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Eine Familie. Ein Maulwurf. Und jede Menge Ärger.
Schluss mit Großstadt, ab aufs Land! Sascha und Anna kaufen ein Haus und ziehen mit Teenietochter Marie in die Dorfidylle. Das passt prima zu Saschas neuer Stelle als Nachhaltigkeitsbeauftragter und dazu, dass Anna für ihren beruflichen Neustart Freiraum braucht. Marie, als engagierte Umweltaktivistin, liebt die Natur sowieso, nur die Spinnen nicht. Doch das Landleben wird schwieriger als gedacht. Es gibt manipulative Rasenmäherverkäufer und argwöhnische Nachbarinnen, und da ist dieser Maulwurf, der bald den ganzen Garten umpflügt. Ordnungsfreak Sascha sagt ihm den Kampf an. Doch bald muss sich die Familie fragen, wer hier eigentlich in wessen Territorium eingedrungen ist. Und was der Tote nebenan damit zu tun hat.
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Seitenzahl: 356
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das Buch
»Sascha, Marie und Anna sahen sich jetzt zum dritten Mal das Video aus dem Internet an. Es zeigte einen Garten, es war Abend, aber der Mann, der dort stand, lachte und sich an der Hose herumnestelte, war ganz gut zu sehen. Er redete mit dem Erdboden. ›Hallo! Kennst du das Buch Der kleine Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat? Hier bin ich, hahaha, komm raus!‹ Dann drehte er sich weg von der Kamera, und es plätscherte. Er pinkelte auf einen Maulwurfshaufen! Und pfiff dabei vor sich hin. Als er fertig war, rief er: ›Du bist noch nicht da? Na gut! Ich komme, dich zu holen, ich werde dich finden, pass auf, hahaha!‹ Plötzlich hatte er eine Schaufel in der Hand und drosch auf den Haufen ein. Der Clip war zu Ende. ›Das geht gerade viral‹, sagte Marie. ›Echt peinlich.‹«
Der Autor
Mark Spörrle ist Redakteur der Wochenzeitung DIEZEIT und schreibt viel beachtete Bücher über den irrwitzigen Alltag. Zu den erfolgreichsten zählen »Ist der Herd wirklich aus?« und »Aber dieses Jahr schenken wir uns nichts!«. Der Bahnreiseführer »Senk ju vor träwelling«, den er mit Lutz Schumacher verfasste, stand über ein Jahr unter den Top 20 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Mark Spörrle lebt mit seiner Familie in Hamburg.
Mark Spörrle
DerMaulwurf
Roman
WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN
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Originalausgabe 02/2025
Copyright © 2025 dieser Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)
Redaktion: Joscha Faralisch
Umschlaggestaltung: bürosüd
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN: 978-3-641-32131-4V001
www.heyne.de
Die Menschen
stolpern
nicht über
Berge,
sondern über
Maulwurfshügel
(Konfuzius)
Wer anderen
eine Grube gräbt,
fällt selbst hinein
(Nach der Bibel)
Prolog
Laufen, das merkte Anna an diesem Tag endgültig, war vielleicht Saschas Sport. Aber sicher nicht ihrer. Jedes asthmatische Schaf auf drei Beinen hätte sie locker überholt. Ächzend knirschte sie den Kiesweg entlang, schaffte es gerade so bis zum See. Am Ufer lehnte sie sich gegen den blühenden alten Apfelbaum.
Bekam endlich wieder Luft. Atmete den frischen Duft der weißen Blüten. Und versuchte, das Ganze aussehen zu lassen wie eine Yogaübung.
Als ihr Puls nicht mehr pochte, machte sie sich auf den Rückweg. Im Schritttempo. Sie würde es mit Rad fahren probieren. Nein, mit Tennis, da war man wenigstens abgelenkt.
Als sie zurück zum Gartentor kam, lag etwas kleines Dunkles genau davor.
Ein Hundehaufen?
Ein verlorener Handschuh – im Mai??
Sie kniff die Augen zusammen.
Ein Maulwurf.
In ihren Ohren begann es zu rauschen. Ihr wurde schwindelig.
Der Maulwurf lag auf dem Rücken und streckte ihr seine großen Schaufeln entgegen, als wolle er sich ergeben, den dreieckigen Kopf mit dem rosa Schnäuzchen zur Seite gedreht. Der Frühsommerwind blies über seinen schwarzen Pelz. Er lag da wie ein weggeworfenes Plüschtier.
Tot.
Anna starrte das Tier an.
Es ist vorbei, dachte sie. Endlich!
Dann spürte sie Panik in sich aufsteigen.
Ein toter Maulwurf vor ihrem Gartentor, das ging gar nicht!
Und was, wenn das gar nicht Blacky war? Es gab viele Maulwürfe in der Gegend. Wieso sollte ausgerechnet Blacky sich bis vor ihr Gartentor geschleppt haben, um dort vorwurfsvoll zu sterben – außer, jemand hatte ihn …
Sascha?!?
Nein, Anna glaubte das nicht.
Obwohl: Ihr Mann hatte sich in letzter Zeit sehr verändert.
Aber was, wenn …
Sie hörte ein Brummen. Ein Auto näherte sich von oben den wildheckengesäumten Feldweg entlang; gleich würde es um die Kurve biegen.
Anna zog ihre Sportjacke aus, warf sie über das tote Tier und die Rose, bückte sich und tat, als schnüre sie ihren rechten Schuh neu.
Es war ein schwerer SUV. Violet vom Seeufer unten.
Sie schenkte Anna ein knappes Lächeln samt huldvollem Winken und sah wie immer großartig aus.
Anna hätte ihr eine scheuern können. Sie winkte lässig zurück, froh, dass Violet nicht stoppte.
Und als das Auto außer Sichtweite war, stieß sie hastig das Tor auf, um den Spaten zu holen.
I.
Einige Wochen zuvor
Sascha
»Sie suchen einen Rasenmäher?«, wiederholte der Mann, »Herr Schnappauf« stand auf seinem Namensschild. Er war ganz in Grün gekleidet statt in Knallorange wie die Verkäufer in den anderen Abteilungen. Sascha hielt das für ein gutes Zeichen. Bis Herr Schnappauf weiterredete. »Einen Viertakter? Wir haben gerade eine Sonderaktion, gute Geräte …«
O nein! »Ich dachte an etwas Nachhaltiges.«
»An etwas – Nachhaltiges?«
»Genau.«
Herr Schnappauf sah ihn an. War da leichte Irritation in seinem Blick?
Sascha räusperte sich. »Also zum Rasenmähen. Ich möchte, dass das – ganz nachhaltig ist. Das Mähen. Und alles drum herum.«
Er hatte noch ein »Verstehen Sie?« hinzufügen wollen, sich dann aber im letzten Moment dagegen entschieden. Sascha wollte keinesfalls besserwisserisch rüberkommen. Zumal er umständehalber seinen coolen hellblauen Anzug trug, Herr Schnappauf dagegen einen verwaschenen Overall, der schon recht knapp saß. Außerdem war Sascha gut einen Kopf größer, sodass der etwas ältere Verkäufer mit seinen milchig blauen Augen zu ihm aufsehen musste.
Den schien das allerdings nicht zu stören. Er begann zu grinsen. »Sie wollen Ihren Rasen nachhaltig mähen? Geht es denn auch nicht-nachhaltig?«
Sascha starrte den Mann an. Wusste der vielleicht gar nicht, was »nachhaltig« bedeutete?
Der grinste weiter. »Na, das Gras wächst nach dem Mähen von ganz allein wieder hoch. Nachhaltiger geht’s doch nicht, oder?«
Es war das erste Mal in seinem Leben, dass Sascha einen Rasenmäher kaufte, aber er hatte sich diesen Akt weniger kompliziert vorgestellt.
Er holte Luft. »Es geht mir um den Mähvorgang selbst. Ich suche keinen Viertakter. Auch keinen Dreitakter oder Zweitakter. Ich suche etwas ohne Motor.«
Bei »Dreitakter« hatte der Verkäufer schon große Augen gemacht. Jetzt sah er drein, als habe Sascha einen Rasenmäher verlangt, der fliegen könne.
»Ohne Motor? Ernsthaft?«
»Ja, OHNEMOTOR!«
Sascha war schon leicht irritiert. Außerdem, das irritierte ihn zusätzlich, saß bei der grünen Latzhose des Verkäufers die linke Verschlussschnalle des Trägers zwei Zentimeter höher als die rechte. Ohne erkennbaren Grund.
Was Schnappauf nicht davon abhielt, jetzt Saschas Anzug von oben bis unten zu mustern.
»Das«, sagte er dann langsam, »würde ich mir an Ihrer Stelle noch mal überlegen.«
»Wie bitte?«, fragte Sascha reflexhaft.
»D-a-s w-ü-r-d-e i-c-h m-i-r a-n I-h-r-e-r S-t-e-l-l-e n-o-c-h-m-a-l-ü-b-e-r-l-e-g-e-n!«
»Ich, ähem, wieso?«
»Ich möchte Ihnen keinesfalls zu nahe treten. Aber das scheint mir wirklich keine gute Idee.«
Sascha sog kurz die Luft ein. Und überlegte tatsächlich. Ob es ein Fehler gewesen war, wieder hierherzukommen. Er war schon einmal in diesem Baumarkt gewesen, ein einziges Mal, und zwar am 24. Dezember letzten Jahres. Damals suchte er sehr hektisch eine Lichterkette fürs Balkongeländer, als Ersatz für die alte, die sich last minute entschieden hatte, nicht mehr zu leuchten. Und obwohl er sehr spät dran war, zehn Minuten vor Ladenschluss, hatte Sascha unverschämtes Glück gehabt. Im fast völlig geplünderten Lichterkettenregal lag noch eine einzige Kette – und die passte von der Länge her perfekt!
Zwei Stunden später hatte er auf dem Balkon bei fünf Grad und Nieselregen das Kabel inklusive sämtlicher 380 Lichter entwirrt und befestigt. Er taute seine Finger im Bad unter warmem Wasser wieder auf. Rief Anna. Betätigte dann feierlich den Lichtschalter. Und das mit dem Glück relativierte sich sofort, das »unverschämt« allerdings nicht: Die Kette blieb dunkel.
Sie war kaputt!
Anna hatte ihn mit ihren wunderschön tiefgründigen grünblauen Augen angesehen. Allerdings auf diese forschende Psychologinnen-Art, die sie unheimlich gut beherrschte, weil sie eben eine war. Und ihn gefragt, ob er das nicht schon im Geschäft hätte feststellen können.
Danach begann sie zu kichern. »Erinnert dich das nicht an den Film Schöne Bescherung mit Chevy Chase?«
Sascha liebte Annas Humor. Und er liebte diesen Film.
Aber nicht in diesem Moment. Er war in die Küche gerannt, um die Schere zu holen und die Kette fluchend (»Verdammtes Weihnachten! Verfluchte Lichterkette!«) in kleine Teile zu zerschneiden.
Der Stromschlag beim ersten Schnitt tat gar nicht weh. Trotzdem wollte Anna ihn unbedingt in die Notaufnahme fahren. Dort warteten sie zwei Stunden, während ein blutüberströmtes Opfer weihnachtlicher Familienstreitereien nach dem anderen an ihnen vorbeigeschleust wurde. Sascha erwog schon, sich an der nächstbesten Tür ebenfalls eine beeindruckende Platzwunde zu holen, um endlich auch dranzukommen, entschied dann aber, »auf eigenes Risiko« zu gehen. Schließlich war Heiligabend, in Oldenburg warteten Annas Eltern mit der Weihnachtsgans, und sie hatte ihm schon vorher die Hölle heißgemacht, wieso er mit seinem furchtbaren Perfektionismus noch unbedingt diese blöde Lichterkette auswechseln müsse.
Bis zu den Schwiegereltern benötigte Sascha mit dem Auto normalerweise anderthalb Stunden. An jenem Tag schaffte er, vielleicht eine Folge des Stromschlags, die Strecke in völlig unökologischen dreiundsiebzig Minuten.
Aber es half nichts.
Im Vorgarten schlug ihnen der Geruch von verkohlter Gans entgegen. Anna war völlig am Ende wegen Saschas Lichterkettenaktion (oder wegen seiner Fahrweise). Und ihre damals fünfzehnjährige Tochter Marie sah ihn, kaum war sie aus dem Auto gestiegen, anklagend an, sagte »Digga, Papa!« und erbrach sich.
Der Rest des Heiligabends verlief entsprechend.
Heute hatte Sascha dem Baumarkt eine zweite Chance geben wollen. Denn der warb mit der größten Gartenabteilung sämtlicher Bau- und Pflanzenmärkte auf dieser Seite der Stadt. Sascha war davon ausgegangen, an solch einem Ort der Superlative natürlich auch den größtmöglichen Sachverstand anzutreffen.
Aber Baumärkte waren sowieso nicht seine Welt. Einen Anzug trug hier außer ihm niemand.
Und dann gab es all die Produkte, über deren Sinn und Zweck man nur rätseln konnte. Zum Beispiel die »Schwingschleifer«. Zig Modelle standen gleich am Eingang, die Geräte mussten also sehr begehrt, sehr wichtig oder beides zugleich sein – ohne dass Sascha in seinem 43-jährigen Leben auch nur ein einziges Mal Sehnsucht nach einem solchen Schleifer verspürt hätte. Mehr noch – er konnte sich weder vorstellen, was man damit schliff, noch, was man dabei schwang (außer vielleicht, es handelte sich um ein Utensil für Nudisten). Natürlich hatte er sofort »Was macht man mit einem Schwingschleifer?« gegoogelt. Aber es gab hier so gut wie kein Netz, sicher weil man wollte, dass die Leute auf bloßen Verdacht hin ein, zwei Schwingschleifer mitnahmen und daheim auf dem Sofa ausprobierten.
Oder diese absurd langstieligen »Hochentaster«, an deren oberen Ende eine lächerlich kleine Säge saß. Zufälligerweise gab es in deren Nähe einen kleinen Fleck Internet, und Sascha hatte herausfinden können, dass »Hochen« der Name eines Aussichtspunktes auf der Schwäbischen Alb war. Offenbar war es bei den Schwaben Brauch, dort mit solchen Dingern herumzutasten; gut, solange sich niemand dabei verletzte. Aber wieso sollte jemand im Hunderte Kilometer entfernten Hamburg solch ein Folkloreteil kaufen?
Nicht zu vergessen das »Aktionsregal Maulwurfschreck«. Hier hatte Sascha vorhin auch Verkäufer Schnappauf entdeckt (der tat, als räume er auf, aber vielleicht hatte er auch nur versucht, sich dort vor Kunden zu verstecken). Und das Regal war vollgestopft mit seltsamem Kram: hexenartigen Vogelscheuchen. Duftknödeln. Mächtigen Elektrospießen, mit denen man drei Vampire auf einen Streich hätte pfählen und zugleich erleuchten können, wären die Teile nicht so furchtbar stumpf gewesen (vermutlich wegen irgendwelcher EU-Vorschriften). Was für abgedrehte Menschen mussten das sein, die solches Zeug kauften!
Und nun stand vor ihm dieser Herr Schnappauf, und ihn beschlich das dumme Gefühl, dass ein weiteres Fiasko drohte.
»Wieso ist ein Handrasenmäher keine gute Idee?« Sascha wählte seine Worte mit Bedacht. »Ich denke an die Umwelt.«
»Das ist gut!« Sein Gegenüber nickte.
Vermutlich war das Ironie. Er würde sich nicht provozieren lassen.
Auch nicht von Schnappaufs ungleich positionierten Latzhosenverschlüssen, die ihm jetzt bei jedem Blick ins Auge stachen.
Sascha redete also unbeirrt weiter. »Und sollte angesichts des Klimawandels nicht jeder von uns tun, was er kann?«
»Doch, doch!«
War der Mann ein Zyniker, oder dachte er nur an den Reibach, den er machen würde, wenn er Sascha das Gerät mit dem dicksten Motor verkaufte?
Aber jetzt hatte Sascha ihn in der Zange.
»Und was würden Sie an meiner Stelle tun? Wenn Sie ganz frei wären? Wenn Sie Ihren Kunden nicht das teuerste Gerät verkaufen müssten – sondern das beste für die Umwelt?!«
Schnappauf schwieg. Touché!
Die Sache mit den unterschiedlich hohen Latzhosenverschlüssen ließ sich übrigens leicht beheben. Man musste nur den einen Verschluss am Träger entlang nach oben schieben. Oder den anderen nach unten …
»Einen Moment!« Schnappauf drehte sich zur Seite. »Susanne«, rief er. »Susanne!«
Es dauerte ein paar Sekunden. Dann tauchte fünf, sechs Regalgänge weiter eine zweite, weibliche Gestalt in Grün auf.
»Susanne!«, brüllte Schnappauf. »Haben wir Handsicheln, nachhaltig hergestellt, klimaschonend gedengelt, fair kompensiert, bio, vegan und laktosefrei?«
Er grinste Sascha an, kniff ein Auge zu und lachte dröhnend, als habe er einen tollen Witz gemacht.
Kurz, nur ganz kurz, ertappte sich Sascha bei dem irrwitzigen Gedanken, dass er hier in einen Dreh mit versteckter Kamera geraten war.
Aber nein, es war viel einfacher. Der Typ hier machte sich lustig über ihn!
Die Frau in Grün wohl auch. Sie lachte schrill und winkte ab. Ein paar Kunden drehten ihre Köpfe in Saschas Richtung. Ein Paar um die siebzig im Partnerlook (Blouson beige, Hosen braun, Sandalen weiß) machte synchron Scheibenwischerbewegungen mit den Armen.
»Woker Affe!«, ätzte jemand.
Toleranz war in diesem Markt offenbar noch schwächer ausgeprägt als Klimabewusstsein.
Und das steckte an. Sascha war normalerweise gar nicht so, aber er verspürte auf einmal Lust, den übergeschnappten Schnappauf mit dessen eigenen Waffen zu schlagen. Zum Beispiel mit dem »extra großen« Pfahlhammer (12,99 Euro). Oder ihn zumindest mit dem Elektrotacker (34,99 Euro) ans nächstbeste Regal zu heften. Leider hatte er in keinem von beidem ausreichend Übung. Und extrem unkorrekt wäre es obendrein gewesen.
Blieb also nur zu gehen.
Schnappauf hörte auf zu lachen und sah Sascha an.
»Scherz! Entschuldigen Sie! Aber im Ernst: Es gibt eine einfache und sehr umweltschonende Alternative: Gar nicht mähen!«
Hatte er sich verhört?
»Gar nicht mähen …?«
»Gar nicht mähen!«
Sascha musste vor sich selber zugeben, dass er schon wieder überrascht war. So überrascht, dass er vergaß, dass er hatte gehen wollen. Denn diese Empfehlung sprach nicht nur diametral gegen seine erste Annahme, dass der Verkäufer ihm das Teuerstmögliche verkaufen wollte. Sie sprach überhaupt gegen das Wesen des Verkaufens an sich. Wenn Schnappauf so etwas öfter sagte, war das gegenüber seinem Arbeitgeber massive Geschäftsschädigung.
Oder bereitete dieser Humorbolzen bloß den nächsten Knallerwitz vor?
Nein. Diesmal sah er ziemlich ernst aus.
Trotzdem, gar nicht mähen ging gar nicht. Er wollte einen Garten, keinen Dschungel.
»Gar nicht zu mähen, ist leider keine Alternative«, sagte Sascha.
Der Verkäufer nickte. »Wie groß ist die Fläche?«
Das klang endlich mal konstruktiv. Und Sascha hatte eine gute Antwort parat. Seit drei Wochen besaß er ein großes Haus mit einem riesigen Stück Land. Eigentlich war es schon ein Anwesen.
»So etwa 1800 Quadratmeter.«
Der Verkäufer nickte wieder. Offenbar beeindruckte ihn die Größe des Grundstücks nicht annähernd so, wie sie Sascha beeindruckt hatte. Nach sechzehn Jahren in einer Wohnung mit einem fünfeinhalb Quadratmeter großen Balkon.
»Und wie haben Sie bisher gemäht?«
»Noch gar nicht. Es ist mein erstes Mal.« Er hatte heute früh gemessen. Das Gras war im Mittel bereits 18,5 Zentimeter hoch. Sascha hielt es für wichtig, noch etwas hinzuzufügen; nicht, dass Schnappauf ihn für jemanden hielt, der sein Grundstück seit Jahren verkommen ließ: »Ich habe das Haus gerade erst gekauft. Wir sind aufs Land gezogen. Raus aus der Stadt!«
Schnappauf hätte jetzt sagen können: »Herzlichen Glückwunsch!« Oder: »Ich beneide Sie, ich wollte auch immer aufs Land ziehen. Aber ich schaffe es nicht, denn ich lebe quasi hier im Baumarkt.«
Aber er runzelte nur die fleischige Stirn. »Mit einem Mäher ohne Motor brauchen Sie da Tage für!« Er musterte Sascha. Fast mitleidig.
Und er irrte. Klar, die meisten Menschen waren faul. Sascha hingegen war durchtrainiert, sein Anzugstoff verbarg eine geübte Muskulatur, den Halbmarathon im letzten April hatte er dank Fitness, eisernen Willens und mediterraner Ernährung unter 1:50 geschafft.
Okay, ohne Handrasenmäher. Aber der war ja federleicht.
»Mit einem Motormäher sind Sie schneller. Viel schneller. Ist auch besser für die Gelenke. Wie gesagt, wir haben tolle Angebote …!«
Schnappauf gab tatsächlich nicht auf. Das mit der Schnelligkeit war vielleicht ein Punkt. Dennoch, ein Motormäher kam nicht infrage. Der verwandelte mit seinen Abgasen die Umweltbilanz jedes Gartens in die eines Parkplatzes.
Solch einen Fauxpas konnte Sascha sich auch beruflich nicht leisten. Denn das Wichtigste bei seinem Job war Correctness. Sich nicht angreifbar zu machen. Um jeden Preis Shitstorms zu vermeiden.
Er, Sascha Paulmann, war seit gut einem Jahr Sustainability-Chef bei der Schicks-Gruppe, einem der größten traditionellen Versandhändler des Landes: 50 000 Pakete pro Tag, das Gros davon Kleidung und Haushaltswaren. Laut Marktforschung kannten unglaubliche 68 Prozent aller Bundesbürger die Firma noch aus ihrer Kindheit, 88 Prozent konnten mit dem Firmenclaim »Schick’s mir!« etwas anfangen (über die Abschaffung des Apostrophs wurde firmenintern seit fünf Jahrzehnten gestritten). Und 57 Prozent, auch das sagte die Marktforschung, erwarteten von Schicks Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein. Die ganze Palette. Bis hin zu glücklichen Baumwollbauern, deren Kinder nicht mit den Eltern auf den Feldern schufteten, sondern in die von Schicks gesponserte Elementarschule im Ort gingen.
An alledem arbeitete Sascha mit seinem Team. Seit er Nachhaltigkeitschef war, drehte sich der alte, große Versandladen wie ein Supertanker, der mühsam seinen Kurs korrigiert, ganz langsam in Richtung Gegenwart.
In diesem Baumarkt aber war die Zeit offenbar stehen geblieben. Sascha würde seinem Team davon lachend in der Konferenz erzählen. Und, wie er es geschafft hatte, trotzdem einen Handrasenmäher zu bekommen.
Am einfachsten wäre es natürlich gewesen, den online zu bestellen. Aber die Emissionen des Versandhandels …! Und außerdem war er jetzt schon mal hier. Mit dem Auto. Die Umweltbilanz einer Leerfahrt zurück wäre noch schlimmer gewesen als die eines Onlinekaufs. Sascha war also zum Erfolg verdammt.
Sollte er den Verkäufer noch auf die ungleiche Höhe seiner Hosenträgerschnallen hinweisen? (Und ihm damit vermutlich einen großen Gefallen tun.)
Aber Schnappauf sprach schon weiter. »Und wenn Sie einfach einen Mähroboter nehmen? Der ist auch nachhaltig, denn er fährt elektrisch. Und er macht die Arbeit ganz ohne Sie. Soll ich Ihnen einen zeigen?«
Nein. Auch von Mährobotern ließ man besser die Finger. Nicht wegen der Umweltbilanz. Sondern weil die Apparate den Rasen so kurz hielten, dass weder Blüten noch Insekten kamen. Und nicht nur Grashalme zerstückelten, sondern auch Mäuse, Maulwürfe, Blindschleichen, Kröten, Eidechsen … Marie hatte, als Sascha über den Rasenmäherkauf sprach, noch weitere Grausamkeiten aufgezählt, zu denen diese »Killergeräte« imstande seien, inklusive skalpierten Jungigeln und den verstümmelten Fingern Unschuldiger, die auf der Wiese ihren Rausch ausschliefen. »Das musst du wissen, Papa, das ist dein Job!«
Das war es zum Glück nicht. Aber die geschredderten Tiere waren ein Reizthema. Glaubte man Marie, gab es bereits Jugendliche, die Rasenmähroboter nachts aus Gärten »befreiten« und auf Supermarktparkplätzen aussetzten, wo sie morgens auf Kunden losgingen.
Sascha erklärte Schnappauf also sehr freundlich, dass so ein Roboter keine Option war. Es wie gesagt überhaupt nur eine gab: einen Handrasenmäher. Und dass er sehr gehofft hatte, so ein Gerät hier zu bekommen, aber nun bald gehen müsse.
Schnappauf seufzte. »In Ordnung. Ich zeige Ihnen die Spindelmäher. Aber Sie sollten in jedem Fall auch Handschuhe kaufen. Sehr gute, dick gepolsterte Handschuhe. Ich habe welche da.«
Er wollte sich in Bewegung setzen.
Aber Sascha konnte es nicht mehr mit ansehen.
»Einen Moment bitte«, er trat Schnappauf in den Weg und korrigierte mit einer schnellen Handbewegung dessen linke Trägerschnalle zwei Zentimeter nach unten.
Schnappauf sah ihn fassungslos an.
Sascha nickte ihm zu. »So, jetzt ist alles in Ordnung.«
Anna
Hier war es also, das neue Leben! Wie schade, dass gerade niemand da war, um Anna zu kneifen – na ja, vielleicht war es besser so … Okay: Sie, Anna, stand hier draußen in diesem riesigen Garten und staunte. Denn sie hörte nicht einen Vogel singen, nicht zwei, nicht drei. Es waren zehn oder zwanzig, mindestens! In all den Jahren in der Stadt hatte sie noch niemals ein solches Konzert gehört, und soweit sie sich erinnerte auch nicht in ihrer Kindheit in der Kleinstadt. Hier war richtig Land, Land-Land, und das war großartig, überwältigend! Eigentlich hätte man dafür Eintritt zahlen müssen. Aber wer hier lebte, hatte das umsonst. Einfach so. Ob die Leute hier wussten, wie glücklich sie waren?
Die Sonne schien, Anna spürte die Wärme ihrer Strahlen. Die Blätter der Bäume und das Gras leuchteten in allen Grüntönen, die Blumen und blühenden Sträucher sorgten für die Farben. Insekten summten. Eine Hummel brummte dicht an Anna vorbei. Über einem Strauch mit roten Blüten, sie rochen intensiv nach Nektar, flatterte ein weißer Schmetterling. Und noch einer, der aussah wie ein Pfauenauge, nein, es waren zwei.
Und das Schönste: Anna stand nicht auf irgendeiner Wiese. Es war ihre!
Sie blickte nach oben in die Kronen der Bäume, die sich leise rauschend im Wind wiegten.
Sie zückte ihr Handy und machte ein Rundumvideo von Garten und Haus. Es sah wahnsinnig gemütlich aus mit seinen roten Backsteinwänden, den dicken weißen Holzrahmen um Türen und Fenster, den großen Sprossenfenstern und den stilisierten weißen Pferdeköpfen an den Giebeln.
Anna schickte das Video ihrer Mutter. Die sandte dicke Smileys, Herzchen, Raketen und Sektgläser zurück.
Das war alles wie ein Traum. Aber es war die Wirklichkeit!
An einiges musste sie sich erst noch gewöhnen. Zum Beispiel an den Platz. In ihrer Zweieinhalbzimmerwohnung in der Stadt war es so eng gewesen, dass es auf jeden Quadratmeter Stauraum ankam, auch unter dem Bett, auf den Schränken, in ihrem winzigen überfüllten Speicherabteil, dessen Tür sie nie geöffnet hatte, damit ihr nichts entgegenstürzen konnte.
In ihrem neuen Haus gab es jede Menge Zimmer. Sascha hatte sich gleich ein eigenes zum Arbeiten eingerichtet. Sie könne es selbstverständlich mitbenutzen. Sehr nett, aber kam nicht infrage. Sie liebte Sascha, der liebte sie, aber er wurde fast verrückt, wenn man auch nur einen einzigen seiner auf dem Tisch penibel sortierten Stifte verschob. Annas Profi-Ich hätte da möglicherweise eine Neurose kurz vor dem Ordnungszwang diagnostiziert, aber das Profi-Ich wusste auch, dass jede Expertin für eine Diagnose viel zu befangen ist, wenn es um den eigenen Ehemann geht.
Und sie wollte Saschas Arbeitszimmer auch gar nicht mitbenutzen. In der Stadtwohnung hatte sie lange genug am Küchentisch gearbeitet. Oder es versucht. Sie hatte an Klientenakten gesessen, an Studien, an Abrechnungen. Immer mit Ohrstöpseln, weil die Nachbarskinder hinter der Zwischenwand Fußball spielten, weil deren Mutter viel zu laut telefonierte oder weil der dazugehörige Vater seine Serie oder seinen Deutschrap immer lauter drehte, um seine Familie nicht zu hören.
Hier gab es keine Nachbarn und keine Zwischenwände. Und im Obergeschoss neben dem künftigen Gästezimmer war sogar noch ein Raum übrig, in dem sich momentan nur ein paar Umzugskartons stapelten. Was für ein Luxus!
Aber es wurde noch besser. Denn da war das Gartenhaus.
Es stand weiter hinten auf dem Grundstück, vor den unkrautüberwucherten Beeten, die Anna neu bepflanzen würde. Für ein Gartenhaus war es sehr groß und massiv, mit seinen efeuberankten Backsteinwänden, dem Spitzdach, dem Schornstein und den großen weißen Sprossenfenstern wirkte es fast so, als habe ihr Haupthaus knuddeligen Nachwuchs bekommen. Sie war sofort hin und weg gewesen von dem Häuschen.
Ein Trampelpfad führte durchs Gras dorthin, es roch nach Wald, nach Wiese, nach Blütenhonig und an einer Stelle nach, ja, nach Marienkäfer, das hatte Anna zum letzten Mal in ihrer Kindheit gerochen.
Sie schob die doppelflügelige Eingangstür des Häuschens auf. Die Sonne malte Sprossenfenstermuster auf den staubigen Steinplattenboden. Der große Raum war leer, abgesehen von vielen Spinnweben, einer rostigen Schaufel an einem riesigen, rostigen Nagel in der Wand und einem Paar zerschlissener orangefarbener Gummistiefel.
Das Häuschen sei akut renovierungsbedürftig, hatte Sascha gesagt.
Aber Strom war da, gut, es fehlten bloß Steckdosen. Und eine Heizung musste her, spätestens im Herbst. Aber ansonsten nur noch richtig staubwischen, die Spinnenweben entfernen – voilà! Anna spürte: Hier würde sie gut arbeiten können.
Und sie hatte viel vor: Nach 16 Jahren als Psychologin in Teilzeit mit zwei Praxistagen pro Woche wollte sie wieder richtig durchstarten. Marie war längst in einem Alter, in dem sie das meiste alleine hinkriegte. Mehr noch, ihre Tochter konnte es überhaupt nicht mehr ab, wenn ihre Eltern »helikoptermäßig um sie herumschwirrten«. Und allein die Frage »Wie spät wird es bei dir heute?« erfüllte für sie mittlerweile den Tatbestand helikoptermäßigen Herumschwirrens.
Eigentlich hatte Anna nie vorgehabt, so lange im Job zurückzustecken. Aber es hatte sich so ergeben. Sascha war nach Maries Geburt neu ins Kommunikationsteam seiner Firma gekommen, Anna dagegen konnte als freie Psychologin so viel oder so wenig arbeiten, wie sie wollte. Und so arbeitete sie weniger, während Sascha karrieremäßig durchstartete.
Nicht, dass sie ihm daraus einen Vorwurf machte. Er war ein wunderbarer Mann, er hatte Anna immer unterstützt. Trotzdem war es für sie nicht leicht gewesen. Auf einmal so viel zu Hause zu sein, mit Kind, selbst mit einem so tollen. Sie hatte vorher studiert, geforscht, einen tollen Start in den Job gehabt, sogar ein Sachbuch geschrieben. Und damit Glück und Erfolg gehabt. Das Buch drehte sich um Paarbeziehungen, wie sie scheiterten, wie sie gelangen und was man dafür tun konnte. Es war genau zu dem Zeitpunkt erschienen, als die Medien das Thema neu entdeckten und eine Expertin suchten, die prima erklären konnte und dazu noch eine tolle Ausstrahlung hatte. Anna mit ihren tiefgründigen Augen, ihrem ansteckenden Lachen und den langen braunen Locken passte da gut ins Bild. Auch wenn sie sich niemals auf ihr Äußeres reduzieren ließ, für sie zählte ihre Expertise. Die hatte sie. Und der Rest wurde ihr zugeschrieben: Vorher hatte sie AUCH Paartherapie gemacht, ab sofort war sie DIE Paartherapeutin. Auf einmal riefen Redakteurinnen von Frauenzeitschriften an, wollten Interviews oder baten sie, Partnerschaftstests zu entwerfen und auszuwerten. Sie bekam Anfragen für Seminare und Auftritte, hatte sogar eine Kolumne in einer großen Wochenzeitung. Und wurde immer wieder in Talkshows und ins Frühstücksfernsehen eingeladen. Vermutlich als netten Kontrast zu den ebenfalls eingeladenen, meist älteren männlichen Politikern und Wirtschaftsbossen, die Annas Ausführungen mit überlegenem Lächeln verfolgten, aber sie nachher, wenn die Kameras aus waren, wegen ihres eigenen Liebeslebens um Rat fragten. Anfangs saß Anna in diesen TV-Runden wie ein schockgefrostetes Huhn. Doch bald begann ihr die Sache Spaß zu machen. Sie mochte ihr Publikum. Und das Publikum mochte sie.
Dann war Marie gekommen, und alles war anders geworden.
Heute waren Paarbeziehungen natürlich immer noch ein Thema. Aber längst schrieben andere die Bücher. Vielleicht schaffte sie das irgendwann auch wieder.
Aber zuerst stand der Podcast an. Eine Idee von Julia, die war Journalistin bei einem Möchtegernpromiblatt, das sagte sie selber so, und fast schon eine Freundin. »Anna«, hatte Julia gesagt, »du kannst Dinge so gut erklären, warum lässt du das nicht mehr Leute hören?« Sie hatten sich in einem Café an der Elbe zusammengesetzt, Kaffee, Wasser und Rotwein getrunken, viel geredet. Und am Ende stand das Konzept für Ist es kompliziert?. Den Podcast, der sich um alles drehen sollte, was Paare beschäftigte: Selbstverwirklichung, Eifersucht, Dating, Fernbeziehungen, Sex. Alle zwei Wochen eine neue Folge, immer zu einem konkreten Thema. Julia würde die Fragen stellen, Anna sie beantworten. Ein Gespräch wie unter Freundinnen sollte es sein. Einen Podcast hatte Anna noch nie gemacht, da würden nicht nur ihre Zuhörer etwas lernen, sondern auch sie.
Als sie Sascha von dem Plan erzählte, besorgte er ihr, mal wieder typisch, gleich ein Podcast-Seminar, sechs Stunden mit Keywords, Summary und interaktiven Zwischenfragen. Süß. Anna wusste, er meinte es gut. Und sie liebte ihn dafür, wie er sich sorgte. Sie verzieh ihm sogar, wenn ihn wieder mal sein furchtbarer Ordnungs-, Planungs- und Vorbereitungsfimmel anfiel.
Aber sie hatte genug Podcasts gehört, so kompliziert war das nicht. Sie wollte jetzt endlich loslegen.
Und arbeiten würde sie hier. Im Gartenhaus. Da hinten vor die Wand, mit Blick durch die großen Fenster in den Garten, käme der Schreibtisch. Ein cooler Tisch, vielleicht mit Eichenholzplatte und Tischbeinen aus dunklem Stahl. Und als Beleuchtung Up-down-Lights an den Backsteinwänden?
Es wäre sogar noch Platz für eine therapiegeeignete Sitzgruppe gewesen, aber Anna wollte lieber in der Praxis in Altona bleiben. Es war ganz praktisch, wenn man seine Klienten nicht beim Bäcker traf und sie auch nicht hinter einem standen, wenn man den Geldautomaten verfluchte, weil er zu wenig ausspuckte.
Oder dachte man – frau – nur mal an Mats Schröder, Dr. Mats Schröder, promovierter Jurist und ehemaliger Klient. Der war am Anfang mit seiner Frau bei Anna gewesen. Die Frau war hochgradig eifersüchtig, so furchtbar eifersüchtig, dass sie, wenn die zwei bei Anna in der Praxis waren, sogar mitging, wenn ihr Mann auf die Toilette musste.
Trotzdem brachte Anna die Therapie zu einem einigermaßen guten Ende. Dachte sie. Bis Monate später Schröder wieder in der Praxis auftauchte. Allein. Ohne Termin. Und immer wieder. Um Anna mitzuteilen, dass sie seine Ehe kaputt gemacht habe. Um ihr zu gestehen, dass er in sie verliebt sei. Oder wegen beidem. Ab und zu hatte er Blumen dabei, stürmte geradewegs in ihr Zimmer und drückte ihr aufgeregt den Strauß in die Hand – also im Nachhinein konnte Anna Schröders Frau ziemlich gut verstehen. Aber er war harmlos, freundlich und kultiviert und ließ sich friedlich wegschicken. Kein Vergleich zu dem Stalker, den ihre Kollegin Elisabeth mehrmals bei sich auf der Wohnzimmercouch vorgefunden hatte, und eines Abends dann sogar in der Badewanne.
All das sprach dafür, diesen Teil des Jobs dort zu lassen, wo er war. Sie würde keine neuen Klienten mehr annehmen, und wenn ihr beruflicher Neustart gut lief, konnte sie ihre zwei Tage in Altona später vielleicht auf einen reduzieren. Erst mal würde sie an den Praxistagen von hier nach Hamburg pendeln wie Sascha und Marie, nur nicht mit der Bahn wie die beiden, sondern mit dem Auto. Und auf die Tage, an denen sie nicht pendeln musste, freute sie sich ganz besonders.
Denn sie wollte hier ja nicht nur arbeiten. Sondern auch im Garten etwas pflanzen, Himbeeren, Stachelbeeren, Johannisbeeren, ein paar neue Reihen Erdbeeren, vielleicht Kartoffeln? Vorher mussten die Kartons vom Umzug erst mal fertig ausgeräumt werden. Im Haus war auch sonst noch zu tun: Eine der Küchenwände sähe in Blau viel besser aus, die große Wand im Flur käme in Grün sehr gut. Überall fehlten noch Vorhänge an den Fenstern, vielleicht konnte sie die ja selber machen. Es hingen noch längst nicht alle Lampen. Und zuerst musste sie hier ihr neues Studio einrichten.
Anna war richtig aufgeregt. Sie zog den Zollstock aus der Gesäßtasche ihrer Boyfriendjeans und begann, den Raum auszumessen.
Sascha
Also dieser Herr Schnappauf, der führte einen ziemlich in Versuchung. »Nur zufälligerweise« waren sie doch schnell bei den Aufsitzrasenmähern vorbeigegangen. Dass diese Dinger (dachte man mal kurz nicht an das ganze CO₂, das allein schon bei ihrer Herstellung anfiel) so cool sein konnten! Der Facility-Manager, früher hieß das Hausmeister, bei Schicks, einer aus der Boomer-Generation (er trug verwaschene Jeansjacke und Vokuhila-Schnitt), knatterte noch mit einem uralten Teil herum, das aussah wie eine riesige orangefarbene Kreuzung aus Wespe und Staubsauger und von jedem Fußgänger mühelos überholt wurde. Was für den Facility-Mann eine furchtbare Schmach sein musste. Deshalb managte er den Rasen immer erst nach Feierabend, und begegnete ihm dann doch noch jemand, verzerrte er sein Gesicht voller Pein und starrte angestrengt an dem Betreffenden vorbei.
Die schicken Fahrzeuge, die Schnappauf Sascha nun präsentierte, waren bis zu 12 km/h schnell und sahen aus, als könne man mit ihnen nach dem Mähen noch einkaufen fahren, wilde Tiere fangen oder gen Nordpol aufbrechen: knuffige Kreuzungen aus Minitraktor und Quad in Rot und Schwarz mit Chrom und Glanzlack. Jeder schmählich untermotorisierte Facility-Mensch wäre vor Neid erblasst. Aber leider fuhren alle mit Verbrennermotor. Doch, sagte Schnappauf, es gebe auch (schwächere) E-Modelle, die müsse er bestellen. Aber keiner frage danach.
Die hier dagegen – »tolle Dinger, was?« Der Verkäufer lächelte.
Er war nicht nur vollständig zum Kumpel mutiert und hatte sich nach der ersten Verblüffung sogar für Saschas korrigierenden Eingriff an seinem Hosenträger bedankt. Er hatte Sascha obendrein im Voraus weitere zeitfressende und wenig nachhaltige Baumarktfahrten erspart. Denn er, Sascha, werde in den nächsten Wochen garantiert weitere Gerätschaften benötigen. »Ein Garten macht sich nicht von allein. Haben Sie Sträucher? Oder sogar Bäume?«
Sascha nickte.
»Okay. Beete?«
»Ich glaube schon«, hatte Sascha sich sagen hören. Und hätte sich dafür gleich selbst in den Hintern beißen können. Entweder man hatte Beete, oder man hatte keine.
Der Verkäufer tat zum Glück, als habe er es nicht bemerkt. »Sie können natürlich jedes Mal wiederkommen, wenn Ihnen auffällt, dass Sie etwas für den Garten brauchen. Das wäre in den nächsten zwei, drei Monaten etwa einmal pro Woche. Wie in dem Geht-ein-Mann-in-den-Baumarkt-Witz!« Er begann glucksend zu lachen.
Sascha wusste nicht, worüber. Er würde das nachher googeln.
»Sie können aber auch jetzt gleich alles mitnehmen, was Sie brauchen. Ich stelle Ihnen zwölf Geräte zusammen, mit denen kommen Sie durchs gesamte erste Gartenjahr. Ich kann Ihnen fünf Prozent Rabatt geben, fünf Prozent auf alles.«
Aus purer Gewohnheit handelte Sascha acht Prozent heraus.
Schnappauf belud einen Schwerlasteinkaufswagen mit Rechen, Axt, Unkrautstecher, großer Astschere, Grabegabel, kleiner Astschere, Rasenkantenschere, Gießkanne, Pflanzschaufel, Zitterbesen und Obstpflücker, denn: »So wie Sie aussehen, haben Sie vermutlich Obstbäume?«
Sascha hatte wieder keine Ahnung, beeilte sich aber, sehr souverän zu nicken.
Schnappauf legte ihm lächelnd noch einen Hochentaster for free dazu; Sascha würde das peinliche Ding noch vor der Kasse wieder ausladen, er war schließlich auch kein Lavalampen-Typ.
Zum Schluss schleppte der Verkäufer eine Teleskopleiter an. Deren Vorteil sei, dass sie in jedes Auto passe. Denn das Gegenteil käme tagtäglich vor: Kunden kauften möglichst lange Leitern, manche hätten nur Büsche oder Zwergkiefern im Garten, andere besäßen nicht mal einen Garten und lebten in einem Einzimmerapartement, aber sie kauften trotzdem die längste Leiter, die zu kriegen war. Um sie dann kleinlaut umzutauschen oder auf dem Parkplatz des Baumarkts zurückzulassen, weil sie sie nicht transportiert bekämen. »Es gibt ein Zwölfmeterstück, das heißt bei uns nur der Bumerang.« Er lachte schallend.
Sascha hörte schon nicht mehr richtig zu. Denn über einem der Regale, an denen sie den vollen Wagen vorbeischoben, stand »Ordnungssysteme«.
Das passte. Je mehr Zeug der Verkäufer in seinen Wagen gehäuft hatte, umso mehr hatte Sascha sich nämlich gefragt, wie und wo er all das angemessen unterbringen sollte.
Das heißt, er hatte schon eine Idee. Da war ihr neues Gartenhaus. Komplett leer, fast so groß wie ihre alte Wohnung. Einfach ideal für Gartengeräte.
In einem von Annas Lifestyle-auf-dem-Land-Magazinen hatte Sascha ein Foto gesehen. Es gehörte zu einem Artikel über einen Musikproduzenten, der in der Lüneburger Heide einen ehemaligen Bauernhof gekauft hatte. Abgebildet war die frühere Remise, die jetzt ein Gerätehaus war, mit einem genialen Aufbewahrungssystem: Sämtliche Werkzeuge und Gartengeräte hingen, auf Hochglanz poliert, nebeneinander in schicken Halterungen an den Wänden, mit kongruenten Abständen zu Decke und Fußboden.
Sascha erkundigte sich nach so etwas, und Schnappauf rief, er habe Glück. Tatsächlich gab es gerade das neue Modulsystem »Remove-Fit« in Edelstahl mit anthrazitfarbenen Kunststoffeinlagen, vielfach einstell-, modifizier- und erweiterbar. Genau das, was nötig war, um das Gartenhaus zum schicksten Gerätehaus des Dorfes zu machen.
Sascha vereinbarte mit Schnappauf, dass er alles ausmessen und wiederkommen würde. Aber bevor sie womöglich ausverkauft war, nahm er schon mal die »Remove-Fit-One«-Werkbank mit, das Topmodell der Serie und die designteste Werkbank, die er jemals gesehen hatte (ehrlicherweise hatte er noch gar nicht viele Werkbänke gesehen, aber trotzdem): mit höhenverstellbarer Arbeitsplatte in Wildeiche natur, Metallbeinen in Anthrazit, integrierter Steckdosenleiste und einem Container zur Werkzeugaufbewahrung, natürlich ebenfalls in Anthrazit. Sollte Sascha jemals in die Lage geraten, eine Werkbank zu benötigen: Ab sofort war er perfekt vorbereitet.
Allmählich begann er zu verstehen, was die Faszination eines Baumarktes ausmachte. Hier bekam man Hilfe nicht nur für die Probleme, von denen man schon wusste, man war auch gerüstet für alles Mögliche, was in Zukunft noch kommen konnte.
Sein neuer Kumpel Schnappauf nickte jedenfalls tapfer, als Sascha ihm (ebenfalls tapfer) erklärte, dass er aus übergeordneten, ökologischen Gründen beim Handrasenmäher bleibe, so knuffig und nett die Aufsitzrasenmäher auch seien. Schnappauf führte ihn nun tatsächlich in die hinterste Ecke der Halle, wo sich, halb versteckt, ein Regal mit Handrasenmähgeräten befand.
Sascha verließ den Markt mit einem guten Gefühl.
Auch wenn es auf dem Parkplatz nicht leicht war, alle Einkäufe in den Kofferraum zu bekommen. Zumindest nicht ordentlich. Er hasste es, wenn sich das Rollo der Kofferraumabdeckung nicht schließen ließ. Vor allem die Leiter wollte aber nicht darunterpassen. Dann fiel sie auch noch um, knallte gegen einen Abfalleimer und hatte einen frischen Kratzer oben am rechten Holm.
Sascha hasste auch so etwas. Am liebsten hätte er die Leiter sofort zurückgegeben. Aber er zwang sich, genau das nicht zu tun. Nicht dass man dachte, auch er habe ein Leitertransportproblem.
Zur Belohnung passierte ein kleines Wunder: Auf einmal hatte er doch alles im Auto – und die Abdeckung ging trotzdem zu.
Anna
Draußen raschelte es. Dann knarrte die Tür.
Anna fuhr herum.
Lisa! Sie hatte die Augen zu schmalen Schlitzen verengt und bewegte sich langsam auf sie zu.
»Das ist MEIN Platz!«, zischte sie.
Anna fasste sich sofort. »Oh!«, höhnte sie zurück. »Reicht dir dein eigener nicht?«
»Das IST mein Platz!«
»Ich habe reserviert! Hier!«
»Ich auch!«
»Auf diesem Platz? In diesem Wagen?«
»Auf diesem Platz. In diesem Wagen!«
»Mir reicht’s. Ich hole den Schaffner!«
»Haha! Der kommt doch nie!«
»Hm. Stimmt!«
Spätestens an dieser Stelle konnten sie beide regelmäßig nicht mehr und fielen sich lachend um den Hals. So auch jetzt.
Vorsichtig allerdings. Ihre alte Freundin Lisa, die jetzt gleich nebenan lebte, trug nämlich ein schickes dunkles Kostüm und in jeder Hand ein volles Glas mit etwas, das aussah wie Aperol Paloma.
»Du hast dich wirklich fein gemacht für mich!« Anna strahlte sie an.
»Nicht wegen dir!« Lisa setzte ihr XXL-Lachen auf, mit dem sie früher bei jeder Party sehr viel Aufmerksamkeit bekommen hatte.
»Zwanzig Jahre«, sagte Anna.
»Einundzwanzig schon!«
So lange war es her, dass sie sich im Zug nach Berlin zum ersten Mal getroffen und angezickt hatten, genau wie eben, bis sie beide schon damals lachen mussten. Danach sahen sie sich im Hörsaal wieder, Proseminar 2 Psychologie. Und ab da waren sie unzertrennlich. Kochten zusammen, lachten zusammen, lästerten zusammen, feierten zusammen. Zogen zusammen. Trösteten einander, als sie sich hintereinander in den Falschen verliebten. Stritten, um einander davon abzuhalten, sich wieder in den Falschen zu verlieben. Jede wusste fast immer, was die andere dachte, eine konnte die Sätze der anderen beenden. Obwohl Lisa sehr blond war und Anna dunkelhaarig, wurden sie öfter für Schwestern gehalten. Und jetzt waren sie wieder Nachbarinnen!
Lisa hob die Gläser. »Ich muss gleich zu einem Termin, aber ich dachte, wir könnten vorher fix noch mal auf euer Haus anstoßen. Du bist beim Planen?«
Anna nahm Lisa ein Glas ab und nickte. »Das hier wird mein Reich.«
Lisa trat einen Schritt zurück und sah sich um. »Mega. Diese schönen alten Backsteinwände. Was meinst du, wie toll da Up-down-Lights aussehen!«
»Habe ich auch schon gedacht!«
»Und dann brauchst du für die Hütte eine ordentliche Heizung. Es gibt ganz dünne Fußbodenheizungen … Strom gibt es hier, oder?«
Anna hob den Daumen.
»Und WLAN muss her.«
Sie hatte recht. Sascha hatte fürs Erste ein mobiles Hotspot-Gerät besorgt, das über das Mobilfunknetz lief. Aber das war hier leider erbärmlich schwach. Ordentlich surfen oder einen Film gucken konnten sie nur, wenn die Leute ringsum schliefen. Aber die blieben erstaunlich lange auf. Von wegen mit den Hühnern ins Bett gehen!
Lisa grinste.
»Es gibt gerade ein tolles Glasfaser-Angebot der Stadtwerke.«
»Woher weißt du das?«
Lisa pustete sich eine blonde Strähne aus der Stirn. »Oh, ich mache dafür die Kampagne.«
Beide lachten.
Nach dem Studium hatte Lisa ein paar Jahre in einer Schmerzpraxis gearbeitet, ehe sie in Richtung Marketing abgebogen war. Erst ging sie zu einer Agentur, dann machte sie sich selbstständig, und mittlerweile beriet sie recht erfolgreich eine Reihe von größeren und kleineren Firmen aus der Gegend. In Summe sei das viel mehr Geld für viel weniger Schmerz, scherzte sie immer.
Sie hob ihr Glas. »Weißt du noch, als wir da hinten standen, bei uns am Gartenzaun, und über das Grundstück hier redeten?«
Anna erinnerte sich. »Es war bei eurer Housewarming Party vor, warte …«
»Vor fast genau acht Jahren!«
»Du hast von der alten Dame erzählt, die hier lebte. Die es sich mit allen Nachbarn verdorben hat.«
»Ja!« Lisa lachte. »Sie hat sich bei uns beschwert, unsere Bäume seien so hoch, dass sie den See nicht sehen könne. Dabei liegt der genau in der anderen Richtung!«
Beide kicherten und stießen wieder an.
Lisa sah Anna prüfend in die Augen.
»Mensch, wow, dass du mit Sascha immer noch zusammen bist – und jetzt habt ihr euch sogar ein Haus gekauft!«
Anna lächelte. »Warum nicht?«
»Na ja, ihr wart so verschieden. Du immer eher lässig – ich weiß noch, als du einmal dein Referat null vorbereitet hattest, null. Und du dann dem Mattes – und uns allen! – erzählt hast, du habest die Studien lange analysiert, für unbefriedigend befunden und wolltest hier der Öffentlichkeit ein paar Thesen vorstellen, über die es sich viel eher lohne, zu forschen …«
»Volle Punktzahl!«, lachte Anna. Professor Mattes war jemand gewesen, der eigene Gedanken gelten ließ. Er hatte Anna später auch gefragt, ob sie promovieren wolle.
»Ich hätte mich das nie getraut, ich wäre im Hörsaalboden versunken. Mensch, du und deine Sprüche!« Lisa leerte ihr halbes Glas auf einmal. Sie hatte immer noch einen guten Zug. »Du warst immer so selbstverständlich selbstbewusst. Manche Dinge waren dir auch komplett egal. Etwa, wie es bei uns in der Küche aussah.«
»Also hör mal! So schlimm war es auch nicht.«
»Komm, du konntest nach einer Party das schmutzige Geschirr völlig ungerührt tagelang stehen lassen.«
Das stimmte. Anna prostete Lisa zu. »Meistens hast du angefangen. Du warst disziplinierter.«
Lisa kicherte. »Außer Sascha hat bei uns übernachtet. Meister Propper in Person. Der startete schon mit dem Aufräumen, bevor der letzte Gast draußen war.«
So ähnlich war ihr Mann immer noch.
Anna fiel etwas ein. »Weißt du noch, als meine Eltern uns einmal besuchten und Sascha, kaum waren sie drin, er hatte sich noch nicht mal vorgestellt, Handfeger und Schaufel zückte und hinter ihnen her kehrte wie ein Wilder, weil sie mit ihren Schuhen etwas Sand reingebracht hatten?«
Lisa kicherte wieder. »Ich habe gedacht, er macht Spaß! Oder die Geschichte mit dem Heizungsableser, der morgens um acht kommen sollte …«, sie setzte sich schwungvoll auf die breite Fensterbank, »und Sascha hatte zum ersten Mal bei dir übernachtet und großzügig angeboten, er werde das erledigen. Also hat er sich den Wecker gestellt …«
»… auf sechs!«
»Nein! Auf halb sechs! Er hat sich todmüde hochgequält, sich geduscht, angezogen, gefrühstückt und danach abgespült und abgetrocknet, Liegestütz hat er auch noch gemacht – um dem Ableser für die zwanzig Sekunden, die er da sein würde, perfekt vorbereitet gegenüberzutreten!«
»Aber leider«, rief Anna, »kam der Ableser nicht!«
Beide bogen sich vor Lachen.
»Na gut«, rief Lisa, »daraufhin bist du Paartherapeutin geworden!«
Beide lachten noch mehr.
Anna leerte ihr Glas und dachte kurz nach.
»Heute ist es viel besser mit ihm. Steter Tropfen … Doch, Sascha war und ist genau der Richtige! Und wie ist es mit Moritz?«