3,99 €
Ein neuer Fall für das Seniorinnentrio und die beiden Wellensittiche
Es herrscht beste Partystimmung in Old Alley Town, bis eine herabfallende Discokugel auf die Tanzfläche kracht und einen Toten fordert. Spätestens da wird klar, dass auch der Mörder in Feierlaune ist …
Zum Glück nehmen die drei Freundinnen sofort ihre Ermittlungen auf – diesmal gemeinsam mit Inspector Dowling, denn sie alle haben ab sofort einen neuen Feind, den sie schnellstmöglich loswerden müssen.
Während sich Leah zunehmend in den Mordfall vertieft, drängt Booklover72 auf eine Entscheidung: Wird das mit den beiden eine Zukunft haben?
Es ist der vierte Teil der Cosy-Crime-Reihe inmitten der englischen Cotswolds – perfekt zum Mitraten, Entspannen und Wohlfühlen.
Alle bisher erschienenen Bände der »Old Alley Town«-Serie auf einen Blick:
Teil 1: Der Vogel war’s!
Teil 2: Tödlicher Smoothie
Teil 3: Zu Tode frisiert
Teil 4: Der Mörder ist in Feierlaune
Teil 5: Mord im Angebot
Die Printversion hat 284 Seiten.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Direkt weiterlesen
Ich freue mich über deine Rezension
Kostenlose Kurzgeschichte
Über die Cosy-Crime-Serie
Über die Autorin
Klappentext
Impressum
Der Mörder ist in Feierlaune
Old Alley Town
Band 4
von Kiki Lion
Für alle, die das Leben zu einer großen Party machen.
♥
Mit Betty wird es immer wieder turbulent – doch vielleicht kann Leah genau das jetzt gut gebrauchen.
Leah konnte nicht fassen, dass sie dem zugestimmt hatte. Als sie jetzt hier auf der Rückbank von Bettys Auto saß, während diese durch die dunklen Gassen Old Alley Towns rauschte, als ob sie an einer Rallye teilnehmen wollen würde, sehnte sie sich dringend nach ihrem Bett.
Ihre kuschelige Decke. Ein warmer Hagebuttentee. Der neueste Krimi. Ihre Wellensittiche!
Zu Hause wartete einfach alles auf sie. Warum hatte sie dem noch mal zugestimmt? Sie musste nicht ganz bei Trost gewesen sein!
Offenbar sah auch Ruth das ähnlich, denn sie piepste vom Beifahrersitz: »Ist … ist das nicht ein bisschen schnell?«
Betty lachte schallend und hupte einen Fußgänger vom Gehweg, als sie eine enge Kurve nahm, was Leah den Schweiß von der blassen Stirn perlen ließ.
Als ob sie die Frage gar nicht wahrgenommen hätte, meinte Betty gut gelaunt: »Ihr werdet es lieben!« Sie strahlte regelrecht und schenkte ihren Freundinnen dann ein breites Lächeln. »Das wird großartig werden.«
Während Leah den Blick ihrer Freundin im Rückspiegel auffing, grinste sie schief und machte gute Miene zum bösen Spiel, weil sie Betty den Abend nicht verderben wollte. »Das ist sicherlich mal was anderes.«
»Und wie anders!«, rief Betty aus und brüllte aus dem offenen Fenster, als sie erneut die Hupe betätigte. »Auf die Seite!«
Ruths Stimme begann inzwischen zu zittern. »Vielleicht sollten wir den Rest zu Fuß gehen. Es ist doch noch recht mild …« Sie hielt den Atem an, als Betty abrupt abbremste, weil ihr wieder jemand vors Auto lief – was auch kein Wunder war, schließlich fuhr Betty fast mehr auf dem Bürgersteig als auf der Straße. »Pass doch auf!«, kreischte Ruth.
»Ich weiß schon, was ich tue!«, blaffte Betty, als die Passanten ihnen erboste Gesten zuwarfen.
Leah, die wusste, dass es zwecklos war, gegen ihre Freundin anzukämpfen, gab sich geschlagen und versuchte, sich mit ihrem Handy abzulenken. Das, was hier vor sich ging, konnte sie sich nicht länger ansehen.
Als sie den Bildschirm entsperrte, lächelte sie eine kleine Collage an, die ihre Tochter ihr nach den ganzen Strapazen erstellt hatte. Offenbar war ihr der Streit bei ihrem letzten Besuch noch immer furchtbar unangenehm gewesen.
Die Zusammenstellung zeigte vier Fotos, die Leah allesamt am Herzen lagen. Oben links waren Leah und Will gemeinsam mit Mr Welli und Peachy zu sehen. Die blaue Wellensittich-Dame schmiegte sich gerade an Wills Wange, während sich ihr grüner Partner im Flug befand und auf Leahs Lockenpracht landen wollte, die damals noch nicht vollständig ergraut war und ein paar ihrer braunen Naturhaare zum Vorschein brachte.
Auf dem Bild oben rechts wurde sie von Jake angelächelt am Tag seiner Geburt. Trisha hatte ihn im Arm und strahlte überglücklich. Diesen Moment würde Leah niemals vergessen.
Darunter befand sich links ein Bild von Leah und ihren Freundinnen in jüngeren Jahren, wie sie bei einem Ausflug am See alle das gleiche Buch lasen.
Und rechts war ein weiteres Familienfoto aus der Zeit, als Trisha noch klein war und eine Grimasse in die Kamera machte, während ihre Eltern ahnungslos grinsten. Im Hintergrund waren sogar Peachys und Mr Wellis Vorgänger zu sehen: Bella und Budgie – Bella, weil sie etwas Schönes und Vornehmes an sich hatte, und Budgie, nun ja, weil es das englische Wort für Wellensittich war. Was Namen anging, waren sie noch nie kreativ gewesen.
Beim Anblick der Bilder ging Leah immer wieder das Herz auf. Sie fühlte sich in eine andere Zeit zurückversetzt und konnte sich woandershin träumen, fast wie beim Lesen.
Doch ihre Tagträumerei wurde jäh durchbrochen, als das Auto eine Vollbremsung einlegte, gefolgt von einem dumpfen Aufprall, und Ruth zu kreischen begann: »Betty!«
»Huch«, machte diese, starrte aus dem Fenster und als sie wohl erblickte, wogegen sie gefahren war, zuckte sie nur mit den Schultern und entschied damit, dass der Kratzer nicht sonderlich dramatisch war. Danach wechselte sie direkt das Thema: »So, wir sind da.«
Leah sah sich um und erkannte im Dunkeln, dass sie wirklich vor einer ziemlich schicken schwarzen Eventhalle mit Palmenaufdrucken, einem Flamingo im Logo und pinken Neonstrahlern standen.
»Wow«, meinte sie.
»Habe ich zu viel versprochen?«, wollte Betty aufgebracht wissen. Sie war heute regelrecht unter Strom. Diese Veranstaltung musste ihr wirklich wichtig sein.
»Nicht schlecht«, meinte Ruth, deutete dann jedoch nach hinten, »aber beim nächsten Mal solltest du besser aufpassen. Du hast einen Stein angefahren.« Sie fuchtelte mit den Armen. »Diesmal war es nur ein Stein, es hätte allerdings auch ein Mensch sein können!« Sie wurde so schrill, dass es wirkte, als würde sie hyperventilieren.
Leah wollte ihr gerade zustimmen, als ihr Handy eine neue Nachricht ankündigte. Sie griff danach und erkannte, dass sie von Harvey stammte, was ihren Pulsschlag automatisch beschleunigte.
»Liebe Leah,
ich wünsche euch viel Spaß und freue mich schon, wenn wir morgen wieder gemeinsam lesen.
Dein Harvey.«
Zum Glück konnte in der Dunkelheit niemand sehen, wie sie knallrot anlief. Leah wusste noch immer nicht, was da zwischen ihnen war. Seit sie ihn enttarnt hatte, hatten sie sich weiter über ihre große Leidenschaft, die Bücher, ausgetauscht. Doch mehr war da nicht gewesen. Und sie war sich auch unsicher darüber, ob sie das überhaupt konnte. Will war nach wie vor viel zu präsent in ihrem Leben. Und das würde er schließlich auch immer bleiben, selbst wenn er seit einigen Jahren tot war.
»Kommst du?«, fragte Betty ins Auto und erst da bemerkte sie, dass ihre Freundinnen ihren Streit offensichtlich beigelegt hatten und längst ausgestiegen waren.
»Natürlich«, sagte sie hastig – dem Blick der beiden nach zu urteilen, vielleicht eine Spur zu schnell –, steckte das Handy weg und machte, dass sie rauskam. Dieses Event würde möglicherweise genau die Abwechslung werden, die sie gebrauchen konnte. Wenn sie sich da mal nicht getäuscht hatte …
Zwei von dreien erkennen, dass sie zu alt hierfür sind – und die andere hat ein Geheimnis.
»Na, was sagt ihr?«, fragte Betty, als sie den Eingangsbereich mit dem mürrisch dreinblickenden Türsteher hinter sich gelassen hatten.
Sie standen mitten in einer frisch renovierten Diskothek, die sich wahrlich sehen lassen konnte. Der großflächige Raum besaß eine riesige Tanzfläche, über der eine glitzernde Discokugel thronte. Im hinteren Bereich reihten sich Bartheken im eleganten Schwarz, die dahinterliegende Wand war zum Teil noch gemauert und verschaffte dem Ganzen einen leicht industriellen Touch, was insbesondere durch die offen liegenden Traversen über ihren Köpfen verschärft wurde.
Vorn befand sich links eine stilvolle Garderobe mit einer schick gekleideten Frau, dahinter erstreckten sich Sitzgelegenheiten und ein Discopult samt einem DJ, der offenbar gerade für seinen Einsatz übte.
Rechts neben der Tür gab es weiße Sofas und einige Tische und Stühle für die Snacks, die hier wahrscheinlich gereicht wurden. Den Gang weiter ging es zu den Toiletten und den Personalräumen. Noch bevor man in dieses Areal kam, gab es links eine Treppe, die empor führte und mit einer Kette abgesperrt war. Hier sprach gerade ein Mann, bei dem es sich vermutlich um den Chef handelte, mit einem Techniker und gab ihm Anweisungen.
Unter der Treppe ging es nahtlos mit den Theken für den Ausschank weiter, hinter der eine hübsche Frau mit den Flaschen um sich warf, als hätte sie noch nie etwas anderes gemacht.
»Wow!«, meinte Ruth, nachdem sie sich umgeblickt hatten. »Das ist aber nicht das Alley Air!«
»O doch!«, sagte Betty stolz, als ob ihr der Laden inzwischen gehören würde.
»Ich erkenne es nicht wieder«, meinte Leah, während sie ihren Blick weiter schweifen ließ. Jetzt erkannte sie auch im Inneren die Palmenaufdrucke von außen, die blinkenden Flamingo-Figuren und die Neonröhren, die aus dem einstigen Tanzschuppen eine moderne Veranstaltungshalle zauberten, die locker mit einem Eventort in der nächstgrößeren Stadt hätte mithalten können.
»Genial, oder?«, rief Betty, weil der DJ ausgerechnet in diesem Moment die Halle zum Beben brachte.
»Was?«, brüllte Ruth.
Betty versuchte sofort, die Musik zu übertönen. »Ich finde es klasse!«, rief sie, allerdings ausgerechnet in dem Moment, in dem es wieder ruhig wurde, sodass sich einige der wenigen Gäste zu ihnen umdrehten.
»Und wann geht es los?«, fragte Leah, die fürchtete, dass es sich hierbei nur um einen kleinen Vorgeschmack auf den heutigen Abend handelte. Ach, wäre sie doch nur zu Hause geblieben … andererseits hätte ihre Neugierde das niemals zugelassen.
»Müsste jeden Moment so weit sein«, erklärte Betty und als wäre es von ihr höchstpersönlich getimt worden, gingen langsam die Lichter aus und die Kugel glitzerte dank der bunten Scheinwerfer durch den Raum, als hätte sie nur auf diesen Auftritt gewartet.
Musik setzte ein, ein dröhnender, hämmernder Beat, der Leah durch Mark und Bein ging, und der Raum füllte sich schneller, als es Leah lieb war.
Ruth und sie tauschten entsetzte Blicke aus und es war sofort klar, was im Kopf der jeweils anderen vor sich ging, dafür bedurfte es gar keiner Worte: Sie beide wollten nur noch hier weg.
Doch als Leah sah, wie Betty strahlte, brachte sie das unmöglich übers Herz, und so versuchte sie, sich nur für diesen einen Abend zusammenzureißen. Dafür würde sie sich eine Extra-Schmuseeinheit mit ihren Wellensittichen gönnen und den ganzen morgigen Tag im Bett mit Lesen verbringen, um wieder zu Kräften zu kommen. Irgendwie würde sie das hier schon überstehen.
Ruth schien einen ähnlichen Plan zu verfolgen, auch wenn dieser sicherlich eher mit einem Besuch in Millies Friseursalon einhergehen würde, einer Maniküre oder gleich einem ganzen Spa-Aufenthalt.
Die zwei lächelten sich an und trafen stillschweigend eine Übereinkunft: Betty zuliebe würden sie heute einen auf Partylöwinnen machen, auch wenn sie das beide noch niemals gewesen waren.
Sie brachten ihre Jacken zur Garderobe, wo sie eine junge Frau freundlich in Empfang nahm. Dass Betty hier nicht zum ersten Mal war, wurde spätestens am DJ-Pult klar, wo sie von zwei funkelnden Augen begrüßt wurden. Der DJ war noch ein wenig jünger als die drei, schien aber bereits in Rente zu sein.
Leah, die aus irgendeinem Grund erwartet hatte, dass hier ein Jungspund auflegen würde, sah sich unter den Gästen noch mal etwas genauer um. Und in der Tat: Das Publikum war doch eher eine ältere Generation, allerdings schien die heutige Neueröffnung durchaus ein paar junge Menschen angezogen zu haben, was vermutlich auch die Musikauswahl des DJs erklärte.
Ruth und Leah wirkten etwas verloren, als die ersten Leute auf die Tanzfläche stürmten und ausgelassen zu feiern begannen. Sie hielten sich am Rand auf, beobachteten das Treiben an der Bar und zuckten bei den dröhnenden Boxen, die hinter ihnen standen, zusammen. Ruth versuchte, mit ihrem dünnen Schal ihre Ohren zu schützen, und Leah blickte sich nach Betty um. Hatte sie sich etwa unbemerkt ins Geschehen gestürzt?
Doch dann sah sie ihre Freundin endlich und konnte nicht glauben, was sie da erblicken musste. Hing Betty da wirklich gerade dicht an den DJ gepresst und sah ihm schmachtend in die Augen, während sie gemeinsam nach einem der Knöpfe am Mischpult griffen und dabei liebestrunken kicherten? War das der Grund, warum Betty sie heute hierherbestellt hatte? Weil sie ihnen sagen wollte, dass sie sich verliebt hatte?
Leahs Herzschlag raste fast so schnell wie der Musikbeat bei dem Gedanken, dass Betty jemanden kennengelernt haben könnte. Das war ja so viel spannender als ihr neuer Krimi. Leah grinste in sich hinein. Vielleicht würde der Abend ja doch gar nicht so schlecht werden …
Die Party ist in vollem Gange – bis der Mörder zuschlägt.
Leah hatte Ruth gar nicht auf Bettys Flirterei aufmerksam machen müssen, da diese das Geschehen ebenso belustigt beobachtete wie sie selbst. Obwohl Leah vorgehabt hatte, neckend dazwischenzugehen, erfreute sie der Anblick ihrer glücklichen Freundin so sehr, dass sie beschloss, die beiden in Ruhe zu lassen und sich stattdessen mit Ruth ein wenig im Lokal umzusehen, um ebenfalls Spaß zu haben. Sie hatten die siebzig zwar schon überschritten, doch das hieß ja noch lange nicht, dass sie nicht genauso gut Party machen konnten wie die jungen Hüpfer, oder?
Gemeinsam mit ihrer Freundin steuerte Leah die Bar an und überlegte fieberhaft, ob sie sich zur Abwechslung vielleicht mal etwas Alkoholisches gönnen sollte. Sie hatte es damit nicht so, fand aber, dass sie ruhig mal was Neues ausprobieren konnte, das ging ja bekanntlich in jedem Alter.
Ruth studierte bereits die Getränkekarte, während sie mit einer Hand noch immer den Schal auf ihr Ohr drückte, als ob sie der Musik so würde entfliehen können.
»Kannst du was empfehlen?«, fragte Leah, die von der unglaublichen Auswahl schier überfordert war.
Ruth reagierte nicht, sie hatte wohl nichts verstanden. Gerade als Leah es noch mal probieren wollte, tauchte auch schon die Barkeeperin vor ihnen auf und rief: »Was darf’s sein?« Sie lächelte den beiden zu und gab ihnen das Gefühl, hier nicht völlig fehl am Platz zu sein.
Ruth tippte auf die Karte und sah Leah fragend an. Gin Fizz war das Getränk ihrer Wahl, das Leah noch niemals zuvor probiert hatte. Da Will aber schon immer ein großer Gin-Fan gewesen war, stimmte sie sofort zu.
Die Barkeeperin verschwand wieder und die beiden drehten sich der Tanzfläche zu. Da sie auf der anderen Seite der Disco angelangt waren, konnten sie Betty nur noch schemenhaft im Hintergrund erkennen. Vielleicht hätten sie ihr Bescheid sagen sollen, doch so ausgelassen wie sie war, würde sie die beiden bestimmt nicht vermissen.
Leah seufzte, als sie die Partygäste beobachtete, die sichtlich viel Spaß hatten. Ob sie sich mit Ruth auch ins Geschehen stürzen sollte? Sie warf ihrer Freundin einen skeptischen Blick zu. Da diese jedoch bei jedem Beat erneut zusammenzuckte, war das wohl keine gute Idee.
Es dauerte nicht lange, da erhielten sie auch schon ihren Cocktail, der mit einer Zitronenscheibe und etwas Minze dekoriert war. Leah gefiel der Anblick und sie prosteten sich zu und tranken einen Schluck, nachdem sie bezahlt hatten. Das Getränk war überraschend erfrischend und der Gin war nur äußerst dezent. Offenbar schmeckte es auch Ruth, denn sie nickte Leah anerkennend zu.
Um Betty nicht völlig allein zu lassen, bahnten sie sich ihren Weg wieder zurück, kamen hierbei an der Tanzfläche und schließlich an der Treppe zur Technik vorbei, wo gerade der Chef der Disco stand und wütend vor sich hin brüllte: »Was ist denn da los? Die Kugel sollte sich doch drehen!«
Leah warf einen Blick auf die Discokugel und tatsächlich: Sie hing regungslos in der Luft, was jedoch sonst niemanden zu stören schien, da sie durch die farbenfrohen Lichter auch so das gewünschte Ambiente erzielte.
Er stampfte aufgebracht davon und Ruth zog Leah weiter. Offenbar hielt Betty bereits nach ihnen Ausschau und wunderte sich, wo sie blieben.
Es dauerte etwas, bis die beiden sie durch die Menge hinweg erreichten, aber als sie es geschafft hatten, hielt Leah es nicht mehr aus und kam direkt zur Sache.
»Du hast also einen neuen Verehrer?«, rief sie, um die laute Musik zu übertönen.
Betty lief rot an und nickte. »Ja, wollt ihr ihn mal kennenlernen?«
»Natürlich!«, rief Ruth, die den Schal nicht mehr ans Ohr gepresst hatte und in diesem Moment so gut hörte wie schon den gesamten Abend nicht.
Leah lachte und sie folgten Betty zum DJ-Pult, kamen aber nicht durch, da er diverse Musikwünsche entgegennahm und ziemlich beschäftigt wirkte.
»Vielleicht später«, meinte Betty.
»Magst du auch was?«, erkundigte sich Leah und hielt ihr Cocktailglas in die Höhe.
Betty schüttelte den Kopf, weshalb Leah selbst noch mal einen Schluck nahm.
»Ich muss mal zur Toilette«, kam es von Ruth, die ihr Glas bereits geleert hatte.
Leah nickte und Betty warf dem DJ noch einen Blick zu. Da dieser aber nach wie vor beschäftigt war, beschloss sie, ebenfalls mitzukommen, und so wanderten sie ein weiteres Mal durch die Diskothek.
Leah konnte nicht glauben, dass sie an diesem Ort schon mehrere Stunden zubrachte. Und obwohl sie zunächst gar nicht hier sein wollte, hatte sie langsam Gefallen hieran gefunden. Sie konnte inzwischen ein bisschen nachvollziehen, was Betty daran reizte, so oft feiern zu gehen, zumal sie anders als die beiden immer wieder ihre Action brauchte.
Dass die Toilettenschlange so lang war, gefiel Leah allerdings weniger. Und so leerte sie erst noch ihr Getränk und erklärte sich dann dazu bereit, die Gläser der beiden zurückzubringen, während diese auf sie warteten und ihr einen Platz in der Schlange freihielten.
Somit nahm der Toilettenbesuch viel mehr Zeit in Anspruch als gedacht, was die Party immer weiter fortschreiten ließ.
Als sie endlich alle fertig waren und wieder zur Tanzfläche blickten, erkannten sie, dass sich diese deutlich geleert hatte. Offenbar waren viele der jüngeren Gäste inzwischen verschwunden, vermutlich wollten sie sich das Alley Air nur mal ansehen.
Dem Türsteher kam das wohl ganz gelegen, denn er konnte jetzt eine kleine Pause machen, da mehr Menschen das Lokal verließen, als neue kamen.
Und das Gute war, so fand Leah, dass nun endlich ordentliche Musik gespielt wurde, die auch nicht mehr so ohrenbetäubend laut war.
»Was ist hier los?«, wollte Ruth irritiert wissen.
»Die anderen ziehen weiter«, meinte Betty.
»Wieso?«, fragte Leah.
»Das machen die immer so, die hippen Lokale öffnen gleich.« Betty wies mit dem Kopf auf den Chef. »Wobei er sich das wohl anders vorgestellt hat, gerade jetzt mit der Neueröffnung.«
»Dann hat er auf mehr junge Kundschaft gehofft?«, fragte Leah.
»Ja, offensichtlich«, erklärte Betty, gerade als der Chef wütend gegen einen Pfeiler schlug. Er war sichtlich außer sich. Der Techniker, der in der Nähe eine Pause machte, zuckte zusammen und begab sich augenblicklich wieder an die Arbeit, ganz so, als ob er befürchten müsste, jetzt erneut von ihm angeschrien zu werden.
»Wir sind doch jung genug«, erklärte Ruth und grinste.
Hinter ihnen hörten sie den Türsteher husten, der sie anscheinend belauscht haben musste und den Kommentar offenbar ziemlich lustig fand.
Leah warf ihm einen bösen Blick zu und zog Ruth weiter, ehe diese noch falsche Schlüsse daraus ziehen konnte.
»Dann stell uns doch jetzt mal deinen DJ vor«, meinte Leah, als sie an der Jackenausgabe vorbeikamen, wo sich die Garderobiere und die Barkeeperin gerade eine hitzige Diskussion mit einem Gast lieferten. Leah versuchte herauszuhören, worum es ging, da fiepte Ruth aufgebracht los.
»O ja, stell ihn uns unbedingt vor. Wie heißt er denn?«
Leah war so neugierig, dass sie Betty intensiv musterte, damit ihr ja nichts entging. Hoffentlich würde sie es jetzt endlich verraten!
Betty lachte schallend, aber es war ihr anzusehen, dass sie ziemlich verknallt war und ihre Gefühle mit ein bisschen Coolness überspielen wollte.
»Er heißt Perry«, gestand sie und allein die Art und Weise, wie sie seinen Namen aussprach, ließ ihre Fassade bröckeln.
»Perry!«, rief Ruth erfreut und klatschte in die Hände wie ein kleines Kind. »Das passt doch perfekt zu Betty«, befand sie dann.
Wenn es möglich war, wurde ihre Freundin nun noch röter. »Ach, es ist ja nicht so, dass wir …«, stammelte sie herum und klang ein wenig enttäuscht.
»Das kann ja noch werden«, meinte Leah, der es gefiel, in die Rolle der Kupplerin zu kommen. Wie lange sie auf diesen Moment gewartet hatte! Jetzt, wo sie und Harvey … Nein, Halt, das zwischen ihnen war ja nichts. Also noch nicht. Wer weiß, vielleicht würde es nie etwas werden. Sie wollte ja gar nicht, jedenfalls nicht so richtig.
Egal, so oder so wäre es schön, wenn Betty jemanden finden würde. Ihr Mann war schließlich schon länger tot als Will und dann würde nur noch Ruth fehlen, die in dieser Hinsicht zwar etwas steif war und zu viel von den Falschen schwärmte, aber das würde sie auch hinkriegen. Und so würden die drei Witwen endlich wieder das ganz große Glück erfahren, ach, wer hätte das gedacht! Wobei sie natürlich keinen wollte, nur jemanden für Betty und Ruth, ja, so wäre es am besten. Ach, das würde so schön werden!
Ehe Leah in Gedanken noch die zweite Hochzeit ihrer Freundinnen planen und sich ausmalen konnte, welche Farbe ihr beim Brautjungfernkleid wohl stehen würde, riss Betty sie aus ihrer Träumerei.
»Ach, wie blöd, er ist gar nicht da.« Sie klang enttäuscht, als sie auf das DJ-Pult deutete.
»Und die Musik?«, fragte Ruth irritiert, weil diese noch weiterlief.
»Kommt vom Band, wenn er eine Pause macht«, erklärte Betty abwinkend.
Gerade wollten sich die drei nach ihrem neuen Verehrer umblicken, da wurde es mit einem Mal stockdunkel in der Diskothek und ein lauter Knall ertönte, der einem durch Mark und Bein ging, gefolgt von einem splitternden Geräusch, das andeutete, dass tausend Teile in Scherben aufgegangen waren.
Das allein war schon beängstigend genug, doch um den Grusel perfekt zu machen, kreischten die Gäste aufgebracht durcheinander, bis Leah die Arme ihrer Freundinnen im Dunkeln ergriff und sie sich instinktiv an die Hände nahmen – während Leah begriff, dass auch sie alle in das Geschrei mit eingestiegen waren, und in diesem Moment wollte Leah nur noch eines: das Alley Air so schnell wie möglich verlassen.
Doch dann ging das Licht wieder an und der Anblick, der sich ihnen nach einer kurzen Orientierung bot, war so grausam, dass es Leah augenblicklich den Magen umdrehte.
Mitten auf der Tanzfläche lag die zersplitterte Discokugel, die Scherben überall verteilt, darunter befand sich eine Person, die von der Kugel erschlagen worden sein musste, denn das Blut zeichnete ein düsteres Bild.
Es dauerte nur wenige Millisekunden, bis die umstehenden Gäste registriert hatten, was hier in der Dunkelheit passiert sein musste, dass plötzlich Panik ausbrach. Alle schrien und liefen unkontrolliert umher – und auch Leah und ihre Freundinnen machten, dass sie wegkamen. Viel zu groß war die Angst, dass noch mehr Teile von der Decke fallen könnten und sie eines der Opfer werden würden.
In diesem Moment rannten sie gewissermaßen um ihr Leben und versuchten, sich in dem Durcheinander einen Weg zum Ausgang zu bahnen, denn sie waren nicht die Einzigen, die Land gewinnen wollten.
Das Durcheinander ist perfekt – vor allem für den Mörder.
Leah, Ruth und Betty erreichten kreischend den Ausgang und rannten bis zum Auto, ehe sie sich sicher genug fühlten, um eine kurze Verschnaufpause einzulegen.
Während Ruth wie wild geworden noch immer um sich schrie und Betty schimpfend Flüche ausrief, versuchte Leah erst mal einen klaren Kopf zu kriegen und ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen.
»Was ist da gerade passiert?«, schrie Ruth, als ob ihre Freundinnen mehr wissen würden als sie.
Im Hintergrund waren die ersten Einsatzkräfte zu hören.
»Scheiße, ich weiß es nicht!«, brüllte Betty außer sich.
Leah hatte noch immer nicht ihre Sprache wiedergefunden und schüttelte nur wie paralysiert den Kopf.
Im Anschluss hätte Leah nicht sagen können, wie lange sie so dort gestanden hatten, um den Schock zu verarbeiten, aber so schnell wie alles an ihnen vorbeirauschte, kam es ihr weitaus kürzer vor, als es in Wirklichkeit war. Tatsächlich mussten sie eine kleine Ewigkeit wie angewurzelt stehen geblieben sein, während um sie herum noch immer Chaos herrschte.
Erst als sich die Menge langsam lichtete und diverse Helfer in die Diskothek eilten, kam Leah endlich wieder zu sich. Das lag vor allem daran, dass sie eine ihr viel zu bekannte Person erblickte, wobei diese sie am Rande des Geschehens offenbar nicht wahrnahm.
»Da ist Inspector Dowling«, durchbrach Leah die Stille und deutete auf den Mann, der nicht nur aufgrund des späten Einsatzes so mürrisch dreinblickte. Es war gewissermaßen sein Markenzeichen.
»Tatsächlich«, sagte Betty, als wäre sie wirklich darüber verwundert, ihn hier zu sehen, was man ihr bei seiner Trefferquote nicht gerade verübeln konnte.
»Und da ist ja auch Inspector Hyde!«, rief Ruth beim Anblick des gut aussehenden jungen Kollegen, der neben Dowling völlig fehl am Platz wirkte.
»Dann meinte es sein Boss also wirklich ernst«, sagte Betty, »als er erzählte, Dowling würde einen neuen Polizisten an die Seite bekommen.«
Leah dachte daran, dass Chief Inspector Metcalf bei ihrem letzten Zusammentreffen alles andere als begeistert von dem Trio war und Dowling aus diesem Grund Verstärkung zugesichert hatte – und das ausgerechnet in Form des mutmaßlichen Liebhabers von Dowlings Ex-Frau.
Die Sachen wurden immer komplizierter, vor allem deshalb, weil Leah ihm in dieser Angelegenheit Hilfe versprochen hatte, wenn sie im Gegenzug an seiner Seite ermitteln dürften – undercover sozusagen.
In diesem Moment wurde Leah klar, dass sie Dowling bislang gar nicht mehr gesprochen hatte, weil ihre Leben – abgesehen von den Ermittlungen – einfach keine Berührungspunkte boten, aber das war endlich der neue Fall, bei dem er ihre Unterstützung benötigen würde. Sie alle waren nicht nur Augenzeuginnen, sondern auch die Ermittlerinnen dieses Kriminalfalls. Warum hatte sie daran eigentlich noch gar nicht gedacht?
Der Schock hatte ihr so zugesetzt, dass sie auf nichts und niemanden geachtet hatte. So ein Mist!
»Wir müssen ihm helfen«, erklärte Leah, und das nicht nur, weil ihr Versprechen im Allgemeinen sehr wichtig waren, sondern auch, weil sie wissen wollte, wer dieses schreckliche Verbrechen vor ihren eigenen Augen begangen hatte – damit würde die Person gewiss nicht durchkommen. Sie alle hätten dabei sterben können, allein deshalb war es notwendig, den Mörder zu finden.
»Bist du übergeschnappt?«, rief Ruth außer sich und zitterte am ganzen Leib. »Mich bekommt niemand mehr in diese Halle, mir reicht es!«
»Ich muss nach Perry sehen«, platzte es plötzlich aus Betty heraus und die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Ihre Freundinnen sahen sie voller Mitgefühl an und wollten sich nicht vorstellen, wie es Betty damit ging, dass er womöglich verletzt sein konnte, geschweige denn noch Schlimmeres.
»Ihr müsst ohne mich gehen«, erklärte Ruth, »ich schaffe das nicht.« Sie blickte ihre Kameradinnen angsterfüllt an. »Ich kann mir die … Lei… Ich meine, ich kann es mir nicht noch mal ansehen.«
Die beiden Freundinnen nickten verständnisvoll.
»Wir lassen dich hier aber bestimmt nicht alleine zurück«, erklärte Leah.
»Vor allem, wenn der Mörder noch immer hier sein könnte«, fügte Betty eine beängstigende Vorstellung hinzu und machte damit deutlich, was sie alle dachten: Das hier war gewiss kein Unfall, das war Absicht.
»Meint ihr wirklich?«, rief Ruth und schreckte hoch, als ob sie auf der Hut sein müsste.
»Wir können es nicht ausschließen«, sagte Leah. »Es ist besser, wenn wir zusammen gehen. Du kannst auch draußen warten.«
Ruth sah Leah und Betty entsetzt an. »Nein … ich weiß nicht.«
»Ich will doch nur wissen, was mit Perry ist«, erklärte Betty und in ihrem Blick war etwas selten Weiches, das Leah direkt mitten ins Herz traf.
Ruth musste es genauso empfinden, denn sie gab sich geschlagen. »In Ordnung, aber ich schaue es mir nicht noch mal an.«
»Danke«, sagte Betty, ehe sich die drei langsam wieder in Richtung Disco in Bewegung setzten.
Sie kamen allerdings nicht sonderlich weit, weil die ersten Absperrungen errichtet wurden, um den Tatort zu sichern.
»Sie können hier nicht rein!«, wies sie ein unbekannter Mann an, der ziemlich in Eile schien.
»Ich muss nach meinem Freund schauen«, erklärte Betty eindringlich, woraufhin Leah und Ruth einen überraschten Blick wechselten, denn dass die Sache zwischen den beiden so ernst war, hatten sie nicht kommen sehen.
»Bedaure«, blieb der Mann streng, »ich darf niemanden durchlassen. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Sie werden informiert werden, sobald wir …«
»Sie verstehen das nicht!«, unterbrach Betty und drohte wieder zu eskalieren. »Ich muss wirklich …«
Leah ging sofort dazwischen, denn so würden sie nichts erreichen. »Entschuldigen Sie«, meinte sie an den Mann gewandt und lächelte freundlich, »was meine Freundin sagen möchte, ist, dass wir natürlich Augenzeuginnen sind und deshalb dringend mit Inspector Dowling reden müssen.«
»So?«, fragte der Mann verblüfft.
»Aber nur hier draußen!«, fügte Ruth hektisch hinzu und bekam schon wieder rote Flecken im Gesicht.
»Den Tatort darf niemand betreten«, erklärte er, was Ruth sichtlich Erleichterung verschaffte, und wenn Leah ehrlich war, freute auch sie sich, dass ihr der Anblick ein weiteres Mal erspart bleiben würde. »Aber ich kann den Inspector zu Ihnen schicken.«
Er war schon im Begriff zu gehen, da fügte Betty noch hastig hinzu: »Und fragen Sie nach DJ Perry.«
Der Mann warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Ich schaue, was ich machen kann.«
»Danke«, sagten sie alle wie aus einem Mund, woraufhin sich der Polizist mit einem Nicken in Bewegung setzte.
»Hoffentlich schickt er nicht nach Hyde«, murmelte Leah, weil sie wusste, dass das auf der Polizeistation wieder nur Ärger bedeuten und ihre Ermittlungen erschweren würde.
»Ach, ich hätte nichts dagegen«, meinte Ruth und war offenbar schon wieder zu Späßen aufgelegt.
»Ich hoffe, er findet Perry«, kam es verzweifelt von Betty. Die beiden Freundinnen legten ihr jeweils eine Hand auf die Schulter und sprachen ihr Trost zu.
»Er wird schon gefunden werden«, meinte Leah.
»Ja, alles wird gut«, fügte Ruth hinzu.
»Ich hoffe, ihr habt recht«, sagte Betty, während sich Dowling näherte und Hyde im Schlepptau hatte.
»Na super«, murmelte Leah wenig begeistert und als der Inspector sie erblickte, riss er entsetzt die Augen auf, sicherlich, weil er genau wusste, wie es aussehen würde, wenn er wieder Unterstützung von dem Trio erhalten würde.
»Ich kann Perry nicht entdecken!«, rief Betty verzweifelt.
»Er kommt bestimmt noch«, sprach Ruth ihr Mut zu, während sich Leah und Dowling ein intensives Blickduell lieferten. Es war ihm anzumerken, dass er fieberhaft versuchte, Hyde rechtzeitig loszuwerden, doch es war bereits zu spät, denn dieser hatte die drei ebenfalls erblickt und strahlte übers ganze Gesicht.
»Ach, ist er nicht zum Anbeißen!«, schwärmte Ruth wie ein verliebter Teenager und entlockte damit sowohl Leah als auch Betty einen kleinen Lacher.
»Mrs Page!«, kam es in einem barschen Tonfall von Dowling, sobald er sie erreicht hatte. »Was verschafft mir diese Unannehmlichkeit?«
Leah konnte nicht fassen, wie er da mit ihr sprach, und das nach ihrem letzten Deal. Der hatte vielleicht Nerven, hier wieder mal so eine Show abzuziehen!
»Rodney!«, tadelte Hyde seinen Kollegen belustigt. »Sei nicht so frech zu den Damen. Hat man dir denn nicht beigebracht, richtig mit solch bezaubernden Ladys zu reden?«
Er lächelte sie alle der Reihe nach an und Ruth stieß einen verzauberten Seufzer aus. Selbst Betty strahlte erfreut. Und obwohl Leah es nett fand, dass er für sie einstand, war ihr seine überfreundliche Art ein Dorn im Auge. Sie wusste, dass es nur ein Seitenhieb an Dowling war und dass er sich mehr darüber lustig machte, dass sie als Rentnerinnen die letzten Fälle gelöst hatten und nicht Dowling, obwohl er der Inspector war. Sie kam sich aufgrund ihres Alters verspottet vor, so, als ob er ihr das alles mit ihren siebzig Jahren nicht mehr zutrauen würde. Leah fühlte sich geschmeichelt und bedroht zugleich. Sie konnte Hyde noch nicht einschätzen.
»Danke, das ist sehr aufmerksam von Ihnen«, sagte Leah trotzdem und reichte ihm die Hand, um sie alle einander vorzustellen.
»Inspector Liam Hyde«, erklärte er und zwinkerte ihnen zu. »Sie können mich aber ruhig Liam nennen«, meinte er dann mit Blick auf Dowling, »das machen alle Freunde von Rodney so, habe ich recht?« Dass er hiermit auf Dowlings Ex-Frau anspielte, mit der er eine Liebschaft hatte, war Leah sofort klar.
Offenbar verstand ihre Freundin nicht ganz, denn schon piepste eine viel zu hohe Stimme los: »Ich heiße Ruth.«
Der Inspector warf ihr ein fast zu breites Lächeln zu. »Sehr erfreut.«
»Sie können mich nennen, wie Sie wollen«, meinte Betty, »Hauptsache, Sie sagen mir, wo Perry ist.«
»Wer ist Perry?«, fragte Dowling und sah sich um, als ob er befürchten würde, dass aus dem Trio jetzt ein Quartett geworden wäre. »Gibt es noch mehr von Ihnen?«
»Das will ich doch hoffen!«, sagte Liam und wurde Leah allmählich eine Spur zu schleimig.
»Perry ist ein Mann«, erklärte sie, was das Lächeln des Inspectors ein wenig verblassen ließ, »und er ist der DJ im Alley Air.«
»Haben Sie ihn gefunden?«, kam es verzweifelt von Betty, woraufhin die beiden Männer einen irritierten Blick wechselten.
»Er ist da drüben«, erklärte Dowling und deutete nach hinten, wo gerade die Personalien der Angestellten aufgenommen wurden.
»Gott sei Dank!«, stieß Betty erleichtert aus. »Kann ich zu ihm?«
»Natürlich nicht!«, wies Dowling sie zurück, weshalb Betty wie verzweifelt nach ihm brüllte, bis er sie bemerkte und ihr zuwinkte. Das schien sie zu beruhigen, sodass das Thema für sie erst einmal vom Tisch war.
»Sie kennen ihn?«, fragte Dowling und holte wieder seinen Notizzettel heraus.
»Ja«, kam es knapp von Betty.
»In welchem Verhältnis stehen Sie zueinander?«, fragte er.
»Das geht Sie ja wohl nichts an!«, blaffte Betty und warf ihren Freundinnen einen nervösen Blick zu.
Hyde prustete los.
»Was soll ich denn dann aufschreiben?«, fragte Dowling bitterernst.
»Am besten gar nichts!«, zischte Betty mit geballten Fäusten.
»Schreib, es ist etwas Lockeres, Unverbindliches«, wies Hyde ihn an, woraufhin Betty fast unmerklich nickte, so, als wäre ihr gar nicht bewusst, dass sie es tat.
»Na gut«, meinte Dowling und machte sich Notizen, während sich sein Kollege nah an ihn beugte und erklärte: »So wie bei mir und Dorothy.«
Nicht nur Dowling stand in diesem Moment der Mund offen, auch Leah konnte nicht fassen, was sie da hörte. Dorothy war Dowlings Ex-Frau. Leah musste Hyde richtig eingeschätzt haben. Dieser Typ sorgte für nichts als Ärger.
Dowlings Miene war eingefroren und es herrschte so viel Anspannung in der Luft, dass niemand sich traute, etwas zu erwidern.
Dann lachte Hyde wieder und klopfte seinem Kollegen freundschaftlich auf die Schulter. »War doch nur Spaß!«
»Liam!«, ertönte es von hinten und der Mann, der den Inspector hergebracht hatte, lugte aus der Diskothek hervor. »Komm mal her!«
Hyde warf allen einen freundlichen Blick zu und sagte: »Wenn mich die Damen entschuldigen würden.« Dann verschwand er.
Kaum dass er außer Hörweite war, tobten Leah und Dowling fast gleichzeitig los.
»Was machen Sie schon wieder hier?«, blaffte er.
»Wenn Sie noch einmal so mit mir reden, dann kann ich für nichts mehr garantieren!«, schrie sie zurück. »Haben Sie etwa unseren Deal vergessen?«
Plötzlich wurde Dowling ganz kleinlaut, sah sich um und schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht, aber ich kann doch nicht …« Er geriet ins Stocken. »Liam darf schließlich nicht erfahren, dass ich Ihre Unterstützung annehme. Und außerdem«, er wurde ungehalten und seine Wangen blähten sich auf, »haben Sie sich nie wieder gemeldet. Wo war Ihre Hilfe all die Monate, in denen ich sie gebraucht hätte? Woher soll ich denn wissen, dass unser Deal noch steht, wenn Sie Ihren Teil der Vereinbarung nicht einhalten?«
Leah war überrascht von diesem Geständnis und dass er so offen um Hilfe bat. Es rührte sie fast schon, zu wissen, dass sie ihm so wichtig war.
»Woher hätte ich das denn ahnen sollen?«, rief sie. »Haben Sie sich jemals bei mir gemeldet? Ich glaube nicht!«
Im Augenwinkel sah sie, dass Betty und Ruth die Unachtsamkeit des Inspectors nutzten, um näher an Perry zu gelangen. Der Mann musste ihrer Freundin wirklich wichtig geworden sein, zu gern würde auch sie ihn kennenlernen, da beneidete sie Ruth glatt, vor allem, als Dowling sie finster musterte, von den jüngsten Geschehnissen völlig ahnungslos.
»Ich kenne doch Ihre Nummer nicht!«, rief er.
»Noch immer nicht?«, fauchte sie, weil er diese Ausrede schon das ein oder andere Mal gebracht hatte.
»Na schön«, meinte er. »Ich wollte … dass Sie sich melden.