Der Raub im Tunnel - Ulrich Wickert - E-Book

Der Raub im Tunnel E-Book

Ulrich Wickert

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Beschreibung

Bitcoin, Waffengeschäfte, Korruption Im Pariser Tunnel du Landy werden Untersuchungsrichter Jacques Ricou und seine Freundin Margaux Augenzeugen, als ein schwarzer Mercedes überfallen wird! Die Täter sind auf Motorrädern unterwegs und handeln überaus versiert: Durch die eingeschlagene Scheibe entwenden sie einen Aktenkoffer und verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind. Das Brisante: Im Koffer war offenbar ein Bitcoin-Schlüssel. Der Vorfall hat doch nicht etwa mit Ricous aktuellen Ermittlungen zu tun? Denn er untersucht den Mord an einem Richter, der zu viel über Geldwäsche mit Bitcoin erfahren hatte.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalte fremder Webseiten, auf die in diesem Buch (etwa durch Links) hingewiesen wird, macht sich der Verlag nicht zu eigen. Eine Haftung dafür übernimmt der Verlag nicht.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Auf dem Weg nach Paris

Im Tunnel du Landy

Spurlos verschwinden

Parking Saint-Sulpice

Die Videoaufnahmen

Margaux’ Recherche

Der Corbeau und Dschibuti

Mord oder Selbstmord?

Déjeuner im Baccarat

Warten auf Astra

Die Spur des Schals

Café bei Betonmarie

Stammbistro Aux Folies

Agenten im Casino

Die Passkontrolle

Der Recherche zweiter Teil

Beratung im Bistro

Im Comptoir du Relais

Millionärin vermisst

Die Brauer von Belleville

Die Poststelle

Erste Spuren

Café crème bei Gaston

Panik

Der Koffer

Anklage gegen unbekannt

Wilde Geschichten

Wochenende in Honfleur

Das Porträt über dem Kamin

Unerwartete Ruhe

Der goldene Vorhang

Rückfahrt nach Paris

Der Matisse-Schal

Der Angriff

Action!

Der Haftbefehl

Das Agenturfoto

Die chinesische Entführung

Krankenbesuch

Der schwarze Mercedes-Van

Hospital Tenon

Die Vernehmung

Pressekonferenz

Die Operation

Überlegungen eines Corbeau

Treffen der »Rächer«

Aufräumen

Ausruhen, genießen

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Widmung

Für Julia, Adrienne, Ellie und John

Auf dem Weg nach Paris

Margaux nahm die rechte Hand vom Steuer, warf einen kurzen Blick zur Seite und griff zu ihrem Smartphone, das auf der Mittelkonsole lag. Es hatte schon zum zweiten Mal eindringlich gepiepst. Abwechselnd schaute sie auf den Verkehr und ihr Gerät.

»Was Eiliges?«, fragte Jacques, der es nicht leiden konnte, wenn seine Freundin ihre Nachrichten »unbedingt und jetzt sofort ganz dringend« lesen musste, während sie lenkte. Auf der vielspurigen Autobahn bei heftigem Verkehr. Aber er hielt sich mit der hämischen Bemerkung zurück, sie verlasse sich wohl darauf, dass ihr neues Auto über Spurkontrolle verfüge. Er wollte die heitere Laune ihres entspannten Wochenendes nicht trüben.

»Ich geh schon nicht ran«, sagte Margaux lächelnd mit einem Seitenblick auf Jacques.

Sie hatten das Wochenende in dem alten Schlösschen in Pontarmé verbracht, das ein tiefer Wassergraben umgibt. Es liegt mitten in einem Wald, in dem Hirsche, Rehe und Wildschweine hausen. Jean-Marc Real, Chefredakteur der Tageszeitung, für die Margaux seit Jahren besondere Reportagen recherchierte und verfasste, hatte es zu Sommeranfang für ein Wochenende gemietet und die gesamte Redaktion mit ihren Partnern und Partnerinnen eingeladen. Eine jährliche Tradition zur Pflege des Betriebsklimas.

Margaux hatte sich eine besondere Stellung in der Zeitung erschrieben. Sie sei ein Vorbild für viele Journalistinnen, hatte Chefredakteur Jean-Marc Real neulich in seiner Ansprache gelobt, als Margaux bei einer Preisverleihung ausgezeichnet wurde. Sie vereine, was selten sei, eine feinsinnige Handschrift mit einem ungewöhnlichen Riecher für Themen. Insgeheim gab aber auch ihre Beziehung mit einem der hartnäckigsten Untersuchungsrichter von Paris Margaux noch zusätzliche Leuchtkraft.

Dass Jacques Ricou seine Freundin nach Pontarmé begleitet hatte, empfand Chefredakteur Jean-Marc Real in der Tat als eine persönliche Ehre. Denn vor Festivitäten und Veranstaltungen der Redaktion drückte sich Jacques häufig mit einer Ausrede und begleitete Margaux nur selten, da er als Untersuchungsrichter versuchte, sich vor der allzu neugierigen Presse abzuschirmen. Seit er vor einigen Jahren sogar dem Präsidenten der Republik eine Vorladung geschickt hatte, wurde er als besonders mutig und unerbittlich bewundert. Man sagte über ihn, er verfolge jede Spur, so unwahrscheinlich sie auch erscheinen mochte. Der Präsident war der Vorladung zwar nicht gefolgt, aber nach Ablauf seiner Amtszeit und dem damit einhergehenden Ende seiner Immunität wurde er wegen Korruption zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung und zu einer sehr hohen Geldbuße verurteilt. Immerhin eine Strafe von mehreren Hunderttausend Euro, die seine Partei für ihn zahlte.

Pontarmé lag etwa eine Autostunde nördlich von Paris, einige Kilometer nordwestlich vom Flughafen Charles-de-Gaulle. Die Fahrt hinaus war meist sehr angenehm, doch fuhr man zurück, wurde die breite Autobahn mit jedem Kilometer, den man der Hauptstadt näher kam, voller. Die Sonne und die Wärme hatten die Massen an diesem Sonntag aus der Stadt hinausgelockt. Zahllose Rückkehrer verbrachten nun allerdings viel Zeit in ihren Autos, um von ihren Wochenendausflügen wieder in den Alltag zu kommen.

Als das Telefon erneut laut klingelte, zögerte Margaux, ob sie das Gespräch annehmen sollte, doch Jacques machte mit beiden Händen Zeichen, die ihr wohl andeuten sollten: »Geh ran, geh ran«.

Sie nahm das Gespräch an, hörte kurz zu, was die Person am anderen Ende sagte, warf ein paar bedeutungslose Worte in das Smartphone und legte wieder auf.

»Was Besonderes?« fragte Jacques neugierig.

Margaux schaute ihn leicht schmunzelnd an: »Nee, nix. Jean-Marc bedankt sich, dass du mitgekommen bist. Und er sagt, Minou schickt uns beiden, aber besonders dir, ein Bisou! Bei der scheinst du ja richtig Eindruck hinterlassen zu haben.«

Jacques gab sich staunend: »Minou?«

»Die schlanke Blonde, mit der du den halben Abend auf der kleinen Brücke über dem Wassergraben gesessen hast.«

»Und wer ist Minou?«, fragte Jacques und erinnerte sich mit wohligem Gefühl an den heimlichen Flirt. »Sie hat mich regelrecht über meine Fälle ausgefragt, die sie zum großen Teil auch noch kannte.«

»Sie ist die Assistentin von Hubert, unserem Gerichtsreporter«, lachte Margaux. »Ich nehme an, der hatte sie auf dich angesetzt. Kein Wunder, du bist nun einmal der berühmteste Untersuchungsrichter von Paris. Wahrscheinlich wollte er rauskriegen, woran du gerade arbeitest. Hast du ihr die Geschichte von dem Mord in Dschibuti verraten?«

»Nee, ist eh ’ne blöde Sache. Ich fürchte, dass ich da sogar hinmuss.« Jacques schüttelte sich, als fröre er.

»Da komme ich aber mit! Kannst du da nicht im Winter hinreisen? Wenn es hier kalt ist, komme ich nämlich unbedingt mit und unterstütze dich!«, platzte es spontan aus der begeisterten Margaux heraus.

»Ich weiß nicht, ob dann so ’ne Reise vergnügungssteuerpflichtig ist«, zögerte Jacques. »Das ist doch eigentlich nur ein von der Hitze geplagtes Stück Wüste am Horn von Afrika, kleiner als die Normandie und mit gerade mal einer Million Einwohner!«

»Aber vergiss nicht«, sagte Margaux, »Präsident Emmanuel Macron war letztens dort und hat auf die lange Geschichte der Freundschaft von Frankreich und Dschibuti hingewiesen, auf die gemeinsame Vergangenheit. Deren Verfassung und das ganze Justizwesen sind doch eine Kopie aus Frankreich. Schließlich ist sogar die Amtssprache in Dschibuti Französisch.«

»Neben dem Arabischen«, warf Jacques ein wenig besserwisserisch ein.

»Neben dem Arabischen. Sei’s drum. Je mehr afrikanische Länder wie Mali oder Senegal unsere Militärs rausschmeißen, umso wichtiger wird Dschibuti.«

»Du hast dich auch etwas eingearbeitet. Wegen dieses alten Falles? Warum interessierst du dich eigentlich für diesen Mord, der unsere Justiz schon jahrelang belastet?«

»Ich kenne doch meine Leser, die sind politisch äußerst neugierig. Sie interessieren sich für den Mord an einem Franzosen in einer ehemaligen französischen Kolonie, der wir jedes Jahr etwa dreißig Millionen Euro Unterhalt zahlen, um dort 3000 Soldaten mit Flugzeugen und Kriegsschiffen stationieren zu können!«

Jacques überlegte, ob er sich mit Margaux auf eine längere Auseinandersetzung zu diesem Thema einlassen sollte und beschloss schließlich, weise zu schweigen.

Auf der äußersten Spur leuchteten rote Rücklichter auf, die Autos bremsten, und auch auf der dritten Fahrbahn verlangsamte sich der Verkehrsfluss. Margaux reagierte schnell. Blinker rechts, einen Schlenker rüber auf den zweiten Fahrstreifen, wo es noch flüssig voranging. Ein donnerndes Röhren erschreckte Jacques, der in die Erinnerung an seinen Plausch mit Minou versunken war. Dröhnend wurden sie von einer getunten Harley rechts überholt. Sie fädelte sich vor ihnen ein, aber als die Wagen auf dieser Spur urplötzlich bremsten, schlängelte sich die Harley wie beim Slalom durch den engen Spalt zwischen den Autos auf der zweiten und dritten Fahrbahn und verschwand. Zum Glück öffnete sich in diesem Augenblick eine Lücke auf der rechten Spur, die Margaux für ein gewagtes Manöver nutzte. Volltönendes, anhaltendes Hupen ertönte hinter ihr.

»Die Motorradfahrer sind wirklich gefährlich. Die versuchen überall durchzuflitschen. Das übliche Chaos auf den letzten Kilometern«, seufzte Jacques.

»Und das, obwohl Sonntag ist«, warf Margaux ein.

Im Tunnel du Landy

Das leichte, wendige Motorrad mit den beiden dunkel vermummten Männern wich auf die Standspur aus. Der Fahrer nahm das Gas weg und schien den Sozius etwas zu fragen. Dieser blickte sich suchend um und schüttelte den Kopf. Im schummerigen Licht des überdachten Autobahnabschnitts blendeten die Scheinwerfer der Wagen auf den verschiedenen Spuren. Rechts fädelte sich ein, wer die Auffahrt zum Boulevard périférique Richtung Westen zum Ziel hatte. Und das waren die meisten. Deshalb staute sich der Verkehr hier auf der rechten Seite des Tunnels. Stillstand. Ein paar Meter im Schritt vorwärts. Stillstand. Jeder, der die Strecke häufig benutzte, kannte die übliche Schlange und übte sich in Geduld.

Mit der Rechten deutete der Sozius plötzlich auf einen schwarzen Mercedes-Van auf der zweiten Fahrbahn. Er näherte sich schnell, drosselte dann das Tempo und zeigte mit dem Blinker an, dass er sich in die rechte Spur einordnen wollte. Eine der üblichen Großraumlimousinen, wie sie reiche Reisende nutzten, um sich am Flughafen von einem Fahrer abholen zu lassen. Margaux gab kurz Gas, um den kleinen Abstand zum Wagen vor ihr zu schließen. Der Chauffeur des schwarzen Van beschleunigte ebenfalls und fand fünf Wagen weiter vorn eine Lücke.

»Jetzt ist er auch nicht viel weitergekommen«, bemerkte Margaux und bremste.

»Hm, lass ihn doch«, murmelte Jacques. »Es gibt halt nur eine Möglichkeit, wenn man hier im Tunnel du Landy schnell vorankommen will: Man muss es so machen wie die da.«

Er wies auf die beiden Männer auf dem Motorrad, die rechts auf der breiten Standspur an ihnen vorbeifuhren. Ein paar Meter weiter bremsten sie ab; der Sozius stieg von der Maschine, während der Fahrer äußerst gewagt vor den schwarzen Mercedes-Van rollte und auch heruntersprang. Durch ihr waghalsiges Manöver zwangen sie den Mercedes zu einer abrupten Vollbremsung, doch konnte der Chauffeur einen Zusammenprall mit dem Motorrad nicht verhindern. Sofort legte er sich auf die Hupe und hörte erst recht nicht auf, als die beiden Vermummten hastig auf die Beifahrerseite des Mercedes zuliefen und mit speziellen Notfallhämmern und wenigen wuchtigen Schlägen die Scheiben einschlugen. Einer der Männer beugte sich gelenkig durch das hintere geborstene Fenster ins Wageninnere, während der andere die Frontscheibe zertrümmerte. Wahrscheinlich um den Fahrer abzulenken. Der Mann an der Seitenscheibe tauchte schnell wieder auf und zog ein elegantes, flaches Aluminiumköfferchen aus dem Wagen, rief seinem Kumpel laut etwas zu und rannte los. Gegen die Fahrtrichtung. So machen das gewiefte Räuber: Es ist dann nicht möglich, sie zu verfolgen.

Das wusste Jacques, er hatte häufig genug die Fälle bei Gericht mitbekommen, wenn reiche Chinesinnen oder Milliardärsgattinnen mit millionenschweren Schmuckschatullen auf dem Weg vom Flughafen zu ihrer Luxusherberge im Ritz am Place Vendôme oder dem Crillon am Place de la Concorde von Straßenräubern hier im Tunnel du Landy auf diese Weise ausgeraubt worden waren. Das gehörte zum Repertoire der Jugendlichen aus den anliegenden Wohnghettos.

Als die Räuber gegen die Fahrtrichtung davonrannten, näherten sie sich dem Auto von Margaux und Jacques. Spontan stieß er seine Tür auf, als die Männer an ihnen vorbeilaufen wollten, doch der erste schlug mit dem Koffer nach ihm und drückte im Vorbeirennen die Tür wieder zu. Als Jacques schließlich die Verfolgung aufnehmen wollte, hielt Margaux ihn zurück: »Bleib hier, spiel nicht den Helden!«

Aus Wut wegen der dreisten Tat kletterte er allerdings flink aus dem Wagen und lief hinter den Männern her. Doch die waren schon weit weg. Hinter ihnen – etwa hundert Meter entfernt – leuchtete hellgrün das Schild zu einer Fluchttür. Die Männer rissen sie auf, sprangen hindurch und verschwanden. Jacques gab die Verfolgung auf. Die kennen sich hier einfach besser aus, dachte er. Außerdem sind sie zu zweit und vielleicht sogar bewaffnet. Er warf einen Blick auf die Tür, auf der stand: Issue 360 – Ausgang 360.

Der Überfall hatte den Verkehr auf der rechten Spur zum Erliegen gebracht. Außer Atem ging Jacques langsam zurück. Dabei fiel ihm eine schwere britische Luxuslimousine mit Rechtssteuerung und englischen Kennzeichen auf. Die Fenster waren geöffnet. Der Fahrer, vielleicht fünfzig Jahre alt, trug eine Kappe mit schottischem Muster und wirkte sehr angespannt. Ob das ein Bentley ist? Gibt es diese Edelkarossen jetzt auch schon als SUV?

Der aufgeregte Fahrer des Bentley hatte es plötzlich ganz eilig und wollte mit aller Macht die Spur verlassen, auf der er eingeklemmt war. Ohne Rücksicht auf die vor und hinter ihm stehenden Autos setzte er das Gewicht seines schweren Wagens als Rammbock ein. Sein Motor brummte auf, als er rückwärts gegen seinen Hintermann prallte und sich so ein wenig Platz verschaffte. Aber es reichte nicht, um vorn heraus auf die linke Spur zu fahren, wo sich der Verkehr wieder flüssiger bewegte. Mit Wut und Gewalt wuchtete der Mann am Steuer das britische Luxusmonster gegen seinen Vordermann, schob ihn auf den Wagen davor und gab weiter Gas. Ohne Rücksicht auf seine Umwelt trieb er seinen stählernen Mastodonten voran, riss dem Wagen vor ihm einen Kotflügel ab und verschwand im allgemeinen Hupkonzert. Aus beiden beschädigten Wagen, die der Bentley so brutal aus dem Weg geschoben hatte, stiegen junge Frauen aus.

»Ich habe ihn fotografiert«, rief die eine Fahrerin empört und winkte mit ihrem Smartphone.

»Rufen Sie doch lieber die Polizei! Das ist ja ein Mörder!«, schrie die andere wütend und begutachtete kopfschüttelnd den Schaden an der Rückseite ihres Renaults.

Eine wachsende Gruppe von Menschen, die aus den umstehenden Autos stiegen, versammelte sich am Tatort. Alle mit einem Smartphone in der Hand. Die einen telefonierten, die anderen fotografierten, und wieder andere lasen oder tippten Kurznachrichten. Manche hielten ihr Handy nur in der Hand, als würden sie sich daran festklammern.

»Früher hat man in solch einem Fall geraucht, um sich zu entspannen. Jetzt beruhigt das Digitalgerät«, meinte Jacques, als Margaux zu ihm trat. »Hast du irgendetwas von denen mitbekommen?«, wollte Margaux wissen. Er schüttelte den Kopf. Doch bevor er antworten konnte, strömte ein Teil der Menge laut schnatternd nach vorn, wo der überfallene Wagen stand. Margaux lief los. Als Jacques sie einholte, fotografierte sie – ganz die Journalistin – den Mercedes-Van von allen Seiten. Sie hielt das Handy auch durch die zersplitterte Windschutzscheibe und drückte ab, woraufhin der uniformierte Fahrer mit leicht indischem Aussehen ausstieg und ihr die Sicht nach innen versperrte. Schon gut, schon gut, Margaux hielt die Hände abwehrend hoch. Ich geh ja schon.

Der Chauffeur drängte sie ruhig, aber bestimmt zur Seite und beugte sich nach unten, um das Motorrad der Angreifer wegzuschaffen, das seinen Weg blockierte. Es war ein leichtes Motocross-Bike. Die Maschine hatte sich unter der Vorderseite des Van verkeilt und machte es für ihn zu einem mühsamen Unterfangen, sie hervorzuziehen. Zwei Männer kamen herbei und wollten helfen, doch als sie ihn ansprachen, reagierte er nicht, hob seine Chauffeursmütze zum Gruß und eilte zur Rückbank des Van. Hinten saß bewegungslos eine äußerst elegant gekleidete Frau, die einen leichten, exquisiten Schal um ihren Kopf und ihr Gesicht gelegt hatte. So als wollte sie unerkannt bleiben. Das feine Tuch, in einem warmen Orange-Curry-Ton gehalten, war mit kleinen weißen Tupfern versehen.

Die beiden Helfer begleiteten den Chauffeur zur Fahrertür und redeten auf ihn ein. Ob sie ihm helfen sollten als Zeugen, wenn die Polizei kam. Er schüttelte den Kopf, zog die Tür zu, drehte sich nach hinten und ließ nach einem kurzen Wortwechsel mit seiner Kundin den Wagen an, um auf die linke Spur einzubiegen, wo der Verkehr wieder floss. Die beiden Männer machten heftig Zeichen, er möge stehen bleiben, doch er achtete nicht auf sie, sondern fuhr los, obwohl sie in seinem Weg standen. So zwang er sie, zur Seite zu springen.

»Was machen wir?«, fragte Margaux, als sie wieder bei ihrem Wagen standen.

»Wir warten, falls es nicht ewig dauert. Ich rufe eben mal Jean an«, antwortete Jacques. Kommissar Jean Mahon von der Police judiciaire war seit vielen Jahren sein Freund und in vielen seiner Fälle der Ermittler von der Kriminalpolizei gewesen.

»Lass den doch in Ruhe«, meinte Margaux, »schließlich ist Sonntag. Was gehen ihn kleine Verkehrsdelikte an?«

Spurlos verschwinden

Ohne Rücksicht auf andere Fahrzeuge wechselte der Fahrer des Mercedes-Van die Spuren, bis er die äußerst linke erreicht hatte. Sie führte ihn auf den Boulevard périférique Richtung Osten, aber nach wenigen Hundert Metern nahm er dort schon wieder die nächste Ausfahrt. Im Kreisverkehr bog er an der vierten Abzweigung in Richtung des Stadtteils Aubervilliers. Raus aus dem Stadtzentrum, weg von den Blicken der Neugierigen, die sich über ein Auto mit eingeschlagenen Fensterscheiben wundern würden. Und später womöglich sogar darüber redeten. Seiner Kundin machte er mehrmals Zeichen, jetzt keine Fragen zu stellen.

Und sie war klug genug, ihn nicht abzulenken. Sie wusste mit gefährlichen Situationen umzugehen. Nicht umsonst hatte sie sich speziell von diesem Chauffeur abholen lassen, der mit dem Wagen wie ein geübter Rennfahrer um Kurven fahren, fast schon driften konnte. Sie kannte ihn, schon lange. Und sie vertraute ihm. Vier Minuten später hielt er vor einem Okko-Hotel, stieg aus und öffnete ihr die Seitentür.

»Hier fallen Sie nicht auf. Wie ein normaler Hotelgast nehmen Sie sich jetzt ein Taxi. Ich werde das Gepäck später bei Ihrer Adresse abliefern, denn damit würden Sie in dieser Gegend zu sehr auffallen.« Tatsächlich würden drei große Louis-Vuitton-Koffer jeden Taxifahrer in diesem Stadtteil verwundern.

Er sah sie kurz an, bemerkte, wie ruhig und in sich gekehrt sie war, und fügte hinzu: »Machen Sie sich keine Gedanken. Ich kümmere mich um den Rest.«

Sie öffnete ihre Handtasche, nahm aus einem Lederetui ein fettes Bündel Zweihundert-Euro-Scheine heraus und reichte sie ihm mit den Worten: »Scheuen Sie keine Kosten! Danke.« Dann stieg sie aus, zog den Schal, den sie über ihren Kopf getragen hatte, eng um den Hals zusammen, hängte einen leichten Sommermantel über den Arm und ging auf die vor dem Hotel wartenden Taxis zu.

Einfältige Menschen, die Spuren an einem Auto vernichten wollen, fahren es an eine unbeobachtete Stelle, in einen Wald, zu einer Kiesgrube, gießen ein paar Liter Benzin hinein und darüber, zünden es an und verschwinden. Das gelingt nur in den seltensten Fällen perfekt und erzielt meist nicht die gewünschte Vernichtung aller Beweise. Da kannte der Fahrer des schwarzen Mercedes-Van eine weitaus wirkungsvollere Lösung.

Nach etwa fünfzehn Minuten Fahrt durch die Banlieue stand er im ärmlichen Industriegebiet von La Courneuve vor einem verrosteten Tor mit einer hellblau gestrichenen Sichtblende. Dahinter verbarg sich ein alter Betonschuppen. Zwei riesige Schilder mit der Aufschrift »Scafa 93« boten an, kaputte Autos auszuschlachten und Einzelteile aller Art zu verkaufen. Für Bastler oder kleine Reparaturwerkstätten war dies ein wertvolles und zugleich preiswertes Ersatzteillager. Der Fahrer stieg aus und wollte das Tor öffnen, doch er fand keinen Türgriff. Als er laut daran rüttelte, schrie eine Stimme, er möge nebenan reinfahren. Mit nebenan war ein großes, modernes Gittertor gemeint, das zu einem Parkplatz führte. Kleine Schilder warnten vor Videoüberwachung.

»Das sieht aber nicht gut aus«, sagte der Mechaniker, als er das Tor öffnete.

»Bonjour«, grüßte der Fahrer. »Ist Jules da?« Jules gehörte die Werkstatt. Bevor der Mechaniker antworten konnte, tönte eine Stimme aus der benachbarten Halle.

»Salut, was machst du denn hier? Meine Güte, was ist mit dem Wagen passiert?« Ein kräftiger Mann kam schnellen Schrittes, gab dem Fahrer ohne weitere Begrüßung die Hand und schaute auf die eingeschlagenen Fenster, ging um den Van herum und deutete auf die Beulen, die bei dem Zusammenstoß mit dem Motorrad entstanden waren.

»Mon dieu, wie brutal. Was hast du denn mit dem schönen Auto gemacht? Wenn ich das richtig sehe, ist es das neueste Modell. V-Klasse. Ich fürchte, da können wir dir wenig helfen. Das ist so kurz auf dem Markt, dafür haben wir noch keine Ersatzteile hier, überhaupt nichts.«

Der Fahrer griff Jules an die Schulter und sagte in vertraulichem Ton: »Können wir eben in dein Büro gehen und einen Kaffee trinken?«

Beim Kaffee wurden sie sich schnell einig, denn dieses Angebot konnte Jules nicht ausschlagen. Er würde den Van kostenlos erhalten, sich dafür aber verpflichten, ihn sofort in seine Einzelteile zu zerlegen. Alle Nummern mussten abgeschliffen werden. Und zwar noch heute, auch wenn es bis spät in die Nacht hinein dauerte. Mindestens vier Monate lang durften davon keine Ersatzteile angeboten werden. Die Kennzeichen würden noch innerhalb der nächsten Stunde eingeschmolzen. Der Wagen wird auch nicht als gestohlen, verunglückt oder was auch immer gemeldet werden.

»Etwas musst du noch für mich tun«, verlangte der Chauffeur. »Du persönlich fährst mich jetzt gleich nach Hause. Ich hole mein Köfferchen, mit dem du mich dann beim Flughafen Charles-de-Gaulle ablieferst.«

Jules lachte: »Das ist nicht besonders klug. Jede Kamera sieht dich am Flughafen aus meinem Auto aussteigen. Dann vermuten die Flics, die Bullen, sofort eine Beziehung zwischen dir und mir. Sie schauen sich mein Kennzeichen an, kommen in meine Werkstatt und finden die Einzelteile des Mercedes-Van. Nein, ich fahre dich nach Hause und bringe dich dann zu der kleinen unscheinbaren RER-Station in La Courneuve, von dort fährst du mit der Bahn zum Flughafen und löst dich unter Tausenden von Passagieren auf.«

Der Fahrer überlegte kurz: »Wahrscheinlich hast du recht. Außerdem musst du bitte noch die drei Koffer, die im Wagen liegen, auf der Île de la Cité abgeben. Ich gebe dir die Adresse. Du stellst sie vor das große Tor, klingelst beim Concierge und haust sofort ab. Der weiß dann schon, wem die Koffer gehören.«

Parking Saint-Sulpice

Die Schlagtonfolge der alten Glocken der Kirche Saint-Sulpice erklang wie jeden Sonntag um die Mittagszeit, es war furchterregend. Was für ein gewaltiger Lärm!, fand der zwölfjährige Sohn der hübschen jungen Frau, die sich zu dem einzigen freien Tisch in der zweiten Reihe der Terrasse des Café de la Mairie durchschlängelte. Beide Hände drückte sich der Junge auf die Ohren. Mit vermeintlich schmerzverzerrtem Gesicht kniff er sich auch die Augen zu.

Während sich seine Mutter mit einem Seufzer auf ihren Stuhl setzte, stolperte der Junge über einen kleinen Hocker, auf den der Mann am Nebentisch ein modernes, flaches Aluminiumköfferchen gelegt hatte. Während der Mann sich flink beugte, um das heruntergefallene Köfferchen aufzuheben, stieß er mit der Schulter gegen den Tisch, auf dessen anderer Seite sich der strauchelnde Junge abstützte. Nur der schwere eiserne Fuß des Bistrotisches verhinderte, dass die runde Marmorplatte umfiel. Doch ein hohes Glas, das neben einer leeren Espressotasse stand, stürzte nach leichtem Zittern um, und seine helle Flüssigkeit spritzte auf die Jacke des Jungen. Nur ein Pfefferminzstängel und ein Schnitz grüner Limette blieben neben dem leeren Glas liegen.

»Aber, Georges, pass doch auf!«, rief seine Mutter und sprang hoch, obwohl sie kaum Platz hatte, sich zu bewegen. Georges schaute den Mann verzweifelt an, entschuldigte sich wohlerzogen: »Pardon, Monsieur, tut mir leid. Hab ich nich’ absichtlich gemacht.« Dann setzte er sich zu seiner Mutter – direkt neben den freundlich lachenden Mann, der sich zu der jungen Frau beugte und sagte: »Was für ein Zufall, auch ich heiße Georges.« Er hielt dem Jungen seine Hand hin. »Sind wir Freunde? Ich finde, wir beide tragen einen wunderbaren Namen. Die Engländer hatten Könige namens George, alle Franzosen kennen den Revolutionär Georges Danton, es gibt den Komponisten Georges Bizet, der hat die berühmte Oper Carmen geschrieben. Kennst du diese Musik?« Dann trällerte der Mann die ersten Töne der weltbekannten Arie Habanera aus Carmen.

Der Junge schaute kurz zu seiner Mutter auf, dann ergriff er die Hand des Mannes. »Erlauben Sie mir eine Frage, Monsieur …«

»Nenn mich Georges!«

»Erlaubst du mir eine Frage, Georges? Warst du das vorhin, der mit dem Bentley Bentayga in die Tiefgarage gefahren ist?«

Der Mann schaute den Jungen belustigt an und nickte. »Du kennst dich aber gut aus!«

»Entschuldigen Sie, Monsieur, mein Sohn ist ein Autonarr.«

»Madame, er hat ja recht!«, antwortete Georges der Ältere, erahnte eine Gelegenheit und wandte sich an den Jungen. »Wenn du Lust hast, kann ich euch zu einer kleinen Spritztour in dem Bentayga durch Paris einladen. Was meinen Sie, Madame?«

Der Junge schaute seine Mutter begeistert an, doch die schüttelte den Kopf.

»Wir sind leider gleich verabredet. Aber danke für die Einladung.«

Als der Kellner kam, von Georges dem Älteren herbeigewunken und als Bruno angesprochen, fragte der Mann die junge Frau: »Was möchten Sie trinken? Darf ich Sie zu einem Spritz Saint Germain einladen?« Er deutete flirtend auf das umgefallene Glas. »Ich nehme noch einen. Der macht munter.«

Sie zögerte: »Was ist das?«

»Ein erfrischender Hollunderlikör mit Champagner. Mit einem Pfefferminzstängel und einem Schnitz grüner Limette.«

»Nein danke«, sagte sie. Sie wolle nur einen Café, merci. Sie und ihr Sohn hätten nicht viel Zeit. Und Georges der Jüngere? Der wollte eine Orangina zéro.

»Na was denn, keine Cola?«

»Nein, die hat zu viel Zucker.« Die Mutter lächelte freundlich.

Bruno nickte stumm, räumte Tasse und Glas ab und wischte mit einem Lappen den nassen Tisch sauber.

Hinter der hohen Glasscheibe des Bistros – an der Seite zur engen Rue des Canettes – winkte ein kräftiger Kerl, der eine alte Werkzeugtasche trug, in Richtung des Mannes mit dem Aluminiumköfferchen. Der hatte aber nur Augen für die junge Mutter. Doch deren Sohn sah den Winkenden. Dieser erklärte ihm mit Zeichen, er möge Georges den Älteren auf ihn aufmerksam machen.

»Monsieur, da winkt Ihnen jemand.«

Der Mann blickte sich um, fuhr auf und ergriff sein Köfferchen. »Ich muss mich für fünf Minuten entschuldigen. Bitte seien Sie so lieb, und halten Sie mir den Platz frei, Madame!«

Als er bei dem Mann mit der Werkzeugtasche ankam, schüttelten sich die beiden Männer die Hände, und der, der sich als Georges vorgestellt hatte, wurde mit einem »Salut Henri, ça va – wie geht’s?« begrüßt. Der wiederum neigte sich leicht verschwörerisch dem anderen zu und bat, er möge nicht so laut sein! Der junge Georges und seine hübsche Mutter, denen Henri sich als Georges vorgestellt hatte, sollten seinen wahren Namen nicht hören.

»Lass uns kurz rübergehen. Ich komm eben mit. Ich muss dir was zum Wagen sagen.«

An der Rue Saint-Sulpice hielt die beiden kurz ein vorbeifahrender Bus der Linie 86 auf. Auf der anderen Seite wies ein blaues Schild mit einem schrägen Pfeil nach unten auf die schlichte Einfahrt zum unterirdischen Parking Indigo hin. Daneben führte eine kleine Treppe für Fußgänger in die Tiefe. Die beiden Männer stiegen in das fast leere vierte Untergeschoss, wo Henri den Bentley Bentayga in der äußersten Ecke so gut wie möglich versteckt hatte.

»Es ist alles ein wenig blöd gelaufen«, erklärte er und deutete auf die Schäden am Wagen. »Aber wofür gibt es denn sonst Versicherungen, nicht wahr?«

»Noch ’ne Frage: Ist das der besagte Koffer, hinter dem du her warst?«

Henri grinste breit. »Klar, hat alles perfekt geklappt. Deine Kontakte wussten genau, was sie zu tun hatten. Waren ihr Geld wert. Kamen mit dem Motorrad, schlugen die Scheiben ein, Koffer raus, bei mir rein. Und sie waren weg. Und ich auch.«

»Aber ist dir klar, dass da drinnen wahrscheinlich ein GPS-Tracker ist?«

»Merde!«, entfuhr es Henri. »Scheiße! Meinst du wirklich?«

»Hab ich mir’s doch gedacht, du denkst an alles, nur nicht an die gefährlichen Kleinigkeiten.« Der Helfer zog aus seiner Werkzeugtasche eine Aluminiumrolle und wickelte den Koffer geschickt ein. Drei Lagen umgaben das Bündel. Bis die Rolle leer war. »Das hilft fürs Erste.«

Wie peinlich! Um abzulenken, sagte Henri: »Fahr so schnell wie möglich los. Bis zum Eurotunnel brauchst du drei Stunden. Dann kannst du den Wagen heute Abend noch in Bristol abgeben, wo du ihn gestern früh abgeholt hast. Und sag niemandem, dass der Bentley in Frankreich war. Denk dir was aus wegen der Schäden.« Und dann warnte Henri: »Vermeide die Fahrt über Saint Denis und durch den Tunnel du Landy. Du weißt ja, warum …«

Der Mann nickte und holte aus seiner Tasche zwei britische Kennzeichen. »Gib mir ein wenig Deckung, falls jemand kommt. Kannst du die alten Kennzeichen mitnehmen und verschwinden lassen?«

»Nee, mach du das. Ich hab nich’ so viel Zeit.«

Zusammen mit dem Funkschlüssel gab Henri dem Mann einen prallen Briefumschlag voll Geld. Euro und Pfundnoten. »Is’ schon alles über Didi la Sardine finanziell geregelt.«

Henri wartete nicht, bis der Mann die Nummernschilder ausgetauscht hatte, sondern eilte zurück zum Aufzug, um möglichst schnell wieder an seinen Tisch im Bistro zu gelangen. Ob es ihm gelingen würde, die schöne Mutter zu bezirzen? Henri war guten Mutes, denn er schaute auf eine lange Liste mit Erfolgen zurück. Er schmunzelte über den spontanen Trick mit dem Namen Georges. Das war ein pfiffiger Einfall! Aber dann sah er schon von der anderen Straßenseite, dass die Stühle neben ihm neu besetzt worden waren. Auf seinen Tisch, wo ein frischer Spritz Saint Germain stand, hatte Bruno ein kleines Messingschild mit der Aufschrift reservé gestellt.

Die Videoaufnahmen

»Das ist ja wie im Krimi!«, juchzte Margaux und kritzelte aufgeregt in ihren Notizblock.

»Moment mal«, unterbrach sie Jacques ungewöhnlich streng. »Alles, was du hier erfährst, fällt unter das Schweigegelübde. Das darfst du auf keinen Fall benutzen, bevor wir es nicht freigegeben haben.« Kurze Pause. »Oder was meinst du, Jean?«

Kommissar Jean Mahon lachte. Was das denn sei, dieses merkwürdige Schweigegelübde? Margaux erklärte es gut gelaunt: »Es ist einfach eine Regel, um Streit zwischen uns zu verhindern. Wer etwas aus dem Arbeitsbereich des anderen erfährt, das nicht öffentlich bekannt ist, darf es ohne Zustimmung des jeweils anderen nicht verwenden. Ich darf darüber nicht in der Zeitung schreiben, Jacques darf es als Richter nicht verwerten.«

»Mon dieu, nein, nein«, rief daraufhin der Kommissar, »alles, was du hier siehst, ist erst einmal geheim. Wenn das morgen in deiner Zeitung steht … mein Gott, nicht auszudenken!«