Man warf sie aus ihrem Haus. Sie haben selbst das hingenommen. Er sagte einmal, warum soll ich mich noch zu Wehr setzen? Einen Nachkommen gibt es nicht mehr. Mariele interessiert das alles nicht. Sollen sie es herunterwirtschaften. Ruhe hatten sie deswegen trotzdem nicht, da das Geld immer fix alle war. Nur bei Cornelius war nichts mehr zu holen. Er hatte Grundstücke an meinen Sohn und zwei weitere Leute verschenkt. Die bekommen von mir nichts mehr, sein Kommentar dazu.“ Er schmunzelte. „Sie kennen das Gestüt, Herr Klaasen. Wenn man zu den Boxen und dem Wohnhaus möchte, liegen davor rechts und links die ehemaligen Weiden. Das gesamte Gebiet gehört meinem Sohn. Cornelius hatte seinerzeit den Weg bauen lassen. Nun ist der fort. Wir haben die Erde lockern lassen. Es sieht dort inzwischen wie eine Wiese aus. Michael hat dagegen geklagt, vergebens. Da das Wohnhaus einen anderen Zugang zur Straße hat, müssen sie den benutzen. Blöd nur, die Garagen stehen so, dass man nur von dem Weg Zugang hatte, der nun meinem Sohn gehört. Die Autos parken infolge vor dem Haus und Madame bekommt nasse Schühchen, wenn sie wegfahren möchte. Zudem hat sich dort, da man zufällig etwas Erde benötigte, eine Art Biotop entwickelt. Sehr nahe an der Grundstücksgrenze - wohlgemerkt. Frösche quaken laut, Mücken im Sommer reichlich. Ab und zu weiden dort Kühe von irgendwelchen Bauern oder zu gern karren die am Samstag die Jauche hin. Es gab Schafe mit Glocken um den Hals. Michael hat mehrfach geklagt – vergebens. Infolge wollte er uns das Haus verkaufen. Geht nicht, da es Mariele gehört. Das Wohnhaus ist heute komplett von fremden Weiden, Wiesen umschlossen. Eine Art Enklave inmitten landwirtschaftlicher Gebiete. Tja, man hat es nicht immer leicht im Leben.“

Rolf lachte. „Echt cool.“

„Sabine Knudsen ist auf dem Marktplatz auf mich zugestürmt, hat geschrien, sich wie eine Furie aufgeführt, weil ich ihr Leben zerstöre. War die allgemeine Lachnummer. Danach forderte sie Schmerzensgeld, weil ich sie dermaßen beleidigt hätte, dass sie einen Nervenzusammenbruch hatte. Sie verklagte mich auf Schmerzensgeld. Ich rufe sie an, sage ihr, soll sie klagen und jeder in Husum erfährt, was sie für ein Flittchen wäre, lege auf. Zwei Tage später zieht ihr Anwalt alles zurück.“

„Kommen wir zu dem Schmuck, dem Sparbuch. Wie ist er an die Gelder gekommen?“

„Den Schmuck hat er nach Evas Tod an sich genommen, den von Sieglinde gestohlen. Das Geld, als Vormund von Mariele, war kein Problem. Die Tochter hatte ihm generell eine Vollmacht für alles ausgestellt. Nur als er die Grundstücke in Geld verwandeln wollte, erreichte ich zumindest, dass man Mariele dazu persönlich hörte. Sie war nirgends auffindbar. Das Gaunerpärchen tobte, klagte - verlor, klagte - verlor. Anwaltskosten konnten nicht mehr bezahlt werden, da sie pleite waren. Cornelius verkaufte zwei Grundstücke, davon konnten sie eine Weile leben. Nur danach gab es nicht mehr zu verkaufen, da, wie gesagt, Cornelius alles andere verschenkte. Voriges Jahr abermals die ersten Schulden, die sich anhäufen. Nun wollte Michael seine Tochter für Tod erklären lassen. Begründung unter anderem: Sie hätte seit Jahren die gleiche Form der Depression wie ihre Mutter und er vermute, sie habe sich umgebracht. Seine Eltern konnten das nicht mehr bestätigen, da die verstorben sind. Seine Frau bestätigte das, malte das weitschweifig aus. Derweil hat er sie seit ihrem Weggang weder gesehen noch ein Wort mit ihr gesprochen. Die Frau kennt Mariele nicht, hat sie nie gesehen. Mein Sohn hat im November dem Amt mitgeteilt, er oder seine Frau könnten das nicht beurteilen, da er seine Tochter schließlich nach eigenen Aussagen, seit 14 Jahren nicht mehr gesehen oder etwas von ihr gehört habe.“

„Haben Sie von dem Schmuck noch ältere Aufnahmen?“

„Von jedem Stück von Eva ja, von Sieglinde liegen die bei der Versicherung. Mein Sohn gibt Ihnen die Bilder mit. Der Schmuck ist heute ein Vielfaches mehr wert als seinerzeit, da der Goldpreis immens gestiegen ist. Ich schätze, der Wert beläuft sich heute auf eine viertel Million Euro.“

„Den werden wir wahrscheinlich finden. Was hat das Paar sonst an Wertgegenständen?“

„Zwei Autos. Er einen Porsche, Madame einen Mercedes. Beide relativ neu. Sie irgendwelche Pelze, vermutlich anderen Schmuck.“

„Ziehen wir die zur Not ein, falls sie das Geld plus Zinsen nicht haben. Wie haben Sie erfahren, dass Mariele Knudsen noch lebt?“

„Herr Jensch erschien vor einigen Monaten bei Sieglinde und Cornelius, berichtete von dem Treffen. Sie riefen mich sofort an und ich bin hingefahren, habe selber mit ihm geredet. So fiel das gesamte Lügengebilde zusammen. Sie konnte nur nicht umgehend von dort weg, da sie vertraglich gebunden war. Erst als sie hier auftauchte, konnten wir die letzten fehlenden Puzzleteilchen klären und langsam ergab das alles ein Bild.“ Walter Martens zögerte. „Herr Klaasen, ich habe Angst um die Deern. Sie werden nicht zulassen, dass man sie mit nichts, eventuell sogar einem Schuldenberg auf die Straße setzt. Die Deern muss weg, so wie Eva seinerzeit. Dann ist er der alleinige Erbe. Skrupellos dafür sind sie beide, Michael und seine Frau.“

„Warten wir ab, bis wir mit ihnen gesprochen haben. Da findet man einen Weg.“

„Ich vermute, Sie werden da nicht viel Zeit zu haben. Gerade Madame ist nicht blöd. Geldgierig, wie sie ist, wird sie Mariele schnell loswerden wollen.“

„Da passen wir auf. Wir benötigten bitte die Adresse von Herrn Jensch, zusätzlich eine Aufstellung von den Straftaten, die noch nicht verjährt sind. Da wäre einmal, dass sie das Ehepaar Sieglinde und Cornelius unberechtigterweise aus dem Haus vertrieben haben. Was weiter?“

„Sie werden das andere nicht beweisen können.“

„Das überlassen Sie uns“, entgegnete Eike nun im scharfen Tonfall. „Wir benötigen nur eine Liste der Strafvergehen. Die werden von uns aufgenommen und jedem einzelnen Delikt wird nachgegangen. Selbst wenn es Jahre her ist, nie Anzeige gestellt wurde, weil das Ehepaar Knudsen erpresst, genötigt wurde, sie Angst hatten. Nun, da die Enkelin zurück ist, dass generell ins Rollen gebracht hat, werden sie aussagen, beziehungsweise kann man eventuell manche Vergehen anhand von Unterlagen, wie Kaufverträgen et cetera nachweisen. In einigen Fällen gibt es möglicherweise Zeugen, Beobachter.“

„Da haben Sie sich viel vorgenommen.“

„Es ist unsere Aufgabe aufzuräumen und Strafvergehen zu verfolgen. Man hätte das vor mehreren Jahren bereits beenden können, nun eben erst jetzt. Inwieweit wir Erfolg haben, bleibt abzuwarten.“

„Sie können die Akten mitnehmen und haben so einen genaueren Überblick, was da im Einzelnen alles vorgefallen ist. Cornelius Knudsen, unser Mandant hat eingewilligt.“

„Danke, arbeiten wir das durch und danach sehen wir weiter.“

„Haben Sie mit Mariele gesprochen?“

„Nein, wir sammeln zuvor Informationen, damit wir ihre Aussage besser einordnen können. Nach so langer Zeit ist es nicht einfach, ein erneutes Ermittlungsverfahren in Gang zu setzen. Ob es das überhaupt geben wird, bleibt derzeit ungewiss. In einigen Tagen wissen wir da mehr.“

„Das weiß Mariele. Sie möchte zumindest versuchen, dass man den Tod ihrer Mutter als das sieht, was es war – Mord aus Habgier.“

„Noch eine Frage, Eva Knudsen, wollte sie eingeäschert werden?“

„Es wurde nie darüber gesprochen, aber ich denke eher nein, da es eine Familiengrabstelle gibt. Michael hat das damals so bestimmt.“

Eike erhob sich. „Eventuell ergeben sich unsererseits noch Fragen an Sie. Wo können wir Sie erreichen, Herr Martens?“

Eike nahm dankend die Visitenkarte und sie verabschiedeten sich.

„Was denkst du?“, fragte er im Auto seinen Kollegen.

„Der Knudsen und seine Frau scheinen wahre Monster zu sein. Allein deswegen sollten wir etwas finden. Wie kann man nur so geldgierig sein?“

„Frage das nicht mich. Fahren wir zu dem Büro von Heino Jensch. Ich möchte …“ Eike griff nach seinem Handy.

„Doreen, was gibt es?“ Er hörte zu und lachte schallend. „Das passiert ausgerechnet meiner Schwester? Deern, du bist nüddelich. Komm in dreißig Minuten mit den Papieren zu uns ins Büro. Ich gucke mal, ob ich es sehe.“ Er drückte aus, grinste zu Rolf hinüber. „Arbeit für dich. Man hat ihr vor zehn Minuten das Fahrrad gestohlen.“

„Sag, das ist ein Scherz, oder?

„Leider wahr. Sie tobt. Schauen wir mal. Es ist dunkellila, 26er, Trekking, hat ein sehr gutes Schloss.“

„Warum ist es dann weg?“

„Weil sie nur zwei Minuten in der Reinigung etwas abgegeben hat. Gestohlen hat es ein Kerl, blonde Haare, schmal. Erzählt sie dir nachher alles.“

„Sie hat ihn gesehen?“

„Ja, aber er raste mit ihrem Rad davon und keiner der Passanten hat reagiert.“

„Vielleicht ist das der Kerl, der alle meine Akten auf einmal schließt?“

„Musst ihn dir schnappen. Blonde Männer gibt es nicht so viele. Guck mal, da laufen welche herum. Nur der eine Mann ist zu alt und zu füllig“, feixte Eike.

„Du bist immer so direkt. Ungeheuer aufbauend“, brummte sein Kollege ungehalten.

„Wat mut, dat mut“, belustigte sich Eike.

Heino Jensch berichtete von der Begegnung mit Mariele Knudsen. Sie wären einen Kaffee trinken gegangen und da hätte er ihr von den Großeltern erzählt. Sie wäre völlig überrascht von dem Gehörten gewesen, da sie eine andere Variante kannte. Man habe sich zwei Tage später nochmals getroffen und er habe ihr weitere Details von dem Gestüt berichtet, da sie alles wissen wollte. Dass es das nicht mehr gab, alle Pferde weg seien, habe sie erschüttert.

„Es sieht tatsächlich so aus, als wenn ihre Großeltern sie all die Jahre belogen hätten. Nur warum?“

„Haben wahrscheinlich ebenfalls davon profitiert. Der nette Sohn wird ihnen da einiges abgegeben haben. Erst saß er im Knast, nun plötzlich das Leben eines Millionärs. Rasanter Aufstieg. Das gibt man doch nicht ein paar Jahre später an die Tochter ab. Das ist ein Indiz, dass er seiner Tochter nie das Erbe übertragen beabsichtigte. Nur, die Großeltern sind tot, ergo kann er sich herausreden, er wusste von nichts.“

„Er hat sich aber nie um die Tochter gekümmert.“

„Rolf, dafür haben sie sich inzwischen eine Erklärung zusammengereimt. Seine Eltern haben den armen, immer so besorgten Papi, belogen. Blabla. Es wäre besser, sie wäre erst zu Axel gegangen, damit das Pärchen nicht vorgewarnt ist. Nun haben sie da bereits Absprachen getroffen. Das wird alles wesentlich schwieriger gestalten.“

„Wie wollen wir vorgehen?“

„Du unterhältst dich mit Doreen, ich fange an, die Ordner von dem Anwalt durchzuforsten. Morgen früh reden wir mit Frank. Eventuell kann er uns da weiterhelfen. Ich vermute, wenn wir die Akten von dem Anwalt durch sind, haben wir eine Liste Namen, die wir aufsuchen müssen. Folgend das Gespräch mit Mariele Knudsen. Ihr müssen wir verklickern, dass sie vorsichtig sein muss, da sie das nächste Opfer sein könnte. Für Personenschutz wird unsere Ermittlung möglicherweise nicht ausreichen. Erst danach gehen wir zu dem Paar, holen den Schmuck und was es sonst so gibt. Das Geld wird sie einklagen müssen und da wird der Gerichtsvollzieher Arbeit bekommen. Dazu die Bank, Versicherung und das Grundbuchamt. So in etwa. Was denkst du?“

„Ich suche einen blonden Mann und du liest. Sind ja nur fünf Ordner. Wie kann man diese Frau schützen? Der Vater schreckt doch vor einem weiteren Mord nicht zurück, falls an der alten Geschichte etwas dran ist. Warum der Doc?“

„Ich weiß nicht, aber es fehlen da gewisse Spuren, die eigentlich vorhanden sein müssten. Zum Beispiel …“

„Bloß nicht dein Kauderwelsch, das keiner versteht“, winkte er ab.

„Thema Schutz. Denken wir darüber nach. In etwa, dass sie verkündet, wenn sie stirbt, dass sie alles XY vererbt oder so. Es gebe bereits ein Testament und Zurechnungsfähigkeit wäre ebenfalls bescheinigt. So besteht für ihn kein Grund mehr, sie zu beseitigen, da er leer ausgeht. Wir sorgen dafür, dass das Paar begreift, das die Ermittlungen selbst dann weiterlaufen würden, zusätzlich eine Obduktion stattfindet.“

„Und die Großeltern?“

Eike parkte den Wagen. „Eins nach dem Anderen. Ich weiß es noch nicht. Zu denen fahren wir morgen nach dem Besuch beim Doc.“

Doreen Ahrens wartete bereits im Büro auf sie. Eike gab ihr einen Kuss auf die Wange, musterte sie.

„Du siehst wieder nüddelich aus. Magst du einen Kaffee?“

„Ich bin stinkwütend und du grinst.“

„Finde ich lustig, dass das meiner Schwester passiert. Das Wievielte ist es? Das vierte oder fünfte Rad?“

„Eike, ich knall dir gleich eine“, blaffte sie ihn an, schmunzelte jedoch dabei.

„Dann leg ich dich übers Knie und versohl dir deinen Po. Mal sehen, was Felix heute Abend dazu sagt, wenn du nicht sitzen kannst.“ Er stellte drei Kaffeepötte ab, setzte sich.

„Dösbaddel“, konterte sie.

„Seid ihr beiden nun fertig?“

„Rolf nimmt das auf, da er Fahrraddiebstähle liebt. Etwas anderes, was weißt du über das Knudsen-Gestüt?“

„Die Tochter soll zurück sein. Der Knudsen ist ein eingebildeter Sack. Der versucht mit jeder Frau zu flirten, bildet sich ein, er wäre Gunter Sachs höchstpersönlich.“

„Der ist tot und war inzwischen alt. Hat er dich angebaggert?“

„Ist schon ein paar Jahre her, da hielt er neben mir, laberte mich dumm an, von wegen, hübsch und so. Ob wir nicht einen Kaffee trinken gehen wollten. Ich habe ihm gesagt, wenn ich mit alten Männern zusammen sein wünsche, gehe ich zu meinem Großvater, da der besser aussehe und geistreicher wäre.“

Eike lachte schallend und Rolf schmunzelte.

„Ich liebe meine kleine Schwester.“

„Der feiste Kerl hat dabei eine wesentlich jüngere Frau. Ich habe ihn einige Male mit irgendwelchen jungen Dingern gesehen. Höchsten Anfang zwanzig. Das Gestüt ist total vergammelt, keine Pferde mehr. Es heißt, der musste Grundstücke verkaufen, damit er zu Geld kommt. Erst vor wenigen Monaten wurde eine Wiese hinter den ehemaligen Boxen angeboten. Der Vater von Kerstin wollte die erwerben, aber im letzten Moment machte der Knudsen einen Rückzieher.“

„Wann war das?“

„Vier Wochen etwa. Kurz darauf erzählte Kerstin, dass die Tochter zurück sei. Peter ist mit ihr in eine Klasse gegangen und der hatte sie getroffen. Angeblich beabsichtigt sie, das Gestüt wieder zum Leben zu erwecken. Sie hat bereits einen Hengst, heißt es.“

„Von wem hat sie den gekauft?“

Doreen zuckte nur mit der Schulter, trank den Kaffee. „Frage sie. Warum möchtest du das alles wissen? Dein Fall?“

„Ich kenn die Frau nicht. Wir ermitteln gegen ihren Vater wegen Diebstahls.“

„Cool würde min Lütter sagen. Frage Opa, der kann dir da mehr erzählen. Da grassierten wiederkehrend Gerüchte, zumal keiner Arbeiten geht, aber sie einen sehr gehobenen Lebensstandard demonstrieren.“

„Was für Gerüchte?“, belustigte sich Eike. Dieser Klatsch und Tratsch ging immer irgendwie an ihm vorbei.

„Dem Schwiegervater wurde Geld entwendet, der musste deswegen Grund und Boden verkaufen. Über seine Frau wird erzählt, sie ließe seine Schwiegermutter für sich putzen, sie hätte der Schmuck gestohlen, schlüge sogar zuweilen zu und das sie eine Affäre mit einem Gärtner hat. Angeblich soll sie sogar eines der Pferde erschossen haben.“

„Affäre? Mit welchem Gärtner?“

„Eike, mein Fahrrad. Das ist Getratsche.“

„Gleich, welcher Gärtner?“

„Einem 20-jährigen Jungen aus der Husum-Gärtnerei. Frage Kerstin, sie hat es neulich erwähnt, da sie die beiden auf dem Weg nach Bredstedt knutschend in ihrem gelben Mercedes gesehen hat. Das soll schon länger gehen, hat Mudding gesagt.“

„Sie weiß das?“

„Wissen viele, nur du nicht. Sie steht auf junge Kerle, sehr junge. Er bringt es wohl nicht mehr, mit seinen sechzig oder sie ist ihm zu alt. So, mein Fahrrad. Ich muss mich nämlich um einen gewissen kleinen Jungen meines Bruders kümmern. Der hat Hunger und wird sehr lautstark ungnädig, wenn er nicht sein Essen bekommt.“

„Ist Mudding nicht da?“

„Sie ist mit Oma unterwegs. Dein Lütter ist bei Opa.“

„Was kochst du Leckeres?“, grinste er, klimperte mit den Wimpern, worauf sie laut lachte. „Machen Frauen, du Dösbaddel. Komm heute Abend rüber, da grillen wir Fisch, falls Felix nicht vergisst, ihn abzuholen. Freut sich Torben, da er Fisch liebt. Mittags gibt es nur Möhren, Kartoffeln und Ei, danach Erdbeeren für die beiden Lütten. So, nun Fahrrad“, wandte sie sich an Rolf.

„Schade, ich dachte, du vergisst es.“

„Bestimmt nicht. Ich will, nicht möchte, will das wiederhaben. Das hat fast einen Tausender gekostet.“

„Dann schließt man es an“, erwiderte der lakonisch.

Eike schlug lachend den ersten Ordner auf und begann zu lesen. Hin und wieder notierte er sich einige Stichpunkte, schrieb Namen auf. Oh je, dachte er dabei. Bedeutet viel Rennerei. Zunächst musste man die Adressen von all den Leuten herausfinden.

Doreen verabschiedete sich.

„Rolf, hat der Anwalt nicht gesagt, die Wiesen rund um das Haus wären alle verkauft?“

„Ja, warum fragst du?“

„Weil mein Schwesterchen eben äußerte, Michael Knudsen wollte vor vier Wochen eine Wiese verscherbeln. Wie kann das sein?“

Der legte den Fahrradpass in die Akte, schaute zu dem Kollegen. „Stimmt. Der macht da linke Dinger.“

„Warten wir, bis wir die Grundbucheinträge bekommen. Ich frage am Bahnhof nach, wie oft man damals umsteigen musste.“

Das jedoch erwies sich als schwierig, da man da suchen müsste, weil die Fahrpläne ständig geändert wurden. Sie wollten morgen zurückrufen.

Rolf verabschiedete sich, da er noch in der Reinigung und den angrenzenden Läden nach einer Beschreibung des blonden Mannes nachfragen wollte. Eike las weiter, bis ihn seine Schwester anrief, da es gleich Essen gebe.

Schiet. Er hatte die Zeit vergessen, packte er schnell alles zusammen. Heute würde er Torben wieder nur kurz sehen, schimpfte er mit sich selbst. Er musste sich angewöhnen, einen Teil von daheim zu erledigen.

Martin rief ihn an, da ein Mann randalierte, seine Frau grün und blau geschlagen habe. Seufzend zog er sich an, schaltete das Babyfon an, schaute nach seinem Pflegesohn, der schlief. Er sagte seinen Eltern kurz Bescheid und fuhr zu der Adresse.

Draußen standen die beiden Polizisten neben einer Frau.

Martin kam ihm entgegen. „Er randaliert oben. Sie konnte die Wohnung verlassen, hat uns angerufen.“

„Moin! Eike Klaasen“, stellte er sich vor. „Ist er Ihr Mann?“, wandte er sich an die Frau, die nur nickte, das Gesicht geschwollen, mit zwei Veilchen, Blut um den Mundwinkel.

„Hat Ihr Mann Sie so zugerichtet?“ Nur ein Nicken.

„Schlägt er Sie öfter?“

„Nur wenn er zu viel trinkt“, antwortete sie leise.

„Und wie oft in der Woche trinkt er zu viel?“

„Seit er arbeitslos ist, fast täglich.“

„Wer ist noch in der Wohnung?“

„Zwei seiner Saufkumpane.“

„Kinder keine?“

Sie schüttelte nur den Kopf.

„Martin, du fährst sie in die Klinik. Man soll sie untersuchen und Fotos davon machen. Wir beenden den Spuk. Die Leute wollen endlich schlafen.“

„Aber ich will nicht ...“

„Doch, Sie möchten. Wie lange soll das Theater noch weitergehen? Ihr Mann benötigt eine Lektion, damit er einsieht, nur wegen Arbeitslosigkeit kann ich nicht meine Frau schlagen, das Geld in Alkohol umsetzen. Frau ...“

„Lebert“, half ihm Martin.

„Frau Lebert, die Situation eskaliert immer öfter. Wollen Sie das wirklich? Ihr Mann bedarf Hilfe, damit er sein Alkoholproblem unter Kontrolle bringt. In so einem Zustand findet er nie eine neue Arbeitsstelle. Sie helfen damit nicht nur sich selbst, sondern auch ihm.“ Eike wusste, gegen ihren Willen, konnte er sie nicht ins Klinikum schicken. Nur genau da gehörte sie hin.

„Meinen Sie?“

„Meine ich. Er ist krank und benötigt eine Therapie. Nur in dem Zustand sieht er das nicht ein. Da muss man schon etwas nachhelfen, damit er wach wird. Ringen Sie sich dazu durch. Bitte, Frau Lebert.“ Er schaute sich kurz nach dem zweiten Streifenwagen um, der an der Seite hielt, winkte die beiden Polizisten zu sich.

„Wenn Sie meinen, das ist das Beste.“

„Es ist so das Beste, glauben Sie mir.“ Er nickte Martin zu, der die Frau wegführte. In dem Moment flogen Sachen aus dem Fenster. Männer grölten und einer rief die vulgärsten Beschimpfungen aus dem Fenster.

„Gehen wir hoch und sorgen für Ruhe.“

Sie klingelten irgendwo und die Haustür öffnete sich. Rasch sprangen sie die Treppe hoch, schickten die Schaulustigen in ihren Schlafanzügen oder Nachthemden in die Wohnungen. In der zweiten Etage zog er seine Pistole hinten aus dem Hosenbund der Jeans, klingelte. „Aufmachen, Polizei.“

Innen war es für wenige Sekunden still, bevor nun sie beschimpft wurden.

„Entweder Sie öffnen freiwillig, ansonsten brechen wir die Tür auf.“

Ein „leck mich am Arsch, Bulle!“, war die Antwort.

„Gunnar, öffne sie. Genug von dem Zirkus. Ich möchte ins Bett und mich nicht die halbe Nacht mit drei besoffenen Kerlen herumärgern“, knurrte er gereizt.

Der Polizist trat zweimal kräftig gegen die Tür und die sprang auf. Eike hinein, wich einer Bierflasche aus, die angeflogen kam.

„Ruhe, und alle die Hände hoch, sonst tut es weh!“, brüllte er zornig. „Schluss jetzt.“ Die drei Polizisten standen hinter ihm.

„Ihr beschissenen Bullen haut ab. Euch Penner will keiner sehen. Wo ist meine Schlampe?“

„Los, Hände hoch, ich sage es nicht noch einmal.“

„Du kannst mich am ...“

Eike schoss und es herrschte Ruhe. Die Männer starrten ihn nur entsetzt an. Das war in ihre benebelten Köpfe eingedrungen.

„Das nächste Mal seid ihr dran. Fesselt ihnen die Hände und durchsucht sie. Wagt es nicht, Widerstand zu leisten.“

Der Rausch schien auf einmal verflogen zu sein. Alle drei Kerle ließen sich anstandslos die Hände auf dem Rücken zusammenbinden, danach tastete man sie ab.

„Nun geht es ab in die Zelle zum Ausnüchtern. Herr Lebert, wir unterhalten uns morgen über die Körperverletzung, die Sie an Ihrer Frau begangen haben, daneben Sachbeschädigung, Beleidigung von Polizeibeamten. Geben Sie meinen Kollegen den Wohnungsschlüssel.“

Er fuhr mit zur Polizeistation, wo man sie getrennt in die Zellen sperrte. Nun ging der Zirkus von Neuem los. Sie brüllten, pöbelten herum.

„Olaf und Jochen stellt ihnen Eimer hin, anschließend könnt ihr euren Dienst fortsetzen. Schaut ab und zu hier nach dem Rechten und stellt Ihnen Wasser hin. Gunnar, du sammelst vor der Wohnung die Klamotten auf, schaffst die in die Wohnung. Martin kommt hin. Schau noch kurz nach, ob da nichts glimmt oder so, alle E-Geräte aus sind. Die Scherben müsst ihr draußen aufkehren. Sieh zu, dass man die Tür verschließen kann, sonst rufst du bei den Sieverts an, damit sie das notdürftig reparieren. Danke. Ich fahre nach Hause. Morgen Vormittag gegen elf Uhr komme ich kurz vorbei. So lange bleiben diese Dösbaddel drinnen.“

~~~

Er brachte Torben zu seinen Großeltern und fuhr zur Polizeistation, kochte Kaffee. Nun kamen nacheinander die drei Männer an die Reihe. Jetzt waren sie eher kleinlaut. Eine Anzeige würden sie trotzdem bekommen.

Der Letzte war Thomas Lebert. Der bestritt alles, wollte mit seiner Frau sprechen, die spinnen würde, ihn anzuzeigen.

„Herr Lebert, Sie nähern sich nicht Ihrer Frau, sonst bekommen Sie noch mehr Ärger. Ihre Kleidung und so weiter kann jemand dort abholen. Sehr ruhig und ohne Drohung. Wenn Sie mit einer milden Strafe wegkommen wollen, machen Sie einen Entzug. Das wirkt sich immer Positiv bei der Verurteilung aus.“

„Welchen Entzug? Ich bin nicht krank. Wie ich sagte, die Schlampe spinnt.“

„Einen anderen Tonfall bitte. Wird von der Staatsanwaltschaft geklärt, da die Ihnen Entsprechendes zusenden wird. Das waren keine Kleinigkeiten. Greifen wir Sie nochmals deswegen auf, wandern Sie ein. Alles verstanden?“

„Kann ich endlich gehen?“

„Können Sie.“

Der knallte die Tür hinter sich zu.

„Meinst du, der Kerl hält sich daran?“

„Nein. Ich schicke Jacob hin, damit er da nach dem Rechten sieht. Frau Lebert ist so ein typisches Opfer. Sie lässt sich schlagen, hofft, irgendwann wird er wieder der Alte. Er wird sie belatschern, ihr alles Mögliche versprechen und ist er heute Abend breit, geht das Theater von vorn los. Teilweise geben sich die Frauen noch die Schuld an dem Dilemma. Wenigstens haben sie keine Kinder.“

Er wurde unsanft durch das Telefon aus dem Schlaf gerissen. Es war Martin, der ihm mitteilte, sie wären abermals bei dem Lebert. Seine Frau habe innen gekreischt und Nachbarn hatten angerufen.

„Verdammt, ich komme. Dem Kerl sollte man so eine Abreibung verpassen, wie er seine Frau misshandelt. Vielleicht gibt er dann Ruhe.“

Die vier Kollegen erwarteten ihn bereits. Ein älterer Mann stand bei ihnen. Er habe angerufen, weil die Nachbarin, Frau Lebert, mehrmals laut geschrien habe. Der Mann sei doch früher immer so nett und höflich gewesen. Er verstehe nicht, was auf einmal mit ihm los wäre. Er würde sogar schon die Nachbarn dumm anreden.

Er schickte den Mann in die Wohnung zurück. In der Wohnung Lebert herrschte Ruhe. Er klingelte, wartete, aber nichts tat sich. Nochmals läuten, danach klopfte er gegen die Tür. „Öffnen Sie bitte, Polizei.“

Es tat sich nichts. „Öffnen Sie bitte, sonst verschaffen wir uns so zutritt.“

Nichts. Eike nickte Olaf zu, der nur einmal zutreten brauchte und die Tür sprang auf. Das Schloss hatte man noch nicht repariert.