Der Regent II - Roland Bochynek - E-Book

Der Regent II E-Book

Roland Bochynek

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Beschreibung

Der rasante technische Fortschritt ermöglicht den Bürgern des Staates Gäa, in dem mittlerweile mehr als die Hälfte der Menschheit vereint sind, auch den Sprung zu den Sternen. Die Vereinigung aller Menschen in Gäa scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Durch die Ausbeutung von Asteroiden stehen unbegrenzte Energie- und Rohstoffvorräte zur Verfügung. Dabei entdeckt man ein Artefakt, das nicht von Menschenhand geschaffen ist. Berger und ein ausgesuchtes Team brechen auf, um der Sache auf den Grund zu gehen. Im Orbit des Exoplaneten Proxima Centauri B machte die Expedition Entdeckungen, die die Rückkehr der Mannschaft infrage stellt. Gewaltige Herausforderungen kommen auf die Menschheit zu. Eine SF-Geschichte, bei dem sich der Autor so weit wie möglich an die realen Gegebenheiten gehalten hat. Der Roman baut zwar auf die Ereignisse des Erstwerkes "Der Regent" auf, es ist aber nicht erfordelich diesen zuerst zu lesen.

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Seitenzahl: 372

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Prolog
Der Alte
Luna A
Rekrutierung
Chemie
Journalismus
Überlichtantrieb
Ankunft
Geologie
Biologie
Der Alte
Das Artefakt
Vineta
Das Fernraumschiff
Jungfernflug
Die Marco Polo
Start
Krisensitzung in Vineta
Roter Zwerg
Konflikt
Erstkontakt
Proxima Centauri B
Der Hüter
Pannendienst
Proxima Centauri C
Umbau
Hyperraum
Nach Hause
Ankunft
Politik
Terror
Empfang
Epilog
Glossar

Der Regent II

Von Roland Bochynek

Buchbeschreibung:

Der rasante technische Fortschritt ermöglicht den Bürgern des Staates Gäa, in dem mittlerweile mehr als die Hälfte der Menschheit vereint sind, auch den Sprung zu den Sternen. Die Vereinigung aller Menschen in Gäa scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Durch die Ausbeutung von Asteroiden stehen unbegrenzte Energie- und Rohstoffvorräte zur Verfügung. Dabei entdeckt man ein Artefakt, das nicht von Menschenhand geschaffen ist. Berger und ein ausgesuchtes Team brechen auf, um der Sache auf den Grund zu gehen. Im Orbit des Exoplaneten Proxima Centauri B macht die Expedition Entdeckungen, die die Rückkehr der Mannschaft infrage stellt. Gewaltige Herausforderungen kommen auf die Menschheit zu.

Über den Autor:

Roland Bochynek, geboren 1954, beschreibt im zweiten Roman der Regentenserie, welche Probleme die Menschen in Gäa nach ihrem Aufbruch zu den Sternen bewältigen müssen.

Der Regent II

Aufbruch

Von Roland Bochynek

1. Auflage, 2019

© 2019 Roland Bochynek – alle Rechte vorbehalten.

Emil-Kömmerling-Straße 50

66954 Pirmasens

[email protected]

Prolog

Alan Forster fluchte leise vor sich hin. Wenn er eines nicht ausstehen konnte, dann waren es Ereignisse, die ihn bei seiner eigentlichen Arbeit störten. Gerade jetzt, wo er auf dieses Phänomen gestoßen war. Noch wusste er nicht, was er entdeckt hatte, die Auswertungen brachten kein eindeutiges Ergebnis. Es sah so aus, als ob die Sonne Proxima Centauri verrückt spielte. Schon vor sehr langer Zeit hatte man herausgefunden, dass dieser Stern eine äußerst aktive Oberfläche hatte. Zeitweise brachen die Flairs so stark aus, dass sich die Leuchtkraft des Himmelskörpers verdoppelte. Aber um die bekannten Eruptionen ging es nicht. Forster hatte Energieausbrüche entdeckt, die keinem Sonnenphänomen zuzuordnen waren. Er verglich sie eher mit Blitzlichtern, deutliche Energiespitzen, jedoch zu kurz für eine Sonneneruption. Auch traten sie ziemlich unregelmäßig auf.

Alleine kam er mit der Analyse nicht weiter. Er war auf fremde Hilfe angewiesen. Ihm blieb nichts übrig, als so viele Daten wie möglich aufzuzeichnen. Noch immer leise fluchend kontrollierte er penibel, ob alle Aufzeichnungsgeräte auch ordnungsgemäß liefen, dann kümmerte er sich um das Alarmsignal. Lautes Schimpfen konnte er sich hier sparen, ihn hätte doch niemand gehört. Er war alleine in dem Raumschiff, der „Ernter XV“.

„Heute klappt gar nichts!“ Erst stieß er sich den Kopf an der offenen Tür des Küchenschrankes und zu allem Übel schüttete er sich den heißen Kaffee über das Hosenbein. Als Krönung spielte jetzt auch noch das Schiff verrückt. Ein Alarm von der Ernteeinrichtung, Totalausfall! Bis heute hatte er nicht ein einziges Mal erlebt, dass sich der Materie-Ernter abschaltete. Eigentlich gab es bisher nie Störungen, dabei arbeitete er schon drei Jahre auf dem Schiff. „Was ist jetzt los? Wo fange ich mit dem Überprüfen an? Das kann ja heiter werden! Wo sind die Checklisten? Mann! Wie soll ich die finden, wenn ich sie noch nie gebraucht habe? Verflixt! Meine astronomische Arbeit bleibt natürlich wieder liegen, so komme ich nie zu einem Ergebnis!“

Die Ernter XV war, wie der Name schon sagt, ein Ernte-Raumschiff. Sie erntete Asteroiden. Obwohl dieser Begriff nicht ganz der richtige Ausdruck war. Die Planetoiden löste man, in ein Kraftfeld gehüllt, in reine Energie auf, welche im Schiff in Neutralium umgewandelt wurde. Das ließ sich mit den entsprechenden Geräten bei Bedarf in alle beliebigen Elemente, oder aber in Energie zurückverwandeln.

Eine der genialsten Erfindungen Nathans. Damit war es möglich, jede bekannte Materie herzustellen. Als Masse zum Auflösen dienten alle festen Substanzen, Flüssigkeiten oder Gase. Aber auch Strahlungen ließen sich einfangen und umwandeln. Auf diese Weise gab es nie Abfall, sämtliche Stoffe konnte man so im wahrsten Sinne des Wortes zu 100 % wiederverwerten. Nie wieder Müllprobleme! Aber das war noch nicht alles: Neutralium besaß eine extrem hohe Energiedichte. Ein Würfel mit einem Zentimeter Kantenlänge enthielt die aufgelöste Masse von fünfzehn Kubikmetern Gestein. Glücklicherweise blieb davon nur ein Gewicht von etwa zweieinhalb Kilogramm übrig. Kompakter ließ sich Materie nicht transportieren.

Ungefährlich war Neutralium auch. Das mattschwarze Material reagierte sehr gutmütig. Kein äußerer Einfluss konnte ihm etwas anhaben. Alle Energie oberhalb eines bestimmten Pegels wurde von ihm absorbiert und in Neutralium umgewandelt. Um daraus wieder Materie zu entnehmen, benötigte man spezielle Kraftfelder. Einige Physiker behaupteten, Nathan hätte damit den Stein der Weisen erfunden. Probleme bereitete nur die mechanische Bearbeitung. Zwar war Neutralium nicht fester als Blei, doch da es fast alle auf ihn angewendete Energie aufsaugte, war es nur ganz behutsam formbar. Man durfte eben einen bestimmten Energiepegel nicht überschreiten, sonst gab eher das Werkzeug nach als das Neutralium. Das Material wurde überall verwendet. Entweder in Form von Energiespeicher, mit dem im wahrsten Sinne des Wortes alles in Gäa angetrieben wurde, oder als Rohstofflieferant für die meisten Produkte. Bergbau im herkömmlichen Sinne gab es in Gäa schon lange nicht mehr, höchstens noch für Forschungszwecke. Selbst die seltensten Elemente stellte man bei Bedarf daraus her. Neutralium war das Einzige, was man noch benötigte. Über Rohstoffmangel brauchte sich niemand Gedanken zu machen.

Forster versuchte jetzt schon vier Stunden, den Grund der Störung zu finden. Immer wieder Systemcheck, Hochfahren, Statuskontrolle und jedes Mal dasselbe. Wenn er das Kraftfeld einschaltete, brach es sofort in sich zusammen. Alle Checks blieben ergebnislos. Die Maschinen und Aggregate waren in bestem Zustand, das hatte er schon ausgiebig überprüft. Kein Messwert lag außerhalb der Toleranzen. Das gesamte Schiff hatte er durchgetestet, sogar den Antrieb und die Lebenserhaltungssysteme. Es konnte nicht daran liegen. „Aber am Asteroiden genauso wenig, oder?“

Forster geriet ins Grübeln: „Die Abmessung stimmte, etwa fünfzig Meter Durchmesser. Obwohl das ja auch egal wäre. Hätte der Brocken größere Maße, löste er sich nur zum Teil auf. Ein Rand bliebe dann noch stehen. Ich könnte mir einen andern suchen, aber nein, das würde das System durcheinanderbringen.“ Nathan hatte genau vorgegeben, welchen Asteroiden geerntet werden dürfen. Für den ganzen Asteroidengürtel hatte er berechnet, wo man ernten konnte, ohne das Gravitationsgleichgewicht zu stören. Damit vermied man, dass sich Kleinstplaneten durch die Gravitationsänderung womöglich auf die Reise in Richtung Erde machten. Außerdem musste dieses Problem gelöst werden. Ohne zu wissen, was die Ursache ist, könnte es sich zu einem Sicherheitsrisiko entwickeln.

Hier saß er nun ziemlich ratlos. Dabei war er so stolz auf sein Wissen und Können. Er hatte eine Top-Ausbildung genossen. Nein, an der Wissensvermittlung hatte Gäa noch nie gespart. Auf Grundwissen wurde sehr viel Wert gelegt. Jeder, der eine Aufgabe ausführte, beherrschte nicht nur die Bedienung der Geräte, er wusste auch, wie sie funktionierten. Damit wurde eine Menge Schaden verhindert. Es gab weniger Fehlbedienungen und Reparaturen wurden so ebenfalls nicht zu einem Problem. Nein, am Wissen lag es nicht, Forster kannte die Schiffsystemen in- und auswendig.

Er war schließlich ein echtes Kind Gäas. Er wurde hier geboren, als der junge Staat bereits existierte und die ersten Krisen mit gegnerischen Regierungen schon gemeistert hatte. Er musste das wissen, war er doch der Sohn des größten Gegners Gäas, Mark Forster. Dem früheren Geheimdienstchef der USA und späteren, glücklosen Präsidenten. Man hatte ihn damals abgesetzt, nachdem er den durch ihn verschuldeten Krieg gegen Gäa kläglich verlor. Nathan hatte den Angriff mithilfe neuer Technologien, zwar ganz ohne Blutvergießen, aber vernichtend für alle US-Waffen, zurückgeschlagen. Forster ging dann, gezwungenermaßen, ins Exil, nach Gäa. Das hatte ihn wahrscheinlich vorm elektrischen Stuhl wegen Hochverrats gerettet. Seiner Macht beraubt sah er mit der Zeit auch sein Fehlverhalten ein. Seither war er ein überzeugter Verfechter von Gäas humaner Politik.

In diesem Sinne hatte er auch seinen Sohn erzogen. Alan Forster war schon immer ein Musterknabe. Nahezu alle Ausbildungen hatte er mit Auszeichnung abgeschlossen. Breit gefächerte Fähigkeiten und Charakterstärke machten ihn zum geeignetsten Kandidaten für die neu entwickelte Raumfahrt. Monatelang saß er allein auf sich gestellt in der Ernter XV, dem neuesten und modernsten Ernteschiff Gäas. Eigentlich könnte das Schiff die Arbeiten auch ohne Besatzung verrichten. Forsters Aufgabe bestand nur aus Kontrollen der automatischen Abläufe. Das bedeutet aber nicht, dass er ständig Däumchen drehen durfte. Das Schiff war so ausgerüstet, dass die zur Verfügung stehende Zeit für Forschungsaufgaben genutzt werden konnte. Das war die Hauptaufgabe Forsters. Jeder Asteroid wurde vor seiner Auflösung genauestens untersucht. Er entnahm Materialproben und führte genaue Vermessungen durch. Dazu kamen noch die astronomischen Beobachtungen. Forsters Spezialgebiet. Dafür war seine jetzige Position optimal geeignet. Weiter von der Sonne entfernt als der Mars, ergaben sich ganz andere Möglichkeiten als in Nähe der Erde. Sein Heimatplanet befand sich im Moment, von ihm aus gesehen, fast hinter der Sonne. Eine Funkverbindung war nur noch mithilfe von Sonden aufrecht zu erhalten, welche die Signale in weitem Bogen um den Stern führten.

Das Observatorium der Ernter XV war geradezu ein Traum. Es fehlte an nichts. Das ganze Strahlungsspektrum der beobachteten Objekte konnte erfasst und ausgewertet werden. Sogar ein zwei Meter Spiegelteleskop war vorhanden. Forster konzentrierte sich im Moment auf den der Sonne am nächsten stehenden Nachbarstern, Proxima Centauri. Eigentlich wollte er nur die Flairs des Sterns dokumentieren. Aber die von ihm entdeckten zusätzlichen Energieausbrüche weckten seinen Ehrgeiz. Mit allen Mitteln versuchte er, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Platz für Ausrüstung war in der Ernter XV genug vorhanden. Das Schiff war eine Kugel von achtzig Meter Durchmesser. In der Pionierzeit der Raumfahrt wurde die Größe eines Raumschiffes vom Treibstoffverbrauch des Antriebs begrenzt. In Form von Neutralium stand Gäa jedoch nahezu unbegrenzt Energie auf kleinstem Raum zur Verfügung. Man brauchte hier also nicht um jeden Preis Gewicht zu sparen. Die Anfangsjahre, in denen die Menschen sich mittels chemisch angetriebenen Raketen und Raumkapseln, die eher einer Ölsardinenbüchse glichen, erstmals außerhalb der Erdatmosphäre wagten, waren schon lange vorbei. Zumindest, soweit es Gäa betraf.

Forster war also einer der qualifiziertesten Piloten im besten und größten Raumschiff aller Zeiten. Aber hier war er am Ende seiner Weisheit. „Die Ursache muss gefunden werden. Allein schon, um auf zukünftige Fälle vorbereitet zu sein.“ Er sprach mal wieder mit sich selbst, so wie er es immer tat, wenn er komplizierte Probleme zu bewältigen hatte – oder gerade nicht fluchte. „Möglicherweise muss ich Nathan doch noch anfunken und um Rat fragen. Er ist schließlich der Schlauere von uns beiden.“

Das war er unbestritten, dieser Nathan. Er war eine künstliche Intelligenz, eingebettet in einen Quantencomputer, der sich selbstständig, je nach Bedarf, erweitern konnte. Er besaß eine unvorstellbare Rechenleistung. Kein Wissen war ihm unbekannt. Kein Code war zu kompliziert, dass er ihn nicht in kürzester Zeit knackte. Nathan war aber auch eine KI mit menschlichen Zügen. Jedoch konnte Forster ihn im Moment nicht so einfach erreichen. Durch die gewaltige Entfernung zur Erde war eine Kommunikation nur sehr umständlich möglich. Forsters Arbeitsgebiet lag ausgerechnet am entferntesten Punkt des Asteroidengürtels. Mehr als drei Astronomische Einheiten trennten ihn von seinem Heimatplaneten. Das war rund eine halbe Lichtstunde. Bei jeder Frage, die er zu Nathan schickte, hätte er mehr als eine Stunde auf die Antwort warten müssen. Das war nicht alles. Weil er sich von der Erde aus gesehen fast genau hinter der Sonne befand, klappte die Kommunikation nur über eine Funksonde, die er bei seinem Hinflug stationiert hatte. Das würde die Antwortzeit noch mal um eine halbe Stunde verlängern.

Besser, er fand selbst eine Lösung. „Also das Schiff scheint in Ordnung zu sein, bleibt nur noch der Fels da draußen als Grund. Aber was kann dort so eine Störung verursachen? Besteht er aus irgend einem exotischen Material? Nein, in den entnommenen Materialproben ließen sich nur die üblichen Substanzen nachweisen. Durchleuchten kann ich ihn schlecht. Mit fünfzig Meter Durchmesser wird das schwierig. Dafür müsste er doch erst etwas abnehmen.

Moment! Abnehmen? Das wäre ein Versuch wert.“ Sofort setzte er sich an das Steuerpult für den Materie-Ernter. „Wenn alles nicht geht, geht vielleicht etwas“. Er änderte die Fokussierung bis der Destruktor-Strahl nur noch einen Meter Durchmesser hatte. Dann versuchte er damit, den äußersten Rand des Asteroiden zu bestreichen. „Es klappt!“ Von seinem Erfolg angetrieben, fuhr er mit dem Strahl einmal quer über die gesamte Oberfläche. An einem Punkt schaltete sich das Gerät wieder aus. Jetzt versuchte er das Ganze von der anderen Seite. Damit kam er bis auf zehn Meter an die erste Bahn heran. „Da ist also etwas im Gestein versteckt, das sich negativ auf das System auswirkt!“

Begeistert von seinem Erfolg programmierte er den Strahl so, dass er auf allen Seiten über den Asteroiden führte. Kombiniert mit einem entsprechenden Flugmanöver, erhielt er einen echten 3-D-Scan des ganzen Felsbrockens. Dabei war es unerheblich, dass das Gestein aufgelöst wurde. Das war ja letztendlich der Sinn der Sache.

Nach zehn Stunden harter Arbeit erkannte er die ungefähre Form des störenden Objektes. Er war vollkommen erschöpft. Die ganze Zeit überwachte er konzentriert die Steuerung. Die Automatik funktionierte in dem Fall nicht. Jedes Mal, wenn der Strahl auf das unbekannte Etwas traf, schaltete er sich ab. Dann musste er wieder alles hochfahren und den Kurs neu eingeben.

Mit dieser Information war es ihm möglich, eine Route festzulegen, die den Strahl um das geheimnisvolle Objekt herum führte, um so alles an Gestein aufzulösen, das sich nicht in dessen unmittelbarer Nähe befand. Das würde das Schiff nach der entsprechenden Programmierung alleine ausführen. Forster brauchte unbedingt ein paar Stunden Ruhe.

Trotz der Aufregung schlief er doch einigermaßen gut. Müde genug war er ja. Als er aufwachte, signalisierte ihm das Schiff schon, dass es die programmierte Aufgabe erledigt hatte. Jetzt war nur noch ein Stück von knapp zehn Metern Länge und vier Metern Breite übrig. Auch war es nicht tiefer als drei Meter. Bei seinem kurzen Frühstück achtete er diesmal sorgfältig darauf, dass die Schranktür geschlossen war und der heiße Kaffee in der Tasse blieb. Danach setzte er sich entspannt und ausgeruht an das Steuerpult. Das letzte Stück erledigte er manuell. Den Materieauflöser so schwach eingestellt, dass er nur zehn Zentimeter in das Material eindrang, führte er ihn mit dem Joystick über den Felsen. Eine sehr aufwendige Arbeit, die dazu immer wieder durch Systemabbrüche behindert wurde. Schließlich blieb es nicht aus, dass er ab und zu mit dem Strahl das unbekannte Etwas berührte.

Dann hieß es für Forster, umständlich von vorne anzufangen. Nach vielen anstrengenden Stunden hatte er es geschafft, das Objekt war freigelegt.

Seine Enttäuschung war groß. Rechnete er doch mit einer fantastischen Maschine irgend welcher Aliens, aber das Ding sah eher wie ein Schrottteil aus. Es konnte ein Stück aus der Außenwand eines Raumschiffs sein, offensichtlich gewaltsam herausgebrochen. Die Ränder waren ziemlich zerklüftet. Alles in allem war das Teil etwa zehn Meter lang und vier Meter breit. Das wenige Zentimeter dicke Fragment besaß eine leichte Krümmung. Ein echtes Stück Weltraumschrott. Aber eines, das es in sich hatte! Mit all seinen Messgeräten versuchte er vergeblich, etwas über die Struktur des Objektes zu erfahren. Es gab keine brauchbaren Ergebnisse, das Material reagierte auf rein gar nichts und ließ auch keinerlei Strahlung durch. Sogar für Neutrinos war das Teil absolut dicht.

Noch ein Test stand aus. Einer, den sich Forster selbst ausgedacht hatte. Um die komplizierten Berechnungen zu sparen, mit denen man Volumen und Masse eines Asteroiden bestimmte, setzte er das Raumschiff auf den Himmelskörper auf und beschleunigte dann beides vorsichtig um sehr geringe Werte. Über den vom Schiff benötigten Energieverbrauch und die erreichte Geschwindigkeit ließ sich die Masse des Artefaktes relativ einfach bestimmen. Nicht ganz das, was Nathan vorgegeben hatte, aber es funktionierte bestens und sparte den Aufwand, das Objekt genau zu vermessen. Schließlich ist der Mensch ja von Natur aus faul. Wenn er wieder zu Hause war, musste er das mit Nathan besprechen. So etwas könnte man ja offiziell zur Arbeitserleichterung einführen.

Die Methode wendete er jetzt auch bei dem Artefakt an. Das führte er gleich dreimal durch, weil er den Ergebnissen einfach nicht traute. Dann setzte er sich doch hin und berechnete die Masse noch mal nach dem herkömmlichen Verfahren. „Das Stückchen Blech ist fast zehnmal schwerer als unser Neutralium. Mann, ich fasse es nicht! Jetzt wird es doch Zeit, mit Nathan Verbindung aufzunehmen.“

Forster erstellte über das Artefakt und alles Vorgefallene einen ausführlichen Bericht und sendete ihn zusammen mit den automatischen Schiffsaufzeichnungen an Nathan. Nun musste er mehr als eine Stunde auf eine Antwort warten. Gerade genug Zeit, um die versäumten Routinearbeiten zu erledigen. Seine astronomischen Beobachtungen wollte er auf jeden Fall noch abschließen. Schließlich waren die ungewöhnlichen Energieausbrüche aus dem Gebiet von Proxima Centauri ja auch ein außergewöhnliches Ereignis. Und welche Anweisung er von Nathan erhielt, konnte er sich schon denken. Mit Sicherheit würde er nicht mehr lange an diesem Standort bleiben.

Natürlich hatte er recht. Nach über einer Stunde kam die Order, das Teil zur Erde zu bringen. Im erdnahen Orbit sollte er auf weitere Anweisung warten. Eigentlich scheute er sich etwas davor, zusammen mit diesem Monster wochenlang gemeinsam in einem Raumschiff zu leben. Aber ein Andocken an der Außenhaut des Schiffes funktionierte nicht, weil keine der üblichen Kraftfelder an dem Teil Wirkung zeigten. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als die Ernter XV mit offenem Laderaum über das Artefakt zu stülpen. Glücklicherweise war Forster erst am Anfang seiner Erntereise. Der Frachtraum war noch so gut wie leer.

Das Verladen war gar nicht so einfach, denn die Ladeöffnung war nicht viel größer als das Objekt. Schließlich schaffte er es, ohne das Schiff allzu sehr zu ramponieren.

Jetzt kam der eher gemütliche Teil der Reise. Glücklicherweise war die Ernter XV innen sehr geräumig. Dazu gab es natürlich künstliche Schwerkraft. Forster konnte sich im Schiff wie zu Hause bewegen. Es gab auch alle Geräte bis hin zu einer Hochleistungsdatenverarbeitung, um während der Reise seine astronomischen Beobachtungen auszuwerten. Mit den gewonnenen Erkenntnissen dieses Fluges ließ sich der offizielle Sternenkatalog Gäas um ein beträchtliches Stück erweitern. Zeit für die Auswertungen hatte er nun reichlich. Auch mit der hochmodernen Ernter XV würde die Heimreise viele Wochen dauern. Jetzt konnte er sich in Ruhe Proxima Centauri widmen. Zumindest theoretisch, denn sehen würde er ihn auf der Reise nicht mehr.

Eigentlich glaubte man, mit Nathans Gravitationsantrieb ungeahnte Geschwindigkeiten zu erreichen. Theoretisch wäre eine Beschleunigung bis zur Lichtgeschwindigkeit möglich. Aber mit zunehmendem Tempo stieg die Gefahr, mit Gesteinsbrocken zu kollidieren. Die Ernter XV hatte zwar mit dem Materieauflöser einen Kollisionsschutz, jedoch auch der hatte seine Grenzen. Alles hing davon ab, die Hindernisse rechtzeitig zu erkennen. Nur dann waren Kurskorrekturen oder die Auflösung kleiner Objekte noch möglich.

Aber die Lichtgeschwindigkeit setzte der Ortung Grenzen. Ausgesendete Radarstrahlen mussten rechtzeitig zum Empfänger zurückkommen. Je höher die Geschwindigkeit wurde, desto weniger Zeit blieb, um auf ein entdecktes Objekt angemessen zu reagieren. Mikropartikel waren kein Problem, hierfür gab es einen energetischen Schutzschirm. Mit unbemannten Schiffen hatte man schon versuchsweise zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreicht, aber für bemannte Raumschiffe galten andere Sicherheitsvorschriften. Die lagen um den Faktor zehn darunter. Also nichts drin, von wegen mit halber Lichtgeschwindigkeit eben mal durchs Sonnensystem zu sausen. Zumindest nicht mehr als ein Mal, wenn man nicht als Sternschnuppe enden wollte. Vielleicht war es im wirklich freien Raum, zwischen den Sternen möglich, schneller zu fliegen. Dort gab es wesentlich weniger Materie. Das musste noch untersucht werden. Aber trotzdem war der Unterschied zu den frühen Feststoffraketen gewaltig. Etwa so, wie zwischen einem Fußgänger und einem Überschallflugzeug. Darüber hinaus war es mit den modernen Schiffen möglich, ein Ziel direkt anzufliegen. Swing-By-Manöver waren nicht mehr erforderlich.

Allerdings machte Forster doch einen kleinen Umweg. Auf direktem Weg wäre er durch die Korona der Sonne geflogen. Solche Manöver sollte man trotz herausragender Technik vermeiden. Eine größere Sonneneruption hätte auch ein Schiff wie die Ernter XV in Schwierigkeiten gebracht. Er programmierte einen Bogen, der ihn auf der Höhe des Merkurs an dem Glutofen vorbeiführte. Weiter traute sich bisher niemand ohne Grund an die Sonne heran. Aber auch dort gab es genug Strahlung, sodass der Schutzschirm einiges zu arbeiten hatte. Die auftreffende Energie wurde absorbiert und in Neutralium umgewandelt. So kam Forster in Sachen Energie wenigstens nicht mit ganz leeren Händen zurück.

Der Alte

Am Rande von Vineta lag die Villa Bergers. Nathan hatte sie für ihn bauen lassen, und sie ihm zum Ruhestand geschenkt. Sie war auch ein Ersatz für das, was er damals bei der Gründung Gäas in Deutschland zurücklassen musste. Zehn Jahre lebte er nun hier. Aber seine Begeisterung für das Anwesen hatte stark nachgelassen. Er entwickelte sich mit der Zeit zu einem verbitterten alten Mann. Das fiel ihm auch selbst auf. Darüber ärgerte er sich dann umso mehr, was seine Verbitterung nur weiter steigerte. Sein jetziges Leben war für ihn zu einem langweiligen Alltagstrott geworden. Er hatte keine Aufgabe, die ihn ausfüllen würde. Um die alltäglichen Dinge kümmerte sich das Personal, ihm blieb fast nur noch die Langeweile. Zwar hatte er seinen Sport, das Bogenschießen, aber das konnte er auch nicht den ganzen Tag ausüben.

Also saß er, wie schon viel zu oft, mal wieder in seinem Park, der das Haus weiträumig umgab und ließ die Vergangenheit an sich vorüberziehen. Es gab eine Menge Erinnerungen, daran mangelte es ihm nicht. Schließlich lebte er jetzt schon einhundertsechzig Jahre. Nathan hatte damals, kurz nach ihrem Zusammentreffen, Bergers DNA mithilfe von Nanorobots manipuliert. So wurde er zwar nicht unsterblich, aber seine Lebenserwartung hatte sich dadurch mehr als verdoppelt. Er und Nathan einigten sich darauf, dass dies für ihr Vorhaben notwendig war. Nur gemeinsam waren die Widerstände zu überwinden, die sich in jenen Tagen weltweit gegen sie bildeten.

Ja, er hatte wirklich viel erlebt. Alles fing damit an, dass er seine mathematische Begabung entdeckte. Er war in der Lage, Zahlenereignisse ziemlich genau vorherzusagen. Das brachte ihm große Erfolge am Roulette-Tisch und später erst recht auf dem Börsenparkett. Ein Firmenimperium hatte er sich damit erschaffen, das die Welt noch nicht sah. Bereits von Anfang an setzte er in seinen Unternehmen auf soziale Verträglichkeit. Ausbeutung wie Leiharbeit, Lohndumping oder Outsourcing waren für ihn tabu. Dafür gab es Betriebskindergärten, Sportvereine und Gewinnbeteiligungen für die Mitarbeiter. Die Leute rissen sich um Arbeitsplätze in seinen Firmen.

Dann kam das Ereignis, das sein ganzes Leben verändern würde. Sein Forschungsprojekt, eine künstliche Intelligenz auf Quantenbasis zu bauen, entwickelte sich zur Pleite. Die aufgebauten Strukturen reagierten nicht oder kamen womöglich gar nicht zustande. Berger rettete das letzte Versuchsobjekt, einen Siliziumwürfel, vor der Verschrottung und nahm ihn zum Andenken mit nach Hause. So hatte er wenigsten einen außergewöhnlichen Briefbeschwerer. Sein Erstaunen war groß, als dieser Würfel anfing, mit ihm zu kommunizieren. Das Projekt war gar nicht so erfolglos, es fehlten nur die passenden Schnittstellen zu dem Quantenprozessor. Die hatte sich die KI mit der Zeit selbst eingerichtet. Nathan war damit geboren.

Bergers Leben änderte sich total, nachdem er mit Nathan eine Symbiose einging. Seither waren beide direkt über ein Netzwerk miteinander verbunden. Ungeahntes Wissen und Informationen standen ihm jetzt zur Verfügung. Im Gegenzug machte sich Nathan die Charaktereigenschaften Bergers zu eigen. Ein Glücksfall für die gesamte Menschheit. Beide gründeten später den Staat Gäa im Westen Afrikas. Ein sehr erfolgreiches neues Konzept für friedliches Zusammenleben unterschiedlichster Völker. Heute erstreckt sich Gäa über den gesamten südlichen Erdball. Afrika, Süd- und Mittelamerika, Australien, Indonesien sowie eine Menge weiterer ehemaliger Inselstaaten gehörten dazu. Der ganze Staat wurde von Nathan regiert. Durch die sinnvolle und humane Gesetzgebung, gepaart mit den fortschrittlichsten technischen Errungenschaften lebte man in Gäa wirklich wie im Paradies. Niemand musste arbeiten, aber die meisten taten es freiwillig.

Das Währungssystem wurde revolutioniert. Es gab eine großzügige Grundversorgung und zusätzlich leistungsgerechte Entlohnungen. Dafür schaffte man Spekulationsgewinne ab. Die Schere zwischen Arm und Reich wurde geschlossen, ohne die gleichen Fehler wie beim Kommunismus zu machen.

Der Aufbau Gäas war gewiss nicht leicht. Einfach alles musste neu durchdacht und organisiert werden. Nathan nannte es damals einen Jahrhundertplan. Womit er schließlich ja auch recht behielt. Die erste große Krise kam mit dem Angriff der USA auf Gäa. Man versuchte, den Wirtschaftskonkurrenten zu zerstören und sich seine technischen Errungenschaften anzueignen. Aber da hatte der damalige US-Präsident Forster die Rechnung ohne Nathan gemacht. Gäa war bereits so fortschrittlich ausgerüstet, dass die US-Armee sozusagen im Handstreich vernichtend geschlagen wurde. Es war der erste Krieg, der dank Nathans Technologie absolut unblutig ablief. Keiner der Kontrahenten hatte Menschenopfer zu beklagen. Nur die Waffen und andere militärische Ausrüstungsgegenstände wurden zerstört. Sogar das gesamte Atomwaffen-Arsenal der USA konnte ohne Gefährdung der Bevölkerung vernichtet werden. Im Laufe der Zeit schlossen sich immer mehr Staaten Gäa an. Nur die nördliche Halbkugel versuchte bis heute verzweifelt, ihre von Konzernen und deren Lobbyisten kontrollierten Regierungen zu erhalten. Ungeachtet der stetigen Völkerwanderung Richtung Gäa wurde dort noch immer der schnöde Mammon verherrlicht.

Daran zerbrach auch Berger in gewisser Weise. Frustriert stellte er fest, dass er für die nördlichen Völker nichts ausrichten konnte, außer die Grenzen für die Einwanderer offenzuhalten. Er hätte gerne noch die ganze Erde in Gäa vereint, aber er hatte nicht mit dem Starrsinn und der Machtgier der verantwortlichen Politiker gerechnet. In ihrer maßlosen Arroganz verweigerten sie der Bevölkerung sämtliche Errungenschaften Gäas. Da zählte auch nicht, dass deren Einwohner, aufgrund des besseren Lebensstandards und medizinischen Versorgung mittlerweile ein Jahrzehnt länger lebten als ihre nördlichen Nachbarn.

Frustriert traf Berger vor zehn Jahren die Entscheidung, sich zurückzuziehen. Dabei war ihm auch voll bewusst, dass er damit seine bisherige Langlebigkeit aufgab. So war es von Anfang an vereinbart. Nathan sorgte in dieser Weise für die wichtigen Personen im Staat. Aber mit dem Austritt aus dem Staatsdienst endete auch dieses Privileg. Dann deaktivierte Nathan die lebensverlängernden Nanorobots. Allerdings konnten sich die Menschen auf einen sehr langen Lebensabend freuen, wurden sie doch bei absolut bester Gesundheit in den Ruhestand verabschiedet. Berger hätte man damals für etwa sechzig Jahre gehalten. Offensichtlich war es ein psychisches Problem, die Vielzahl von Erlebnissen eines so langen Lebens zu verkraften. Beinahe alle seiner Mitstreiter aus den ersten Tagen Gäas wählten bereits vor ihm diesen Weg. Er war schon damals der Dienstälteste. So war er mit hundertsechzig Jahren auch heute der älteste Mensch der Welt. Wahrscheinlich hatte er die Belastungen besser ertragen, weil er ständig mit Nathan verbunden war. Vielleicht hatte dieser im Hintergrund bei Berger etwas nachgeholfen.

Bergers Erlebnisse füllten ganze Bücherregale. Schließlich war er rund dreimal so lange aktiv wie andere Menschen. Er musste an Emma denken. Emma Rocco-Masters hatte nicht nur seine Biografie geschrieben, sondern auch die Entstehungsgeschichte von Gäa dokumentiert. Unzählige Tage saßen sie damals zusammen bis alles erzählt und erläutert war. Wehmütig dachte er an die Zeit zurück. An seine alten Kampfgefährten der ersten Stunde. An Rocco, der das kleine Waisenmädchen Emma aus den Fängen eines Warlords befreite und später adoptierte. Dann war da noch Scherer, sein Geschäftsführer, der lange Jahre sein Imperium, die All-Invest AG leitete. Oder Ali Al Houcha, sozusagen Gründungsmitglied von Gäa, der Einzige aus dem Team, der heute noch aktiv war. Nicht zuletzt Masters, der später Emma heiratete. Er wurde vom US-Geheimdienst zum Spionieren und Sabotieren nach Gäa geschickt. Berger, der dank Nathan über alles und jeden Bescheid wusste, hatte ihn nicht nur sofort enttarnt, sondern auch von den Vorzügen Gäas überzeugt. Masters wechselte die Seiten und übernahm später sogar die Leitung der staatlichen Sicherheitsabteilung.

Aber es half nichts, die turbulenten Zeiten waren vorbei. Jetzt gab es nur noch Leere und Langeweile in Berger. So hatte er sich sein Rentnerdasein nicht vorgestellt. Eigentlich erging es ihm wie den meisten Menschen. Viel Arbeit ist oft unangenehm, aber erst, wenn sie fehlt, weiß man, welche Erfüllung man darin fand.

Seufzend erhob er sich, nahm seine Bogenausrüstung und schlenderte zum Schießplatz. Eigentlich wäre es ihm mit dieser Ausrüstung möglich, überall zu schießen. Dafür bräuchte er nur den Projektor aufzustellen und die gewünschte Entfernung auszuwählen. Dann wurde im gewählten Abstand ein Schutzschild aufgebaut, der nicht nur die Pfeile festhielt, sondern auch Unbeteiligte vor Fehlschüssen schützte. Die Zielscheibe wurde gleich an die passende Stelle projiziert. Berger hatte aber dafür seinen Lieblingsplatz am äußeren Rand des Parks ausgewählt. Dort war er durch Palmen vor der Sonne geschützt und gleichzeitig weit genug von Besuchern und Personal entfernt. In aller Ruhe baute er den Bogen auf und begann, wie nahezu jeden Tag, mit seinen Schießübungen. Der gesundheitliche Aspekt des Sports interessierte ihn nicht so sehr. Für ihn war es eine Meditation. Vollkommen auf den Bewegungsablauf und die körperliche Spannung konzentriert, vergaß er sein Umfeld und seine Sorgen. Umso ungehaltener reagierte er auf die Störung, die in Form eines alten, bärtigen Greises auf ihn zukam.

Als er dann erkannte, dass niemand außer ihm diesen Mann sah, war er völlig aufgewühlt. Er war sich selbst nicht im Klaren darüber, ob er sich freuen oder ärgern sollte. Wie auch immer, der Besuch brachte Abwechslung in sein Leben. Seit nahezu zehn Jahren hatte er keine solche Verbindung mehr aufgebaut. Er glaubte sogar, dass diese Art der Kommunikation auf Dauer abgeschaltet wäre. „Hallo Nathan, welch hoher Besuch. Was führt dich zu mir? Muss ich wieder mal die Welt retten?“

„Wie ich sehe, geht es dir gut, zumindest körperlich.“ Berger wusste, dass alles, was er von Nathan sah und hörte, direkt in sein Gehirn projiziert wurde. Hatte er doch über hundert Jahre auf diese innige und sehr intime Art mit Nathan kommuniziert. Jetzt fehlte ihm aber die Übung, um das Gespräch auch auf seiner Seite lautlos zu führen. Glücklicherweise sah ihn niemand, wie er einfach so in die Luft redete. Man hätte sicher den Gesundheitsdienst für den armen alten und offensichtlich senilen Mann gerufen.

„Du liegst mit Deiner Frage nicht ganz falsch. Ich könnte echt Hilfe gebrauchen. Ich habe ein paar beunruhigende Informationen erhalten. Es kommen Ereignisse auf uns zu, die die Mobilisierung aller Kräfte erforderlich machen könnten.“

„Na, du übertreibst wohl wieder. Hörst du irgendwo das Gras wachsen, oder suchst du nur eine Beschäftigung für einen gelangweilten alten Mann?“ „Zum Teil hast du Recht, natürlich beobachte ich dich in regelmäßigen Abständen. Dabei habe ich festgestellt, dass du in letzter Zeit mental nicht sehr gut drauf bist. Du könntest wirklich Abwechslung gebrauchen. ...Und ich vermisse meinen alten Partner.“

„Das hat mir gerade noch gefehlt, ein sentimentaler Taschenrechner!“„Es freut mich, dass dir wenigstens dein Humor geblieben ist. Aber es stimmt, ich brauche dich. Eine Person, der ich hundertprozentig vertraue.“ „Du hast doch meinen Nachfolger“, versuchte Berger halbherzig abzuwehren. Er fand sich auf die Schnelle nicht damit ab, noch mal aktiv in das Weltgeschehen einzugreifen. „Deine Erben, es sind übrigens drei, für jeden Kontinent einen, leisten Hervorragendes. Aber sie werden dort gebraucht, wo sie jetzt sind. Außerdem habe ich dich wegen der besonderen Bindung zwischen uns ausgewählt. Du weißt ja, dass ein Teil von dir auch in mir steckt. Das wäre bei der geplanten Aktion von großem Nutzen.“

„Nun, ganz gleich, welche Aufgabe du für mich hast, ich brauche Bedenkzeit. Du weißt ja, dass du dich im Moment mit einem alten, senilen Tattergreis unterhältst.“ „Überlege es dir ein paar Tage. Unabhängig davon, ob du mitmachst oder ich einen anderen suchen muss, brauchen wir noch Monate für die Vorbereitung. Ich lasse die Netzverbindung zu dir aktiv, nutze sie, um Fragen zu stellen und mir deine Entscheidung mitzuteilen.“

Dieses Gespräch verhalf Berger zu einigen schlaflosen Nächten. Aber auch tagsüber ließ ihn das Thema nicht los. Er kam aus dem Grübeln nicht mehr heraus. „Jetzt ist Schluss! Das halte ich nicht länger aus. Ich mache mit, egal welche Abenteuer auf mich zukommen! Was soll ich in meinem Alter denn noch fürchten?“ Berger rief Nathan an und sagte zu. Als dieser ihm dann offenbarte, um was es ginge, waren auch die letzten Zweifel verflogen. Bei so einer Aktion musste er unbedingt dabei sein. Da bereute er seinen Entschluss auf keinen Fall, wenigstens vorerst.

Luna A

Beatriz Morrell war nicht begeistert. Zwar wurde schon offiziell bekannt gegeben, dass sie das Kommando über die erdnahe Raumstation Terra I abgibt. Aber ihre zukünftige Aufgabe, die Leitung auf Luna A zu übernehmen, war eigentlich für frühestens in einem Jahr geplant. Die neue Station war noch im Bau. Das war selbst für Gäa ein Mega-Projekt. Außerdem fühlte sie sich hier auf Terra I wohl. Hier kannte sie sich aus. Schließlich hatte sie den Posten seit deren Inbetriebnahme inne. Die Station war überschaubar.

Terra I war eine Scheibe mit dreihundert Metern Durchmesser und hundert Metern Höhe. Hauptsächlich war sie ein Umschlagplatz für Rohstoffe und Produkte, die man von der Erde per Transmitter hochschickte, um sie von hier aus zu den Verbrauchsstellen weiterzugeben. Benötigt wurden die Güter fast ausschließlich auf den Raumschiffen. Die gesamte Flotte versorgte man auf diese Weise.

Im Gegenzug verschickte man gewonnenes Neutralium nach Gäa. Damit vermied man häufige Starts und Landungen auf der Erde. Sie hätten mit der Zeit die Schichten der Stratosphäre zu sehr verwirbelt. Die Konsequenzen für das irdische Klima waren selbst für Nathan nicht vorhersehbar. Also vermied man es, soweit es möglich war. Eine Werft für Wartung, Reparatur und Neubau der Schiffe gab es auch auf der Station.

Es war schon ein reger Betrieb hier oben. Nahezu hundert Raumschiffe flogen mit den unterschiedlichsten Aufgaben durch das Sonnensystem. Die meisten erfüllten Forschungsaufträge, nicht wenige dienten als Ernter zur Gewinnung von Neutralium. Sie versorgten Gäa, die Raumstation und die anderen Schiffe mit diesem Energie- und Rohstofflieferanten.

Während der Bauzeit von Luna A war Terra I bis an seine Grenzen ausgelastet. Es gab eine Menge Material, das einfacher auf der Erde produziert und dann in den Weltraum geschickt wurde, als hier vor Ort zu fertigen. Meistens handelte es sich um Teile, für dessen Produktion ein hoher Personaleinsatz erforderlich war.

Obwohl es kein Problem darstellte, im erdnahen Orbit zu arbeiten, scheuten sich doch sehr viele Menschen davor. Dabei gab es kaum einen Unterschied zu Arbeitsplätzen auf der Erde. Es existierte künstliche Schwerkraft und durch die Transmittertechnik war man in Nullzeit wieder zu Hause. Für eine große Anzahl Menschen kam der Fortschritt eben doch zu schnell. Das sah man auch an dem Verhalten der Bevölkerung in den nördlichen Ländern, die nicht zu Gäa gehörten. Dort gab es sogar Sekten, die ihren Lebenszweck darin sahen, alle technischen Errungenschaften Gäas als Lügen oder Teufelszeug abzutun.

Mittlerweile hatte sich die Situation auf den beiden Stationen verändert. Die Transmitterverbindung zwischen Erde und Luna A war endlich in Betrieb. Dadurch reduzierte sich die Hektik auf Terra I. Das merkte auch Morrell am Rückgang ihres eigenen Arbeitsvolumens. Jetzt hätte sie hier wieder einen etwas ruhigeren Posten. Aber nicht mehr lange. Aus irgend welchen Gründen sollte sie das Kommando auf Luna A sofort antreten. Ihr gefiel es überhaupt nicht, eine Baustelle zu übernehmen. Ingenieure wären dafür doch sicher geeigneter.

Niemand erklärte ihr, warum die Station vorzeitig in Betrieb genommen wurde. Es solle sich um ein geheimes Sicherheitsprojekt handeln, mehr würde sie erfahren, wenn sie dort angekommen war. Schweren Herzens machte sie sich mit einem Koffer voll persönlicher Sachen auf den Weg zum Transmitter. Ihren Nachfolger hatte sie schon eingewiesen. Der Abschied von ihren Freunden und Kollegen dauerte auch nicht lange.

Nach einem kurzen, etwas wehmütigen Blick zurück, trat sie durch das Transmittertor. Damit tat sie einen wahren Riesenschritt. Zeitlos überwand sie etwa 300.000 Kilometer, eine ganze Lichtsekunde. Während Terra I auf einer geostationären Umlaufbahn, also 36.000 Kilometer von der Erde entfernt flog, stand Luna A im Zentrum von L1. Das war der Librations- oder auch Lagrange-Punkt 1 zwischen Erde und Mond. Der Ort, an dem sich die Anziehungskräfte beider Himmelskörper gegenseitig aufhoben. Er lag 321 000 Kilometer von der Erde entfernt, also salopp ausgedrückt, kurz vorm Mond.

Insgesamt gab es fünf solcher Punkte. L2 lag hinter dem Mond, dort, wo sich die gemeinsame Schwerkraft von Erde und Mond durch die Fliehkraft des Orbits aufhob. L3 lag hinter der Erde, also in entgegengesetzter Richtung. L4 und L5 lagen auf der lunaren Umlaufbahn, jeweils von der Erde aus gesehen sechzig Grad vor und hinter dem Mond. Diese Langrange-Punkte boten sich natürlich an, um dort Objekte antriebslos zu stationieren. So hatte Gäa schon Forschungsstationen und Observatorien an L3, L4 und L5 stationiert. Nur L2 wurde noch nicht genutzt. Schließlich war die Kommunikation dorthin schwierig, weil der Punkt im Funkschatten des Mondes lag. Wer wollte auch schon freiwillig hinterm Mond leben?

Morrell schaute sich verwundert an ihrer neuen Wirkungsstätte um. Überall herrschte eine hektische Betriebsamkeit. Niemand beachtete sie. Das war schon bemerkenswert. Normalerweise fiel sie allerorten auf. Mit ihrer großen, stattlichen, aber doch sehr femininen Erscheinung hatte sie meistens die Aufmerksamkeit auf ihrer Seite. Nur hier schien jeder voll und ganz mit seiner Aufgabe beschäftigt zu sein.

„Auch gut“, sagte sie sich, „allein mit einem süßen Augenaufschlag kommt man hier nicht weiter, gut zu wissen.“ Dem Grunde nach war ihr das sogar recht. Schon oft hatte man ihr, wegen ihrem attraktiven Aussehen, die Führungsfähigkeiten, die sie zweifelsfrei besaß, nicht zugetraut. Nur Nathan war in der Sache neutral, wen wundert’s. Sie aktivierte den Navigationsmodus ihres Kommgerätes und ließ sich zu ihrem neuen Büro leiten.

Die Kommandoübergabe war schlicht und einfach. Sie wurde bereits vom Projektleiter, der für den technischen Aufbau der Station verantwortlich war, erwartet. Gemeinsam riefen sie die entsprechende Routine des Stationscomputers auf, der alle Berechtigungen auf sie übertrug. Damit hatte sie jetzt das Kommando. Der Projektleiter war sichtlich froh, dass von nun an jemand anderes die Gesamtverantwortung trug und er sich mehr seiner ursprünglichen Aufgabe widmen konnte. Er machte sich auch sehr schnell wieder aus dem Staub.

Morrell richtete sich erst einmal häuslich ein. Ihre privaten Räume grenzten unmittelbar an das Büro. „Praktisch“, bemerkte sie, „so ne Art Heimarbeitsplatz.“ Nach einer Tasse Kaffee verschaffte sie sich mithilfe des Computers einen Überblick über den Baufortgang und Zustand der Station. Dann stellte sie sich mit einem Rundschreiben bei allen Stationsmitarbeitern vor. Auf eine Personalversammlung verzichtete sie, das fand sie bei der allgemeinen Hektik nicht sinnvoll. Das wird sie später nachholen. Schließlich rief sie Nathan an, um endlich zu erfahren, was hier gespielt wurde.

„Ihr werdet auf Luna A einen außergewöhnlichen Gast beherbergen“, war Nathans Antwort. „Aber es handelt sich nicht um eine Person, sondern um ein Artefakt. Es wurde im Asteroidengürtel gefunden. Alan Forster ist mit der Ernter XV auf dem Weg zu euch. Er hat es entdeckt und bringt es mit. Eure Aufgabe lautet, das Teil sicher unterzubringen und dessen wissenschaftliche Untersuchung zu unterstützen. Ich werde dir alle Informationen, die ich über das Objekt besitze, zusenden. Bis auf Widerruf läuft die Aktion unter strengster Geheimhaltung.“ Unmittelbar danach erhielt sie eine Datei mit Sicherheitsmerkmalen der höchsten Stufe.

Jetzt, nachdem Morrell wusste, worum es ging, stürzte sie sich sofort auf ihre Arbeit. Die Logistik war kein Problem, die funktionierte dank der Transmitter einwandfrei. Die Schwierigkeit lag bei der Organisation. Wegen der provisorischen Inbetriebnahme musste erst mal festgelegt werden, was nicht benötigt würde. Für den erforderlichen Rest war dann ein Ablaufplan vonnöten, damit sich die einzelnen Aufbaukolonnen nicht gegenseitig behinderten. Morrells Vorgänger hatte schon gute Arbeit geleistet. Sie brauchte nur ein paar Kleinigkeiten zu ergänzen. Dann kam die nervige Aufgabe, darauf zu achten, dass sich sämtliche Teams an den Plan hielten. Schließlich sah auch im fortschrittlichen Gäa jeder seine eigene Aufgabe als die wichtigste an. Es würde noch einige Besprechungen mit den einzelnen Projektleitern geben, bis alles so liefe, wie sie es sich vorstellte. Von nun an rief sie täglich den Gesamtplan von Luna A auf, um den darin gekennzeichneten Fortgang zu kontrollieren. Immer wieder staunte sie beim Anblick des Plans über die Dimensionen der Station.

Luna A hatte die Form eines Kegelstumpfes. Ihr größter Durchmesser betrug eintausendfünfhundert Meter. An der Spitze waren es noch zweihundert. Das ganze Gebilde war zwei Kilometer lang. Die große Grundfläche diente als Landeplattform für Raumschiffe. Für alle bisher gebauten und geplanten Schiffe bis zu zweihundert Meter gab es verschließbare Schächte, die ins Innere führten. Die Schachtböden dienten als Hangars und gleichzeitig als Werften. Das ermöglichte Reparaturen oder Neubauten unter Atmosphärendruck. Die Oberfläche der Station wurde ebenfalls zum Andocken genutzt. Dazu gab es noch eine Vielzahl von Andockstellen, die über die Seitenflächen verteilt waren. Das Innere von Luna A glich einer Großstadt. Wohnbereiche wechselten mit Forschungsstationen ab. Dazwischen fand man Fabrikationsanlagen für alle möglichen Zwecke.

Dies war auch der Hauptgrund, warum Luna A gebaut wurde. Hier sollten einmal Produkte entstehen, für deren Herstellung ein hoher Energieaufwand erforderlich war. Nathan hatte festgestellt, dass durch den hohen Energieverbrauch auf der Erde zu viel Materie verbraucht würde. Einer der wenigen Nachteile des Neutraliums, bei der Umwandlung in Energie geht dem Planeten Masse verloren. Langfristig gesehen kann dieser Masseverlust die Erdrotation und Umlaufbahn um die Sonne beeinflussen.

Natürlich würde sich das in den nächsten fünfhundert Jahren noch nicht bemerkbar machen, aber Nathan dachte in anderen Dimensionen. Die Schwerindustrie sollte auf jeden Fall in absehbarer Zeit in Luna A beherbergt werden. Dafür wurde die Station auch so ausbaufähig konzipiert. Das war effektiver, als das im Asteroidengürtel gewonnene Neutralium erst zur Erde zu schicken, um dann die fertigen Produkte wieder in den Weltraum zu befördern. Hier gab es nämlich wesentlich mehr Bautätigkeit als in Gäa selbst.

Die Kegelform war aber nur der Anfang. Das kleinere Ende diente dazu, später eine gleich große Zwillingsstation daran anzubauen. Schon jetzt hatte Luna A den Spitznamen „Halbes Jojo“. Die Spitze nannte man den Umkehrpunkt. Dort würde es einen Bereich mit Schwerelosigkeit geben. Überall sonst herrschte künstliche Schwerkraft. Damit trennte man die beiden Gravitationssphären, wenn der zweite Teil, Luna B genannt, hier angebaut war. Aber das würde noch nicht alles sein. Im Endausbau konnten bis zu sechs solcher Kegel durch den zentralen Andockpunkt verbunden werden. Vergeblich versuchte Morrell abzuschätzen, wie viele Menschen einmal hier wohnen und arbeiten würden. Außer Nathan wusste das wohl niemand, schließlich war er es, der die Pläne für die Station entwarf.

Ein so großes Gebilde ließ sich nur äußerst schwer und nur mit sehr hohem Energieaufwand bewegen, deshalb hatte es Nathan der Einfachheit halber an L1 aufgehängt. Außerdem bestand so keine Gefahr, dass Gezeitenkräfte die Struktur beeinflussten. Natürlich wurden auch Triebwerke in die Station eingebaut. Aber obwohl diese gewaltige Ausmaße hatten, dienten sie doch nur zur Lagekorrektur. Für ein Versetzten an einen anderen Standort war das Gebilde nicht konstruiert.

Im Moment war der größte Teil der Station leer. Äußerlich sah alles schon fertig aus, aber im Inneren würde man noch Jahre daran arbeiten, um die Räumlichkeiten komplett fertigzustellen. Zur Zeit konzentrierten sich die Anstrengungen auf die Landeplattform und die angrenzenden Räume. Am Rest von Luna A würde nur dann weiter gebaut, wenn die Sonderaktion Ressourcen übrig ließ. Bis Forster hier eintraf, musste mindestens ein Hangar für das Schiff in Betrieb sein. Dazu auch die entsprechenden Labors, die zur Untersuchung des Artefaktes dienten. Natürlich durfte die weitere Infrastruktur nicht fehlen. Schließlich rechnete man mit Dutzenden von Wissenschaftlern. Auch würde mindestens genauso viel Hilfspersonal benötigt. Das erforderte entsprechende Unterkünfte und Verpflegungsstationen. In den nächsten Wochen war noch eine Menge zu erledigen.

Rekrutierung

Dainan Sampi war froh, zu Hause zu sein. Sydney war für ihn einfach die schönste Stadt. „Endlich Urlaub! Mal wieder faulenzen, segeln und tauchen.“ Sein Arbeitsplatz war auf der Insel Madagaskar, fast auf der anderen Seite der Erde. Eigentlich war das kein Problem. Nach der Anbindung Australiens an Gäa waren auch hier überall Transmitterverbindungen aufgebaut. Zeitlich gesehen war sein Labor genauso weit entfernt wie die Kneipe um die Ecke. Aber bei Sampi war es ein psychologisches Problem. Als Aborigine war er sehr heimatverbunden. Das steckte der australischen Urbevölkerung in den Genen. Nur das große Interesse an der Herausforderung, die ihn auf Madagaskar erwartete, ließ ihn so weit in die Ferne ziehen. Nathan hatte ihn rekrutiert. Seine exzellenten Leistungen während des Physik-Studiums waren aufgefallen. Dazu kam die Fähigkeit, sich schnell in ihm fremde Technologien hineinzudenken.

Sein Team hatte die Aufgabe, aus der vorhandenen Transmittertechnik einen Antrieb für Raumschiffe zu bauen. Nicht nur dafür hatte man auf der Insel den größten Weltraumbahnhof eingerichtet, den man auf der Erde je sah. Obwohl die Schiffe mit ihrem Gravitationsantrieb praktisch überall landen konnten, zog man es vor, den Verkehr auf Madagaskar, im Indischen Ozean zu konzentrieren. Hier war man auch am besten vor den neugierigen Blicken der Nordstaaten geschützt. Der Neid, gerade auf die Fortschritte der Raumfahrt, war sehr groß. Schon allzu oft gab es Vorstöße des Nordens, um an der Weltraumnutzung Gäas beteiligt zu werden. Aber Nathan wiegelte solche Begehren bisher immer ab. Er nutzte dies auch als Lockvogel. Seine These lautete: „Schließt euch uns an, dann könnt ihr all das nutzen.“

Natürlich war die Raumflotte Gäas immer bereit, bei Notfällen zu helfen. Schon kurz nach der USA-Krise fielen wegen des politischen Durcheinanders so viele Versorgungsflüge zur internationalen Raumstation ISS aus, dass dort der Treibstoff für notwendige Kurskorrekturen zur Neige ging. Eines der ersten Raumschiffe Gäas schleppte die Station auf eine sichere Umlaufbahn und versorgte die Astronauten mit dem Nötigsten. Auch wurde eine Vielzahl außer Kontrolle geratener künstlicher Raumkörper geborgen. In der Anfangszeit beförderte man sogar Satelliten für andere Staaten auf ihre Umlaufbahn. Schließlich waren die chemischen Raketen eine große Umweltverschmutzung, die Gäa gerne vermeiden wollte. Diese Dienstleistung wurde aber schon nach dem dritten Start eingestellt, nachdem man feststellte, dass die Hälfte der Satelliten für Spionagezwecke über Gäa gedacht waren.