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Im Niemandsland entscheidet sich, wer dein Freund und wer dein Feind ist. Der Abschlussband der Trilogie. Eine letzte Probe erwartet Kira und ihre Gefährten, denn ihr gnadenloser Erzfeind ist ihnen dicht auf den Fersen. Sie wissen, dass dieser Kampf ein für alle Mal entschieden werden muss– für das Leben aller, die sie lieben und zu schützen geschworen haben. In der gigantischen Höhlenstadt Sarkanth kommt es schließlich zum letzten Gefecht. Doch mit dem, was dann geschieht, hat keine der Parteien gerechnet. Der Fluch Moratraneums streckt seine Finger nach der Stadt und ihrem Umfeld aus und der Wahnsinn greift nach Freund und Feind gleichermaßen…
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Veröffentlichungsjahr: 2025
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Eine Zusammenfassung der bisherigen Bücher findet sich hier.
Ich weiß, Kinphauren sprechen kein Englisch. Sie sprechen aber auch kein Deutsch.
Gleich am Anfang kommt ein Liedtext vor, den ich vor Jahren schrieb und der hier perfekt passte. Ich habe mich aber leider unfähig gesehen, ihn in seiner Schlichtheit vom Englischen ins Deutsche zu übertragen. Wer beide Sprachen und ihre Eigenheiten kennt, wird beim Lesen verstehen, was ich meine.
Ich bitte das zu entschuldigen.
Für jene, die des Englischen nicht mächtig sind, habe ich als Fußnote eine wörtliche Übersetzung ohne jeden Anspruch auf poetische Formung angefügt.
Ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, den „Sea Song“ in eine andere Form zu bringen, als die, in der er, ähnlich wie in der Geschichte beschrieben, zu mir gekommen ist.
Es war ein Monster und es nahte sich schnell.
Zuerst wurde alles seltsam fahl, danach trat eine fast gläserne Stille ein. Und dann wurde sehr rasch der Himmel über dem Horizont ganz dunkel und blau.
Es war, als hätte die Welt ringsum von ihr – in ihrer Nussschale von einem Segelboot – Notiz genommen, und jetzt zog sie ihr eigenes Segel auf, eines, dass ihr zeigen sollte, wie mächtig ihr Gegenüber war und wie klein und unbedeutend dagegen sie. Himmel und das Meer zogen ihr blauschwarzes Segel hoch, um sie mit ihrer Macht einzuschüchtern.
Sie liebte es.
Sie spürte, wie ein Strom sie durchzog und das Herz in ihrer Brust sang, als hätten der Wind und das Sirren in ihrem Körper es in Resonanz versetzt.
Dharn Idaukir war weit von der Feste ihres Hauses fortgesegelt, hinaus aufs Kalte Meer, und hatte das Ufer aus ihrer Sicht verloren. Nur der Sonnenstand und ihr Gedächtnis zeigten ihr seine Richtung und die Küstenlinie an.
Fasziniert beobachtete sie, wie die Bänder an den Segeln für beinah das Maß von dreißig Herzschlägen ganz erschlafften und dann von einem Moment auf den anderen straff flatterten.
Sie blickte kurz in Richtung der Küste zurück, wo sie all die anderen Kinphauren und deren Klanangelegenheiten und Ränke hinter sich zurückgelassen hatte, biss sich dann auf die Lippe und schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht zurück. Sie wollte diesen Sturm auf dem Kalten Meer erleben und mit dem Boot auf dessen Wellen reiten.
Der Sturm schickte bereits seine ersten stärkeren Wogen voraus und ihr war klar, dass sie, wenn sie ihren Plan ausführen wollte, zunächst gehörig Geschwindigkeit aufnehmen musste.
Sie leckte sich über die Finger, streckte sie in die Luft und spürte dem Wind nach, tauchte dann unter dem Segel weg auf die andere Seite des Bootes und schlang ihre Füße in die Schlaufen. Weit lehnte sie sich über die Backbordkante hinaus, dass ihr Zopf ins Wasser baumelte und brachte ihr Boot auf Halbwindkurs.
Der Wind war ablandig, würde sie also nur noch weiter hinaus aufs Meer hinaustragen. Das würde sie zumindest vor den Gefahren einer Brandung bewahren.
Während sie so immer schneller dahinflog, kam der Sturm über den Himmel, überrollte die Fläche des dreieckigen Segels und umfasste sie mit seiner blau brütenden Macht, rahmte dessen aufstrahlendes Weiß mit gierigem Mahlen. Seine Macht peitschte das Wasser auf, ließ die Wellen immer weiter anwachsen und mit flirrender Freude im Herzen, die eine Hand an der Ruderpinne, die andere an der Schot, machte sie sich bereit für ihren Ritt.
Die erste wirklich große Welle trug sie fort. Sie spürte, wie sie sich hinter ihr immer weiter aufbaute, lehnte sich hinaus, balancierte sanft auf der Bootskante hin und her, folgte ihrem Gefühl für Boot und Welle und ließ das Ruder sacht im Einklang mitgehen.
Sie schoss in einen hoch sich bäumenden Wogenberg hinein und ein kalter Guss erwischte sie von der Seite her und ließ sie laut aufjauchzen. Hier, weit weg vom Ufer musste sie dafür niemandem Rechenschaft ablegen.
Rasch brachte sie sich in die nächste Welle und ritt diese so lange wie möglich ab, dann die nächste, dann die danach. Plötzlich brachen die Wolken auf und ein kalter Sturzregen ging aus ihnen nieder. Doch sie war ohnehin längst durchnässt. Es toste und heulte, prasselte und knatterte rings um sie. Die Kronen der Wellen wölbten sich hinter ihr über dunkel schwellenden Wogenbergen immer weiter hoch und ihre Gischt streifte ihren Nacken, zarter als der Regen, kälter jedoch und mit dem Atem von Salz und Tang.
Eine tiefe Ruhe erfasste sie, trotz des Aufruhrs um sie herum.
Die Hand am Ruder, die andere an der Schot, verlor sie sich in ihrer Freude und Tätigkeit, hängte sich hinaus, mal hierhin, mal dorthin, steuerte nach, ließ die Schot gleiten, dass ihre bewussten Gedanken sich ganz verloren und irgendwann der Punkt kam, an dem sie nur noch als Teil eines einzigen elementaren Miteinanders spürte, nichts mehr erfassen, nichts mehr erraten musste, sondern alles unmittelbar fühlte, weil sie selbst innerlich ganz leer war, nur noch eins mit dem Sturm, dem sie sich ganz hingab und dessen wildem Tanz sie sich überließ.
Jäh spürte sie den kalten Sog eines wahren Wellenmonsters in ihrem Rücken, bevor dann ein erneuter Gischtschwall sie traf. Wie ein greller Gong schreckte er sie hoch und sie hatte das Gefühl, wie schwebend über all den Aufruhr hochzutauchen und über ihn hinwegzublicken. Und eine Erkenntnis machte sich in ihr breit.
Dieser Sturm war zu mächtig.
Zu machtvoll und schnell ließ er die Wellen anwachsen und trieb sie vor sich her, schneller als sie mit ihrem Boot je werden konnte. Das machte es ihr unmöglich, darauf zu reiten.
Mancher Sturm war einfach zu stark. Von ihm konnte man sich nur noch blind davontragen lassen.
Doch auch das sollte ihr recht sein.
Bruder Sturm, nimm mich mit! Da war eine andere Art von Jauchzen in ihrem Herzen, dunkler, glühender, doch nicht weniger wild.
Nur dazu musste das Segel runter.
Von dem Moment an, da sie nicht mehr an Schot und Ruder saß und keine Verbindung mehr zu den Elementen herstellte, richtete sich die ganze Macht der Wellen und des Windes jäh gegen das Boot. Als sei sie aus ihrer Gnade geworfen worden. Ganz schnell musste jetzt das Segel runter, sonst war’s das! Fieberhaft versuchte sie, das Rigg abzufieren. Was zu einem wilden Kampf geriet. Das herabgelassene Segel flatterte und knatterte und klatschte wild umher und es brauchte all ihre Kraft, um es einzubringen, während die Wellen ihr Bestes gaben, sie über Bord zu schleudern.
Doch sie schaffte es. Sie blieb siegreich.
Das Rigg war geborgen, alles sicher vertäut und ihre Muskeln waren hart und angespannt, brannten und wurden dabei doch gleichzeitig vom Regen gekühlt. Sie ließ sich auf den Boden plumpsen, starrte vor sich hin und heftig wie ein Blasebalg in die Esse fauchte sie selbstvergessen rhythmisch in den Sturm hinaus. Einen gedehnten Moment lang.
Jetzt mochte der Sturm sie mitnehmen.
Sie kroch in die Kabine, die eigentlich nur ein Kojenraum zwischen Bugplanken und Rumpf war, zog die Decke zu sich hin und rollte sich darin ein. Dann lag sie da auf dem Rücken, blickte hoch zu den Deckenplanken und hörte den Geräuschen zu, die Sturm und Boot machten, dem Heulen, Knarren, Rauschen, Tosen und Fauchen, dem Gluckern, Perlen und Schlagen. Sie hörte dem ganzen Wüten zu, wurde mit dem Boot heftig hin und her geschleudert und geschlagen, hochgeworfen, klatschte wieder aufs Wasser zurück und sie dachte, Bruder Sturm, trag mich.
Und bevor sie sich versah, war sie eingeschlafen.
Als sie aufwachte, war es Morgen. Das Boot schaukelte gemächlich und sie kroch heraus. Das Wasser war ruhig, die Dünung flach. Es wehte ein leiser, kühlender Wind.
Sie sah sich um, machte das Schiff klar, zog die Segel wieder hoch, bestimmte am Sonnenstand Tageszeit und Himmelsrichtung und hielt aufs Ufer zu.
Als sie so an Schot und Ruder saß, war es, dass das Meereslied zu ihr kam. Es kam ungewollt und ungerufen, ohne dass sie irgendwie darüber nachgedacht hätte. Von da an war es immer ihr Segellied. Bei diesem ersten Mal sang sie es leise vor sich hin, als blase sie den Hauch ihres Atems über ein Riedrohr, rau und raspelnd, dabei so sacht und zaghaft als wollte sie ein Kind zum Einschlafen bringen.
Sie sang:
We’re both adrift out on the sea,
It carries you, it carries me.
There’s so much time, so much to do,
It carries me, it carries you.
So don’t look down, look to the sky,
The sea will rock you bye and bye.
So keep a smile, don’t wear a frown,
Look to the sky and don’t look down.
Older than the wind, younger than the sun,
We go through ages on and on.
Don’t fear the sea, it’s like a friend,
Younger than the sun, older than the wind.1
* * *
Mit diesen Worten und der Melodie im Ohr wachte sie auf, tauchte hoch aus den Wogen des Schlafs ins frische Grau eines ungeborenen Morgens. Einen Moment sann Dharn Idaukir dieser Erinnerung nach, die aus längst vergangenen Tagen im Schlaf zu ihr gekommen war, dann setzte sie sich auf und sah sich um.
Um sie herum regten sich die Ersten. Ihre Kusine Kutain Nishon war schon auf, machte sich bereits an den Pferden zu schaffen und sah sich gerade derart zum Lager hin um, dass Dharn Idaukir wusste, gleich würde sie alle hochscheuchen, um aufzubrechen.
Dharn Idaukir ließ ihren Blick im Umkreis umherwandern, suchte den Horizont ab und fand endlich an einem Hügelkamm das kleinste Anzeichen eines Umrisses, starr, unbeweglich.
Ein Reiter auf seinem Pferd, so wusste sie, weil er ihnen schon die ganze Zeit gefolgt war. Sie hatte ihn am Abend vorher beobachtet, wie er ihnen in einiger Entfernung folgte und wahrscheinlich glaubte, sie würden ihn nicht bemerken.
Was nicht der Fall war.
Es stand also zu vermuten, dass Blanik von Gydern seine Brandmarkung nicht ohne weitere Folgen überstanden hatte, denn offensichtlich war sein Urteilsvermögen getrübt. Jemand, der sich wie er so lange anscheinend in der unterschiedlichsten Umgebung, in Wildnis und mehr oder weniger dicht besiedelten Ländern, in unterschiedlichen Beschäftigungen und Tätigkeiten durchgeschlagen hatte, der Flüchtlinge verborgen von den Blicken ihrer Rasse durch die Lande gelotst hatte, sollte eigentlich die Kenntnis haben, von denjenigen, die er verfolgte, unentdeckt zu bleiben.
Sie atmete tief durch.
Blanik war nicht der Einzige, der ihren Weg gekreuzt hatte. Ein kapuzenvermummter Reiter hatte sie ebenfalls beobachtet, jedoch auf eine Art, dass zu vermuten stand, dass er gesehen werden wollte. Die Kutte hatte viel Geschick darin entwickelt, im Verborgenen zu bleiben. Wenn sich der verfluchte Geheimdienst des Idirischen Reiches so zeigte, dann sagte er einem: Wir sehen dich. Wir haben dich zur Kenntnis genommen und behalten dich im Auge.
Anscheinend schien die Kutte aber mehr auf Eile als auf Heimlichkeit bedacht. Sie machte sich kaum Mühe, ihren Weg zu verschleiern. Der ihnen hinterhergesandte Wegspürer konnte berichten, dass sie sich rasch in Richtung der Berge von ihnen entfernte. Wohin, war nicht zu sagen.
Später am Tag waren sie dann auf den Ort eines Kampfes gestoßen und es stand zu vermuten, dass die Kutte darin verwickelt war. Die Leichen aller, die dort zu Tode gekommen waren, hatte man aufgehäuft und dann verbrannt. An den Überresten war zu erkennen, dass einige beritten gewesen waren, denn es fanden sich Pferdekadaver darunter. Die Überbleibsel boten sonst wenig Anhaltspunkte. Zumindest konnte man sagen, dass es sich um Menschen und nicht um Kinphauren gehandelt hatte, die hier zu Tode gekommen waren. Was man an Ausrüstungsgegenständen ausmachen konnte – Waffen hatte man keine hiergelassen –, hatte ziemlich uneinheitlich und zusammengewürfelt gewirkt. Es mochten Rebellen gewesen sein; es konnte sich aber auch um eine Fehde unter Menschen handeln, deren Eigenarten Dharn Idaukir sich ohnehin entzogen.
„Auf!“, rief in diesem Moment ihre Kusine und kniete sich dabei zum Anführer ihres Dharn-Kreises der Messer, fasste ihn bei der Schulter, während ihr Blick zu Dharn Idaukir herüberging und sie ihr sacht, aber bestimmt zunickte.
„Auf!“, wiederholte sie, diesmal entschiedener zu den Leuten ringsum. „Wir haben ein Treffen vor uns und wir wollen doch nicht würdelos unseren Bündnispartnern hinterherjagen müssen.“
Sie schickten ihren Wegspürer aus und eine Stunde nachdem sie aufgebrochen waren, kehrte dieser mit Nachrichten zu ihnen zurück.
* * *
Als sie über den Kamm hinabritten, erwartete man sie bereits. Kutain Nishon beobachtete, wie der Konvoi mit Fußsoldaten, Reitertruppen, Wagen und Tross mit den Bannern des Klans Vhay-Mhrivarn weiter in langer Reihe durch die graue herbstliche Landschaft zog, während zwei recht unterschiedliche Abteilungen der Eskorte anhielten, die anderen langsam passieren ließen und ihnen entgegensahen.
Die größere Abteilung erkannte sie als Krieger des Klanschilds, während die anderen, wegen denen sie hierhergekommen waren, sich im Hintergrund hielten. Der Hauptmann des Klanschilds, ein Roter Dolch, ritt ihnen entgegen.
Kutain Nishon schaute noch einmal kurz ringsum, bevor sie mit der anderen Abteilung zusammentraf, sah ihre Kusine Dharn Idaukir an ihrer Seite, jenseits davon zu beiden Seiten aufgefächert die Angehörigen ihres Dharn-Kreises der Messer in ihren mahagoniroten Rüstungen mit den zackigen, weißen Streifen.
Sie richtete sich hoch im Sattel auf und lenkte ihr Pferd hinüber zu dem des Kommandanten an der Spitze des Klanschilds.
Knapp tauschte Kutain Nishon mit ihm die angemessenen Begrüßungsformeln aus.
„Wir treffen euch dort an, wo Eure letzte Orbusbotschaft vermuten ließ“, sagte sie dann.
„Ihr seid eilig unterwegs gewesen“, entgegnete der Rote Dolch.
„Wir sind es noch immer“, antwortete Kutain Nishon. „Wie ich Euch in der Orbusbotschaft mitteilte, sind wir in drängenden Angelegenheiten des Klans unterwegs. Der Baum des Klans hat Schmach davongetragen, da ein Fehdefeind unseren Stützpunkt einnahm.“
„Klan Khivar, so sagtet ihr in der Botschaft, doch wer –“
Sie hob die Hand, um seinen Worten Einhalt zu gebieten, und wandte sich im Sattel zur Seite, wo gerade die zweite Abteilung absaß und sich anschickte, gesammelt zu ihnen herüberzukommen. Sie trugen die traditionelle, dreiteilige Tracht der Kinphauren in Goldgelb über anthrazitgrauem Panzer. Oben die offene khaipra, den breiten Leibgurt und die weiten, hoch geschlitzten Hosen. Über jeder Schulter ragte der Griff einer Klinge auf.
Idarn-Khai. Ihretwegen war sie gekommen.
Etwa zwei Dutzend ihrer Kriegerkaste. In disziplinierten Reihen rückten sie an, die weniger den Eindruck eines rigiden militärischen Drills erweckten, sondern einer eingeborenen Gewohnheit. Hinter ihnen trabte eine schwere Masse von Ross und Reiter heran. Es tat einen dumpfen Aufprall, als die Gestalt sich vom Rücken ihres Reittiers gleiten ließ und auf dem Boden aufsetzte. Dann stapfte sie näher und ragte dabei über die Köpfe der hinteren Reihe der Idarn-Khai hinaus. Das massige Reittier hinter ihr schnaubte laut und scharrte mit den Hufen.
Die Gestalt kam heran und die Reihen teilten sich für sie.
Breitschultrig und alle anderen weit überragend schritt sie hindurch. Dunkle Panzerplatten, schwarz wie Pech, ließen den Körperbau nach oben hin noch breiter erscheinen, beinah schon grotesk. Hinter den Schultern ragten ebenfalls die Griffe zweier Klingen auf, die an dieser Kreatur jedoch klein wie Spielzeuge wirkten. Nur eine goldgelbe khaipra fiel an der Gestalt herab, dazu war der vorud, der Leibgurt, breit um seine Taille gewickelt. Keine Hose wollte zu diesen mächtigen, beinah raubtierhaft gebogenen, schwarz gepanzerten Beinen passen. Es war kein menschlicher Kopf, der wie eingezogen zwischen den Schultern saß, weder nach den Maßstäben ihrer Rasse noch nach jenen der Mainchauraik-Flachgesichter noch nach irgendeiner anderen Rasse, die von dieser Welt stammte. Lang, schlank und kompakt war er, nach hinten gezogen und er glänzte beinah wie eingeölt, als er sich auf sie ausrichtete.
Ein einziges, bleiches Auge fixierte sie aus der Mitte des Schädels, seltsam rund, als werde es von keinen herkömmlichen Lidern eingefasst. Zwei kleinere Augen wie glitzernde Perlen folgten seitlich am Schädel seiner Richtung.
Während die Gestalt näher auf sie zutrat, bohrten diese drei Augen sich in sie. Der Hauptmann des Klanschilds ließ sein Pferd beiseiteweichen, als die Kreatur etwa drei Schritt von ihr entfernt stehen blieb. In einem doppelten Paukenschlag stapften dessen Füße auf. Selbst unberitten reichte ihr die Kreatur fast noch immer bis zur Brusthöhe. Ihr Pferd tänzelte unruhig auf der Stelle und sie musste es beruhigen, indem sie ihm den harten, schlanken Schädel hoch zum Mähnenkamm streichelte.
Sie hob das Kinn, als die wuchtig ungeschlachte Kreatur mit dem Schädel ruckte und ihren Mund bewegte, ihn zu einem Spalt klaffend öffnete, dass eine Reihe messerscharfer Zähne sichtbar wurde. Wie ein heißer Hauch fuhr der Atem in die kühle Luft und verdichtete sich zu blassem Dunst, der sich um die Pferdeflanke absenkte.
„Seid gegrüßt, Vhay-Mhrivarn vai-Dharn Kutain Nishon, schwarzer Mond Vhay-Mhrivarns“, sagte die Kreatur und neigte ihren glatten, dunklen Schädel.
„Seid ebenfalls gegrüßt, Vhay-Mhrivarn Danvaik Gor“, erwiderte sie ihrerseits mit einem Senken des Kopfes.
„Es hat mich betrübt, vom Tod Eures Klingengatten Kutain Veren zu hören“, sagte die Kreatur, die Danvaik Gor war, und legte die Faust auf ihr Herz.
„Sein Pfad am Baum unseres Klans hat Bestand. Er ist unauslöschlich und wird immer bleiben.“ Sie tätschelte ihr Pferd erneut, schwang sich dann von seinem Rücken, reichte ihrer Kusine die Zügel hinüber und trat vor den Kunaimrakörper Danvaik Gors. „Umso mehr wird es Euch betrüben, dass auch mein Bruder Dharn Baraukh ihm gestern zu den Drachen gefolgt ist.“
Die massive Gestalt zuckte ein wenig zurück, doch an dem unmenschlichen Gesicht war keine Spur der Überraschung abzulesen; es zeigte schlicht keinerlei menschliche Mimik. „Wie das? Wie konnte das geschehen?“
Kutain Nishon streckte sich zu ihrer vollen Größe, bog die Schultern zurück und nickte. „Das ist der Grund, warum ich Euch brauche. Khi var‘n Sipach Dharkunt ist auf den Boden des Klans Vhay-Mhrivarn vorgedrungen. Er hat unseren Stützpunkt in einem Moment, da wir geschwächt waren, angegriffen und hat mit seinem Ankchorai und seinem Klingenstern den Großteil meiner Krieger getötet.“
„Das ist ein schweres Schandmal am Baum unseres Klans“, meinte Danvaik Gor.
Und es war geschehen, als sie versucht hatte, ihrerseits dem Klan Khivar ein schweres Schandmal beizubringen. Davon jedoch sprach sie nicht, sondern nickte nur.
Die groteske Gestalt der Kriegskreatur blieb starr vor ihr stehen, schien sich zu besinnen. Danvaik Gor wusste genau, was zuvor geschehen war, dass nämlich var’n Sipach derjenige war, der auch schon für den Mord an ihrem Klingengatten in Rhun verantwortlich war. Offenbar beschloss Danvaik Gor jedoch, nichts davon zu erwähnen, sagte stattdessen, „Ich hörte, var’n Sipach ist auf dem Pfad der Heilung.“
„Die Kunde darüber reist schnell.“
Danvaik Gor ließ ein rumpelnd grollendes Geräusch hören und Kutain Nishon wusste, dass so dieser Körper Danvaik Gors Lachen übersetzte. „Var’n Sipach ist als Bevollmächtigtes Beil des Roten Dolches die rechte Hand des Heereskommandanten von Rhun. Und wir sind Kinphauren. Wir wissen Bescheid über die Fehden und Netze.“
Sie spürte, wie ebenfalls ein Lächeln ihre Lippen krauste, das hart war und von keiner Flamme des Humors gewärmt. „So ist es, Danvaik Gor. Um var’n Sipachs Pfad der Heilung ging es bei der Auseinandersetzung. Und darum, ihm seine Ehrengeltung zu nehmen und für unser Haus die Schmach zu tilgen, die er ihm durch den Tod meines Klingengatten zugefügt hat. Aber die Einzelheiten kann ich Euch auf dem Weg erzählen.“
Sie hörte ein leises Sirren, als das mondrunde Auge von Danvaik Gors Körper sich neu auf sie einzustellen schien. „Ich habe also Eure Orbusbotschaft richtig verstanden, dass Ihr meine Unterstützung in Sachen des Hauses Vhay-Mhrivarn erbittet?“
„So ist es.“
Danvaik Gor brummte nachdenklich vor sich hin. Durch die Masse des Schädels wurde es zu einem tiefen, untergründigen Grollen, das sie beinah als Vibration in den eigenen Knochen zu spüren glaubte. „Ein Schlag gegen den Klan Khivar“, sann er vor sich hin, schien dies abzuwägen, dann ruckte der Schädel hoch, drehte sich so, dass er auf sie herabsehen konnte. „Doch unser Auftrag ist es, diesen Konvoi der Truppen unseres Klans zu bewachen, die zur Unterstützung der Kämpfe in Lygarnien unterwegs sind. Der letzte Konvoi des Klans Mainrauk wurde von der Kutte angegriffen, zerstört und alle Krieger getötet.“
„Die Kutte ist fort“, wandte Kutain Nishon ein. „Wir haben sie gesehen, wie sie sich in Eile in Richtung der Berge davongemacht hat. Und die Truppen der Rebellen, die sich in dieser Gegend aufhielten, haben wir durch unsere Vorstöße so verunsichert, dass dieses Terrain als von uns beherrscht gilt und sie sich aus dieser Region zurückziehen.“
„Die Kutte ist von hier verschwunden?“ Der große, wuchtige Körper regte sich, verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere. „Dabei hatten wir fest damit gerechnet uns gegen sie zur Wehr setzen zu müssen. Deshalb sind wir Idarn-Khai diesem Konvoi beigeordnet.“
Dabei vergaß Danvaik Gor zu erwähnen, dass er als deren Kommandant, ein ausgebildeter Krieger der Idarn-Khai, dessen Seelenstein in einen Kunaimrakörper versetzt worden war, vielleicht die stärkste Waffe gegen jeden Angriff darstellte. „Homunkulus“ wurden die künstlich geschaffenen Kunaimrauk von den Menschen genannt und sie wurden gefürchtet.
„Wir wissen nicht, warum sie verschwunden sind“, sagte sie, „doch ist daher die Notwendigkeit Eurer Begleitung und des Schutzes nicht länger gegeben. Und Ihr könnt Euch uns auf dem Fehdezug gegen den Klan Khivar anschließen.“
Wieder erscholl das tiefe Grollen, das ein nachdenkliches Brummen darstellen sollte. „Var’n Sipach Dharkunt, das Bevollmächtigte Beil des Roten Dolches“, meinte er dann sinnend, was bei dem grobschlächtigen Instrument, das ihm zu seinem Ausdruck zur Verfügung stand, befremdlich wirkte. „Haupt des Hauses var’n Sipach im Klan Khivar. Das goldene Blatt am Stamm der Khivar. Auf den Pfad der Heilung gesandt.“
Das Geschöpf, in dem Danvaik Gors Seelenstein derzeit wohnte, starrte eine Weile vor sich hin, als sei der mächtige Körper in Starre eingefroren. Dann regte er sich erneut und der tief zwischen den wuchtigen Schultern sitzende Kopf richtete sich auf sie aus. „Ihr habt recht. Es ist eine Gelegenheit, den Klan Khivar schwer zu treffen. Schon allein dadurch, dass ihm das Privileg genommen würde, das Bevollmächtigte Beil des Roten Dolches zu stellen.“
Sehr gut. Sie hätte nur ungern ihre Autorität als der Schwarze Mond des Klans Vhay-Mhrivarn in die Waagschale geworfen. Es war so viel besser, wenn Danvaik Gor ihr aus eigenem Entschluss beistand. Eigentlich hatte sie daran auch kaum einen Augenblick gezweifelt.
Danvaik Gors Kunaimrakörper drehte sich in der Hüfte, wobei die wuchtigen Beine wie in den Boden eingepflanzt stehen blieben, eine Bewegung, wie sie bei einem Menschen nicht möglich schien, und wandte sich dem Hauptmann des Klanschilds zu. „Reist alleine nach Lygarnia weiter. Für den Konvoi scheint keine Gefahr mehr zu bestehen, mit der ihr nicht selbst fertig werden könnt. Zur Sicherheit lasse ich Euch die Hälfte meiner Idarn-Khai.“
Die Gestalt wandte sich wieder Kutain Nishon zu. „Und wir, wir werden die Feinde unseres Klans jagen.“
* * *
Dharn Idaukir blickte vom Rücken ihres Pferdes hinab auf die wuchtige, schwarz gepanzerte Gestalt in weiter goldgelber khaipra, die neben ihrer Kusine in ihrer schlanken, blutroten Rüstung mit den knochenweißen Zackenstreifen stand.
Wir werden die Feinde unseres Klans jagen.
Und uns nicht dem Krieg unseres Volkes anschließen.
So schnell war diese Entscheidung getroffen. So eindeutig war die Entscheidung für diesen Mann, dessen wahrer Körper wahrscheinlich in einer Stadt oder Festung Nord-Vanarands lag und der seinen Seelenstein in diesen machtvollen Körper hatte übertragen lassen, um so als ausgebildeter Krieger der Idarn-Khai dem Krieg Kinphaidranauks noch besser dienlich zu sein.
Kinphaidranauk, Zorn der Kinphauren, so nannte sich ihre neue Anführerin in diesem Krieg, und sie hatte die Kraft und die Ausstrahlung und den Magnetismus besessen, zum ersten Mal seit langer Zeit die zerstrittenen Klans unter sich zu einen. Außerdem schrieb man ihr zu, dass sie über übernatürliche Fähigkeiten verfügte, die tief in die glorreiche Vergangenheit ihres Volkes zurückgingen. Aber offenbar reichte all dies nicht, die Kinphauren auch über die erste Invasion des Idirischen Reiches so zusammenzuhalten, dass sie die Sache ihres Volkes über Klanfehden stellten.
Nicht die Tatsache, wie Danvaik Gor sich entschied, war es, die sie erstaunte, sondern die Schnelligkeit, mit der man sich für das eine entschied und das andere abgetan wurde.
Sie sah ihre Kusine wieder zu ihr treten, sah, wie sie ihr die Hand entgegenstreckte, um wieder den Zügel ihres Reittiers zu übernehmen, und ihr dabei ein befriedigtes, aber hartes Lächeln schenkte. Ihre Augen blitzten unter den kohledunklen, zusammengezogenen Brauen und es lag ein Funke jenes Grimms darin, den sie auch schon direkt nach dem Tod ihres Bruders Dharn Baraukh an ihr bemerkt hatte, als sie vor var’n Sipach aus dem Batairgiden-Kloster hatten fliehen müssen, das sie sich zu ihrem Stützpunkt gemacht hatten.
Sie hatte mit ihrer Kusine nicht darüber gesprochen, was genau sie mit der Unterstützung der Idarn-Khai vorhatte, und sie glaubte auch nicht, dass Kutain Nishon präzise Pläne hatte. Aber ihr klang noch immer ein Satz in den Ohren, den Kutain Nishon gesagt hatte. Er war gefallen, als sie erklärt hatte, sie würde, um var’n Sipach zu finden, diejenigen verfolgen, die er jagte. So würde sie sicher auf ihn treffen. Dann kam dieser Satz: Die Überlebenden dieses Zusammentreffens bestimmen mit ihrer Aussage, was geschehen ist.
Von ihrer Kusine, die aufsaß und dann ihr Pferd zu den Kriegern ihres Klingensterns wendete, sah sie hinüber zu den goldgelb gewandeten Idarn-Khai, die hinter dem monströsen Körper ihres Anführers her zurück zu ihren Reittieren schritten. Elegant schwangen sich die Idarn-Khai auf die Pferderücken und ihre Truppe teilte sich augenblicklich in jene, die weiter dem Konvoi nach Lygarnia folgen wollten und jenen, welche sich ihnen auf dem schnellen Ritt nach Sarkanth anschließen würden, dem Tor zur Hauptstadt ihres einstigen Reiches Khiunur.
Danvaik Gor jedoch ging hinüber zu seinem Reittier, das schwerfälliger wirkte als die Kinphaurenrosse. Es schnaubte, als er sich näherte, warf den Schädel umher, der eine gewisse Ähnlichkeit mit einem ihrer Pferde hatte, jedoch auch stumpfer, massiver wirkte. Sich vor allem durch seine Farbe von einem Pferd unterschied – rot wie bloße, rohe Muskelstränge, so als habe man das Tier gehäutet, und derart glänzend und glatt wirkte es auch.
Man sagte, dass Braktaudronten Streigenblut in sich hätten, vermischt mit dem ihrer eigenen Kinphaurenpferde. Doch hatte Danvaik Gors Reittier auch etwas von jenen Tieren, die sich im Süden des Kontinents Kumarautis finden sollten und ein einziges Horn auf dem Schädel trugen und deren Flanken ebenfalls wie die der Braktaudronten durch einen Hornpanzer geschützt waren. Kantig zeichnete er sich unter der Haut an der Flanke ab, wo er sich vor den Beinansätzen und dem Hals hochwölbte, der kürzer als der eines Pferdes war.
Mit einem gewissen Schwung wuchtete Danvaik Gor seinen massiven Körper aus dem Steigbügel hoch auf den Rücken des Tieres, thronte dann breitbeinig im Sattel und nahm einen speerähnlichen Stab aus dem Holster. Damit spornte er sein Reittier an, das mit einem erstaunlich jähen Satz nach vorne schoss und dann in einen langsamen Gang verfiel, hangaufwärts zu ihnen hoch.
Als sie sich in Bewegung setzten, hinter ihrer Kusine Kutain Nishon her, und die Abteilung Idarn-Khai ihnen folgte, musste sie feststellen, dass sich der agile Eindruck bestätigte, den das erste Hochschrecken des Tieres erweckt hatte. Für seinen brachialen Charakter und seine Masse erwies es sich als erstaunlich beweglich.
Jedenfalls hielt es mit Danvaik Gor auf seinem Rücken mühelos mit ihnen mit, als sie in einen schnellen Trab verfielen und Hänge hinaufeilten. Gras und Gesträuch flogen unter ihnen dahin und die schweren Erd- und Grasbrocken, die unter seinen Hufen aufstoben, machten den einzigen Unterschied, den der Braktaudront gegenüber ihren Pferden aufwies.
Von hier aus nach Sarkanth war es kürzer als über das Batairgiden-Kloster und so war sie sich sicher, dass sie die Stadt im Berg rechtzeitig erreichen würden.
* * *
Es war, als sie an einem Bachlauf Rast machten, dass Dharn Idaukir ihre Kusine beiseitenahm und sie auf ihr Befremden über die Art der Entscheidung Danvaik Gors ansprach.
Ihre Kusine war in ihrer blutroten, weiß verzierten Rüstung am Bachlauf niedergekniet, schöpfte Wasser in ihre beiden Hände, klatschte es sich ins Gesicht und fuhr mit den nassen Händen ihre hohe Stirn hoch zu ihren schwarzen Haaren, die in drei dicken Zopfsträngen straff nach hinten geflochten waren.
„Ich bin etwas verwirrt“, hob sie an, während sie neben ihre Kusine trat und den Blick über die Landschaft, das dichte Gesträuch und die Gruppen von Bäumen gleiten ließ.
Kutain Nishons Blick kam zu ihr hoch. Wasserperlen glitzerten auf ihren hohen Wangenknochen und liefen ihre scharf geschnittene Nase hinab. „Was verwirrt dich, meine kleine, stählerne Kusine? Die du dir doch sonst in allen Dingen so sicher bist.“
„Ich bin im Zweifel über das, was wir tun.“
„Wir?“ Die tiefdunklen Brauen Kutain Nishons zogen sich fragend zusammen.
„Wir, die wir hier auf diesem Streitzug sind, und wir Kinphauren als Rasse.“
Kutain Nishons Lippen krausten sich zu einem Lächeln, das ihr nach den Ereignissen der letzten Zeit hart geraten war. „So tief gehen deine Gedanken?“
Zorn flammte kurz in ihr hoch, bei dem Spott, den sie in diesen Worten spürte. „Ja, so tief gehen sie – du solltest mich doch inzwischen kennen.“ Sie atmete tief durch, um zu ihrem ursprünglichen Gedanken zurückzufinden. „Ich frage mich, ob wir bei alledem nicht den Stellenwert unserer Ziele und Bestrebungen verloren haben, ob wir den richtigen Dingen den Vorrang geben.“
Kutain Nishon kniff die Augen zusammen und legte den Kopf schräg, als wollte sie um weitere Erläuterung bitten.
Dharn Idaukir atmete tief ein, entließ dann die Luft und ließ Schulter und Brust sich senken, schaute vor sich hin. „Unsere Fehden …“, begann sie. „Die Fehde mit dem Klan Khivar, mit dem der Mar’n-Khai … Wir befinden uns in einem neuen, großen Krieg, an einem neuen Morgen unserer Rasse. Und doch sind unsere Fehden so wichtig für uns, dass wir ihnen selbstverständlich, beinah reflexhaft ohne jedes Zögern nachgehen. Und alles andere darüber vergessen.“ Sie zuckte die Schultern, sah wieder ihre Kusine an. „Ich frage mich, ob wir über unsere Fehden nicht den Sinn für unsere Prioritäten verloren haben.“
Ihr Kusine Kutain Nishon stutzte, stand dann mit einem Ruck auf und blickte ihr auf gleicher Höhe ins Gesicht. Ihre nachtdunklen Augen funkelten. „Stellst du unseren Rachefeldzug hier infrage? Stellst du infrage, dass wir gegen den verfluchten var’n Sipach auf den Pfad der Vergeltung gehen? Bei allem, was er getan hat?“
Da war sie, die Frage, der Stachel, den sie erwartet hatte.
„Nein, das tue ich nicht“, sagte sie und fügte rasch hinzu, „Ich stelle nicht die Berechtigung deines Zorns und des Rechts zur Vergeltung infrage. Und dass es eine gewichtige Sache für den Klan Vhay-Mhrivarn ist. Du hast deinen Klingengatten verloren, du hast durch die Hand desselben Mannes deinen Bruder verloren, meinen Vetter … Doch du hast es selbst gesagt: Ihre Pfade sind unauslöschlich und bleiben ewig bestehen.“ Sie zögerte, suchte nach Wegen, wie sie das ausdrücken konnte, was ihr in der Seele umherschwirrte. „Es klingt, als wärst du über die Trauer hinausgewachsen. Und ich glaube dir die Worte. Solltest du da nicht …“ Sie verstummte, weil sie merkte, dass alles, was sie sagen könnte, sie auf heikles Terrain führte.
„Trauer?“, fuhr Kutain Nishon auf. „Trauer ist es nicht, die mich antreibt!“ Sie schien sich des heftigen Tons ihrer Stimme bewusst zu werden und schaute sich um. Einige der anderen Krieger, die sich ein Stück entfernt erfrischten, ihre Feldflaschen auffüllten oder sich um ihre Pferde kümmerten, sahen sich zu ihnen um.
Kutain Nishon bemerkte es ebenfalls, fasste sie bei der Schulter und nahm sie ein paar Schritte beiseite, fort vom Bach, hin zu einem Gesträuch und einem Hain aus zahlreichen beieinanderstehenden Bäumen.
„Es ist keine Trauer mehr, die mich antreibt“, sagte sie dort schließlich ruhiger, indem sie ihr eindringlich ins Gesicht blickte. „Sicher empfinde ich Trauer darüber, dass die beiden nicht mehr in meinem Leben sind. Aber sie treibt mich nicht an. Ich glaube zutiefst an die Anschauung der Pfade unseres Volkes, dass unsere Handlungen unvergänglich sind.“ Sie machte eine Pause, atmete ein, dass sich ihre Nüstern weiteten, ihre Brust sich hob und ihre Schultern sich streckten. „Nein“, sagte sie dann mit Feuer im Blick, „es ist die Rache, die mich antreibt, das Feuer der Vergeltung im Dienst der Ehre unseres Klans. Und deswegen, werden wir var’n Sipach jagen.“
Und genau das war es, was ihr im Kopf herumging. Sie fragte sich, ob genau diese Denkweise nicht so überhandgenommen hatte, dass sie zu einer Schwäche der Kinphauren wurde. Ob sie sich nicht von Klanränken, von Rache und Fehde so überwältigen ließen, dass es ihren Willen schwächte und sie von ihrem Ziel ablenkte. Doch etwas anderes war es, was ebenfalls an den Rändern ihres Bewusstseins nagte. Etwas anderes als die Frage, ob die Kinphauren nicht viel mehr erreichen könnten, wenn sie ihrem Willen und den Vorrang ihrer Bestrebungen bündeln würden. Vage umstrich es ihren Geist und ihre Sinne, zerrte und zog an ihr.
Auch Kutain Nishon schien es bemerkt zu haben, denn sie sah sie an und richtete das Wort an sie. „Kusine, was ist es. Beschäftigt dich dies alles so stark …“
Kutain Nishons Worte verschwammen. Da war es, das, was die ganze Zeit an ihren Sinnen zerrte. Wie fahrlässig von ihr. Sie stieß einen Fluch aus, dass Kutain Nishon erstaunt zusammenzuckte.
„Kutai –“ Sie wollte ihren Namen rufen, sie zurückstoßen.
Denn in diesem Moment teilte sich das Zweigwerk des Gestrüpps und eine Gestalt brach daraus hervor. Ein vor Leidenschaften verzerrtes Gesicht. Sie hatte ihn aus den Augen verloren seit dem frühen Morgen. Das Licht, das durchs Geäst drang, schien blitzend hell auf der Klinge, die Blanik von Gydern im hohen Bogen schwang und die genau auf den Hals Kutain Nishons zielte.
* * *
Das scharfe, heiße Brennen war gewichen und hatte etwas anderem Platz gemacht. Das Sengen verbrannter Gesichtshaut wurde weniger grell und war ein beständiger Schmerz, der zu einer Konstante wurde, wie die Sonne am Himmel. Der Geruch verbrannten, eiternden Fleisches trat in den Hintergrund oder aber er gewöhnte sich daran.
Was jedoch nicht wich, war die Wut, der rasende Zorn auf seine Peiniger, auf das verfluchte Kinphaurenweib mit den falschen Abgrundaugen, das ihm das angetan hatte. Das ihn gebrandmarkt hatte, ihn verunstaltet und ihn, Blanik von Gydern, zu einem gezeichneten Ungeheuer gemacht hatte. Kutain Nishon hatte ihm ihr Klanzeichen ins Gesicht einbrennen lassen. Als Lohn dafür, dass sie ihn gezwungen hatte, Leute seiner eigenen Art zu verraten. Leute, die ihm vertraut hatten. Diese widerwärtige Hexe, die Versucherin.
Dafür würde er sich an ihr rächen, das würde er ihr heimzahlen. Seine Wut und seine Rachelust waren ins Unermessliche gestiegen, als er wie im Halbbewusstsein sein Pferd hinter ihr und ihrem Trupp hergelenkt hatte, von ferne ihrem Weg gefolgt war.
Es war ein seltsamer Ritt gewesen, vom Rücken des Pferdes getragen, von seinen Bewegungen geschaukelt, so wie er von den Dünungen seines Wahns und seiner Ohnmacht gewiegt wurde. Tag und Nacht vergingen, Bewusstseinsflackern folgte durchgeistertem Halbbewusstsein, folgte vollständigem Versinken im Feuer und im Vergessen.
Denn dieses Feuer, dieses Glühen war aus dem grellen, heiß sengenden Schmerz gewachsen wie eine wuchernde Blüte. Es hatte ihn ganz umfasst und eingehüllt. Es ging durch seinen ganzen Körper und umschlang ihn wie Schichten kochender Laken.
Ihm war noch genug Bewusstsein geblieben, um diesem verhassten Weibsgetier auf den Fersen zu bleiben, ihre Spur zu verfolgen und sie nicht entrinnen zu lassen. Er folgte ihr.
Bilder waren hochgestiegen durch die Pforte seiner Augen in sein Bewusstsein, Orte die er wiedererkannte, Landschaft, an die er sich von seiner Reise mit Kira und ihren Gefährten erinnerte.
So wie der Ort des Kampfes gegen die Streigensöhne. Er öffnete die trüben, verklebten Augen, während sein Pferd ihn sanft schaukelnd auf seinem Rücken weitertrug, und da lag er erneut vor ihm. Der Ort, an dem er in der Reihe Kiras und ihrer Gefährten gestanden hatte und gegen die Banditenhorde gekämpft hatte, die sich die Streigensöhne nannte. Jetzt war er verbrannt und rauchend, wie aus einer Unterwelt aufsteigend. Ein Leichenhügel erhob sich hier, den jemand errichtet und dann in Brand gesetzt hatte.
Erinnerungen an diesen Kampf verdrängten seine Rachevisionen, Bilder tauchten wieder vor seinem inneren Auge auf. Blitzende Klingen, heranpreschende Pferde. Wie er sich auf den Pferderücken eines Angreifers geschwungen hatte. Schwerterklirren.
Waffen!
Er würde Waffen brauchen, wenn er Rache nehmen wollte. So gern er das mit bloßen Händen tun würde, so sehr hatte ihn das Fieber aber dennoch nicht in seinem Griff, dass er geglaubt hätte, seine Rache ohne eine Waffe in der Hand ausführen zu können.
Aber hier fand er nur einen verkohlten Leichenhaufen. Die Kadaver von Menschen und Pferde, zum Teil bis aufs Skelett herabgebrannt. Aber keine Waffen. Jemand musste sie alle sorgsam eingesammelt und mitgenommen habe.
Wo konnte er hier nur eine Waffe finden?
Trotz seines wahngeplagten Bewusstseins versuchte er, sich die Einzelheiten des Kampfes in Erinnerung zu rufen.
Da war dieser Zweikampf gewesen, als er sich auf den Pferderücken seines Gegners geschwungen hatte. Der Mann mit dem Bocksgesicht. Er erinnerte sich, wie er dem Kerl eine tödliche Wunde zugefügt und sich dann wieder vom Pferd heruntergeschwungen hatte, um seinen Gefährten beizustehen.
Das Pferd mit dem tödlich Getroffenen war, war weitergaloppiert … Vielleicht …
Während er seiner Erinnerung nachgegangen war, hatte er sich umgesehen und versucht, sich zu erinnern, wo der Kampf stattgefunden hatte, wohin das Pferd danach gelaufen war.
Er fand sich auf dem Boden kriechend wieder. Dass er abgestiegen war, daran konnte er sich nicht erinnern. Er kroch durch Gras, durch Gebüsch, immer weiter in die Richtung, in die das Pferd das tote Bocksgesicht davongetragen hatte.
Das Gestrüpp wurde immer dichter und plötzlich waren seine Hände wie durch ein Wunder auf einen menschlichen Körper gestoßen. Er hatte ihn betrachtet und gefunden, dass es Bocksgesicht war, der leer in den Himmel starrte. Aus Augenhöhlen, denen schon ein Augapfel fehlte. Vielleicht war es das Krächzen der Krähen gewesen, dass ihn hierhin geleitet hatte. Wahrscheinlich war Bocksgesicht damals nach ihrem Kampf von seinem Pferd gestürzt und hier ins dichte Gestrüpp gefallen. Dort war er liegen geblieben und niemand hatte seine Leiche gefunden. Das Krummschwert, das er damals getragen hatte, war ihm offenbar auf dem Pferderücken sterbend entglitten, doch die kurze Klinge trug er noch am Gürtel.
Die nahm Blanik an sich.
Und schleppte sich zu seinem Pferd, das noch immer friedlich graste und schwang sich auf dessen Rücken, trabte durch den heißen Ofen seines Fiebers hindurch in die Nacht.
Er hatte eine Waffe gefunden. Ein Werkzeug, um seine Rache zu üben.
Der Morgen, bei dem er sich im Gestrüpp von Wahn und Feuer und Ohnmacht verlor, bescherte ihm einen Trupp in der Ferne mit Kutain Nishon an der Spitze, der wieder in die Richtung zurückkehrte, aus der sie gekommen waren. Trotz allem, was geschehen war, war das Glück offensichtlich noch mit ihm.
Von ferne folgte er ihnen wieder auf dem Weg zurück und er musste erleben, wie sein schwankender Kurs sie zu ihm trug. Er sie einzog, wie ein Fischer sein Netz, so kam es ihm vor. Ins baumbestandene Gelände, zwischen Wäldchen und Gestrüpp, hin zu dem Bachlauf, der plötzlich glitzernd vor ihm aufgetaucht war, trieb es sie zu ihm hin. Er versteckte sich, versteckte sein Pferd, während die Welt wankte und ihm zeitweilig wegsank.
Doch dann waren sie vor ihm. Direkt vor ihm, er konnte es nicht glauben. Dieses nachtäugige Miststück in ihrer blutfarbenen Rüstung mit weißen Blitzen und die dunkelrote Stämmige. Sie waren nicht weit von ihm entfernt am Bachlauf. Das Miststück kniete, die andere mit den vielen Zöpfen sprach offenbar zu ihr.
Und dann kamen sie sogar zu ihm herüber. Er konnte es nicht fassen.
Seine Hand glitt zum Griff der Klinge, als er sich tiefer ins Gestrüpp duckte. Sie redeten miteinander, aber die Worte konnte er nicht verstehen. Er hörte nur das Dröhnen in sich wie eine gewaltige Pauke und das Lodern, das jetzt wieder ganz seine Wut war und ihn erfüllte.
Das Dreckstück würde bezahlen für das, was sie ihm angetan hatte, er würde sie aus dem Leben tilgen, er würde ihr die Kehle aufschlitzen, dass ihr Blut so rot spritzte, wie die Platten ihrer Rüstung gefärbt waren.
Er packte sein Kurzschwert fester, fasste die Stelle ins Auge, wo sein Stahl treffen musste, den Hals dieser Hexe, führte die Bewegung vor seinem geistigen Auge aus, brach zwischen den Zweigen hervor, schwang die Klinge und sprang.
* * *
Dharn Idaukir sah das hassverzerrte Gesicht Blanik von Gyderns mit dem Klanzeichen in rohem Fleisch eingebrannt auf seiner Wange, sah die Klinge, die auf den Hals ihrer ahnungslosen Kusine zielte, die gerade zu einer Erwiderung auf das ansetzte, was sie zu ihr gesagt hatte.
Dharn Idaukirs Klinge flog in ihre Hand, durchschnitt die Luft und Stahl traf auf Stahl.
Blaniks Gesichtsausdruck wandelte sich von Hass zu Ungläubigkeit, als sein Blick die plötzlich aufgetauchte Klinge entlangglitt und zu ihrem Gesicht fand.
Dharn Idaukir warf sein Schwert in der Bindung zurück und seinen Träger mit ihm. Sie brachte ihn aus dem Gleichgewicht, dass er rücklings ins Gesträuch fiel und die Zweige unter sich zerbrach. Sofort war sie über ihm und setzte ihm ihren Stiefel auf die Brust, nagelte sie ihn auf dem Boden fest.
Im Hintergrund entstand Aufruhr, als ihre Krieger den Vorfall bemerkten und herbeieilten.
Sie hatte Kutain Nishons Gesicht selten verwirrt gesehen, jetzt sah sie es. Für einen kurzen Augenblick, bevor sie sich wieder fasste, Haltung annahm und mit zwei, drei ausgreifenden Schritten bei ihnen war.
„Dann war das Brandmal nicht genug“, fauchte sie. „Ich hätte es wissen müssen.“ Ihr Schwert war in Sekundenschnelle ebenfalls in ihrer Hand. „Aber diese Besessenheit …“ Sie zog das Schwert zurück, bereit zum Stoß. „Nun, dann bringen wir es zu Ende.“
Bevor sie nachdenken konnte, zuckte Dharn Idaukirs Schwert vor, fuhr herab und lenkte Kutain Nishons Schwertspitze zu Boden, wo sie knapp an der Wade des hingestreckten Blaniks vorbeiging.
„Nein.“
Der Blick ihrer Kusine flog verwundert zu ihr. „Nein?“ Die Brauen hoben sich, die Gestalt streckte sich. „Willst du das Vorrecht des Todesstoßes? Weil du mich gerettet hast?“ Dieses besondere, harte Lächeln, das Kutain Nishon seit gestern eigen war, spielte um ihre Lippen. „Nun, dann bedenke, dass –“
„Nein“, unterbrach sie Dharn Idaukir. „Ich will, dass er lebt.“
Inzwischen waren ihre Krieger herbeigeeilt, Kreis der Messer und Idarn-Khai, sammelten sich in einem losen Rund um sie herum.
Kutain Nishon war noch verwunderter über ihre Worte als sie selbst. „Was? Er wollte mich gerade umbringen und du willst ihn verschonen?“
Dharn Idaukir brauchte einen Moment, um im Aufruhr ihrer Gedanken zu navigieren, ihr Blick ging dabei kurz zu den Gestalten der Krieger um sie herum. „Schau auf seine Wange“, sagte sie dann. Ihre Kusine tat es nur zögernd und halbherzig. „Du siehst dort das Zeichen unseres Klans. Er wurde Vhay-Mhrivarn zugehörig.“
„Zu seinem Besitz“, versetzte ihre Kusine. „Zu einem Gut, über das man verfügen und dessen man sich entledigen kann, wenn es einem nicht mehr behagt. Oder es sich gegen einen wendet.
Wie ein kleiner Skorpion.“ Sie machte einen jähen Ausfallschritt auf den am Boden Liegenden zu und der zuckte zusammen. Doch nicht wie jemand, bemerkte sie, der vor Furcht zusammenschreckt. Etwas anderes zerrte an ihm und ließ ihn tanzen.
„Ich habe etwas begonnen“, sagte sie, jetzt sich selbst schon sicherer. „Gestern … im Licht der frühen Sonne. Als du ihn hast brandmarken lassen. Als ich zu ihm getreten bin und zu ihm gesprochen habe.“
Sie hatte es getan, weil sie in ihm etwas gesehen hatte, über alle Grenzen und Rasseschranken hinweg. Dass ihm das gänzlich fehlte, was sie ausmachte und das Wichtigste in ihrem Leben war. Aus Mitleid hatte sie gehandelt und weil er den Keim des Willens verdiente. Eine Prüfung, an der er wachsen oder scheitern konnte.
Du kannst den Schmerz nutzen, um zu wachsen, hatte sie zu ihm gesagt, als sie zu ihm getreten war. Du musst den Willen in dir finden.
„Und?“, fragte ihre Kusine, verständnislos die Achseln zuckend.
„Soll das sinnlos gewesen sein?“, fragte sie ihrerseits und fühlte, wie sie die Geste erwiderte. „Soll der Pfad, der begonnen wurde, verdorren? Soll das in den Wind gespuckt sein?“
Erneut zuckte Kutain Nishon die Achseln. „Er hat entschieden.“
„Er ist im Fieber.“
Jetzt sah sie ihre Kusine wahrhaftig stutzen. Sie kniff, während sie sie musterte, ihre Augen zu engen Schlitzen zusammen, dass die dichten, kohleschwarzen Brauen sich beinah wie zu einem Keil trafen. Dann wandte sie sich um, sah den Kreis der um sie Versammelten entlang und entließ diese mit einer Handbewegung. „Wir haben die Dinge hier sicher in unserer Gewalt.“
Dann, als sie sich zerstreuten, wandte Kutain Nishon sich an sie. „Willst du diesen Mann da etwa tatsächlich unter deinen Schild stellen?“
Nun war es an ihr zu stutzen. Die Worte ihrer Kusine brachten sie scharf und klar zu Bewusstsein. Ja, darum ging es. Kutain Nishon hatte es hart, aber prägnant herausgestellt.
Sie atmete tief ein, ließ ihre Glieder erschlaffen, stand eine Weile da, den Kopf schräg gesenkt, den Blick ins Nirgendwo und sann irgendetwas nach, was ungeformt war und ihr keinen Halt bot.
Dann kniete sie sich hin, das Schwert nach hinten gezogen, die Spitze auf den Hals des am Boden liegenden Blanik von Gydern gerichtet, sah ihn an. Ließ die Schwertspitze sinken, um sich noch weiter vorzubeugen, noch näher an sein Gesicht heranzugehen.
Sie musterte ihn eindringlich, ließ ihre Augen hin und her wandern.
Er schien durch sie hindurchzusehen oder auf etwas anderes zu blicken, was keiner sonst von ihnen erfassen konnte.
Sie sah seine Augen, den Schnitt seiner Nase und seines Mundes, seiner Wangen und des Kinns, die Form seiner Stirn. Sie fuhr die Linien des Klanzeichens entlang, die sich aus zornig verbrannter Haut formten, auf der Eiter stand. Sie sah, dass sie durchkreuzt wurden von einer älteren Narbe, die sich wie ein Riss durch die Glyphe zog, sah den Schnurrbart, den Bart zum Kinn hin, der ansonsten sauber geformt schien, dessen Schnitt jetzt aber vom nachwachsenden Bartwuchs verwischt wurde, die andere Narbe, die diesen Bart am Kinn spaltete.
Es lag darin. Es war nur nie zum Erwachen gekommen.
Wollte sie das? Wollte sie das tatsächlich?
Sie stieß die Luft durch die Nase aus, erhob sich.
„Ja, ich will ihn unter meinen Schild stellen“, sagte sie.
Sie sah den Keim des Zweifels, der Ungläubigkeit in Kutain Nishons Miene, daher sagte sie rasch, „Ich glaube, es steckte ein verborgener Sinn dahinter, als du entschieden hast, ihn mit dem Klanzeichen Vhay-Mhrivarn kennzeichnen zu lassen. Ich will ihn unter den Schild des Klans Vhay-Mhrivarn stellen, damit er tatsächlich die Chance erhält, sich näher mit uns zu verbinden als eine bloße Habschaft. Es hat Überläufer aus den Reihen seiner Rasse gegeben; das ist nicht beispiellos.“
„Er?“, fragte Kutain Nishon ungläubig mit einem Wink ihres Kinns und ihrer Hand zu Blanik hin.
„Auch Menschen können auf den Pfad der geraden Klinge geführt werden“, beharrte sie.
„Warum ausgerechnet er?“, bestand Kutain Nishon auf ihrer Frage. „An ihm ist nichts Besonderes. Ganz im Gegenteil.“ Sie verzog verächtlich das Gesicht und gleich darauf hob sich ihre Augenbraue. „Willst du einen Gespielen? Ist es das? Nun, ich hatte ihn als Gespielen und ich kann dir sagen, dass an ihm nichts Besonderes ist. Und sonst ist er schwach wie alle Menschen.“
„Nein.“ Dharn Idaukir schüttelte den Kopf. „Nichts in der Art.“ Der Fokus ihres Blicks entglitt ihr kurz. „Ich weiß es nicht“, sagte sie dann.
Was sie wusste, war, wenn dieser Mann etwas in sich hatte, dass es ihm ermöglicht hatte, unter den wilden Verhältnissen, die ihm anhafteten, all die Jahre zu überleben, dann konnte er diesen Funken auch nutzen, um seinen Weg zu gehen und seinem wahren Schicksal zu folgen.
Sie hatte das Glück und Privileg, dass sie das in ihrem Leben konnte.
„Ich weiß es nicht“, sagte sie noch einmal, „aber mein Entschluss steht trotzdem.“
Was wusste sie schon, welcher Wind aufkommen mochte? Die See trug sie.
Kutain Nishon sah sie mit einem merkwürdigen Blick an, dann hob sie den Kopf. „Nun gut, Kusine“, sagte sie.
Sie wandte sich um. „Heiler, hier ist ein Menschenmann, um den du dich kümmern solltest.“
Mit einiger Verwunderung im Blick eilte der Mann aus dem Dharn-Kreis der Messer zu ihnen herüber. Dharn Idaukir beugte sich nieder, griff das den Händen des Menschen entglittene Kurzschwert auf, fragte sich kurz, wo er das wohl aufgetrieben hatte; eine hochwertige Arbeit war es nicht.
„Sollte ich das an mich nehmen?“, fragte sie den Mann aber trotzdem. Bevor sie eine ihm eigene Klinge in der Wildnis zurückließ und ihn dadurch noch zusätzlich entehrte. Blanik von Gydern schien den Sinn ihrer Worte nicht zu begreifen und so beschloss sie, es aufzubewahren.
Kutain Nishon hatte sich bereits abgewandt und so rief sie einen weiteren Krieger zur Bewachung herbei und überließ dann Blanik von Gydern den Künsten des Heilers ihres Kreises der Messer.
Feuer. Es brannte, loderte, erfasste alles und verzehrte es.
Flammen leckten rot, gelborange, tasteten gierig umher, verschlangen alles, was sie erreichen konnten und nahmen es auf in ihren reinigenden Zornesleib.
Die alte Ruinenstadt Duram-Jhir hatte gebrannt unter den Mächten, die der Renegat Jikain Nivarn entfesselt hatte. Var’n Sipach erinnerte sich deutlich daran, obwohl er die Wut der Flammen nur von fern gesehen hatte und dann hinterher ihre Auswirkungen.
Das wäre eine Waffe, wie er sie sich erwählen würde.
Furchtbar hatte der Drachenkobold gewütet.
Dieses ominöse Wort war gefallen, als var’n Sipach sich direkt nach dem Kampf mit Heereskommandant Vaukhan ausgetauscht und ihm vom Vorgefallenen berichtet hatte. Vaukhan hatte in seiner Antwort-Orbusbotschaft das Wort Drachenkobold benutzt. Offenbar hatte Vaukhan sich doch nicht so unter Kontrolle, wie es ihm lieb gewesen wäre.
Vaukhan hatte ihm jedoch klar mitgeteilt, was die offizielle Version dessen sein sollte, was in Duram-Jhir geschehen war und was er als Wahrheit verbreiten sollte, käme die Sprache darauf: Bei Duram-Jhir war ein Waffenmagazin hochgegangen, genau wie es auch damals beim Untergang von Jhipan-Narauk geschehen war. Für var’n Sipach war offensichtlich, dass alle überlebenden Zeugen dieses Vorfalls in Duram-Jhir nach und nach beseitigt werden würden. Vaukhan und wer immer sonst noch dahintersteckte, betrieben ihre eigenen Intrigen. Die taktischen Möglichkeiten einer solchen Waffe hatten für sie offensichtlich Vorrang vor den strategischen, die sie für die Kinphauren im Kampf gegen das Idirische Reich haben konnten.
Die Fallstricke der Ränke und Verwicklungen.
Vor gar nicht langer Zeit war er Teil davon gewesen, doch es hatte sich ihm eine Möglichkeit der Erlösung geboten, als Vaukhan ihn auf seinen Pfad der Heilung geschickt hatte. Zwar hatte Vaukhan damit seine eigenen Ziele verfolgt und ihn nur benutzen wollen, doch das war ihm egal. Wichtig war allein die Chance der Verwandlung und Reinigung, die sich ihm dadurch bot.
Und genau so musste auch die gesamte Rasse der Kinphauren gereinigt und gestärkt werden. Es gab da ein Geschwür, das durch das gesamte Kinphaurentum ging und durch Feuer ausgemerzt werden musste.
Es war ihm egal, ob Vaukhan entscheiden mochte, dass auch er im Zuge der Verschleierung der Existenz dieses Drachenkobolds beseitigt werden musste. Er wusste, dass er auf gesegnetem Weg ging. Wenn dem so war, dass man seinen Tod befahl, dann würde er den Kampf aufnehmen, auf dass der wahre Pfad der Kinphauren obsiegte. Wie ein reinigendes Feuer würde er über seine Rasse kommen.
Etwas hatte ihn wahrgenommen auf seinem Pfad der Heilung und den Blick auf ihn gerichtet. Dann hatte es ihn gesalbt in reinigendem Licht.
Es hatte ihn bestätigt und eingesetzt.
Er war ein Auserwählter. Er war der Wegbereiter und Vollstrecker der Reinheit und der Läuterung des Kinphaurentums.
„Ich bin gesalbt im Blute und mein Pfad ist der Pfad des Vollstreckers“, hatte er gesagt, während sein Klingenstern rings um ihn sich aus den Hinterlassenschaften des Kampfes löste und seine Waffen reinigte. Und aus diesen Worten heraus hatte ihn die Vision des Feuers ergriffen und ihn umhüllt.
Sie fiel jetzt von ihm ab und seine Gedanken wurden wieder klarer, kehrten in die Gegenwart zurück. Er blickte sich um, sah die Leichen rings um ihn, Menschen, Flachgesichter, gekleidet in Fell und Leder. Die Truppe, die sich ihm entgegengestellt hatte, als er kurz davor war, die Opfer seines Fehde-Eids einzuholen, die Bande an Überlebenden jener ursprünglichen Gruppe, die bis zum Letzten zu töten er geschworen hatte. Die ihm nun erneut entkommen waren.
Diejenigen aber, die sich ihm bei ihrer Verfolgung entgegengestellt hatten, lagen nun in ihrem Blut am Boden.
Er hörte schwere Schritte, wandte sich um. Hinter ihm stand sein Ankchorai Injit, der erst verspätet zu dem Kampf hinzugestoßen war, weil er unter Stein und Fels eingeklemmt gesteckt hatte. Seine Kleidung war teilweise zerrissen, die Lagen roten Stoffes, das Silber seiner Panzerung waren staubbefleckt. Nur die noch immer ausgefahrenen Klingen entlang seiner Arme glänzten in reinem, unbeflecktem Rot.
Sein Blick glitt hoch zum Gesicht des Ankchorai, zu der Dämonenmaske, die auf die bleichen, vernarbten und verzerrten Züge tätowiert war, zu den kurzen struppigen Haaren und den deformierten Ohren, ein vernarbter Stummel und ein flatternder Fetzen.
Injit blickte stoisch und grimmig auf ihn hinab, die Oberlippe krauste sich leicht, als stehe er davor, seine Zähne zu blecken. Injit brauchte keine Worte, um ihn zu fragen, was nun geschehen solle.
„Nun, Injit, es sieht so aus, als hätten wir hier gegen die Kutte gekämpft.“ Die Untersuchung der Leiche des Anführers und der anderen hatten ihn klar zu diesem Schluss geführt und diese Erkenntnis dann zu einer weiteren. „Ich glaube, dass sich hier in Sarkanth der geheime Stützpunkt der Kutte befindet. Vielleicht sogar sehr nah. Wir haben immer schon vermutet, dass es hier in diesem Gebiet einen geben müsste, von dem aus sie all diese Aktionen gegen uns koordinieren, und ich denke, wir finden ihn hier. Weit abseits und geschützt durch die abergläubische Furcht vor dem Fluch Moratraneums.“
Er führte seine Hand zu Kinn und Mund, legte Daumen und Zeigefinger darauf und blickte sinnend in die Luft, dann mit einem Ruck wieder zu seinem Ankchorai hin.
„Nun, was meinst du wohl, mein treuer Injit, was sollen wir nun tun?“ Die Miene des Ankchorai blieb ungerührt, er sah aus den Augenwinkeln auf ihn herab. „Verfolgen wir unsere Eidopfer und bringen unseren persönlichen Pfad der Heilung zu seinem Ende? Oder verfolgen wir die Kutte und ergreifen eine einmalige, uns gebotene Möglichkeit, einen Feind aufzuspüren und zu vernichten, welcher der Eroberung der Kinphauren übel zusetzt wie eine Laus im Pelz, die man nicht erwischen kann? Das genau ist die Frage, mein treuer Injit.“
Es war eine Frage für ihn an diesem Punkt der Zeit und es war eine Frage, wie sie exemplarisch für das ganze Kinphaurentum galt. Folgte man seinen höchst eigenen Pfaden von einzeln Handelndem, von Haus, Stamm, Sippe und Klan, oder folgte man dem großen Ganzen, stellte seine eigenen Pfade unter das Banner des gemeinsamen Weges.
„Ich folge dir, wohin du gehst und töte für dich, wen du mir als Opfer anzeigst“, sagte der Ankchorai mit rauer, knarrender Stimme, als würden Knochen zermahlen.
„Hm“, sagte var’n Sipach und tippte sich rhythmisch mit dem Zeigefinger gegen die Lippen, „ich denke, ich tue das, was das Beste für meine Rasse ist. Ich gliedere meinen Pfad der Heilung dem Weg des Kinphaurentums ein, uns Raum im Westen zu schaffen. Ich mache es zu einem Teil meines Weges, auf dem ich fortschreite, um erst am Ende meine Hände im Blut der letzten Eidopfer zu waschen.“
Und es war gleichgültig, ob sein Pfad der Heilung für andere nur Teil ihrer Ränke war. Er würde seinen Pfad zu Ende führen, allein für sich. Und somit für das ganze Kinphaurentum. Pfade der Heilung mussten zu etwas Neuem werden, was ihre ganze Rasse stärkte. So war der Weg. So war auch sein Pfad.
„Komm, Injit“, sagte er, „lass uns die Kutte jagen.“ Seine Eidopfer würden später kommen.
Und er spürte, wie etwas auf ihn herabsah, und wie das, was er hier tat, dessen Wohlgefallen fand.
Wie in einem Schacht führten die Treppen zwischen den beiden gigantischen Pfeilern hindurch, die Pir die Säulen von Kilianth genannt hatte, abwärts in die Tiefe.
Kira rannte sie hinab mit den anderen hart auf ihren Fersen, denn sie wusste, dass ihnen nicht viel Zeit blieb, dass der Mörderbastard var’n Sipach sich, sobald er sich der Abteilung der Kutte entledigt hatte, gnadenlos an ihre Fersen heften würde.
Der Spalt der Pfeiler endete und knapp dahinter endeten die Stufen ebenfalls abrupt in einer geländerlosen Plattform. Hinter der dunkle Tiefe gähnte. Zu beiden Seiten führten gleich breite Stufen wie die bisherigen an den Pfeilerseiten entlang weiter nach unten. Es schien, als würden die Treppen sich um beide Pfeiler winden.
„Wohin jetzt? Rechts oder links?“, drängte Lenk.
Sie schaute zu beiden Seiten. Woher sollte sie das wissen? Wenn es überhaupt einen Unterschied machte. Wenn die beiden Treppen sich nicht irgendwo wieder in der Mitte trafen.
Sie sah, dass Pir wieder einen der Friese betrachtete, die in die Wand des Pfeilers eingearbeitet waren.
„Hast du dazu eine Meinung, Pir?“, warf sie ihm zu, ein wenig irritiert über die Faszination des Vastachi, die ihrer bedrängten Situation wenig dienlich war.
Er wandte ihr sein schlankes, auberginefarbenes Gesicht mit den kugeligen, dunklen Augen zu, während er die tastende Hand auf dem Stein mit seinen Abbildungen von Schlachten und Triumphzügen liegen ließ.
„Sie sind hohl“, sagte er. „Merkwürdig, die Bilder sind nicht nur als Friese, sondern ganz und gar plastisch herausgearbeitet. Dahinter befindet sich ein flacher Hohlraum.“ Während sein Blick über Kira hinwegging, kurz den Fokus verlor, trat dieses rötliche Glimmen in seine Augen, wie es für Vastachi typisch war. „Es kommt mir vor, als hätten sie mit den Schatten der herausgeformten Figuren spielen wollen. Also muss es hier früher eine Art von Beleuchtung gegeben haben. Wie bei den Leuchtorben der Ninre über den Straßen, die wir vorhin sahen.“
„Ist das für uns derzeit irgendwie von Belang?“, fragte sie unwirsch und der Vastachi fixierte sie wieder.
„Nein“, gestand er, den Kopf senkend.
„Gut. Dann rechts“, sagte sie. Eine Richtung war so gut wie die andere. Sie versicherte sich noch einmal, dass Klann und Honigmund die Kinder gut auf ihren Rücken gepackt hatten, dann lief sie los, die Treppen hinab.
Sie waren gerade ein paar Meter weit gekommen, als das Klappern von Tritten aus dem Zwischenraum der Pfeiler, den sie gerade herabgekommen waren, hohl widerhallte. Erschreckt wandte sie sich um, wollte schon ihr Tempo vergrößern, als ihr die Eigenart der Tritte bewusst wurde. Das waren nur wenige. Keine sieben oder acht wie var’n Sipach oder seine Gefolgschaft, kein schwerer Tritt eines Ankchorai darunter. Sie hob die Hand, brachte die anderen, die gerade an ihr vorbeisetzen wollten, zum Anhalten.
Sie reckte den Hals, war aber schon so weit die Stufen herab, dass sie nicht mehr über die Kante des Absatzes am Kopf der Treppe hinwegsehen konnte.
„Pir!“, zischte sie dem Vastachi zu, der als einer der Letzten hoch über Sherwa und Nirja an seiner Seite aufragte.
Das Laufgeräusch brach hell aus dem Hohlraum zwischen den Säulen hervor, der Vastachi streckte sich, um etwas auf dem Absatz zu erkennen. Die Hände ihrer Leute rings um sie gingen zu den Waffen. Die Geräusche wurden wieder leiser, entfernten sich.
„Die Kutte“, flüsterte Pir über die Schulter. „Alias die Wahnhämmer.“
Was tun? Kira überlegte kurz. Var’n Sipach der Mörderbastard würde sich gnadenlos an sie heften. Sie hatte das schon erlebt. Mehrfach. Er ließ sich von nichts beirren und behielt sie als sein Ziel gnadenlos im Auge. Und sie hatten sich hier verirrt, waren hilflos und kannten sich in diesem Irrgarten nicht aus. Anders als die Kutte. Die war hier praktisch zu Hause.
„Los!“, befahl sie. „Ihnen hinterher. Beeilung! Zusammen sind wir allemal besser dran. Mit der Kutte.“ Egal, ob mit Verstärkung oder ohne. „Die kennen sich hier aus.“ Und schlug im Loslaufen Turek auf die Schulter.
In einem wilden Aufruhr kam alles um sie wieder in Bewegung. Sie hasteten zurück zum Kopf der Treppen hoch, nahmen mehrere Stufen auf einmal.
Oben auf der Plattform angekommen, stürzte Kira zu deren Rand und blickte hinab. Und taumelte beinah wieder zurück. Die Abwärtsflucht der Treppe war aus dem Lauf heraus ein schwindelerregender Anblick. Rasant in der Perspektive sich verjüngend, beinah wie ein Sturz, mit dem Abgrund, der an ihrem Ende gähnte. Reiß dich zusammen, Kira! Du wirst doch wegen ein wenig Höhe keine Panik kriegen! Und sie riss sich zusammen. Die Truppe von vier Leuten hatte beinah die Kante des Pfeilers erreicht, wo die Stufen um die Ecke führten und ihren Blicken entschwanden.
Sie stellte sich an die Kante des Absatzes.
„Ho, Kutte!“, rief sie die Treppen hinab.
Die Truppe unten kam zu einem stockenden Halt, die Gesichter wandten sich ihr zu.
„Was dagegen, wenn wir uns euch anschließen?“, setzte sie hinterher. „Der Feind deines Feindes und so.“