Zu Tode frisiert - Kiki Lion - E-Book

Zu Tode frisiert E-Book

Kiki Lion

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Beschreibung

In Old Alley Town wird wieder gemordet – oder genauer gesagt: Zu Tode frisiert!

Friseurin Millie Short ist außer sich, als sie eine Leiche in ihrem Salon findet. Der ältere Mann liegt leblos auf dem Stuhl – erdrosselt mit ihrer Haarschneidemaschine. Für Inspector Dowling ist natürlich sofort klar, dass Millie die Täterin sein muss.

Nur gut, dass sich die Frau längst an Leah Page und ihre Freundinnen gewandt hat. Als der Fall immer komplexer wird und auch ein weiterer Bewohner auf Hilfe angewiesen ist, müssen alle zusammenarbeiten, um den wahren Täter zu finden.

Das passt Dowling natürlich überhaupt nicht, aber er hat keine andere Wahl, denn das Gute ist: Leah hat etwas gegen den Inspector in der Hand. Das Schlechte ist: Er auch gegen sie …

Es ist der dritte Fall für das Seniorinnentrio und die beiden Wellensittiche inmitten der englischen Cotswolds – perfekt zum Miträtseln, Entspannen und Wohlfühlen.

Die Printversion hat 276 Seiten.

ALLE BISHER ERSCHIENENEN BÄNDE DER »OLD ALLEY TOWN«-SERIE AUF EINEN BLICK:

Teil 1: Der Vogel war’s!
Teil 2: Tödlicher Smoothie
Teil 3: Zu Tode frisiert
Teil 4: Der Mörder ist in Feierlaune

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Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

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Kostenlose Kurzgeschichte

Über die Cosy-Crime-Serie

Über die Autorin

Klappentext für »Zu Tode frisiert« von Kiki Lion

Impressum

Zu Tode frisiert

 

Old Alley Town

Band 3

 

von Kiki Lion

 

 

 

 

Dieses Buch widme ich allen Fans von Booklover72. Danke,

dass ihr von Anfang an mitfiebert.

Kapitel 1

 

Leah bekommt unerwarteten Besuch – und eine Nachricht fliegt ihr zu.

 

Mit einem Knall prallte er gegen die Dachrinne und ganz so, als ob es gar nicht wehgetan hätte, schlug er kurz darauf wieder mit voller Wucht dagegen. Leah beobachtete das Schauspiel und schüttelte den Kopf.

Sie stand in ihrem Garten, es dämmerte bereits, doch die Luft war noch warm und lud zum Verweilen im Freien ein.

Nur wenige Minuten zuvor hatte sie in ihrem Gartensessel gelümmelt und wäre beinahe dem Mörder auf die Schliche gekommen. Doch gerade, als die Spannung auf den letzten Seiten ihres Krimis am höchsten war, musste sie von diesem irrsinnigen Summen gestört werden.

Leah, der das Geräusch zunehmend die Konzentration raubte, war aufgestanden, als sich zu dem Sirren auch noch ein Klopfen gesellt hatte, um nach der Ursache zu forschen.

Der Grund für die Ruhestörung hatte sich schnell ausfindig machen lassen: Und so stand sie nun hier unter dem Dach ihres Cottages und beobachtete, wie ein Käfer nach dem anderen brummend gegen die Dachrinne flog, als ob diese bei einem wiederholten Versuch nachgeben würde.

»Was für eine Plage!«, echauffierte sie sich laut, obwohl sie alleine war. Kein Wunder also, dass sie erschrak, als sie Schritte zu vernehmen glaubte. Waren Trisha und Jake schon zurück?

Weil sie niemanden sah und es ruhig blieb, atmete sie erleichtert auf und fühlte sich sofort wieder schlecht. Wie konnte sie nur Zeit für sich alleine haben wollen, wo sie die zwei doch sonst nie sah? Immerhin konnte sie froh sein, dass die beiden – trotz der, zugegebenermaßen, recht unglücklichen Umstände – bei ihr waren und sie so viel Zeit mit ihrer Tochter und ihrem Enkel verbringen konnte, wie schon lange nicht mehr. Trotzdem nahm der Trubel allmählich überhand, schließlich hielt der Zustand bereits einige Monate an – ein Ende nicht in Sicht.

Aber das war nur eine der zahlreichen Baustellen, die Leah noch angehen musste. Erst einmal würde sie dafür sorgen müssen, dass die Käfer Ruhe gaben, damit sie endlich ihr Buch beenden konnte.

Ganz so, als ob die Insekten ihren Plan durchschaut hätten, flog ihr einer mit voller Wucht gegen die Stirn.

Leah, die sonst eigentlich nicht zu Wutausbrüchen neigte, stand seit Kurzem etwas neben sich, der ganze Stress der letzten Monate hatte sie regelrecht mitgenommen, und so fuchtelte sie wie wild um sich.

Doch die Käfer schienen sie jetzt mit der Dachrinne zu verwechseln und prallten nun einer nach dem anderen gegen sie. Leah schrie, obwohl sie sich eigentlich nicht vor Insekten fürchtete, und machte, dass sie – noch immer mit den Armen rudernd – Land gewann.

»Haut ab!«, kreischte sie dabei hysterisch und wollte sich vors Haus flüchten, weil der Zugang zur Küchentür durch die Plagegeister blockiert wurde, was besonders schrecklich war, da ihr jetzt noch nicht mal ihre Wellensittiche Peachy und Mr Welli beistehen konnten.

Mit jedem weiteren Meter, den sie zurücklegte, wurde das Summen weniger und sie begann, sich allmählich zu beruhigen. Nur um sicherzugehen, drehte sie sich im Wegrennen noch mal um und hielt nach neuen Angreifern Ausschau. In diesem Moment prallte sie plötzlich gegen einen Widerstand und wäre fast zu Boden gegangen, wäre da nicht eine Hand gewesen, die sich nach ihr ausstreckte, sie vom Fallen abhielt und hochzog.

Fast so, als ob sie ein kleines Mädchen wäre, das Schutz bei seinen Eltern suchte, klammerte sie sich an den Retter und drückte sich an ihn.

»Danke«, sagte sie, ehe sie begriff, dass das hier nicht Trisha war.

Ein Räuspern durchbrach die unangenehme Stille und sie ging einen Schritt zurück, nur um in ein Paar Glubschaugen zu blicken.

Dowling!

»Inspector«, stammelte sie peinlich berührt. »Was machen Sie denn hier?«

Sein Kopf lief rot an und es war ihm anzusehen, dass er innerlich fast wieder platzte.

»Das Gleiche könnte ich wohl Sie fragen«, meinte er und stellte damit klar, dass er alles beobachtet hatte.

Leah wäre am liebsten im Erdboden versunken, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und an Dowlings Beschützerinstinkt zu appellieren, der zwar leider rar gesät war, doch eine andere Möglichkeit blieb ihr wohl nicht.

»Ich wurde angegriffen«, erklärte sie entsetzt. »Gut, dass Sie hier sind, Inspector«, fuhr sie fort, hakte sich fast schon freundschaftlich bei ihm unter, woraufhin Dowling kurz zusammenzuckte. Doch davon ließ sich Leah nicht beirren und führte ihn zu der kleinen Käferplage.

»Da! Sehen Sie!«, meinte sie und deutete auf ihr Dach, wo sich das Schauspiel wiederholte, als wäre Leah nie weggewesen.

»Ich bin Polizist, kein Kammerjäger«, stellte Dowling kühl klar und entriss sich ihrem Griff.

»Das weiß ich doch«, meinte sie lahm und kam sich blöd dabei vor. »Ich dachte nur, Sie könnten vielleicht helfen.«

Dowling wirkte überrascht und riss die Augen entsetzt auf. »Deshalb haben Sie mich herbestellt?«

»Ich habe Sie nicht …«, setzte Leah an, doch dann wurde ihr schlagartig klar, dass sie das sehr wohl hatte. Gleich nach dem Krimiabend und ihrem letzten gemeinsamen Fall hatte sie Dowling im Verdacht gehabt, Booklover72 zu sein. Und deshalb hatte sie sich monatelang die Finger wund telefoniert, um einen Termin mit ihm zu arrangieren. Da er online offenbar nicht mehr für sie erreichbar war und auf keine Nachrichten reagiert hatte, war ihr sehr daran gelegen, die ganze Angelegenheit unter vier Augen mit ihm zu klären.

»Aber wir haben doch nie einen Termin vereinbart«, erklärte sie.

»Nun«, stammelte er, »ich habe gesagt, ich komme, wenn ich Zeit habe.«

»Das ist Monate her!«, schrie Leah.

»Mag sein«, murmelte er, »ich bin halt vielbeschäftigt.«

Leah konnte es nicht fassen. Sie wollte nach dem Abend damals alles wissen, Dowling so richtig in die Zange nehmen und ein Geständnis aus ihm herausquetschen, aber er hatte sich quasi totgestellt. Leah hatte sogar den Verdacht gehabt, er hätte sich ins Ausland abgesetzt, schließlich war er an seiner Wohnadresse über Wochen hinweg nicht anzutreffen gewesen.

Anfangs war Leah äußerst engagiert, sie wollte wissen, warum er das getan hatte. Dann aber, als Dowling nicht mehr zu erreichen war, ihre Tochter und ihr Enkel ihren Alltag auf den Kopf stellten und die Monate ins Land zogen, hatte sie dieses Kapitel ihres Lebens einfach zu verdrängen versucht.

Dass er heute hier vor ihr stand, war ein Wunder, etwas, für das sie vor noch nicht allzu langer Zeit alles gegeben hätte. Aber nun war sie darauf gar nicht vorbereitet, sie wusste nicht, was sie sagen sollte, wie sie das klären und angehen konnte, dabei hatte sie sich genau dieses Treffen stundenlang in ihrer Fantasie ausgemalt.

Sie hatte sich vorgestellt, wie sie Dowling in Grund und Boden schimpfen würde und er würde alles gestehen, oder aber – und das hoffte sie insgeheim eher – er würde ihr sagen, dass er gar nicht Booklover72 war. Denn das würde bedeuten, dass es da draußen wirklich noch einen Mann gab, mit dem sie sich möglicherweise eine Zukunft vorstellen könnte. Dowling und sie – das würde niemals funktionieren, und das wollte sie auch gar nicht.

»Das sind Maikäfer«, erklärte der Inspector und riss sie damit aus ihren Gedanken.

»Wie bitte?«

Er hielt sein Smartphone hoch. »Man kann ein Foto machen und dann spuckt die Suchmaschine die Details aus.« Er zeigte ihr das Display. »Da steht es: Maikäfer.«

Leah schielte zum Handy, war neugierig, aber wollte sich nicht die Blöße geben, das nicht gewusst zu haben. »Das ist mir selbstverständlich bekannt«, erklärte sie rasch, was den Polizisten schmunzeln ließ.

»Natürlich«, sagte er amüsiert und vertiefte sich wieder in sein Handy. »Sind gar nicht so üblich hier.«

»Nicht?«, hakte Leah erschrocken nach und begriff, dass sie sich damit verraten hatte. »Ich meine, das weiß ich, deshalb habe ich ja um Hilfe gerufen, das sind ganz gefährliche Insekten.«

»Hier steht, die tun nichts.«

»Wie so mancher Polizist«, murmelte sie, was Dowling gehört haben musste, da er grinste. Nanu, er grinste? War er gar nicht wütend? Was war hier los?

»Worüber wollten Sie denn mit mir reden?«

Leah, die sich fragte, wo ihre Manieren geblieben waren, bat ihm einen Stuhl und einen Tee an, wobei er Letzteres ablehnte. Und so saßen sie sich kurz darauf in ihrem Garten gegenüber, nur das Klopfen der Maikäfer war noch im Hintergrund zu hören.

Was für ein komisches Schauspiel: Leah und Dowling friedlich beisammen – da konnte doch etwas nicht stimmen! Es war so surreal, dass sie zusammensaßen, dass Leah sich mehrfach vergewissern musste, noch am Leben zu sein. Ob diese Käfer wohl eine halluzinierende Wirkung hatten? Davon hatte Dowling nichts gesagt – na ja, wie auch, wenn er gar nicht real war … So ein Blödsinn, natürlich war er wirklich hier! Und diese Gelegenheit musste sie beim Schopfe packen, ehe er wieder abhaute.

»Es geht um Ihren Zettel«, erklärte Leah, »aber ich konnte Sie all die Monate nicht erreichen. Wo waren Sie denn?«

Dowling wirkte überrascht, dass sie so intensiv nach ihm gesucht hatte. »Ich …«, er stotterte, »war für längere Zeit verreist.« Sie hatte es gewusst!

»Warum?«, hakte sie nach.

»Das tut hier nichts zur Sache!« Plötzlich war er wieder da, der wütende Dowling.

»War es wegen des Zettels?«, wollte Leah sanft wissen und hoffte, er würde jetzt reinen Tisch machen, ihr sagen, dass es ihm leidtat, dass es nur ein Missverständnis war.

»Welcher Zettel?« Er wirkte aufrichtig irritiert, aber dann zeichneten sich wieder Zornesfalten auf seiner speckigen Haut ab. »Sie haben doch nicht etwa meine Post durchwühlt?«

»Ich? Nein!« Leah konnte es nicht fassen, was er ihr da unterstellte.

Dowling musterte sie kritisch, schien es aber erst mal dabei belassen zu wollen. »Dann weiß ich nicht, wovon Sie sprechen.«

Leah atmete tief durch. Sie würde auspacken müssen, wenn sie ein Geständnis von ihm wollte. »Ich meine den Zettel.« Sie versuchte, noch immer vage zu bleiben, nur für den Fall, dass sie hier den Falschen befragte.

»Welcher Zettel?« Er wirkte ahnungslos.

»Na, das Papierchen, das Sie mir am Krimiabend zugesteckt haben.«

»Welcher Krimiabend?«

Jetzt fragte sich Leah langsam, ob Dowling sie veräppeln wollte. So vergesslich konnte doch keiner sein.

»Der Abend in der Werkstatt, als wir auf der Bühne verkündet haben, wie wir den Fall gelöst haben.« Leah befürchtete schon, sie würde ihm jedes Detail noch mal vorkauen müssen, doch bei dieser Information schien sein Gehirn auf Hochtouren zu laufen.

»Sie meinen, wie ich den Fall gelöst habe?«

Leah, die nicht schon wieder einen Streit vom Zaun brechen wollte, überging seine Frage einfach. »Dann erinnern Sie sich?«

»Ja«, sagte er, »aber nicht daran, dass ich Ihnen einen Zettel zugesteckt habe.«

»So ein kleiner handgeschriebener«, meinte sie. Dass sie ihn Wort für Wort auswendig konnte, verriet sie dabei nicht, auch wenn sie es sich in Gedanken wieder vorsagte: Danke für den schönen Abend, Leah! D.

Plötzlich kam Farbe in Dowlings Gesicht und Leah wusste in diesem Augenblick, dass ihre schlimmsten Befürchtungen Realität werden würden. Er erinnerte sich, das sah sie ihm an der Nasenspitze an. Dowling musste Booklover72 sein!

»Der war nicht für Ihre Augen bestimmt!«, tobte er.

Nanu? Dachte er etwa, hinter Leah’s Pages würde jemand anderes stecken? Hatten sie womöglich beide einem Phantom hinterhergejagt?

»Warum haben Sie ihn mir dann zugesteckt?«

»Das habe ich nicht!«, schrie er, offenbar ziemlich wütend. »Bestimmt haben Sie wieder meine Sachen durchwühlt!«

»Wieder?«, empörte sich Leah.

»So, wie Sie immer herumschnüffeln, würde mich das gar nicht wundern!« Dowling sprang auf, und obwohl die Anschuldigungen schwer wogen, dachte Leah nur daran, dass der Inspector wieder für Monate untertauchen könnte und sie ihre Antwort nie erhalten würde.

»Das habe ich nicht«, beteuerte sie und fügte ruhig hinzu: »Jemand hat mir Ihren Zettel aufs Pult gelegt.« Sie rief sich die Situation noch mal vor Augen. »Er muss runtergefallen sein, da habe ich ihn aufgehoben.«

»Das glauben Sie ja wohl selbst nicht«, blaffte er sie an, doch man erkannte, dass er der Überlegung nicht ganz abgeneigt war.

»Vielleicht will uns ja jemand gegeneinander ausspielen«, mutmaßte Leah.

Dowling grummelte nur, aber schwieg.

Nach einer kurzen Pause, in der sich zum Summen der Maikäfer auch das Vogelgezwitscher ihrer Wellensittiche mischte, erklärte Dowling recht verlegen: »Kann ich den Zettel bitte wiederhaben?«

Leah, die mit allem gerechnet hatte, nur nicht damit, wusste nicht, wie sie reagieren sollte, aber als sich ihre Blicke trafen und sie erkannte, wie wichtig ihm dieses Stück Papier war, willigte sie schließlich ein.

»Ich hole es gerade«, meinte sie, doch Dowling sprang abrupt auf.

»Ich komme mit!« Als Leah ihm einen verständnislosen Blick zuwarf, fügte er fast kleinlaut hinzu: »Bitte, es ist privat.«

Leah nickte und dann folgte er ihr erstmals in ihr trautes Heim, der letzte Ort, an dem sie noch vor ihm sicher war. Aber besondere Umstände erforderten nun mal besondere Maßnahmen.

 

***

 

Leah hatte Dowling in der Küche warten lassen, während sie im Schlafzimmer die Kommode durchwühlte. Dort hatte sie unter einem Berg von Wäsche den Zettel versteckt und nie wieder hervorgeholt. Hoffentlich war er noch da! Seit ihr Zuhause von ihrer Tochter und ihrem Enkel regelrecht übernommen worden war, befand sich nichts mehr an seinem Platz. Aber vor ihrem Schränkchen würden die beiden ja wohl haltmachen …

Und ja, tatsächlich. Leah fand den Zettel, der ihr Herz automatisch höherschlagen ließ. Auch wenn sie in letzter Zeit nicht mehr oft daran gedacht hatte, vergessen würde sie ihn nie.

Sollte sie den Zettel Dowling wirklich einfach zeigen und überlassen? Leah fühlte sich nicht wohl dabei. Vielleicht wäre es besser, ihn zunächst noch etwas in die Mangel zu nehmen. Ob sie die Nachricht möglicherweise erst kopieren sollte? Dafür würde ihr allerdings keine Zeit bleiben, denn ihr PC stand im Wohnzimmer, was direkt an die Küche grenzte. Damit würde sie nicht durchkommen.

Ehe sie einen Plan schmieden konnte, hörte sie Dowling nach Hilfe rufen. Sie eilte mit dem Stück Papier in der Hand in die Kochstube und fand dort einen völlig zerzausten Inspector vor. Dieser wurde gerade von zwei süßen Piepmätzen attackiert. Während Peachy mit ihrem Schnabel an Dowlings Haaren riss, machte sich Mr Welli an seiner Hemdtasche zu schaffen.

»Hey!«, schrie Dowling unterdessen und fuchtelte dabei bestimmt genauso doll mit den Armen wie Leah vor noch wenigen Minuten draußen.

Die Vögel kreischten aufgebracht, machten aber unbeirrt weiter, weil er sie nicht erwischen konnte, offenbar hatte er viel zu viel Angst vor den Wellensittichen.

»Hilfe! So tun Sie doch was!«, schrie er und als Leah beschloss, dass er genug gelitten hatte, rief sie die beiden Piepmätze zu sich, die prompt zu ihr geflogen kamen.

Die blaue Vogeldame Peachy setzte sich auf ihre linke Schulter, der grüne Mr Welli auf ihre rechte. Von dort aus ließ er einen Zettel in Leahs Hand fallen, den diese rechtzeitig ergriff, ehe er zu Boden sausen konnte. Hatte er das etwa aus Dowlings Tasche stibitzt?

Der Inspector schien von alldem nichts mitzubekommen, versuchte noch immer, seine wenigen weißen Haare zu glätten, als ob er sonst irgendwie gepflegt ausgesehen hätte.

»Das ist unerhört!«, schrie er und seine Wangen waren rot vor Zorn. »Ich werde Anzeige erstatten!«

»Machen Sie sich nicht lächerlich«, rief Leah, »die beiden haben Sie doch nur begrüßt.«

»Begrüßt nennen Sie das? Sie haben mich zerfleischt!« Er stierte sie hasserfüllt an, war noch immer ganz zerzaust.

In dem Moment breitete Peachy ihre Flügel aus und schnatterte wütend, was das Zeug hielt. Mr Welli stimmte kurz darauf mit ein, und obwohl sie sich keinen Millimeter in seine Richtung bewegten, sah Leah die panische Angst in seinen Augen. Er zuckte regelrecht zusammen und wandte sich zum Gehen.

»Das ist doch ein Hexenhaus!«, schrie er. »Verflucht sind diese Vögel – alle beide!«

Er versuchte hektisch, die Tür zu öffnen, musste allerdings so durcheinander sein, dass es ihm einfach nicht gelingen wollte.

Leah, die sein Drama nicht mehr mit ansehen konnte, ging auf ihn zu. »Warten Sie, ich helfe Ihnen.«

»Nein, gehen Sie weg!«, schrie er, als ob die Wellensittiche freilaufende Löwen wären, die ihn jeden Augenblick in Stücke reißen könnten.

Leah, die nicht riskieren wollte, dass wieder einer ihrer Vögel Reißaus nahm, brachte sie in ihren Käfig, ehe Dowling die Tür aufriss und abhauen konnte. Sie würden das hier und heute klären!

Just in dem Moment, in dem sie zurückkam, hatte Dowling es geschafft und stürmte in den Garten, als wäre er auf der Flucht vor einem Mörder.

»Jetzt bleiben Sie doch stehen!«, rief Leah. »Das sind schließlich nur zwei kleine Vögel. Genauso ungefährlich wie Ihre Maikäfer.« Sie hatte richtig Freude daran, ihn leiden zu lassen.

»Bestialische Monster sind das!«, brüllte er und stolperte durch ihren Garten.

Das reichte! Niemand bezeichnete ihre Lieblinge als Monster – und schon gar nicht als bestialische.

»Tiere können halt den Charakter eines Menschen erspüren.«

»Komisch, dass Sie ihnen dann noch nicht zum Opfer gefallen sind«, versuchte er zu witzeln und rannte weiter vor ihr weg.

»Schön, dann bekommen Sie Ihren Zettel halt nicht.«

Dowling blieb abrupt stehen, irgendetwas daran musste sehr wichtig für ihn sein. »Los, geben Sie ihn mir, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!« Er war völlig durcheinander, sah noch ungepflegter aus als je zuvor.

»Ich kann Ihnen den Zettel erst überlassen, wenn Sie mir ein paar Fragen beantworten«, erklärte sie, weil sie sichergehen wollte, sich nicht zu blamieren.

»Die da wären?« Er wirkte ungehalten.

Noch ehe Leah eine Frage stellen konnte, klingelte Dowlings Handy und er entschuldigte sich. Das war perfekt, so konnte sie sich eine Strategie zurechtlegen.

Sie wollte gerade schauen, welchen Zettel ihr Mr Welli zugesteckt hatte, als auch ihr Handy zu läuten begann. Es lag noch immer bei ihrem Buch, ganz in der Nähe der Maikäfer, die inzwischen allerdings verschwunden waren. Na super, da hatte sich das Problem von alleine gelöst. Hätte sie doch nur mal die letzten Seiten gelesen, wäre sie jetzt vielleicht entspannter. Sie griff nach dem Handy und nahm ab, ohne zu schauen, wer dran war.

»Leah? Leah?«, schrie eine hysterische Stimme.

»Ja?«

»Ich bin’s. Millie. Millie Short.« Die Friseurin. Nanu? Hatte sie ihren Termin etwa verpasst? Doch an ihrer aufgebrachten Stimme erkannte sie, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste.

»Was ist los, Millie?«, sagte sie ruhig.

»Ich glaube …«, stotterte sie, »eine Leiche …«

»Was ist passiert?«

»Tot.«

»Millie, du musst deutlicher sprechen. Was genau ist vorgefallen?«

»Einfach tot.«

Im Hintergrund bahnte sich Dowling an, offenbar hatte er sein Gespräch bereits beendet.

»Bitte, komm, so schnell zu kannst«, wimmerte Millie, dann legte sie auf.

»Hallo? Hallo?«, rief sie noch ein paar Mal, aber die Leitung war tot.

»Ich muss los«, erklärte Dowling. »Geben Sie mir jetzt den Zettel?« Leah steckte ihn schnell samt Handy in ihre Hosentasche. Da Dowling nach wie vor völlig neben sich stand, schien er nichts mitzubekommen.

»Da müsste ich noch mal rein«, meinte sie und spielte damit auf ihre Wellensittiche an.

Er grummelte. »Dann müssen wir das ein anderes Mal klären.«

»Warten Sie«, kam ihr eine Idee, »warum fahren Sie nicht den Wagen vor, ich hole gerade alles, was ich brauche, und dann geht es auch schon los.«

»Was? Nein!«

»Glauben Sie mir, es ist besser so.«

»Ich muss arbeiten!«, kam es wütend von ihm.

»Ja, ich auch«, erklärte sie beiläufig. »Eine Freundin braucht mich.«

»Das ist nicht das Gleiche«, versuchte er es noch mal.

»Glauben Sie mir, es liegt auf dem Weg und ich mache Ihnen bestimmt keine Umstände.«

»Aus dem letzten Mal habe ich gelernt«, erklärte er mürrisch und wollte damit wohl auf die unfreiwillige Mitfahrgelegenheit anspielen.

»Ich auch«, murmelte sie und fügte dann hinzu: »Und jetzt beeilen Sie sich, wir treffen uns vor dem Haus.«

Dowling, offenbar in Angst, sie könnte wieder ihre Wellensittiche auf ihn hetzen, rannte fast zur Straße, als sie der Terrassentür näher kam.

»Wir sprechen gleich noch mal darüber«, verkündete er.

»Ja, natürlich, sobald wir da sind«, meinte sie nur und verschwand im Haus. Schnell kramte sie alles zusammen, was sie brauchen würde, und ging zur Vordertür. Doch noch ehe sie diese öffnete, faltete sie den Zettel aus Dowlings Brusttasche auseinander und las ihn:

 

»Danke, dass du hier warst. Ich werde es mir noch mal durch den Kopf gehen lassen, aber ich kann nichts versprechen.

D.«

 

Noch ein Zettel ihres Bücherfreundes? War er tatsächlich für Leah bestimmt? Wollte er ihr wieder eine kleine Notiz zustecken? Oder bekam Dowling etwa auch Nachrichten von Booklover72? Was ging hier vor sich?

Leah hätte am liebsten ihre Freundinnen zusammengetrommelt und wäre dem Ganzen auf den Grund gegangen. Doch dazu blieb ihr keine Zeit, denn Millie hatte sie um Hilfe gebeten und sie würde sie garantiert nicht hängen lassen – schon gar nicht, wenn sie Dowlings kostenlose Mitfahrgelegenheit an den Tatort nutzen konnte. Der würde Augen machen …

Kapitel 2

 

Dowling löst den Fall, noch ehe Leah überhaupt ermitteln kann.

 

Tatsächlich hatte der Inspector wie versprochen vor dem Haus gewartet. Der Motor lief bereits, als Leah den dunklen Weg bis zum Auto schritt.

»Jetzt beeilen Sie sich schon!«, blaffte er sie an, noch ehe sie richtig Platz genommen hatte.

»Ist ja gut«, meinte sie beschwichtigend und versuchte gerade, den Gurt anzulegen, da sauste er schon los, als wäre er Betty höchstpersönlich. »Na, na«, tadelte sie ihn. »Nicht so schnell, sonst können wir den Mörder nicht schnappen.«

Dowling bremste überraschenderweise wirklich etwas ab und fuhr gemächlicher weiter, ehe er fragte: »Woher wissen Sie …«

»Nicht so wichtig«, winkte sie ab.

»Haben Sie mich etwa belauscht?« Seine Stimme wurde wieder zornig. »Sie dürfen sich nicht länger in polizeiliche Ermittlungen einmischen, habe ich mich da nicht klar und deutlich ausgedrückt?« Er spuckte die Worte fast, so aufgebracht war er.

»Ist ja gut, ist ja gut«, lamentierte Leah. »Und jetzt konzentrieren Sie sich lieber mal auf die Straße, ehe es noch einen Toten gibt.«

Der Inspector brummte vor sich hin. »Wo kann ich Sie absetzen?«

»Wir haben dasselbe Ziel.«

Er sah sie mit zugekniffenen Augen von der Seite aus an. »Sie fahren nicht mit zum Tatort!«

»Ich muss nur schnell einer Freundin helfen …«, wollte sie ausführen, da unterbrach er sie barsch.

»Jetzt kommen Sie mir nicht wieder mit dieser Nummer!«

Leah, die schon mal eine Freundin als Ausrede für eine Mitfahrgelegenheit genutzt hatte, fühlte sich ertappt. »Diesmal stimmt es wirklich.«

»Das kann ja jeder sagen!«, rief er genervt und raste um die nächste Kurve. Sie waren nicht mehr weit vom Friseursalon entfernt, da kam ihr eine Idee.

»Wenn Sie mich absetzen, zeige ich Ihnen den Zettel.«

»Wollen Sie mich erpressen?« Jetzt schrie er.

»Nein, nein«, sagte sie.

»Wo möchten Sie denn hin?«, kam es nun sanfter von ihm. Offenbar war ihm die Sache mit dem Zettel selbst sehr wichtig.

»Ich habe einen Termin«, erklärte sie. »Muss mir die Haare schneiden lassen.«

Er lachte verächtlich. »Daraus wird wohl nichts. Am besten, Sie geben mir den Zettel direkt, dann können Sie sich den Anblick ersparen.«

»Was? Nein!« Sie dachte fieberhaft nach. »Ich glaube, den habe ich zu Hause vergessen.«

Er brummte, schien aber trotzdem amüsiert zu sein. »Na, umso besser. Dann kann ich Sie ja gleich wieder zurückbringen, Sie geben mir da den Zettel und …«

»Nein! Halt!«, rief sie, weil er schon im Begriff war zu drehen.

»Was denn nun noch?«, blaffte er sie an und hielt am Straßenrand.

»Wir müssen schnell machen, meine Freundin braucht mich.«

»Sagen Sie, sind Sie ein bisschen senil? Der Trick hat schon mal nicht funktioniert.«

Leah wurde langsam wütend, schluckte ihren Ärger aber herunter. »Jetzt fahren Sie schon!«

»Sonst was?«

Sie sah ihm fest in die Augen. »Ich weiß von D.«

Für einen Moment schien er irritiert, aber dann erkannte sie, wie seine Gesichtszüge entglitten. »Woher …«

Er tastete seine Brusttasche ab, als ob er genau wüsste, wovon sie sprach. »Wie haben Sie …«, stammelte er, als er nichts fand und kombinierte dann ungewöhnlich schnell. »Ihre Vögel!«

Leah zuckte mit den Schultern. »Sagen wir, mir ist die Information gewissermaßen zugeflogen.«

»Sie haben mich bestohlen!«

»Ich habe gar nichts«, korrigierte sie.

»Jaja«, murmelte er genervt, »der Vogel war’s mal wieder!«

Leah grinste nur. »Wir machen es so. Sie bringen mich jetzt zu meiner Freundin, gehen Ihrem Job nach und später unterhalten wir uns dann mal über die Angelegenheit.«

»Sie? Ich? Nein!«, wand er sich. »Ich will nicht mit Ihnen darüber sprechen.«

»Wollen Sie den Zettel jetzt wiederhaben oder nicht?«

Er schluckte schwer. »Sie wissen wohl hoffentlich, dass Sie sich strafbar machen!«, wies er sie zurecht, startete aber im gleichen Augenblick den Motor.

»Eine alte Dame hinters Licht zu führen ist nicht weniger verwerflich«, merkte sie nur an, was ihn die Stirn runzeln ließ, allerdings sagte er nichts dagegen, und so fuhren sie schweigend weiter.

Gerade als Leah die Stille durchbrechen wollte, um ihm schon ein paar Fragen zu stellen, die sich ihr regelrecht aufdrängten, hob er die Hand, als ob er Gedanken lesen könnte.

»Bitte!«, flehte er. »Ich möchte jetzt nicht darüber reden.«

Leah nickte und sah in das Dunkel der anbrechenden Nacht hinaus. Für sie war in diesem Moment klar, dass Dowling etwas mit der Sache zu tun haben musste – nur was? Sie würde es schon noch herausfinden …

 

***

 

»Na endlich!«, rief Millie, kaum, dass die beiden aus dem Wagen gestiegen waren. Sie befand sich mit einer dünnen Strickjacke bekleidet vor dem Salon, ihr sonst so akkurat frisierter Kopf war zerzaust. Ihr schulterlanges Haar stand in welligen Strähnen ab, die Augen wirkten verquollen.

Leah ging automatisch auf sie zu und reichte ihr beide Hände, um sie ansehen zu können. »Ich bin jetzt da, keine Sorge, alles wird gut werden!«

Millie nickte ihr dankbar zu. »Wo sind Ruth und Betty?«, hakte sie nach und sah sich um. Als sie den Inspector erblickte, meinte sie nur: »Oh.«

»Ich kam noch nicht dazu, die beiden zu kontaktieren«, fügte Leah leise hinzu, und Millie nickte.

Dowling, der die Szene genau verfolgt haben musste, war offenkundig nicht sehr erfreut über diese Angelegenheit. »Auch Ihnen einen schönen guten Abend«, sagte er frech. »Ich bin Inspector Dowling und ermittele in diesem Fall. Es hat einen Mord gegeben?«

Millie atmete tief ein und aus, offenbar stand sie noch immer neben sich, wirkte aber kurz darauf wieder gefasst. Leah wusste, dass sie eine starke Frau war, die nichts so schnell aus der Bahn werfen konnte, auch wenn das am Telefon natürlich noch ganz anders gewirkt hatte.

»Das ist korrekt.«

»Und Sie sind?«

»Millie Short, mir gehört der Friseursalon.«

Dowling warf einen kurzen Blick auf das knallige helllila Schild vor dem Lokal, das ihn regelrecht zu blenden schien. »Dann haben Sie mich gerufen?«

»Nein«, sagte sie.

»Wie … äh …«

»Sie hat mich angerufen. Sie ist die Freundin, die meine Hilfe braucht«, weihte Leah ihn ein.

Der Inspector verstand sofort, was sie ihm damit sagen wollte, und wurde nun wieder ungehalten. »Sie meinen …«, er blickte von Leah zu Millie. »Sie haben Mrs Page angerufen und nicht die Polizei verständigt, so wie es jeder normale Bürger tun würde?«

Er kramte einen Notizblock hervor und kritzelte etwas darauf. Millie wurde unterdessen bleich, was man sogar trotz ihrer mit Rouge gefärbten Wangen erkennen konnte.

»Jetzt packen Sie den Block weg!«, wies Leah ihn an. »Millie hat damit nichts zu tun. Sie hat sich lediglich an eine Person ihres Vertrauens gewandt.« In Gedanken fügte sie noch hinzu: an jemanden, der wirklich ermittelt und nicht den Erstbesten ins Gefängnis steckt. Aber das sprach sie natürlich nicht aus, obwohl die Friseurin ganz genau deshalb Leah angerufen hatte. Das wusste sie genauso gut wie Dowling, auch wenn er das niemals zugeben würde, dafür war er viel zu stolz.

Anstatt auf sie zu hören, kritzelte er weiter auf seinem Block herum und warf Leah einen bösen Blick zu.

Gerade als Leah ihn wieder an den Zettel und ihre Abmachung erinnern wollte, damit er mehr Anstand bewies, kam eine völlig aufgelöste junge Frau aus dem Salon gerannt. Sie zitterte am ganzen Leib, ihr gesamtes Gesicht war gerötet und verheult und die vermutlich einst penibel aufgetragene Schminke war komplett verschmiert. Sie hatte sehr lange hellbraune Haare, die sie zu einem hohen Zopf nach oben trug.

Nur mit viel Wohlwollen erkannte Leah, dass es sich hierbei um Amelia handeln musste, Millies Auszubildende, ein sehr liebes Mädchen, das schnell dazulernte und gerne mit verschiedenen Styles herumexperimentierte.

»Und wer sind Sie?«, hakte der Inspector nach, als ob er wieder eine neue Verdächtige ins Visier genommen hätte.

»Ich …«, stotterte die junge Frau, »ich … arbeite hier.« Sie deutete vage hinter sich und Millie machte einen Schritt auf sie zu, um ihre Angestellte in den Arm zu nehmen, ganz so, als ob sie diese vor Dowlings barscher Art schützen wollte. Leah konnte das verstehen. Wenn der Inspector mit ihr sprach, hätte sie sich auch so manches Mal Trost gewünscht.

»Auseinander!«, rief Dowling, als ob die beiden Schwerverbrecherinnen wären, und deutete drohend mit seinem Stift in die Richtung der zwei Friseurinnen.

»Jetzt machen Sie mal halblang«, ging Leah dazwischen und trat einen Schritt vor. Dowling war so perplex, dass er sie gewähren ließ. »Wie kann ich euch helfen?«, fragte sie an die Frauen gerichtet. Selbst Amelia schien bei der Frage zu entspannen, fast so, als ob sie bei Leahs Anblick an ihre eigene Oma denken würde und das Gefühl hätte, in guten Händen zu sein. Genau so entlockte man seinen Mitmenschen Informationen, fand Leah, so und nicht anders!

Doch Dowling schien von ihrem Weichspülprogramm nichts zu halten und ging sofort dazwischen. »Helfen? Wollen Sie sich etwa strafbar machen und einen Mord vertuschen?« Er sah die beiden Frauen drohend an. »Eine von Ihnen könnte die Mörderin sein!«

Amelia schluchzte laut auf und Dowling sah aus, als ob er diese Reaktion nicht mal ansatzweise hätte kommen sehen, was er vermutlich auch nicht hatte.

»Na super«, sagte Leah, »das haben Sie nun davon.« Sie funkelte ihn böse an, während Millie ihren Schützling tröstete.

Dowling sah aus, als hätte man ihn geschlagen und stand stumm und stramm da. Offensichtlich konnte er mit weinenden Frauen nicht gerade viel anfangen. Oder wohl eher: mit Frauen im Allgemeinen.

»Jetzt passen Sie mal auf«, zischte Leah ihm zu, sodass die anderen es nicht hören konnten. Dann ging sie an ihm vorbei zu Amelia, um dieser einen Arm um die Schulter zu legen. Millie und Leah wechselten kurz einen Blick, schließlich ließ die Friseurmeisterin ihre Auszubildende los und übergab sie an Leah.

»Na, na«, sagte Leah sanft zu dem Mädchen, »nicht traurig sein.« Sie warf Dowling einen bösen Blick zu. »Der grässliche Mann weiß doch nicht, was er da redet.«

»Wie bitte?«, kam es empört von Dowling, aber Leah warf ihm nur einen bitterbösen Blick zu, sodass er verstummte.

»Meinen Sie?«, keuchte Amelia unterdessen und blickte hoffnungsvoll in Leahs Augen.

»Ja, sicher«, erklärte Leah und streichelte ihr sanft über den Rücken. »Bei seiner Trefferquote wäre es ein Wunder, würde er den Täter auf Anhieb erkennen.«

»Also, ich muss doch sehr bitten!«, kam es von Dowling, genau in dem Moment, in dem Amelia kurz auflachte. Das musste den Inspector so stark verwundern, dass er direkt verstummte. Offenbar war es ihm wichtiger, dass die Tränen endlich versiegten, als über sein Können als Polizist zu streiten.

»So schlimm?«, kicherte das Mädchen.

»Schlimmer«, flüsterte Leah und die beiden sahen den Inspector belustigt an.

»So, also … das«, stammelte Dowling, »das reicht ja jetzt nun auch … äh …«, er sah sich um und wandte sich augenblicklich an Millie, die sich mit Mühe und Not ein Lachen verkniff. »Sie da!«, sprach er sie an, als wäre er ein unfreundlicher Gast in einem Restaurant, der nun endlich die Bestellung aufgeben wollen würde.

»Ja?«, fragte Millie erstaunt, plötzlich angesprochen zu werden.

»Die Leiche, bitte«, sagte er, was wie ein makaberer Essenswunsch klang.

Millie deutete nur stumm auf den Friseursalon, wollte offensichtlich nicht noch einmal an den Tatort zurückkehren.

Amelia begann unterdessen wieder zu schluchzen. Leah schüttelte nur entsetzt den Kopf. Wie konnte ein Mensch so wenig Taktgefühl besitzen?

Dowling, der mit der Situation offenbar überfordert war, starrte zwischen allen Parteien hin und her. »Dann … also … dann gehe ich mal voran.«

Millie nickte nur stumm, machte aber keine Anstalten, ihm zu folgen.

»Kommen Sie?«, fragte er, als er sich zur Friseurin umblickte.

Millie sah Leah erschrocken an, wollte wohl nicht alleine sein – ob mit Dowling oder der Leiche war noch unklar.

»Muss ich auch?«, kam es verzweifelt von Amelia.

»Nein«, entschied Leah, weil sie ihr den erneuten Anblick ersparen wollte.

»Was ist jetzt?«, fragte Dowling ungeduldig.

»Wir kommen gleich nach«, sagte Leah zu ihm, was ihn grimmig dreinblicken ließ.

»Sie können ja hier warten«, meinte er, doch Millie riss erschrocken die Augen auf.

»Nein, ich helfe meiner Freundin«, erklärte Leah.

»Und was ist mit mir?«, hauchte Amelia und blickte sie verzweifelt an.

Na super! Dowling brachte sie in eine Zwickmühle.

»Noch zehn Minuten«, bat sie, was Dowling laut fluchen ließ, aber da er hier sowieso nicht wegkonnte, hatte er keine andere Wahl.

Ehe sie eine Antwort von ihm bekam, zückte Leah ihr Handy und wählte Bettys Nummer. Diese hob fast augenblicklich ab.

»Hast du ein Glück«, meinte Betty fröhlich.

---ENDE DER LESEPROBE---