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Anhand vielfältiger, fiktiver aber auch wissenschaftlich ausgerichteter Aussagen wird die These untermauert, dass nur das Nichts wirklich existiert. Tatsächlich gibt es keine wissenschaftlichen Beweisführungen, die diese These derzeit in Frage stellen können. Schlussfolgernd existiert auch der Mensch nicht. Im Folgenden wird diese These als wahr angenommen und bildet die Basis für mehrere, zu unterschiedlichsten Zeiten spielende Kurzgeschichten, die direkt aus der These heraus entwickelt werden. Alle Geschichten haben die Grundaussage gemein und werden erst durch ihren Zusammenschluss und die Verknüpfung miteinander zu einem vollkommenen Bild der wahren Existenz. Sie decken gemeinsam einen Zeitraum von über einer Million Jahre ab und zeigen, immer wieder punktuell aus der Grundthese heraus entwickelt und in direktem Bezug zu ihr, mögliche Ausprägungen von menschlichem Leben. Der direkte Bezug zwischen allen Kurzgeschichten wird durch eine fiktive Kontrollinstanz des Nichts gewährleistet, die Kaas, ein unsichtbares Volk mit dem Auftrag, in der Gesamtheit des Nichts für das ausgeglichene Niveau aller Werte zu sorgen. Und all das geschieht im Kopf eines wahrscheinlich ganz normalen Menschen.
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Seitenzahl: 461
Veröffentlichungsjahr: 2021
Alexander Gerhard
Der Mensch existiert nicht
© 2021 Alexander Gerhard
Verlag und Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-347-27719-9
Hardcover:
978-3-347-27720-5
e-Book:
978-3-347-27721-2
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Vorwort
Der Kalkül
Die Struktur
Der tiefe Sturz
Die Halbwahrheiten
Sehnsucht
Wächter des Nichts
Der Wahn des Hannes Krause
Die Nebel des Vergessens
Zufall, Schicksal, Sinnlosigkeit
Das Jahr 4 – Ende der Welt
Was ist Zeit?
Mein Weg in das Licht
Ich
Alexander Gerhard
Der Mensch existiert nicht
Philosophisch-wissenschaftliche Fiktion eines Wissenden über die Mutmaßung, dass der Mensch existiere
Für Yasaré und Immanuel
Vorwort
In der Endlosigkeit existiert nur das Nichts und ist das Alles – ohne Abhängigkeit von Raum und Zeit. Es ist einzig und allein, ohne Bestimmung, ohne Ursprung und ohne Ziel. Das Nichts ist Macht und Ohnmacht zugleich, umfasst das Vorstellbare und das Unvorstellbare, denn das Alles hat keine Grenzen, keine Regeln und keinen Verstand.
Nur der denkende Wurm setzt dieser Einfachheit Grenzen.
Der Kalkül
Wenn sich ein Etwas entschlossen hat, sein zu wollen, wird es danach streben, sein eigenes Sein zu beweisen. Die Voraussetzungen, die dieses Etwas mitbringen muss, um es leisten zu können, dieses ‚sein wollen’, sind hinlänglich bekannt, sollen aber dennoch zur Verdeutlichung des fehlenden Realitätsbezugs noch einmal erwähnt werden.
Die Erkenntnis ‚zu sein’ setzt ein Bewusstsein voraus, das es dem strebenden Etwas, das allein dadurch zum Individuum wird, ermöglicht, sich selbst in Raum und Zeit zu erleben. Schon der Wille zur Erkenntnis setzt voraus, dass eine minimale Reflexion des eigenen Ich stattgefunden hat, um dem gerade bewusst gewordenen Sein auch einen eigenen Willen geben zu können. Ohne Reflexion kein Wille, ohne Bewusstsein kein Sein und ohne Bewusstsein kein Wille.
Die Abgrenzungen gegen tote Materie sowie die Tier- und Pflanzenwelt zum Zweck eines besseren Verstehens erspare ich mir, obwohl der Mensch natürlich nichts anderes ist als eine Tier- oder Pflanzengattung. Der Mensch trägt 50% des Genmaterials einer Banane in sich.
Das sich in der Welt der Individuen als Wollender begreifende Tiergewächs ‚Mensch’ ist also bestrebt, das Wissen in Bezug zu seiner Existenz so zu gestalten, dass sein ‚Sein’ zweifelsfrei bewiesen sei und seine Handlungen, oder Nicht-Handlungen als Resultat von Reflexion und zielgerichteter Aktion oder Nicht-Aktion verstehbar seien – und zwar verstehbar von anderen Individuen, die, so sie sich ebenfalls als Menschen verstehen, dasselbe Ziel verfolgen, nämlich schlüssige, unwiderlegbare Beweise für die berechtigte Zuordnung zur Tier-/Pflanzengattung ‚Mensch’ zu liefern.
Einmalig und kurz seien hier auch diejenigen Menschen erwähnt, die sich auch Nicht-Menschen als zugehörig beweisen, indem sie das, was einen Menschen ausmacht, zeitweise ignorieren oder zumindest verdrängen, wie Hundebesitzer – oder auch kurz erwähnt diejenigen, die zum Mensch-Beweis notwendige Eigenschaften zeitweise nicht mehr oder noch nicht besitzen, vielleicht nie besessen haben, wie zum Beispiel Eltern oder Verliebte.
Die zentrale Erkenntnis in Bezug auf den Beweis des Seins eines Menschen ist aber nicht im Bereich von Bewusstsein und Wille angesiedelt, sondern im Bereich der Wahrnehmung. Es ist also niemals die Existenz eines Individuums selbst, die einen Menschen entstehen lässt, sondern das Erfahren dieses Seins durch Anderes. Dieses Andere umfasst alles, Mensch, Tier und jede leblose Materie. Beim im Menschen entstehenden Seins-Bild ist fast ausschließlich die Absorption von Wellen, seien es Lichtwellen, die über das Auge aufgenommen werden und das Bild eines Menschen erzeugen, oder Schallwellen, die nach ihrer Bildung und ihrem Empfang biochemische Reaktionen der Gedanken transportieren und zumindest erst einmal erfahrbar machen, aber auch die Interpretation von Berührung, die Reizungen der Nerven in ein mehr oder weniger klares Bild des Verursachers überführen. Zu guter Letzt ist es noch die Luft, die angereichert mit riechbaren Molekülen abgespeicherte Erinnerungen mehr oder weniger treffgenau aktivieren und das Individuum als Entität identifizierbar machen. Erstaunlicherweise ist es beim in Nicht-Menschen entstehenden Seins-Bild fast identisch, nur, dass das entstehende Bild ein anderes ist, also ein ganz anderes Individuum entsteht. Vom Bewusstsein lebloser Materie wissen wir noch nicht sehr viel. Es sind scheinbar nicht Wellen und Moleküle, die ein Bild des Menschen in toter Materie erzeugen können, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ein Bergmassiv es witzig findet, wenn ihm ein Kilometerlanger Tunnel in die Eingeweide gebohrt wird. Doch zurück zu Individuen.
Ausgestattet mit Sinnen, die Wahrnehmung ermöglichen, setzt sich das Individuum der Welt aus, in der es lebt. Es nimmt wahr und erkennt Menschen, auch wenn sie gar nicht vorhanden sind. Der Besuch in einem Kino etwa ermöglicht die Begegnung mit Menschen, macht sie erlebbar, erzeugt Gefühl für oder gegen sie und ist doch nur Betrug. Nichts ist wahr und nichts ist tatsächlich vorhanden, außer Licht- und Schallwellen. Noch nicht einmal die Stimme der Menschen entspricht der wahren Stimme, zumindest in unseren Breiten sehr selten. So wird Wahrnehmung zur Farce und zur eigentlichen Betrugsnehmung.
Grundsätzlich ist der Mensch also sowohl betrugsbereit, was die Darstellung des eigenen Seins und Wollens betrifft, als auch täuschbar, was die Möglichkeit betrifft, zwischen Wahrheit und Schein unterscheiden zu können.
Wenn die Grundlage des Seins und Wollens verstanden ist, geht es um den Menschen an sich, also um die Summe der einzelnen Individuen und die Qualität der Entitäten.
Die Frage „Wie ist der Mensch?“ kann nicht beantwortet werden, weil der Mensch als Summe aller Entitäten nicht existiert. Die Möglichkeit zur Beantwortung dieser Frage würde voraussetzen, dass derjenige, oder diejenige, die sich zu einer Beantwortung dieser Frage hinreißen lassen möchte, mindestens einmal alle Entitäten der Pflanzen-/Tiergattung ‚Mensch’ gesehen, gehört, gefühlt und gerochen hätte. Und auch unter dieser Voraussetzung, die natürlich nicht erfüllbar ist, könnte die Frage nur dann beantwortet werden, wenn die wahre Körperlichkeit und Sinnlichkeit jedes einzelnen Individuums erfahren worden wären und nicht nur das Bild, das durch die eigenen, verfügbaren Rezeptoren erstellt wurde. Jede beliebige Entität ‚Mann’, ‚Frau’ oder ‚Kind’ aus der Masse Mensch bestimmt sich selbst durch die maximal mögliche Anzahl an Bildern, die in anderen Individuen von der eigenen Entität erzeugt werden können. Somit ist auch die Beschreibung einer Entität, also die Beantwortung der Frage „Wie ist Herr X?“ nicht möglich. Nur die Beantwortung dieser Frage durch alle Individuen wäre eine zulässige Antwort, wenn alle Herrn X mindestens ein Mal gesehen, gehört, gerochen und berührt hätten.
Weder der Mensch als Individuum noch die Menschen als Ganzes können in ihrem Sein erfasst werden, weil Wahrheit nur die Summe aller Wahrheiten sein kann. Wenn dies beim Versuch einer allgemeingültigen Aussage zu allen Menschen noch nachvollziehbar erscheint, wird die Verständlichkeit bei dem Versuch der Beschreibung eines Menschen schon schwieriger.
Warum sollte es wohl nicht möglich sein, einen einzigen Menschen zu beschreiben?
So, wie die Darstellung eines Schauspielers in einem Film Betrug ist, ist auch die Beurteilung eines Menschen Betrug, selbst wenn der Beurteilte von sich behauptet, authentischer nicht sein zu können, weil die Subjektivität des Beschreibenden nur einen Milliardsten Teil der Wahrheit darstellen kann. Schon eine zweite Meinung eines anderen Individuums, das über eigene Rezeptoren die eigene Wahrheit über den beurteilten aufgenommen hat, kann genau gegenteiliges Ergebnis sein. Was ist dann also wahr?
Ist ein Mensch freundlich, wenn er lacht oder ist er heimtückisch und falsch? Ist es das Wissen des Individuums selbst, das hier die einzige Wahrheit darstellen kann? Liegt die Wahrheit also einzig und allein im Beurteilten?
Zur Beantwortung dieser Fragen ist es wichtig, sich zunächst im Normbereich zu orientieren, bevor das Außergewöhnliche in den Kalkül einbezogen wird.
In diesem Normbereich ist das Individuum davon überzeugt, sich selbst realistisch einschätzen zu können. Es ist in der Lage, sich zumindest einmalig Attribute zuzuordnen, seine eigenen Handlungsweisen zu verstehen und eine Idee darüber zu verinnerlichen, welches Bild es über die Rezeptoren der Betrachter wahrscheinlich erzeugt. Die sich selbst zugeordneten Werte und Attribute variieren ebenfalls nur im Normbereich, so dass von einer gewissen Konstanz in der Bewertung der eigenen Person durch das Individuum ausgegangen werden kann. In der Beantwortung der Frage „Wie bin ich?“ geht Herr X ebenso systematisch wie emotional vor und er kommt zu einem Resultat. Dieses Resultat ist die Wahrheit über das Sein des Herrn X aus der subjektiven Sicht des Herrn X. Diese Wahrheit hat auch im Normbereich nichts mit der Realität zu tun, denn die Realität ist die Summe aller Wahrheiten, eine Unbekannte. In seine Überlegungen, die letztendlich zu seinem Resultat führen, bezieht Herr X alle ihm bekannten Erwartungshaltungen, Einschätzungen und Ansprüche mit ein, was zu einer zwangsläufigen Falscheinschätzung seines Selbst führt. Die Wahrscheinlichkeit einer Übereinstimmung dieser Einschätzung mit der theoretischen Einschätzung aller ist im Größenbereich eins (Herr X) zur Anzahl der über mindestens einen Sinn bewertungsfähigen Individuen (z.B. lebende Pflanzen, Tiere und Menschen innerhalb des Normbereichs). Selbst bei Berücksichtigung eines beliebig detailliert spezifizierten Aspekts aus der fast unendlichen Vielzahl der möglichen Aspekte, die Herrn X in seiner Komplexität beschreiben, ist die Möglichkeit einer Übereinstimmung nahe Null.
Wie ist also nun Herr X, wenn er es selbst noch nicht einmal weiß?
Frau Y, die von sich behauptet, eine verzauberte Katze zu sein, sich also weit außerhalb dieses gerade noch verstehbaren Bereichs befindet, hat in jedem Fall einen höheren Realitätsbezug als Herr X. Sie hat zwar den Bezug zu ihrem wahren Sein verloren und sie hat den realistischen Bezug zu den Individuen verloren, aber sie ist frei in ihrer Wahrnehmung des eigenen Selbst. Sie stellt etwas dar, was ihrem wahren Sein nicht mehr entspricht und sie orientiert sich bei der Beurteilung ihres Seins nicht mehr an solchen Werten, die von der Mehrzahl der Beurteilenden verstanden werden können. Frau Y orientiert sich aber vor allem auch nicht an solchen Werten, die ihr von der Gemeinschaft der beurteilenden Individuen aufgezwungen wurden. Sie ist frei in ihrer Wahrnehmung und ignoriert die Beeinflussung ihres eigenen Urteilsvermögens durch gesellschaftliche, soziale oder politische Normen – durch nahezu alle Normen. Sie ist viel eher eine verzauberte Katze, als etwas, was die Gesellschaft aus ihr innerhalb des Normbereichs gemacht hätte.
Sie wird sowohl inner- als auch außerhalb des Normalen wesentlich mehr Individuen zu einer übereinstimmenden Einschätzung ihrer Person bewegen als Herr X jemals. Innerhalb der Norm wird sie als verrückt beschrieben, als solche toleriert und ihr wird wohlwollend zugesprochen, vielleicht doch eine verzauberte Katze zu sein und außerhalb der Norm wird sie als Katze geliebt oder gehasst. Das kann Herr X nicht von sich behaupten, da er durch den Anspruch an Normalität dem gnadenlosen Urteil eines jeden Menschen ausgesetzt ist und Wohlwollen durch nichts erzeugt.
Die Struktur
Im Rahmen einer Vielzahl von entwickelten Theorien wird eine schier unendlich variantenreiche, komplexe Vielzahl von Phänomenen besprochen, die mit herkömmlichen Mitteln und dem nutzbaren Wissen nicht mehr erklärbar sind. Gerade im Tierreich sind Zusammenhänge offensichtlich, die mit bekannten Messmethoden und der Anwendung menschlicher Logik nicht in das ach so enge Korsett wissenschaftlicher Beweisführung gepresst werden können. Diese Zusammenhänge und Phänomene weisen alle eine übergeordnete Gemeinsamkeit auf, indem sie erworbenes Wissen speichern und wieder abrufen, ohne ein nachweisbares Speichermedium zu nutzen oder kürzlich erworbenes Wissen und Erkenntnisse übermitteln, ohne eine materielle Schnittstelle zu bedienen. Gesetze der Physik, Biologie und Chemie werden hierbei umgangen. Es entsteht eine völlig neue Gesetzmäßigkeit der Veränderung von Leben, die zwar im Rahmen der bekannten Evolution stattfindet, aber in keiner Weise nachvollziehbar in Erscheinung tritt. Abweichend von bisherigen Evolutionstheorien, die fast ausschließlich von der Vererbung neu erworbener Eigenschaften und der genetischen Auswahl Erfolgversprechender Dispositionen ausgehen, finden teilweise dramatische Veränderungen innerhalb einer Spezies im Verlauf einer Generation statt, ohne dass die Individuen dieser Spezies irgendeinem Einfluss unterlegen gewesen wären, der nach gängiger Einschätzung diese Veränderung ausgelöst haben könnte. Diesen Bestandteil aller Lebewesen nennen wir Seele und mutmaßen, dass es bezüglich der Ausprägung spezifischer Eigenschaften von Leben in Wahrheit ganz andere Regeln gibt als die uns bisher bekannten.
Sich in diesem Zusammenhang und im Besonderen mit dem Menschen zu beschäftigen, würde nur dann Sinn machen, wenn es einen Unterschied zwischen Tieren und Menschen gäbe.
Die Struktur des Lebens
In den Wissenschaften hat Seele keinen Stellenwert. Sie bleibt gänzlich unberücksichtigt und es wird versucht, das Dasein ausschließlich mit nachweisbaren, vorhandenen Mitteln zu erklären. Dementsprechend werden die prinzipiell der Seele zuzuordnenden Eigenschaften auf verschiedene Wissensgebiete aufgeteilt. So ist es gängige Meinung im Bereich einer Klasse 1 Aussage (Aussageklassen werden in der Folge erläutert), dass der Mensch ausschließlich aus Materie besteht. Alles, was einen Menschen ausmacht, ist materiell. Seine Persönlichkeit ergibt sich aus dem Zusammenwirken biochemischer Prozesse – es gibt nichts am Menschen, was nicht durch irgendeinen solchen Prozess erklärt werden könnte.
Im Rahmen der aktuell gültigen Vererbungslehren streiten sich die unterschiedlichen Lager noch um den Prozentsatz der vererbten und erworbenen Eigenschaften eines Menschen. Natürlich werden auch hier keine weiteren Möglichkeiten zugelassen, die einen Menschen ausmachen könnten, aber bei weitem nichts mit Materie zu tun hätten. So ist das Gehirn eines Neugeborenen bereits durchgängig definiert und jedem Bereich seine Rolle zugeordnet. Alles, was ein solches Neugeborenes noch nicht erlernt haben kann, ist also entweder vererbt oder wird aus einem Bereich des Gehirns und der Neuronalen gesteuert, in dem sich die Instinkte, natürlichen Triebe und Selbsterhaltungsmechanismen befinden.
Eine Seele gibt es nicht
Bereits im Mutterleib wurde eifrig gelernt und eine chemisch erprobte Synapse nach der anderen gebildet. Bereits nach kurzer Zeit ist das Kleine schlauer als ein Affe, der natürlich auch keine Seele hat. Da im Prinzip vor und nach der Geburt alles erläutert und verstanden ist, gibt es keine Fragen oder Zweifel mehr – der Mensch funktioniert vom ersten Moment an genauso, wie es sein Bauplan vorherbestimmt hat und die biochemischen Abläufe es ermöglichen.
Diese Erklär-, Beweis- und Lehrbarkeit setzt sich fort, bis der Mensch wieder in die Kiste springt. Auf seinem Weg wird er schlau, dann wieder dumm, sehr wahrscheinlich krank und vor allem alt. Zu keinem Zeitpunkt ergeben sich Fragen, ergibt sich auch nur eine Frage, nach dem ‚Wie’. Keine noch so winzige Kleinigkeit in Bezug auf die Ausprägung der Persönlichkeit, des Charakters, der Spiritualität oder der esoterischen Zuordnung des Menschen ist über Tests nachvollziehbar und als biologischer Ablauf bewiesen.
Eine Seele gibt es nicht, weil es keinen Grund dafür gibt, nach ihr zu suchen.
Die durchgängige Beweisführung zur Erläuterung der Struktur des Lebens bedient sich aller Kategorien komplexitätsreduzierender Klasse 1 – 4 Aussagen (Aussageklassen werden in der Folge erläutert). In erster Linie ist es fehlende Bildung, die ihre Nachvollziehbarkeit und somit das Verstehen beim Empfänger unmöglich machen. Daher ist es auch legitim, zu behaupten, dass eigentlich niemand wirklich versteht, wie sich das Leben durchgängig strukturiert und warum es genauso abläuft, für jeden einzelnen, wie es das nun einmal tut. Ab und zu blitzen Hoffnungen auf, die es möglich scheinen lassen, wenigstens die Struktur eines winzigen Ausschnitts des eigenen Lebens zu verstehen, aber niemals in seiner Gänze. Nur die allerwenigsten denken während des Aufblitzens eines solchen Teilverständnisses an die gerade ablaufenden, biochemischen Zusammenhänge und Abläufe in ihren Körpern. Fast alle Menschen sind einfach so wie sie sind ohne auch nur den Ansatz einer Ahnung, warum.
Also ist die Struktur des Lebens im Prinzip erschlossen und dokumentiert, aber keiner weiß etwas davon – und die wenigen, die etwas davon wissen, verstehen nur kleinste Ausschnitte des Ganzen, sind aber davon überzeugt, dass ihr Konstrukt stimmig ist und jeder Beweisführung stand hält. Sollte es einmal dazu kommen, dass Ungewöhnliches geschehen ist und das bisherige Wissen nicht ausreicht, auch bei aller Anstrengung nicht, dieses Geschehene oder Erlebte zu erklären, hilft sich der Mensch je nach Angemessenheit mit der einen oder der anderen Notmaßnahme. Entweder, der Berichtende wird als unzurechnungsfähig eingestuft, es handelt sich um noch nicht abschließend Erforschtes oder es war der so genannte ‚Zufall’.
Eine kerngesunde Mutter, die zum selben Zeitpunkt in Ohnmacht fällt, zu dem ihre Tochter in einem anderen Erdteil einen tödlichen Verkehrsunfall erleidet, ist nicht unzurechnungsfähig, aber, es handelt sich hierbei mit absoluter Sicherheit um einen Zufall. Schließlich gibt es keine nachweisbare, materielle Verbindung zwischen Mutter und Tochter. Es gibt schließlich auch keine gemeinsame Seele.
Ein Déjà Vu oder der Zustand während einer Hypnose sind selbst dann nur das Resultat biochemischer Prozesse im Unterbewusstsein, wenn der Tagträumer Orte beschreibt, die er nicht gesehen haben kann oder plötzlich in der Lage ist, eine nie gelernte Sprache zu sprechen. Dies ist lediglich der Beweis für die noch nicht erforschten Möglichkeiten des menschlichen Gehirns, vor allem des Unterbewusstseins.
Ein Mensch, der mit seinen Ahnen spricht, ist verrückt. Ebenso ist es derjenige, der das Glück der Bäume spürt.
Die wahre Struktur des Lebens
Ein Stein, ein Baum, ein Hund und ein Chinese streiten sich darum, wer der Klügste von ihnen ist.
Sagt der Stein: „Ich bin viele Millionen Jahre alt und habe alles erlebt, was in dieser Zeit geschehen ist. Ich habe alle Entwicklungen verfolgt und jeden Tag etwas Neues gelernt. Ich bin der Schlaueste von uns.“
Sagt der Baum: „Ich bin viele hundert Jahre alt und alles, was je erlebt und gelernt wurde, habe ich von meinen Ahnen überliefert bekommen. Ich bin der Schlaueste von uns.“
Sagt der Hund: „Ich bin ein Hund und ich bin ein Teil der Natur. Meine Vorfahren waren Hunde und ihre Vorfahren waren Fische und ihre Vorfahren waren Algen, verteilt auf der ganzen Welt. Ich bin der Schlauste von uns.“
Der Chinese schaut sich um und setzt sich auf den Stein. Dann sagt er: „Ich bin ein Mensch – ein kleiner, gelber Mensch. Ich kann denken, also bin ich und ich kann Dinge denken, die es gar nicht gibt. Ich bin der Schlaueste von uns.“
Dann kommt eine Grille vorbei und singt den vier Schlauesten von der Seele der Natur, von der Einheit allen Seins und der einen Energie, die alles durchströmt und verbindet. Dann sagt sie: „Ich mag vielleicht die Dümmste sein von uns, aber dennoch weiß ich unendlich viel mehr als ihr.“
Das Leben braucht den Menschen nicht, um zu existieren, aber ist er erst einmal da, bildet er den Mittelpunkt allen Seins – genau wie eine Grille oder ein Baum.
Nicht die Materie schafft das Bewusstsein, sondern die Seele formt die Materie, um auch in diesem Zustand existieren zu können. So ist der Mensch nur eines von vielen Gefäßen für ewig Existierendes, eine materialisierte Momentaufnahme und ein überflüssiger Zufall. Ein Teil des Lebens ist die Geburt, aber genau dieses Leben existierte fast Ewigkeiten zuvor und wird vielleicht Ewigkeiten danach existieren. Kurz vor der Geburt gibt es einen zeitlichen Raum, in dem die Ordnung der Seele gestört ist. In diesem Raum manifestiert sich z.B. ein Mensch aus seinem Energiepotential gemäß den Vorgaben, die von der Seele gemacht werden. Jetzt ist Schicksal und Ausprägung des einzelnen Individuums bestimmt. Das Leben selbst ist nahezu irrelevant und ändert fast nichts. Final ist der Tod - als endliche Grenze der Materie, nicht des Seins. Nur wirkliche, neue Erkenntnisse können aus einem materialisierten Leben, aus einer haptischen Existenz, in die Seele überführt werden. Alles, was vor der Geburt war, wird nach dem Tod sein, lediglich um den Tod selbst herum gibt es einen zeitlichen Raum, in dem die Trennung der Seele vom Menschen vollzogen wird. Hier werden eventuell neue Erkenntnisse in die Seele eingespeist und stehen sofort danach zur Verfügung.
So einfach diese Struktur des Lebens auch anmutet, so unerreichbar ist für den Menschen, sie zu verstehen, weil er vergessen hat, sich nicht beweisen zu müssen.
Es gibt kaum noch die Möglichkeit, wirklich intensiv in alten Überlieferungen nach der Wahrheit aus wissenden Zeiten zu suchen, denn natürlich sind brauchbare Dokumente rar oder wurden niemals angefertigt. Das, was es einmal gab, weil der Mensch nicht nur dumm ist, sondern auch blöd, hat er zerstört. Er hat vernichtet aus Ignoranz, Hass und Herrschsucht, was dokumentiertes Wissen darstellte, hat die Verbindung zu wahrem Reichtum getrennt, um seinem neuen, eigenen Wissen Platz zu verschaffen. Dieses neue Wissen hat aber leider nicht sehr viel mit der Wahrheit und der wahrhaftigen Struktur seines eigenen Lebens zu tun.
Bezogen auf das wahre Leben sollte es wohl der Einzeller sein, der gängigen Definition nach, das einfachste Lebewesen, das den besten Überblick über seine tatsächliche Situation hat. Jeder noch so geringe Anflug von Bewusstsein zerstört die Möglichkeit, sich als Bestandteil des Ganzen erfahren zu können. Gesegnetes Individuum, denn ein Bewusstsein hat er nicht. Setzt man diesen Gedanken in die richtige Richtung fort, bekommt man eine Ahnung, wie schlau Wasser wirklich sein muss. Eine klare H2O Struktur ist an Einfachheit kaum noch zu überbieten. In die andere Richtung gedacht ist klar, wer den Ehrenpreis der Dummheit gewonnen hat.
Trotz aller Kritik, und die hat der Mensch redlich verdient, bleibt er ein Teil des Ganzen und jeder geborene Mensch trägt einen Bestandteil der umfassenden Seele in sich. Entgegen aller Annahmen sind es nicht die kleinen Zellen, die sich nun zu Körper und Gehirn formen und somit die Voraussetzung für das Denken schaffen, sondern es ist die Seele nach einem individuellen, vorgegebenen Bauplan, die sich in Form eines einzigartigen Menschen manifestiert. Wie jede andere manifestierte Materie hat also auch der Mensch eine Seele. Diese beeinflusst nun nicht irgendeinen Teil der menschlichen Entwicklung, formt Charakter und irgendwelche anderen Eigenschaften und Ausprägungen, sondern ist selbst einziger Bauplan, Konstrukteur und somit Hersteller der materiellen Hülle nach eigenen Vorgaben. Alles, was ein Mensch sein kann, war er schon vorher. Jeder Mensch trägt das Potential aller je gelebten und inzwischen gestorbenen Materialisierungen der Seele in sich. Immer. Vor, während, nach seiner Geburt. Während seines erbärmlichen Lebens. Nach seinem Tod. Immer.
Jeder verdammte Lurch ist glücklicher, zufriedener, schlauer und vielleicht sogar schöner als der Mensch.
In den Winkeln der Seele
Der Mensch ist ja nicht nur das einzige Pflanzen-Tier, das sich selbst ausrottet, sondern auch der einzige Materiehaufen, der glaubt, mehr zu wissen als jeder andere Haufen. Rechnet man das Wissenspotential aller je gelebten Seelenmanifestationen, also das gesamte, aktuell verfügbare Wissen zusammen und vergleicht dies mit dem heutigen Wissen aller Menschen, ergibt sich ein Verhältnis von 10141 zu 1. Selbst das Wissen der Einzeller verhält sich zum Wissen des Menschen im Verhältnis von 1,1 Millionen zu 1. (Bei Wasser ist das Verhältnis immer noch 1014 zu 1)
Nach wahrhaftigem, menschlichem Ermessen sind Einzeller und Wasser erleuchtet.
Auch unter den Menschen gibt es Gruppen, die sich auf den Pfad der Erleuchtung begeben haben. Die meisten von ihnen gehen den Weg der Entbehrung und Reinigung, was bereits ein gutes Grundverständnis zur effektivsten Vorgehensweise vermuten lässt. Im Vordergrund steht die Reinigung des Geistes. Hier werden in erster Linie Meditationspraktiken angewendet, die zum Ziel haben, blockierende Gedanken zu unterdrücken und den Geist zumindest temporär für das Wesentliche zu öffnen. Grundprinzipiell arbeitet die Meditation an der zeitlich begrenzten Verdummung des Menschen, in dem sie versucht, weite Teile des Bewusstseins von störenden Einflussfaktoren frei zu machen. Dies ist im ersten Ansatz vollkommen in Ordnung, kann aber aufgrund des fehlenden materiellen Einflusses der Meditation keinen langfristigen Erfolg haben oder echte Veränderung bewirken.
Wichtig im Zusammenhang mit der Meditation ist die Erkenntnis, dass nicht das Befüllen des Gehirns mit neuen Inhalten zum Erfolg führt, sondern allein das Leeren des Gefäßes und die Initiierung des natürlichen Prozesses, der mit jeder Reduzierung erworbener, menschlicher Hirnstrukturen und -inhalte die automatische Befüllung mit der Wahrheit der Seele ermöglicht.
Viel effektiver als die Meditation sind daher solche Praktiken, die neben dem Effekt der temporären Leerung unerwünschter Hirn-Inhalte auch den Erfolg versprechenden Aspekt der körperlichen Beeinflussung des Gehirns selbst abdecken, wie z.B. Alkoholismus, Drogenkonsum oder die Ehe. Natürlich ist es der beste Weg, dem Gehirn und vor allem dem Bewusstsein, so konsequent wie möglich die Gelegenheit zu nehmen, überhaupt irgendeinen Gedanken fassen zu können. Wäre der menschliche Körper dementsprechend ausgelegt, also konstitutionell in der Lage, könnte ein erwachsener 50-Jähriger bei ausreichendem Alkohol- und Drogenkonsum bereits das Erleuchtungsstadium eines Fisches erreicht haben. Voraussetzung hierfür wären lediglich der frühe Beginn des Konsums, also mit etwa fünf Jahren, die Menge der Drogen, die sich auf täglich 3 bis 10 Heroinspritzen, 2 bis drei Flaschen harten Alkohols (über 40 Vol.%), 5 bis 9 Joints und 3 bis 4 Tablettenmischungen (inkl. Amphetamin und Tetrachlordibenzodioxin) belaufen müsste und der vollständige Verzicht auf Obst, Sport und gesunden Schlaf. Leider ist der menschliche Körper aber nicht in der Lage, dies länger als drei Jahre zu überstehen.
So wird also leider nichts aus der Erleuchtung, aber es gibt noch andere Wege zur Einfachheit.
Noch effektiver als der permanente, exzessive Alkohol- und Drogenkonsum ist die Ehe. Zudem kann eine Ehe überlebt werden und ist insofern als vorübergehende, vom Zeitraum her selbst bestimmbare Erfahrung zu sehen. Während der drei Phasen, die eine Ehe ausmachen, werden unterschiedliche Bewusstseinsstatus erreicht, die jeweils, gemäß ihrer Ausprägung mehr oder weniger geeignet sind, das störende Bewusstsein zu eliminieren und die Erleuchtung des Wesens durch den Strom des Wissens, der von der Seele ausgeht, zu ermöglichen. Leider gelingt es dem Menschen bisher noch nicht, diese Möglichkeiten einer Ehe wirklich auszunutzen, weil er, anstatt sich innerhalb wenigstens einer der drei Ehe-Phasen völlig zu entleeren, lediglich eine komplette Verwandlung durchläuft und den durch konsequente Auslöschung der eigenen Persönlichkeit freigewordenen Raum umgehend mit neuem, meist sogar artfremden Müll befüllt.
In der ersten Phase der Ehe, der Liebe, wird jede Rationalität, Logik und jeder Sachverstand eliminiert. Meist wird die eigene Persönlichkeit vollständig ausgelöscht und sämtliche Verhaltensmuster, Werte und Erfahrungen werden aufgelöst. Leider ist es aber so, dass der frei gewordene Raum sofort mit allem befüllt wird, was der Partner an Verhaltensmuster, Wert Erfahrung einbringt oder einzubringen scheint, sodass lediglich ein kompletter Austausch stattfindet, aber keine wirkliche Reinigung.
In der zweiten Phase der Ehe, der Erkenntnis, wird der vorherige Prozess wieder umgekehrt. Es ist verstanden worden, dass es falsch war, sich so weit von sich selbst zu entfernen und alles vom Partner zu übernehmen. Leider wird auch im Rahmen dieses Umkehrungsprozesses kein Raum realistisch frei, sondern lediglich mit dem ehemals vorhandenen Mist befüllt.
In der dritten Phase, der Resignation, treibt die Verzweiflung und nackte Wut über sich selbst, die Welt und die bisher gemachten Fehler alles aus dem Geist, was die Persönlichkeit bisher ausmachte. Hier ist die Chance am Größten, sofern man noch bei klarem Verstand ist nach all den Jahren des verlorenen Lebensglücks, einen Teil des Seelenpotentials in sich aufzunehmen. Leider sind es aber die Narben der Vergangenheit, die dies gänzlich unmöglich machen und anstelle einer möglichen, wertvollen Befüllung, nur Trübsal und Melancholie als prägenden Inhalt zulassen.
Also bleibt es, wie es immer war. Der Mensch, im Bewusstsein, das klügste Geschöpf auf Erden zu sein, befüllt sich mit genau dem voller Überzeugung, was ihm die Möglichkeit der Erkenntnis raubt und den Zugang zum eigentlichen Leben, das sich in den Winkeln seiner Seele versteckt, verwehrt. Erkrankt an falscher Logik bleibt ihm nur die persönliche und im Anschluss allgemeine Ausrottung.
Passt schon!
Körperlichkeit des Seins
Der Mensch besteht also angeblich aus Materie und wäre dies ohne Zweifel beweisbar, gäbe es keinen geringsten Ansatz, die Existenz des Menschen in Frage zu stellen. Aber dem ist nicht so, denn die Wahrheit reicht noch viel weiter und über die Fragestellung, den Menschen betreffend, hinaus. Die Fragestellung nach der Existenz von Materie ist erlaubt, bis es gelingt, das Vorhandensein der kleinsten Teilchen, den sogenannten Elementarteilchen, aus denen alles Materielle angeblich bestehen muss, nachzuweisen. Allein, es will einfach nicht gelingen, diese verflixten kleinen Dinger über auch nur einen der menschlichen Sinne erlebbar zu machen. Im Gegenteil werden Tausende riesiger Apparate gebaut, die ihrerseits nun wieder aus nichts anderem bestehen sollen als Elementarteilchen. Mit diesen Apparaten wird irgendetwas nachgewiesen, was, nach physikalischen Gesetzen gemessen, die ebenso gehaltvoll wie frei erfunden sein könnten und nach Einschätzung der ‚Forscher’, die nicht aufhören zu forschen, also das Ziel des Beweises auch nach eigener Aussage noch nicht erreicht haben, angeblich Auswirkungen durch die Existenz von Elementarteilchen sein sollen. Die Theoreme sind temporär immer schlüssig, weil sie sich fortwährend an die neuen Erkenntnisse anpassen. Jede Erkenntnis hat allein das Ziel, die Existenz von Etwas zu beweisen, was nicht existiert, gemessen von materiellem Etwas, das ebenfalls nicht existiert. Es wird also gemessen, nach ständig angepassten Regeln, die aufgestellt werden durch Menschen, die schon immer den neuesten Wissensstand verwenden, aber leider auch nicht existieren. Dieses Konstrukt von ignoranter Interpretation haltloser Annahmen durch eine Nicht-Existenz regelt das Leben des Tieres ‚Mensch’ und bestimmt sein Weltbild. Seine einzige Schlauheit ist, die Messmethoden immer wieder so anzupassen, dass die Beweisführenden Ergebnisse auch sicher erreicht werden. Wie unendlich schlauer sind da doch die niederen Wesen, die wenigstens keinem sinnlosen Irrglauben hinterherlaufen oder sich selbst so schamlos betrügen.
Tief in der Diskussion um die reale, empirische Welt, die sich entweder manifestiert über zwar nicht nachweisbare, aber durch Theoreme in ihren Auswirkungen wahrscheinlich belegbare, materielle Existenz, oder durch immaterielle Erfahrung ausschließlich über die Sinne, die nachweislich individuelle, ‚private’ Realitäten erzeugt, die zu einem überzeugenden Grad mit der Wirklichkeit übereinstimmen oder nicht, gibt es keinen Erlöser, keinen Gott, der Wahrheit schafft und dem Menschen das gute Gefühl verleihen kann, wirklich zu sein.
Der Wunsch nach Beweisen für seine Existenz regiert den Menschen. Kein anderes Ding und kein anderes Wesen hat irgendein Problem damit, entweder zu sein oder nicht zu sein. Aber so gewissenhaft er auch an der Erfüllung seines Wunsches arbeitet, die Beweis seiner reinen Existenz genügt dem Menschen noch nicht. Er will nicht als Spirituelle Instanz existieren, nicht als Idee oder Gedanke, obwohl auch dies schon sehr interessante Existenzen wären, sondern als Fels im Nichts. So geht es also um den Beweis der Körperlichkeit, denn Existenz allein, so glaubt er, ist zu leicht verwechselbar mit göttlicher Eigenschaft. Er will sich als fleischgewordenes Wesen begreifen.
Was sonst, wenn nicht ‚Religion’, ist also jegliche, existierende Wissenschaft, die, über die vielen Jahrhunderte, mit schier unendlicher Anzahl von Erklärungsversuchen und aufeinander aufbauenden, sich teilweise neutralisierenden Erkenntnissen, sich immer wieder neu erfindet. Es ist der unerschütterliche Glaube, getrieben von der Angst des Nicht-Seins, irgendwann einen endgültigen Beweis für seine Existenz in den Händen zu halten. Aber es bleibt eine Religion, in der die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs, des letzten, unumstößlichen ‚Gottesbeweises’ ebenso unwahrscheinlich ist, wie in jeder anderen Religion auch. Berücksichtigend die Komplexität, die solche Wissenschaftsreligionen inzwischen für sich, aber auch in den Wechselwirkungen untereinander, angenommen haben, wird das Ausmaß der Angst des Menschen deutlich. Verglichen mit anderen Religionen, die eine nicht-körperliche Existenz durchaus zulassen und verhältnismäßig simpel ihre Dogmen manifestiert haben, ist die Hyperkomplexität der Wissenschaften gerade in den letzten einhundert Jahren hyper-exponentiell explodiert.
Der Beweis für eine körperliche Existenz des Menschen steht noch aus. Da der Mensch sich mit Untersuchungen zu seinem möglichen, nicht-körperlichen Sein nicht beschäftigen will, ist eine zeitnahe Beweisführung in diese Richtung jedenfalls nicht zu erwarten.
Wie definiert sich der Mensch
In panischer Suche nach Wahrheit verstrickt sich der Mensch immer tiefer in seine Gespinste, die belegen sollen, dass er ist, so, wie er ist, wo er herkommt und wohin der Weg des Lebens, das Vergehen von Zeit, ihn führen wird. Als Geißel seiner Fähigkeit zu denken, zu reflektieren und sich selbst als Entität zu begreifen, in Relation zu setzen zu anderen Entitäten, baut er unzählige Konstrukte, die doch alle basieren auf der einzigen Frage: ‚Was bin ich?’
Diese sehr detaillierte, erste Frage stellt der Mensch aber zu früh, denn er hat das Wesentliche übersehen. Die Beantwortung der eigentlichen ersten Frage steht noch aus. Die Antwort auf die Frage: ‚Bin ich’?
In der Perfektion seines Selbstbetruges nimmt er in Kauf, dass all seine Annahmen, je nach Schwerpunkt und Sichtweise der Beweisführung, dokumentiert und bewiesen sind, obwohl keine seiner Annahmen bisher wirklich bewiesen ist, weil sie keinen Bestand hat und durch jede neue Erkenntnis in Frage gestellt werden kann und wird.
So definiert er sich in der Religion des Lebens, genannt Biologie, als Tierart, behauptet Nachkomme von Affen zu sein und baut alle Logiken um diese Annahme herum so auf, dass sie für ihn schlüssig erscheinen. Er fühlt sich sicher in seiner Welt der Biologie, hat sich mit der Definition seines Lebens abgefunden und nutzt eine der hervorragenden Eigenarten seiner Spezies, um sein Weltbild zu festigen: Die Verdrängung.
Natürlich weiß Herr X, dass es selbst innerhalb der Religion ‚Biologie’ heftige Widersprüche gibt, was den angenommenen Ursprung des Menschen betrifft. Er weiß, dass es sich widersprechende ‚Beweise’ gibt, die die sogenannten Evolutionstheoretiker zu dem einen oder anderen Schluss kommen lassen. Er kann in den Publikationen der Proklamierenden nachlesen, dass es gewisse Lücken in der Beweisführung gibt, die aber den Wahrheitsgehalt der übergeordneten Annahmen, nach eigener Aussage, nicht in Frage stellen. Herr X glaubt dies, weil er es glauben will, denn er könnte nicht leben in der Gewissheit, nicht zu wissen, woher er kommt. Denn nur wer weiß, woher er kommt, kann sich auch sicher sein, dass er schon ist.
In der Religion der ‚Medizin’ versucht der Mensch sich selbst als funktionierende Maschine zu definieren, die ohne Zweifel existieren muss, da sie atmet, schwitzt und scheißt. Er zerlegt den menschlichen Körper in beliebig kleine Teile, bestimmt deren Funktion und Funktionsweisen mit einer solchen Akribie, dass viele andere Religionen fast neidisch hinauf blicken zur Medizin. Die traurige Wahrheit, die auch dieses Konstrukt um die Bemühung einer Definition des Menschen sofort zerstören würde, wird durch die zweite, sehr nützliche Eigenschaft des Menschen nicht erkennbar: Die Ignoranz.
Natürlich weiß Herr X, dass jedes Erleben, selbst nach den gesicherten Erkenntnissen dieser Religion selbst, ausschließlich zurückzuführen ist auf noch nicht erklärbare Ströme in einem erst im Ansatz erforschten Gewebe. Die Komplexität der Zusammenhänge innerhalb dieses Gewebes ist unergründlich, wirft regelmäßig mehr Fragen auf, als Antworten gefunden werden können, ist betroffen von immer neuen, divergierenden Theorien, publiziert die häufigsten Richtigstellungen vorangegangener Beweisführungen und wird allem Anschein nach niemals zu einem wirklichen Ergebnis gelangen.
Die Frage bei einer reizbedingten Messung von Hirnströmen ist nicht, in welchem Bereich des Gewebes sich welche Aktivitäten beobachten lassen, sondern welche Realität durch die vermeintliche Aktivität erzeugt wird. Vermeintliche Aktivität deshalb, weil auch diese Aktivität angeblich durch Materie ausgelöst und gemessen wird, deren Existenz ebenfalls noch nicht bewiesen ist – dazu mehr, wenn die Religion ‚Physik’ erwähnt wird.
Es geht also beim Nachweis von Reizverarbeitung im Gehirn, dem einzigen Ort, wo Erleben stattfinden kann, um die reine Feststellung eines Vorganges, wiederum gemessen von Apparaten, die nach selbst entworfenen Vorgaben so konstruiert sind, dass sie die gewünschten Ergebnisse liefern können. Die Feststellung der Tatsache an sich ist unter diesen möglichen, optimierten Voraussetzungen eigentlich keine große Kunst, hat aber keinen Bezug zur Realität und ist auf keinen Fall ein Beweis für die Existenz des Menschen. Viel mehr beweist dies den Grad der Perfektionierung einer Scheinwelt, die sich selbst aus sich selbst heraus, zu erklären versucht. Mit Hilfe der Ignoranz, die keine andere Wahrheit zulässt, als die eigene gerade erlebte, gemessene oder nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kalkulierte, wird jedes noch so fadenscheinige Ergebnis als das unumstößliche Gesetz allen Lebens proklamiert – immer wieder, immer neu und immer mit anderen Inhalten und Werten.
Die Religion der ‚Psychologie’, die um Handfestigkeit bemüht immer nah an der Medizin argumentiert und sich ausrichtet an dort gewonnen Pseudo-Erkenntnissen, definiert sich der Mensch innerhalb seiner selbst festgelegten Normen, behauptet zwischen gut und schlecht für alle Menschen gleichzeitig unterscheiden zu können und stellt doch nur fest, dass nichts sicher ist. Trotz der Erkenntnis, dass die menschliche Psyche unfassbar komplex und gleichzeitig auf jedes Individuum bezogen absolut einzigartig ist, werden die Dogmen der Psychologie über alle existierenden Rassen geschüttet. Hier hilft eine andere, sehr ausgeprägte Eigenschaft des Menschen: Die Gleichgültigkeit.
Natürlich weiß Herr X, dass es auf eine Vielzahl von Faktoren ankommt, wenn es um die Ausbildung und Vervollkommnung einer Seele, der Psyche, geht. Er erlebt jeden Tag, dass seine Mitmenschen sich nicht so verhalten, wie er es erwartet hätte, oder wundert sich, warum ihn niemand versteht, aber es ist ihm gleichgültig.
„Jeder soll machen, was er will“, ist seine Devise und so ähnlich sehen es auch der Psychologe und der Psychiater, die trotz immer neuer Konfrontation mit der abstrusen Welt der individuellen Seelenmissbildungen nicht davon lassen können, jeden Menschen nach den festgelegten Werten zu beurteilen. Nur die Festlegung der Normen und Werte ermöglichen ja, das heilende Instrument der Gleichgültigkeit in der Beurteilung von Psyche anwenden zu können. Nur so ist es dem angeblich Wissenden möglich, das Dasein des Menschen überhaupt zu begreifen und zu definieren, das Wagnis einer Aussage treffen zu wollen, wer ‚er’ ist. Würde er sich in die Individualität der Seelenausprägung seines Gegenüber vertiefen und wahrhaft verstehen wollen, also diesen Menschen wirklich als einzigartiges Individuum respektieren (was der Wahrheit sehr nahe käme), das gesamte Kartenhaus seiner so sorgsam zusammengestellten Dogmen bräche zusammen und er wäre haltlos verloren, müsste begreifen, dass der Mensch, so platt wie er ihn definierte, um nicht selbst zum Patienten zu werden, nicht wirklich existiert.
So wandelt der Wissende auf einem schmalen Grat zwischen der Wahrheit der Lehre und der Wahrheit des Individuums, ständig angegriffen, zermürbt und hilflos ausgeliefert. Er ist immer bestrebt, alle Mechanismen nutzend, die ihm verfügbar erscheinen, sich selbst zu beschützen und wenigstens sich selbst als einzigartig und existierend zu begreifen. Dies gelingt nur so lange, bis er an der dritten, seiner eigenen Wahrheit scheitert, denn Gleichgültigkeit gegenüber sich selbst ist nicht menschlich.
Nur wenige wagen den Ausflug in das Unerklärbare, verpflichten sich der Religion der ‚Parapsychologie’ und verstehen sich als Himmelsstürmer und Pioniere, auf der ewigen Suche nach neuen Erklärungen für … das eigene Selbst. Hier agieren nur die Stärksten unter den Starken, diejenigen, die nichts und niemanden mehr benötigen, um zu sein. Keine andere Religion ist so sehr geächtet, wie diese. Wer sich den Zielen dieser Glaubensrichtung verschrieben hat, ist entweder bereits ein Fels in den Weiten des Nirgendwo, wird durch die fortwährende Behauptung seiner Überzeugung gegenüber den Heerscharen von Ketzern und Ungläubigen zu einem solchen im Verlauf seiner Hingabe, oder er zerbricht. Die liebenswerte Eigenschaft der ‚Verträumtheit’ hilft dem Menschen, seine Flucht aus der Realität und seinen Weg weit außerhalb der bekannten Werte und Normen zu finden. In keiner Religion ist der Zusammenhalt unter den Anhängern stärker, denn die Definition des eigenen Selbst auf Basis des Nichts erfordert den intensiven Zuspruch eines jeden Glaubensgenossen.
Natürlich weiß Herr X, dass es keine Geister gibt und auch keine jemals erfolgreichen Geisterjäger, aber träumen sollte doch erlaubt sein, oder? Dieses bohrende Gefühl, das mit der unbeantworteten Frage einhergeht: ‚Ja, war des jetzt schon Alles?’, lässt Herrn X nicht mehr los und fordert von ihm, beflügelt von seiner unzähmbaren Phantasie, nach neuen Ursachen zu suchen für das bis zum Erbrechen tausendfach bereits Erklärte, aber vor allem auch für das seiner Meinung nach noch nicht ausreichend Untersuchte. In seinem Eifer ist er bereit, jede Erkenntnis aus anderen Religionen in Frage zu stellen, ja sogar sich selbst. Seine Sucht, die ihm aufgezwungene Realität endlich in Richtung wahre Realität verlassen zu können, beflügelt seine Einbildungskraft dermaßen, dass er unbekannte Mächte, mystische Zusammenhänge und nicht messbare Energieströme zur Definition seines eigenen Seins zulässt, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was denn wohl sein Nachbar zu seinen Theorien sagen würde, wenn er mit ihm über sie spräche.
Die Religion der ‚Religion’ ist im Bestreben, den Menschen zu definieren, am ehesten geeignet, zu versagen. Es gibt so viele Religionen, die sich hier versammeln. Letztendlich ist jeder Versuch eines Individuums, sich selbst irgendwie begreifen und erklären zu wollen, eine eigene, ganz persönliche Religion. ‚Ich glaube zu existieren, weil Gott mich schuf’ ist schon eine Religion. Es ist bei diesen vielen existierenden und doch so ähnlichen Religionen die mächtigste Kraft, die wahre Sicherheit erzeugt unter ihren Anhängern. Es ist die Eigenschaft der ‚Hoffnung’, die dieses kleine Wunder bewerkstelligt. Wunder deshalb, weil es die am meisten verwirrten Seelen sind, die sich zur Rettung ihres Seelenheils und zur Definition ihres eigenen Seins in dieses wackelige Bauwerk flüchten. So werden die Schwächsten zu den Stärksten. Selten ist es die Hoffnung allein, die Menschen in den Schoß der Kirche oder in eine andere religiöse Einrichtung treibt, sondern auch Ratlosigkeit, Angst und Verzweiflung, weil kein anderer Weg gefunden wurde, um die eigene Existenz zu beweisen oder zu rechtfertigen. Nackte Angst vor dem wahren Nichts hetzt diese unwissenden Armen in die Scheinwelt des göttlichen Schutzes. Ihre besondere Leere wird befüllt mit den strikten Dogmen des Glaubens, brutal unterstützt von denen der Kirche und definiert den Menschen als Geschöpf Gottes. Der Mensch ist geschaffen, also ist er – das muss reichen. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung oder Erklärung, denn was ist, wie es ist, ist so. Gegen den existierenden Gott wird niemand etwas sagen, der hofft.
Natürlich weiß Herr X, dass er nicht nach dem Abbild Gottes geschaffen wurde und die Sache mit Adams Rippe ist nicht einzige Wahrheit für Frau Y, aber der allmächtige Schöpfer allen Seins macht sich den Menschen zum ewigen Kind. Es ist behütet. Der Mensch ist definiert. Das Individuum ist ‚gut’, so lange es sich an die Regeln hält. Besser geht es nicht und einfacher schon gar nicht. Berechtigter Zweifel wird im tiefen See der erfüllten Sehnsucht nach Erfüllung ertränkt, die Hoffnung ist der Motor, die Angst vor dem Verderben die Energie. Die Tatsache, jenes eigentlich nicht Greifbare nicht mehr erklären zu müssen, erzeugt zusätzliche Sicherheit, denn wer außer dem Gläubigen kann es sich schon erlauben, die postulierten Wahrheiten aller anderen Religionen so trefflich anzuzweifeln, zu ignorieren und zu belächeln, ohne Schaden zu nehmen am Verständnis des eigenen Selbst. Niemand.
Während die Soziologen nicht aufhören, entweder die anzunehmende menschliche Wahrheit des Miteinander zu werten oder sich in theoretischer Schönfärberei zu wälzen, definiert sich der Mensch unserer Breiten selbst, nach dem, was er geleistet hat. Es geht ihm nicht darum, wie gut er etwas tut, sondern ausschließlich darum, was er tut. Die Gespinste um uns Menschen herum, sorgsam gezüchtet von Wissenden, die alle Zusammenhänge der Menschwerdung, des Menschseins und des Zerfalls längst ergründet und verstanden haben, gäben uns Orientierung in unserer Einschätzung des eigenen Wertes, wenn wir sie denn hören wollten. Tun wir aber nicht. Keiner will es hören oder verstehen. Somit sind die Soziologen die am wenigsten gehörten Religionsführer, weil jeder einzelne von uns das Recht auf eigene Einschätzung für nicht verhandelbar hält. Gesellschaft mit ihren geprägten und prägenden Normen stellt zwar das Gerüst zur Verfügung, innerhalb dessen sich das Gewürm aufhält und in der Regel danach trachtet, nur nicht aus dem Gebilde herauszufallen. Die gefühlte Qualität des sich selbst definierenden Menschen innerhalb dieser Grenzen hat dennoch nichts mit den gesellschaftlichen Werten und Normen zu tun, da jedes Individuum ausschließlich seiner eigenen Wertschätzung unterliegt.
Ein schlechter Wissenschaftler ist allemal von höherem Gut, als ein perfekter Schuhputzer. Ein Firmendirektor besser als ein liebender Vater. Die Dirne, die täglich den unendlich vielen Verzweifelten hilft, den Gedanken an ‚Selbstmord wegen Ungeliebtheit’ zu verdrängen, zählt nicht im Verhältnis zur Pädagogin, die das Gefühl der Ungeliebtheit durch fehlende, menschliche Qualität erzeugt.
Wie gut, dass es den Menschen nicht gibt, so kann seine völlige Verblendung hingenommen werden.
Die Religion der ‚Philosophie’ trägt nichts zur Definition des Menschen bei. Selbst der waghalsigste philosophische Ansatz, vielleicht sogar mit dem Ziel, den Menschen beschreiben zu wollen, besitzt keinen Wert, weil es in dieser Religion erlaubt ist, alle existierenden Arten von Antonymen zu verwenden, jede Interpretationsvariation zu versuchen und ohne Regel und Anstand jedes Wort zu missbrauchen, um genau das Gegenteil vom Geschriebenen und/oder Gesagten zu beweisen. Welchen Wert sollte eine solche Religion haben?
Es ist die ach so menschliche Eigenschaft der ‚Herrschsucht’, die den Anhänger dieser Religion zu einem wahren Tyrannen macht, der nicht ruhen kann, bis er allein an der Spitze der weisesten Weisen steht und unumstößlich die Wahrheit über das Sein kundgetan hat, wohl wissend, dass dies niemals geschehen kann.
Natürlich weiß Herr X, dass es große Denker gibt und gab, die ihm auf seiner Suche nach der Erklärung seines Daseins behilflich sein können oder könnten. So wagt er sich an die Worte, durch die allein der lastenschwere Inhalt philosophischer Aussagen transportiert werden kann und versteht. Was auch immer er versteht, glaubt er, verstanden zu haben, arbeitet auf und wird sofort selbst zum Philosophen. Niemand wird je erfahren, ob sein Verständnis vom philosophischen Wort dem entspricht, was der Philosoph je sagen wollte, aber das ist nun einmal Kommunikation ohne Netz. Herr X ist glücklich, eine für ihn schlüssige Definition seines Selbst gefunden zu haben, bis er einen dritten und einen vierten Philosophen, neben sich selbst und dem, den er gerade verinnerlicht hat, in sein Leben lässt.
Er fragt sich so banal, ob er ein ethischer Mensch sei und liest die Worte der Denker.
Philosoph 1 – Ethisches Leben ist Leben aus dem Zusammenhang des Ganzen und auf es hin. So ergibt sich das Sollen aus dem Sein – eine holistische Verantwortungs-Ethik.
Philosoph 2 – Ethisches Leben ist Tod in der Getrenntheit des Ganzen und von ihm weg. So stagniert das Dürfen im Nicht-Sein – eine holistische Ignoranz-Ethik.
Philosoph 3 – Unethisches Leben ist Leben aus dem Zusammenhang des Getrennten und um es herum. So ergibt sich das Wollen nicht aus dem Sein – eine biozentrische Umweltethik.
Herr X
Ich lebe als Teil des Ganzen und auch als Ganzes, irgendwie. Ich führe ein ethisches Leben, weil ich will und soll, im Zusammenhang und losgelöst.
Herr X glaubt verstanden zu haben und scheint ein Stück weiter zu sein auf dem Weg zu einer Definition seines wahren Seins. ☺
Der tiefe Sturz
Um die Tatsache wissend, dass es noch andere Welten gibt als die eigene, bleibt nur tiefste Trauer oder unendliche Euphorie. Jeder Einblick in eine solche, andere Welt muss erschüttern und genau das tut er. Geht es nur um Ansichten oder Meinungen, nun ja, da ist doch jeder Mensch zunächst irgendwie aufgeschlossen, es sei denn, er weiß nicht anders. Schon hier scheitert der kleine Geist, wohl wahr. Selbst in der Belanglosigkeit ist der Mensch, der noch immer nicht existiert, hart gegen jeden, außer gegen sich selbst. Mag sein, dass das noch die tierischen Reste sind, die er so gar nicht missen möchte. Oberflächlichkeiten bestimmen den Tag, das Leben, das Sein und religiöse Verblödung liebt die Masse. Allein ist es so bitter kalt, denn es fehlt die Wärme des lieben, blöden Nächsten. Warum nur ist es den Nichtwissenden nicht vergönnt, den erlösenden Sturz in das Nichts zu erleben. Was müsste geschehen, um auch ihnen den Hauch des Zweifels zu schenken?
Mit jeder mein Bewusstsein formenden Synapse glaube ich fest, dass es für jeden Menschen eine Erlösung wäre, endlich das Alles in Frage zu stellen, was den Menschen selbst natürlich einschlösse. Immer größer wird die Schar derer, die niemals einfachste Gedanken verstehen werden. Immer geringer wird die Anzahl der Individuen, die loslassen können, fähig sind, loszulassen – und hier geht es noch nicht um lapidare Bereitschaft, sondern ausschließlich um klare Kompetenz.
Der Lohn dafür, sich aus seinen Religionen gelöst zu haben, ist der freie Fall. Die Unbeschwertheit des gravitationsfreien Reisens ohne Halt.
Das ist die Welt, die den Religiösen gezeigt wird.
Die Wahrheit ist, dass jedes Loslassen und jedes Ignorieren dummen Geschwätzes sehr wohl eine Unbeschwertheit auslösen, sehr wohl frei macht von Gravitation und der Abhängigkeit von Materie, aber der Weg persönlicher Entwicklung ausschließlich nach oben führt. Wie intensiv auch immer die Angst vor dem Absturz durch die Vielzahl der Machthabenden und Glaubensgemeinschaften erzeugt worden sein mag, sie ist niemals intensiv genug erzeugt worden, um nicht als denkendes Individuum dem einen, erlösenden Gedanken folgen zu können.
Ich bin nicht. Ich bin ein Mensch, aber ich bin nicht.
Immer weniger Tiere, die sich Mensch nennen, sind fähig, sich diesem Gedanken zu widmen – und, was ist eigentlich mit den anderen Tieren?
Gibt es eine Vermenschlichung?
Jeder Hund, der liebevoll umhegtes Familienmitglied geworden ist, wird vergewaltigt, menschlich zu sein. Dies geschieht immer und automatisch, entweder getrieben durch Liebe oder durch Macht. Natürlich gibt es Vermenschlichung.
Gibt es Vertierlichung?
Nun, zumindest gibt es das Wort nicht im menschlichen Sprachgebrauch, aber gibt es sie wirklich nicht? Wahr ist, dass jeder Mensch sich seinem Tier, das er vermenschlichen möchte, wesentlich intensiver anpasst als das Tier dem Menschen.
(Anmerkung: Gäbe es wirklich keinen Menschen, der dies in Frage stellte, wäre die Existenz des Menschen bewiesen, denn nur eine einzige uneingeschränkte Übereinstimmung in der Meinung aller Menschen wäre Beweis für die Entität ‚Mensch’ an sich, aber leider werden Chinesen verneinen, denn sie essen ihre Hunde und mein früherer Nachbar, als ich noch selbstbestimmt in einem normalen Wohnhaus leben durfte, bellte morgens, mittags und abends – eigentlich immer – um sich mit seinem Hund unterhalten zu können.)
Wenn es sie also gibt, die Vermenschlichung und die Mehrzahl der Menschen stellt diese Aussage nicht in Frage, dann gibt es folgerichtig auch das Gegenteil. Leider ist diese Vertierlichung aber nur in seltenen Fällen getrieben von einem Anpassungswahn an einen geliebten, tierischen Freund. Sie ist viel mehr vorherbestimmt, mit dem Ziel, den Unfall des Entstehens eines Bewusstseins auszugleichen. Unaufhaltsam ist die Entwicklung der Vertierlichung des Menschen und letztendlich kann es nur das große Glück des Schicksals sein, dass er ja gar nicht wirklich existiert und sich kontinuierlich rückentwickelt, bis er endlich auch materiell nicht mehr vorhanden ist.
Der klägliche Rest noch nicht Tiergewordener Individuen hat aktuell jeden Tag die Chance, sich zu entfesseln. Erneut sind es Bilder, die sich aufdrängen. Es ist der Mensch als Zeppelin, der ohne Fesseln unkontrolliert so lange steigt, bis er platzt. Es sind unendlich viele Bilder, die nur das eine vermitteln wollen, die Angst vor dem Verlust irgendeiner Kontrolle.
Glücklich die wirklich Tiergewordenen, die solche Ängste nicht mehr haben. Ihr Streit um jede beliebige Belanglosigkeit füllt sie so sehr aus, dass es schmerzt. Ich wäre so gern eines von ihnen, denn sie ficken ohne einen Gedanken und sie ficken ohne Reue. Sie sind der nicht existenten Natur von sich aus so nahe, wie Noch-Menschen ihr erst nach vielen Jahren des erfolgreichen Denkens kommen können.
Der winzige, immer kleiner werdende Rest der Menschheit, der sich fast schon göttlich nennen darf, trägt die Saat der Hoffnung auf endlosen, schwerelosen Flug in die Ewigkeit in sich. Dieser Sturz nach oben, erzeugt durch ein paar Gedanken, die in Folge, schlüssig aneinandergereihte Fragen generieren, diese Fragen spontan beantworten und die Antworten Wahrheit schimpfen, verkehren die Richtung des Falles, denn an die Stelle unbefriedigter Ängste treten die Erhabenheit, die Klarheit und das Licht der Erkenntnis.
Wie jeder Sturz ist auch dieser nicht umkehrbar. Die Ausschälung aus dem Bisherigen erfolgt nicht allmählich, denn es sind nur wenige Fragen, die beantwortet werden müssen, um die Fesseln im Herzen zu lösen. Es sind zwar viele Fesseln, die den Denkenden glauben machen er sei, aber es sind nur wenige, Aussagen, die ihre mächtigen Tentakel um das Selbst winden, um es im Irrglauben des Seins zu halten. Diese Aussagen gilt es mit gezielten Fragen zu hintergehen, zu entkräften und zu vernichten.
Was tritt an Stelle dessen, von dem ich immer glaubte, dass es existiere, wenn es nicht mehr ist? Gibt es Glück ohne Körper? Ist das Weltall eine Lüge? Ist Logik eine Kunstform? Verstehe ich? Sehe ich? Warum bin ich nicht, obwohl ich denke? Bin ich? Dies sind noch nicht die Fragen, die es zu beantworten gilt, um sich zu lösen aus der gewohnten Lüge, aber es sind zufällig ausgewählte Fragen, die nach Antworten trachten. Nennen wir es einen Test und beantworten wir diese ersten Fragen gemeinsam, aber nicht gleichzeitig, sondern eine Frage nach der anderen. Nach jeder Frage sollte etwas geschehen, was sonst noch nie geschehen ist. Es sollte Ruhe herrschen und Besonnenheit, denn die Fragen sind nur auf den ersten Blick banal – aber sie sind dennoch, abhängig von Deiner Konsumgier, fast gleichgültig. Denn, wenn Du nur die vorgekauten Worte in Dich aufsaugen willst, ohne selbst zu denken, wird die theoretisch mögliche Erkenntnis ausbleiben. Es wird kaum möglich sein, die sehnsuchtsvoll erwarteten, vorgegebenen Antworten nicht sofort lesen zu wollen – und es ist die Gesamtheit betrachtend auch gleichgültig, ob versucht wird, zunächst eigene Antworten zu finden, bevor die vorgegebene Antwort gelesen wurde.
Die Halbwahrheiten
Unzählige Denker haben sich versucht am Thema des Nichts, aber alle hat schon bald der Mut verlassen, wenn sie fühlten, dass es auch um ihren eigenen Arsch ging. Sie trugen klanghafte Namen, die aber nur deshalb klanghaft wurden, weil sie ihre Gedanken nicht für sich behielten und wesentlich mutiger waren als der Rest Denkender in ihrer jeweiligen Epoche. Wenn Meinung erst zu Wissen wird, weil eine bestimmte Anzahl Gleichdenkender diese als mögliche Wahrheit bestätigen oder diverse Religionsführer ernstzunehmend Gegendarstellungen produzieren, dann regelt Publikumswirksamkeit die Durchschlagskraft eines geäußerten Gedankens. Je nach dem gewählten Schwerpunkt, dem geistigen Ansatz und der Intention des Denkenden, vergräbt er sich in seinen Auseinandersetzungen mit dem Nichts in verschiedene Teilbereiche der Existenzerfassung. Sehr spät, erst im 18. Jahrhundert, wird ein Wort erfunden, das helfen soll, die gedankliche Auseinandersetzung mit der Infragestellung des Seins ‚unter einem Dach’ zusammenzufassen und so vielleicht sogar verständlicher zu machen. Das Wort Nihilismus wird geboren und mit Leben gefüllt. Doch alle darunter zusammengefassten Ansätze, die sich mit dem Thema ‚Nichts’ auseinandersetzen, verschwenden sich in der Ergründung von Detailtiefen winziger Ausschnitte des Ganzen. So gesellen sich unter dem Begriff Nihilismus diverse Religionen, die vielleicht die Existenz einer bestimmten Wirklichkeit in Frage stellen, der so genannte metaphysische Nihilismus, oder eine Religion, die als ethischer Nihilismus Wahrheit eines sittlichen Wertes negiert oder als radikalster Bestandteil der nihilistischen Gemeinschaft, mit dem Ziel der Hinterfragung jeglicher Wahrheit, der logische Nihilismus. Dies sind Ausschnitte des Ganzen und bei weitem nicht ausreichend, selbst bei Zusammenfassung aller Ansätze, bei Ausräumung aller Widersprüche und bei konsequenter Überarbeitung, neuer Sinnsetzung und peinlichster Bündelung zu einem Werk, das wahre Ausmaß des Nichts zu erfassen. Selbst der radikalste Ansatz, sich mit der vollkommenen Leere auseinandersetzen zu wollen, ist geprägt von menschlicher Logik, weil der gewachsene Geist nicht fähig ist, alles Erlernte, Gesehene, Erlebte und Verarbeitete restlos auszulöschen, also unfrei ist und verschlossen bleibt gegenüber dieser völlig anderen Welt. Als Büttel der eigenen Logik unterworfen versuchte schon so mancher der Scheinwelt seiner Realität zu entfliehen, wagte sich mutig hinaus, fühlte sich frei und war doch immer nur Gefangener in Ketten. Die wichtigste Übung haben sie versäumt, die Weisen, die sich dem Nichts näherten. Götz, Obereit, Jacobi, Fichte waren mutige Pioniere und doch nur erbärmliche Gefangene. Erst wenn der Kopf wirklich befreit ist, das Gefäß entleert und jeder Gedanke der herkömmlichen Substanz beraubt ist, kann die Erkenntnis einkehren, denn es gibt keine Logik mehr und keine konstruierten Zusammenhänge. Es genügt nicht, Aussätziger und Exot zu sein und aus seiner tiefsten Verzweiflung heraus gegen alle bekannten Regeln zu wettern, nur um sich selbst das Gefühl des Besonderen zu geben. Selbst dann nicht, wenn das tiefe Erlebnis der eigenen Mangelhaftigkeit so intensiv ist, wie es bei Nietzsche war. Sein Selbsthass und seine Selbstzweifel haben ihm sicherlich geholfen das ein oder andere Trugbild vorgespielter Realität in Frage zu stellen, aber ausbrechen aus sich selbst konnte auch er nicht. So kratzt er in seinen Schriften verbissen an der Oberfläche der Religionen, bleibt aber im Kerker seines kranken Gehirnes gefangen. Aber wie schon erwähnt, erzeugen so viel Mut und lautes Schreien sowohl Anhänger, als auch Kritiker, die so aussichtslos versuchen, den fahlen Gedanken des Vordenkers zu folgen, sich nicht entblöden, ihre eigene Meinung dazu nicht nur zu bilden, sondern ebenfalls in die Welt hinaus zu blasen, mit dem Ziel, sich Namen zu schaffen wie Heidegger oder Popper.
Es sind das eigene Leben, der Alltag, die verinnerlichten Werte und Normen, Erziehung und Intelligenz, die das Erlernte in neuen Zusammenhang bringen und eigene Wahrheit erschaffen, ständig und immer wieder. Mit Beginn der eigenen Dummheit als Neugeborenes bis zum aktuellen Zeitpunkt eines Gedanken gilt nur eine Regel immer und führt den Menschen von Anfang an in die falsche Richtung, weg von Realität hin zur Scheinwelt des Erlebens. Die Regel besagt, dass alles so ist, wie es zu sein scheint. Diese Regel ist falsch und alle wissen es.
Wie lässt sich diese Wahrheit vermitteln, ist die Frage.