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Zagreb: Im Park einer psychiatrischen Klinik wird ein junger Mann tot aufgefunden – es ist kein Geringerer als der Vorsitzende einer rechtsextremen Jugendbewegung. Der Psychiatriepatient, den der Ermordete regelmäßig besucht hatte, bildet sich ein, der Pudel von Ante Pavelić zu sein, dem Gründer der kroatischen Ustascha-Bewegung. Zusammen mit seinem Kollegen Marko Ančić schlittert Inspektor Branko Rakitić durch die Ermittlungen in einen verstörenden Mikrokosmos, der bis in die höchsten politischen Kreise reicht. Er deckt Beziehungen zwischen Politik und Medien auf, blickt in menschliche Abgründe und muss literarischen Hinweisen nachgehen, um den Fall zu lösen.
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Sonar 41
Edo Popović, geb. 1957, lebt in Zagreb. Er war Mitbegründer einer der einflussreichsten Underground-Literaturzeitschriften des ehemaligen Jugoslawiens, sein erster Roman »Ponoćni boogie« (»Mitternachtsboogie« 1987) wurde zum Kultbuch seiner Generation. 1991–1995 war Edo Popović einer der bekanntesten Kriegsberichterstatter Kroatiens, anschließend veröffentlichte er mehrere Romane und Erzählbände. Edo Popović gilt als Kroatiens Stimme der gesellschaftlichen Transformation nach der Wende.
Mascha Dabić, geboren in Sarajevo, studierte Translationswissenschaft (Englisch und Russisch) in Innsbruck, Wien, Edinburgh und St. Petersburg. Sie übersetzt Literatur aus dem Balkanraum und lehrt Russisch-Dolmetschen und Übersetzen an der Uni Wien. Mit ihrem Debütroman »Reibungsverluste« landete sie auf der Shortlist Debüt des Österreichischen Buchpreises 2017. 2024 übersetzte sie für Voland & Quist Edo Popovićs Roman »Das Leben: es lebe!«.
Edo Popović
Der Pudel des Staatsführers
Die Herausgabe dieses Werks wurde gefördert durch TRADUKI, ein literarisches Netzwerk, dem das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten der Republik Österreich, das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland, die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, die Interessengemeinschaft Übersetzerinnen Übersetzer (Literaturhaus Wien) im Auftrag des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport der Republik Österreich, das Goethe-Institut, die S. Fischer Stiftung, die Slowenische Buchagentur, das Ministerium für Kultur und Medien der Republik Kroatien, das Ministerium für Gesellschaft und Kultur des Fürstentums Liechtenstein, die Kulturstiftung Liechtenstein, das Ministerium für Kultur der Republik Albanien, das Ministerium für Kultur und Information der Republik Serbien, das Ministerium für Kultur Rumäniens, das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport von Montenegro, die Leipziger Buchmesse, das Ministerium für Kultur der Republik Nordmazedonien und das Ministerium für Kultur der Republik Bulgarien angehören.
Originaltitel: Poglavnikov pudl
erschienen bei Moderna vremena, Zagreb 2016
© Edo Popović
Deutsche Erstausgabe
© Verlag Voland & Quist GmbH, Berlin und Dresden 2025
Korrektorat: Karina Fenner
Umschlaggestaltung: finken&bumiller
Satz: Fred Uhde, Leipzig
Druck und Bindung: ADverts, Lettland
ISBN 978-3-86391-430-1
eISBN 978-3-86391-451-6
Verlag Voland & Quist GmbH // Gleditschstr. 66 // D-10781 Berlin
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Der Tote lag im Park der psychiatrischen Klinik, unter einem Japanischen Ahorn mit scharlachroten Blättern, wenige Meter entfernt vom Loch im Drahtzaun. Gefunden hatte ihn der Gärtner, während er damit beschäftigt war, das Laub mit einem Rechen zusammenzukehren, woraufhin er sofort zum Direktor gerannt war, dieser wiederum hatte die Polizei gerufen. Am Tatort trafen die Polizisten aufgeregte Klinikpatienten vor, etwa zwanzig bis dreißig von ihnen drängten sich um den toten Körper. Einer von ihnen, mit einem birnenförmigen Kopf, zeigte mit dem Finger auf den Leichnam und rief mit aufgeregter Stimme: Die Serben kommen! Ein langgliedriger, hagerer Mann lief aufgeregt hin und schrie: Verrat! Ein anderer, abgetaucht im wabernden Körperhaufen, rief alle Umstehenden auf: Zieht eure Schwerter aus der Scheide, ihr kroatischen Ritter!
Als es den Polizisten schließlich mit Hilfe der Krankenpfleger und viel Hickhack, Geschrei und Kraftausdrücken gelang, die Klinikpatienten zu vertreiben, hatte sich rund um den leblosen Körper eine mehrere Meter breite Zone aus zertrampeltem Gras gebildet. Eine ordentliche Bestandsaufnahme, Spurensicherung oder Beweismittelsammlung konnte man sich somit abschminken.
Hat es überhaupt Sinn, hier noch etwas abzusichern?, fragte einer der Uniformierten. Wir sollten lieber Absperrband sparen, damit könnten wir ein Plus im Arbeitszeugnis ergattern.
Red keinen Scheiß, sagte ein anderer Uniformierte. Riegeln wir den Tatort ab.
Etwas später kam das Team für die Tatbestandsaufnahme an, Staatsanwalt Mato Tomasović, die Diensthabende von der Gerichtsmedizin Frau Dr. Lidija Puškarić, die kriminalistischen Forensiker und kurz nach ihnen auch Branko Rakitić und Marko Ančić, Inspektoren der Kriminalpolizei, zuständig für Kapitaldelikte.
Ein Forensiker stand mit einer Kamera recht verloren neben dem polizeilichen Absperrband herum.
Verdammt, stöhnte Tomasović und drehte sich zu Rakitić, einem stämmigen, gedrungenen Mann in seinen Dreißigern. Schau dir das an.
Hallo Tomasović, entgegnete er, gab es hier eine Schlacht, oder was?
Die Typen hier haben eine Massenpanik veranstaltet, antwortete Tomasović und zeigte auf die Klinikpatienten. Und du, warum hast du noch keine Aufnahmen gemacht?, fragte er den Forensiker genervt, woraufhin der sich augenblicklich ans Fotografieren machte.
Lidija, wie geht es dir?, fragte Rakitić die Ärztin Puškarić, nachdem er ihr seine Hand entgegengestreckt hatte. Lang nicht mehr gesehen.
Comme ci, comme ça. Dir?
Es geht. Die haben den Tatort ordentlich durcheinandergewirbelt. Rakitić machte eine Handbewegung zum abgesperrten Areal.
Ich hoffe, sie haben den Leichnam nicht angefasst, sagte sie. Der Tote war ein junger Mann mit kurzen Haaren. Er lag auf dem Rücken, die Arme weit auseinander, als wollte er sich entschuldigen für das, was ihm zugestoßen war. Er trug stonewashed Jeans und weiße Lederturnschuhe, an der Tasche seiner Sportjacke war ein Stück Papier mit einer Stecknadel befestigt. Die Forensiker machten Aufnahmen, skizzierten den Tatort und packten alles, was sie rund um den toten Körper finden konnten, in kleine Tüten, sie nahmen Proben von der Kleidung des Ermordeten, und schließlich machte sich die Ärztin Puškarić daran, den Körper zu untersuchen. Sie nahm den Zettel von der Jacke des Toten und legte ihn in eine kleine Plastiktüte.
Das könnte dich interessieren, sagte sie, während sie sich zu Rakitić umdrehte.
Rakitić bückte sich und schlüpfte unter dem Band durch, nahm die Plastiktüte und ging wieder zurück.
Hmm, kyrillisch, brummte er und betrachtete den Zettel. Hat einer von euch hier noch im Kommunismus die Schule besucht?, fragte er laut in die Runde.
Ich, sagte ein Uniformierter.
Dort habt ihr die kyrillische Schrift gelernt, stimmt’s?
Der Uniformierte nickte.
Kannst du das hier lesen?, fragte Rakitić und reichte ihm den Zettel.
Ach so, deshalb hat der eine Durchgeknallte irgendwas von Serben herumschwadroniert, sagte der Uniformierte.
Was?
Als wir ankamen, schrie einer von denen, Die Serben kommen!, und solche Sachen.
Ah ja. Aber kannst du das hier jetzt lesen oder nicht?
Ja, kann ich, sagte der Uniformierte.
Und, was steht da?
Da steht: Ich hab dich in die Hintertasche gesteckt.
In was?
In die Hintertasche.
Hintertasche? Was ist eine Hintertasche?
Der Uniformierte zuckte mit den Schultern.
Bist du sicher, dass hier Hintertasche steht?
Ganz sicher, ich hatte eine Eins in Kroatisch.
In Kroatisch?
Ja.
Kyrillisch habt ihr im Kroatisch-Unterricht gelernt?
Ja.
Interessant, sagte Inspektor Rakitić.
Im selben Moment erblickte er das Loch im Zaun.
Was ist das?
Ein Loch im Zaun, sagte der Uniformierte.
Rakitić schaute ihn an.
Habt ihr das etwa auch im Kroatisch-Unterricht gelernt? Und wo kommt das Loch her?
Durch dieses Loch gehen sie zum Supermarkt, sagte der Uniformierte. Wer geht durch dieses Loch zum Supermarkt?
Die Verrückten und die Alkoholiker aus der Klinik, antwortete der Uniformierte ruhig. Sie sind gute Kunden, lassen viel Kohle im Laden und in der Kneipe liegen.
Und warum gehen sie nicht durchs Tor?
Weil es ihnen verboten ist, das Klinikgelände zu verlassen.
Aber es ist ihnen nicht verboten, das Klinikgelände durch ein Loch im Zaun zu verlassen?
Der Uniformierte zuckte wieder mit den Schultern.
Ich nehme an, der Ladenbesitzer schmiert jemanden in der Klinik, dann drücken die hier ein Auge zu und tun so, als würden sie das Loch nicht sehen.
Ein Auge zudrücken?, fragte Rakitić. Und woher weißt du das alles?
Ich wohne in dem Haus da drüben, antwortete der Uniformierte.
Und hast du diese korrupten Machenschaften bei uns angezeigt?, wollte Rakitić wissen.
Der Uniformierte schüttelte den Kopf.
Ich bin doch nicht blöd. Der Supermarkt gehört Perković, und man weiß doch, dass ihm keiner was anhaben kann. Sollte ich in seinen Angelegenheiten herumstochern, würde ich bloß auf die Schnauze fliegen.
Er sagte die Wahrheit. Über dem Parlament steht nur Gott allein, und über Gott stehen Perković und vierzig Tycoons – so lautete das Prinzip, auf dem dieses Stückchen Erde, behelfsmäßig Republik Kroatien genannt, beruhte. Rakitić ging zum Loch im Zaun, von wo aus die grün-blaue Farbe der Handelskette Tepex auf einer Fassade zu sehen war, Teil des Unternehmens Agroland, im Besitz von Teodor Perković, einer Firma, die sich mit allem beschäftigte, was schnell Cash einbrachte, nicht nur mit Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie, wie der Firmenname nahelegte. Rakitić ging wieder zurück zu den Forensikern, die ihre Arbeit erledigt hatten.
Irgendwas Nützliches gefunden?, fragte er einen von ihnen.
Ich weiß es noch nicht. Es gab recht viel Müll, zwei zerdrückte Bierdosen, eine leere Cognacflasche im Busch, Bierdeckel. Die Schuhabdrücke und andere Spuren sind vernichtet. Erwarte nicht zu viel.
Frau Dr. Puškarić meint, er könnte mit einem Messer erstochen worden sein, sagte Ančić, der auf Rakitić zukam.
Messer, Pistole, Steinaxt, Keule, was macht es für einen Unterschied, entgegnete Rakitić. Wer ist er überhaupt?
Er hatte ein Portemonnaie in der Hose, sagte Frau Dr. Puškarić. Laut Personalausweis heißt er Stjepan Starman, geboren 1990 in Zagreb, wo er auch wohnhaft ist.
Wurde noch etwas in den Hosentaschen gefunden?
Ein Autoschlüssel und ein Wohnungsschlüssel.
Ist Geld im Portemonnaie?
Etwas mehr als dreihundert Kuna, sagte sie, warum fragst du?
Damit ich weiß, wo wir heute zu Mittag essen. Was denkst du, fragte Rakitić und drehte sich zu Ančić um, welche Abteilung besuchte er hier, und was fehlte ihm, außer dass er tot ist, natürlich?
Ančić zuckte mit den Schultern.
Ein Mann mittleren Alters kam auf sie zu, sein Teint war vollkommen weiß. Er sieht aus, als wäre er mit Puder überzogen, dachte Rakitić und maß ihn mit seinem Blick ab.
Ich bin Doktor Kuzmanović, stellte der Mann sich vor und streckte Rakitić seine Hand entgegen, der Klinikdirektor.
Ich habe mich schon gefragt, wo Sie stecken, sagte Rakitić. Ich bin Inspektor Rakitić, das ist mein Kollege Inspektor Ančić.
Wenn ich Sie bitten darf, bat Kuzmanović, bringen Sie die Leiche so schnell wie möglich hier weg, unsere Patienten sind furchtbar aufgeregt, ich denke, sie werden sich beruhigen, sobald …
War er auch ein Patient bei Ihnen?
Nein, war er nicht, aber er kam häufig zu Besuch, sein Freund ist bei uns untergebracht.
Mit dem Freund unterhalten wir uns später …
Ich fürchte, das wird nicht gehen … Der Freund befindet sich in intensiver Behandlung und er ist, hm, nicht immer ansprechbar.
Was hat er denn?
Wenn es Ihren Ermittlungen dienlich ist …
Ja, ist es.
Doktor Kuzmanović seufzte.
Ein sehr schwerer Fall von Schizophrenie, sagte er leise, fast flüsternd. Wenn er einen Anfall hat, glaubt er, er sei ein Pudel.
Ein Pudel?
Ja, der Pudel des Staatsführers Ante Pavelić. Er glaubt dann, er werde von den Kommunisten verfolgt, die, so sagt er, die Welt beherrschen. Er knurrt, beißt und greift jeden an, den er als Kommunisten oder Ähnliches erschnüffelt.
Der Pudel des Staatsführers, sagte Rakitić. Gefällt mir. Aber, wenn die Dinge schon so stehen und Fantasie keine Grenzen hat, warum bildet er sich dann nicht ein, er sei Pavelić höchstpersönlich? Es mangelt ihm an Ambition, oder?
In solchen Momenten glaubt er, dieser hier – Kuzmanović zeigte auf den Toten – sei Ante Pavelić.
Das reinste Irrenhaus, sagte Rakitić, dann schaute er zu Kuzmanović. Verzeihen Sie. Wer hat die Leiche gefunden?
Der Gärtner, antwortete Kuzmanović.
Wir sprechen zuerst mit ihm, dann mit den anderen Mitarbeitern und, hm, mit den Patienten. Ruf Verstärkung, kommandierte Rakitić Ančić, wir brauchen noch drei, vier Leute für die Zeugenaussagen. Hat es überhaupt einen Sinn, mit Ihren Patienten zu sprechen?, Rakitić drehte sich zu Kuzmanović.
Warum denken Sie, das hätte keinen Sinn?, fragte Kuzmanović mit beleidigter Stimme, sie sind ja nicht blind, taub oder dumm.
Rakitić tat so, als hätte er den letzten Satz gar nicht gehört und drehte sich zum Klinikgebäude. Diese Stelle hier ist nur von dem Flügel dort drüben zu sehen, und zwar nur von einem Teil im ersten und zweiten Stockwerk.
Dort befindet sich die Abteilung für intensive Behandlung, erklärte Kuzmanović, dort ist auch …
Der Pudel des Staatsführers untergebracht, brachte Rakitić den Satz zu Ende.
Genau der.
Spar dir deine Zeit, sagte die Ärztin Dr. Puškarić, während sie unter dem Band hindurchkam. Er ist seit mindestens acht oder neun Stunden tot, der Mord ist in der letzten Nacht passiert. So auf den ersten Blick kann ich sagen, er wurde zwischen acht Uhr am Abend und drei Uhr in der Nacht umgebracht. Sie drehte sich zu dem Leichnam, der soeben von den Gerichtsmedizinern in einen Sack gepackt wurde. Ebenso deuten die Totenflecken und Blutungen darauf hin, dass wir uns hier am Tatort befinden. Und was die Augenzeugen aus dem Krankenhaus anbelangt, so ist es unwahrscheinlich, dass es hier nachtsichtige Menschen gibt, nicht wahr, Herr Kollege?, sagte sie, zeigte auf das Klinikgebäude und schaute Kuzmanović an.
Dieser schnaubte verächtlich.
Dennoch werde ich versuchen, mit dem Pudel zu sprechen, sagte Rakitić, es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein Haustier sein Herrchen zur Strecke bringt. In Ordnung?, fragte er mit einem Blick zu Kuzmanović.
Wenn es unbedingt sein muss.
Ist es möglich, dass er in der Nacht die Abteilung verlassen hat?
Das ist absolut ausgeschlossen. Die Abteilung wird abgesperrt, die Fenster sind vergittert, und die diensthabenden Mitarbeiter haben nichts Außergewöhnliches gemeldet. Vielmehr war die letzte Nacht ungewöhnlich ruhig in der Abteilung.
Ungewöhnlich ruhig?
Ja, wenn man berücksichtigt, dass dort Patienten mit außerordentlich starken und dramatischen psychopathologischen Reaktionen untergebracht sind, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Rakitić nickte.
Und was ist mit denen, die sich hier versammelt haben?, fragte Rakitić und zeigte zu dem Haufen Patienten, der in der Ferne zu sehen war und immer größer wurde.
Sie kommen von verschiedenen Abteilungen, es sind Suchtkranke und andere benigne Patienten, die sich innerhalb des Klinikgeländes frei bewegen können.
Oder außerhalb des Klinikgeländes?, fragte Rakitić und zeigte auf das Loch im Zaun. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Durchgang sehr beliebt unter Alkoholikern und Junkies ist, es sei denn, die Mitarbeiter selbst dealen mit Alkohol und Drogen.
Wie können Sie es wagen, setzte Kuzmanović im Falsett an.
Ich kann, unterbrach ihn Rakitić, und ich werde. Ich weiß, in was für einem Zustand unser Gesundheitssystem ist. Und zwar ist es in einem solchen Zustand, dass ich wetten könnte, hier gibt es oft nicht mal genug Klopapier, dafür Alkohol und Drogen in rauen Mengen, stimmt’s oder hab ich recht?
Kuzmanović errötete.
Aber, fuhr Rakitić fort, mein Kollege und ich sind ja, wie Sie sehen, von der Abteilung für Kapitaldelikte und nicht vom Drogendezernat, und wenn Sie es genau wissen wollen, es ist uns scheißegal, ob hier gedealt wird und wer hier alles dealt. Wir gehen jetzt zum Pudel des Staatsführers.
Der hat uns gerade noch gefehlt, presste Rakitić hervor, als er den Mann sah, der sich ihnen auf der Straße näherte.
Wer ist das?, fragte Ančić.
Du kennst ihn nicht? Željko Kožul, Journalist bei Libertas, er berichtet über die Polizei. Angeblich war er früher Stellvertreter des Chefredakteurs, dann hat er Mist gebaut und wurde zum Journalisten degradiert.
Was für einen Mist kann man in so einer Funktion bauen?
Keine Ahnung, vermutlich hielt er sich eisern an Fakten.
Das ist aber nicht derjenige, der als möglicher Leiter des Informationsprogramms für öffentliches Fernsehen gehandelt wird?, fragte Ančić.
Das ist er höchstpersönlich.
Du machst Witze.
So witzig bin ich nicht.
Mittlerweile war Kožul vor ihnen stehen geblieben. Ein Mann in seinen Fünfzigern, mit aufgedunsenen Wangen, schlaffen, bläulichen Augenringen und trüben Augen, die schon alles Mögliche gesehen hatten und darin geübt waren, sich vor allem Möglichen zu verschließen.
Hello, Herr Inspektor, sagte er und schaute kurz zu Ančić. Ihr neuer Kollege?
Es gibt jetzt keine Informationen für die Presse, sagte Rakitić. Später gibt es eine Pressekonferenz.
Nur ein paar Sätze, drängte Kožul. Für unsere Exklusivmeldungen.
Als müsste ich irgendetwas sagen, nur damit Sie meine Worte als eine Exklusivmeldung auf Ihre Titelseite knallen können, erwiderte Rakitić.
Zieren Sie sich nicht so, Herr Inspektor, früher oder später werde ich Ihnen auch von Nutzen sein. Sie wissen schon, eine Hand wäscht die andere. Sie werden ja wohl nicht vergessen haben, dass Journalisten dort, wo Ihnen der Zugang verwehrt ist, problemlos hineinkommen.
Der Hund hat recht, dachte Rakitić. Die größten Korruptionsaffären werden in der Regel von Journalisten aufgedeckt, und dort, wo die Politik die Polizei ausbremst, wirken die Journalisten weiter.
Ist mir scheißegal, antwortete Rakitić. Das gilt nicht für Kapitalverbrechen.
Nicht?, spottete Kožul. Und was ist mit dem Mord an dem Gewerkschafter neulich? Oder mit meinem Kollegen Juratović, der in der obersten Staatsspitze den Arm einer kriminellen Krake aufgedeckt hat? Ich kann mich nicht erinnern, dass die Täter polizeilich aufgespürt wurden, und auch nicht, dass die Polizei sich ernsthaft damit beschäftigt hätte.
Der Hund hat schon wieder recht, dachte Rakitić.
Das hier ist ein Mord auf dem Bodensatz der Gesellschaft, sagte er, vollkommen uninteressant für irgendjemanden da oben.
Auf dem Bodensatz, meinen Sie. Ich seh schon, Sie haben keine Ahnung, wer der Tote ist, stellte Kožul mit Genugtuung fest.
Und Sie, Sie wissen es etwa?, knurrte Rakitić.
Vielleicht weiß ich es.
Ich bin ganz Ohr.
Sie zuerst, Herr Inspektor.
Wir sind hier nicht auf dem Markt.
Wie Sie meinen, sagte Kožul und wankte zum Ausgang.
Hätte er irgendwas auf dem Kasten, wäre er heute nicht das, was er ist, sagte Rakitić bitter und schaute Kožul nach.
Aber warte mal, er wird doch als Kandidat für den Chefposten des Informationsprogramms gehandelt!, sagte Ančić.
Das meine ich ja. Hätte er irgendwas auf dem Kasten, hätte man ihn für eine solche Funktion nicht vorgeschlagen.
Vor dem Eingang zu einem Flügel der Klinik kam ein Typ mit birnenförmigem Kopf auf Rakitić zu, streckte ihm die Hand entgegen und rezitierte feierlich: Herr Polizist, erlauben Sie mir im Namen der Partei HDZ1