Der Sandprinz von Ghuhuul - Eileen Sattelmair - E-Book

Der Sandprinz von Ghuhuul E-Book

Eileen Sattelmair

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Beschreibung

Luci, einem 14-jährigem Mädchen, geht es immer schlechter. Sie ist nach ihrem spannenden Abenteuer in Moonheaven in einen tiefen Schlaf gefallen. Sie beginnt eine Zeitreise, wo sie ihre Mutter Alica, ihre Tante Vallerie und viele andere ihrer Familienmitglieder trifft und kennenlernt. Sie ist dem Geheimnis um Ihre Mutter auf der Spur und möchte die Zeitreise nicht mehr beenden. Aber sie entscheidet sich doch zurückzukehren. Als sie aus dem Krankenhaus entlassen wird, fängt ihr Dilemma erst richtig an. Ihre besorgten Eltern verfrachten sich kurzer Hand zu Oma und Opa. Wie soll Luci von dort je wieder nach Moonheaven kommen? Sie entwickelt eine Idee, aber dazu muss sie ihre Großeltern wochenlang anlügen. Immer mit schlechten Gewissen und kurz vor der Entdeckung, lernt sie Moonheaven jetzt richtig kennen und sieht ihre Freundin Ella und ihre Familie wieder. Aber leider fliegt ihre Lüge auf. Und dann kommt der neue Schulanfang, ohne ihre Freundinnen Ella und Mari, aber dafür mit Philip, den Luci so gar nicht ausstehen kann. Auf der Klassenfahrt passiert dann das Unvorstellbare: Luci und Philip geraten zusammen in ein weiteres, gefährliches Abenteuer. Eine alte Freundin, die Luci bei ihrem ersten Abenteuer verbannt hat, taucht wieder auf und trickst sie auch dieses Mal wieder aus. Luci muss nun dringend lernen, wie eine echte Elfe zu sein und gleichzeitig ihre menschlichen Fähigkeiten zu stärken. Keine leichte Aufgabe, aber die Bedrohung ist zu groß für Angsthasen und so muss Luci tun, was getan werden muss, oder?

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Seitenzahl: 546

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Eileen und Susanne Sattelmair

Der Sandprinz von Ghuhuul

Eileen und Susanne Sattelmair

Der Sandprinz von Ghuhuul

Weitere Serien von Eileen und Susanne Sattelmair:

Die Rose von Moonheaven – Teil 1

Das Geheimnis von Moonheaven – Teil 2

© 2022 Eileen Sattelmair, Susanne Sattelmair, Berlin

Umschlaggestaltung, Illustration: Susanne Sattelmair

Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition

Designer. Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH,

Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

ISBN Softcover: 978-3-347-45271-8, ISBN Hardcover: 978-3-347-45272-5, ISBN E-Book: 978-3-347-45273-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Ratlosigkeit

Große dichte pechschwarze Wolken sind aufgezogen und verdunkeln den Himmel. Es ist immer noch mehr Nacht als Tag. Ein böiger Wind weht durch das kleine Dorf in den Bergen. Bäume und Büsche wiegen sich im Takt der Böen. Scharen von Blättern fliegen durch die Luft und klatschten jetzt zusammen mit dicken, fetten Regentropfen auf Lucis Dachfenster. Die liegt auf ihrer Matratze und schläft. Unruhig wälzt sie sich von einer zur anderen Seite. Immer wieder zucken ihre Beine, so als wenn sie rennen will. Ihre Bettdecke liegt bereits auf dem Boden. Sie schreckt mehrmals hoch und wacht auf. Dann sieht sie sich kurz verwirrt um und schläft aber wieder ein. Leise murmelt sie etwas vor sich hin. So geht es Stunde um Stunde. Es ist kein friedlicher Schlaf.

Draußen vor dem Fenster beginnt der neue Tag und es wird langsam hell. Der Sturm hat sich beruhigt und der Regen prasselt nun gleichmäßiger aufs Dach. Still dastehend, betrachten Bonny und Luigi ihre Tochter eine ganze Weile sehr genau. Sie machen sich große Sorgen. Luci schläft nunmehr schon über zehn Stunden. Doch das ist nicht der Grund ihrer Sorge, denn so, wie ihre Tochter gestern nach Hause kam, ganz aufgelöst, durcheinander und vollkommen müde, ist das kein Wunder. Was sie beunruhigt ist, dass sie Albträume und hohes Fieber hat. Das Thermometer zeigt noch immer vierzig Komma acht Grad an. Beide konnten die Nacht nicht schlafen, denn Luci hat immer wieder im Schlaf aufgeschrien und sich so stark herumgewälzt, dass sie mit dem Kopf mehrmals ziemlich kräftig gegen die Wand geprallt ist, und so haben beide beschlossen, Wache zu halten.

Luci fängt bereits wieder an, sich hin und her zu drehen und wirr im Schlaf zu reden. »Es ist für sie eine sehr schwere Nacht. Hoffentlich schläft sie bald ruhiger.« Bonny schaut ihre Tochter mitfühlend an und deckt sie mit ihrer Decke wieder zu. Dabei befühlt sie deren Stirn und ihren Körper. Sie ist schweißnass und heiß. Das Fieber will trotz kalter Wickel nicht sinken.

Luigi tut es im Herzen weh, seine Tochter so leiden zu sehen. Was die wohl jetzt gerade träumt? Er weiß es nicht. Er kann nur mutmaßen, was sie alles gestern durchgemacht hat. Als Bonny ihm von ihrem Telefonat mit Luci erzählt hat und dass die nach Moonheaven gehen will, um dort den anderen Teil ihrer Familie zu retten, hat ihn das in Todesangst versetzt. Unzählige angstvolle Stunden haben beide gewartet und gegrübelt, was sie machen können, um ihrer Tochter zu helfen. Aber ihnen ist nichts eingefallen. Und als sie gerade sich aufmachen wollten, um zur Polizei zu gehen, stand sie wieder vor ihnen. Völlig durcheinander und verzweifelt und am Boden zerstört. Sie hat ihnen gestern Abend nichts mehr erzählen wollen und sie auf heute vertröstet. Für ihn war das nachvollziehbar. Luci war in Moonheaven und hat Dinge erlebt und erfahren, die er sich nicht vorstellen kann. Er weiß nur von Alisa, Lucis wahrer Mutter, dass Elfen mehr leiden als Menschen. Auch sie hat damals, als sie das erste Mal länger in der Menschenwelt war, sehr lange geschlafen. Ob Luci auch die gleiche Phase durchmacht, wie ihre Mutter damals? Möglich wäre es.

Als er damals Lucis Mutter Alisa kennen lernte, hat er viel darüber nachgedacht, wie es sein kann, dass eine Elfe in ihrer Welt und in der Menschenwelt zugleich leben kann. Aber Alisa war eine hundertprozentige Elfe, Luci dagegen ist halb Mensch, halb Elfe. In Luigi keimt der Verdacht auf, dass der Besuch in Moonheaven Lucis Körper zu schaffen macht und in ihm kommt Angst auf, dass es für sie zu viel war.

»Ich mache mir große Sorgen um sie. Sie ist doch halb Mensch und halb Elfe. Was ist, wenn diese Weltenwanderei sie krank macht. Alisa hat damals gesagt, dass Luci entweder in der Menschenwelt leben muss oder in Moonheaven, sonst zerbricht ihre Seele! Was ist, wenn die das gerade macht?« Als er diese Worte ausspricht, merkt er erst einmal wie schnell sein Herz schlägt und wie panisch seine Stimme klingt. Er wendet sich seiner Frau zu und sieht sie erwartungsvoll an. Die steht nur still da und schaut die schlafende und immer noch wirr erzählende Luci ernst an.

»Das mit dem langen Schlafen, wie auch das Zittern, das Schwitzen und Unruhig sein, sowie das laute Erzählen im Schlaf, kenne ich von damals, als Alisa schwanger war. Das ist kein gutes Zeichen«, ergänzt Luigi und berührt leicht den Arm seiner Frau. »Ich denke, du hast recht. Ich mache mir deswegen auch Sorgen«, gibt Bonny besorgt von sich und wendet langsam ihr Gesicht ihrem Mann zu. »Vermisst du Alisa?« Bonny schaut ihn unsicher an. »Manchmal schon. Sie war eine großartige und außergewöhnliche Frau. Und ich bin mit einer ebenso tollen und außergewöhnlichen Frau jetzt verheiratet. Ich bin ein Glückspilz, gleich zweimal so etwas erleben zu dürfen. Ich liebe dich, Bonny!« Erleichtert gibt sie ihm einen Kuss.

Auf einmal fängt Luci wieder an, sich hin und her zu wälzen und unruhig mit dem Körper zu zucken. Schweißperlen glitzern auf ihrer Stirn. Ihr ganzer Körper zittert erneut heftig und sie spricht wirr in einer Sprache, die Bonny und Luigi nicht verstehen. Und schon wieder dieser seltsame Aufschrei, dass sich wie ein »Nein« anhört.

»Du, Luigi, lass uns im Krankenhaus anrufen. Bitte! Ich habe dort einen alten Freud, der kann uns bestimmt helfen.« Bonny schaut ihren Mann verzweifelt an. Der schweigt eine Weile und schaut weiter starr auf Luci. Doch dann wendet er seinen Kopf ihr zu: »Du hast recht! Es ist besser, wenn ein Arzt sie mal anschaut und untersucht. Aber was ist, wenn er entdeckt, dass sie eine Elfe ist?« Bonny streichelt ihren Mann sanft über die Wange. »Dann hätte das irgendjemand in den letzten vierzehn Jahren auch schon entdeckt. Ich war schon öfters mit ihr beim Arzt«, versucht Bonny ihn zu beruhigen. »Ja, da hast du recht. Aber jetzt ist es irgendwie anders. Luci war in Moonheaven. Moonheaven ist nicht wie unsere Welt hier. Vielleicht hat sich da etwas in ihrem Körper verändert.« Bonny sieht ihren Mann verständnislos an. »Was soll sich da verändert haben? Meinst du, sie hat andere Gene bekommen?« Luigi zeigt auf Lucis Kopf. »Schau mal die Haarfarbe an. Die hat sich auf jeden Fall verändert. Vielleicht auch so Einiges in ihr drin.« Bonny schüttelt amüsiert den Kopf. »Luigi, das ist doch nicht dein Ernst. Das da ist Luci, so wie sie immer ist!« Luigi schaut erst zu Luci und dann zu seiner Frau. Zögerlich nickt er. »Rufe bitte deinen Freund an. Ich denke, das ist das Beste für Luci.

Der große Schreck

Stimmengewirr.

Undeutliche Worte, die Luci nicht versteht.

Waberndes Gefühl im Kopf.

Langsam wird die Umgebung heller.

Luci sieht noch etwas unscharf eine weiß gestrichene Zimmerdecke. Wieder Stimmen, die Worte sagen, die für sie keinen Sinn ergeben. Ihr wird leicht übel und ihr Kopf schmerzt auf einmal fürchterlich. Langsam versucht sie sich zu bewegen. Ihre Füße kann sie etwas hin und her drehen, aber ihre Arme nicht. Auf einmal fängt ein eindringlich hoher Piepton an. Hektik entsteht um Luci. Die Stimmen und Schatten werden mehr und bewegen sich schnell. Luci will vor Schmerzen schreien, aber sie hört keinen Schrei. Aus ihrer Kehle kommt kein Ton. Die ist trocken, rau und schmerzt. Jemand streichelt ihr sanft über die linke Wange und sagt leise etwas Beruhigendes. Luci versteht nicht, was hier los ist. Sie will ihre Augen ganz öffnen, um zu sehen, wo sie ist.

Das unangenehme Piepsen hört auf. Luci kann noch immer nichts Genaueres erkennen. Alles ist unscharf und grell weiß. Ganz langsam verschwindet das grell weiße Licht und macht verschwommenen Farben Platz. Ihr Blick fällt auf einige unscharfe Umrisse von Personen, von denen ein weißes Strahlen ausgeht. Diese wuseln um sie herum und fummeln an irgendwelchen Geräten, die ständig blinken. Um welche Personen es sich genau handelt, kann sie nicht erkennen. Ihre Augen fühlen sich jetzt wie Blei an und fallen einfach wieder zu.

Zur gleichen Zeit sitzen Bonny und Luigi ungeduldig im Warteraum der Intensivstation und warten auf den Chefarzt oder irgendeinen anderen Arzt, der ihnen endlich mal sagt, was mit ihrer Tochter los ist. Nachdem Bonny im Krankenhaus angerufen hat und der Krankenwagen eingetroffen ist, ging alles sehr schnell. Die Sanitäter haben nur einen Blick auf Luci geworfen und sie dann schnell auf die mitgebrachte Trage gelegt. Sie haben Luigi und Bonny nicht viele Fragen gestellt, sondern gleich mit der Intensivstation des Krankenhauses telefoniert. Luigi und Bonny waren darüber sehr erschrocken, denn sie haben nicht gedacht, dass Lucis Lage so ernst ist. Mit Tatütata sind sie dann alle im Krankenwagen zum Krankenhaus gefahren. Luci wurde gleich durch einige Ärzte und Schwestern in Empfang genommen und Luigi und Bonny durch eine kleine, nett aussehende Schwester freundlich, aber bestimmt in den Warteraum bugsiert, wo sie nun seit drei Stunden sitzen und warten.

Nervös geht Luigi im Raum hin und her. Die anderen vier Wartenden sehen ihn auffordernd und genervt an. »Komm, setz dich lieber. Dadurch kommt leider auch kein Arzt schneller hierher. Du machst uns alle nur noch nervöser«, flüstert Bonny ihm zu. Widerwillig setzt sich Luigi hin, wippt nervös mit seinen Füssen auf und ab. Er rutscht ständig auf seinem Stuhl herum. Entnervt nimmt sich Bonny zum x-ten Mal das bereits ausgelesene Heftchen vom Tisch. »Was wohl mit ihr los ist? Warum dauert das so lange? Da stimmt doch was nicht.« Luigi grübelt wieder. Zum Glück vergisst er dabei das Rumgezappel. »Ob Luci … «, fängt er wieder an zu sprechen, doch bricht dann schnell ab und sieht sich erschrocken im Raum um. Sie sind ja hier nicht allein. Bonny sieht ihn fragend an, aber er antwortet nicht, sondern schüttelt nur leicht den Kopf. Sie überlegt eine Weile, was er damit gemeint haben könnte. Langsam begreift sie, was er sagen wollte. Ihr wird siedend heiß. »Ich weiß nicht, was Luci alles erlebt hat«, beginnt Luigi von neuem. Er macht eine kleine Pause und schaut sich aufmerksam im Raum um. Dann flüstert er weiter: »aber ich glaube, sie hat gestern zu viel durchgemacht.«

»Ja, das befürchte ich auch«, flüstert Bonny ebenso leise zurück. »So, wie sie zurückgekommen ist, muss in Moonheaven etwas richtig Schreckliches passiert sein. Was da wohl geschehen ist?« Luigis Augen werden noch besorgter. »Was ist, wenn sie dort verflucht wurde? Oder sie hat dort Grauenvolles erlebt oder gesehen, was ihre Seele zerrissen hat? Oder, die Wahrheit macht ihr so zu schaffen!« Bonny sieht, dass er einem hysterischen Anfall nahe ist. Sie legt ihre Hand beruhigend auf seinen Arm. »Oder ihr Körper verträgt die Reise nach Moonheaven nur nicht und das macht sie krank«, ergänzt Bonny, mit dem Versuch, beruhigend zu wirken. »Ich glaube, du könntest damit recht haben. Bei ihrer Mutter war es damals ähnlich.«

Auf einmal wird die Tür zur Intensivstation aufgestoßen und ein großer, kräftiger Mann schreitet mit weit ausholenden Schritten auf sie zu. In seinem Schatten hastet eine kleine, zierliche Frau hinterher. Sofort springen Luigi und Bonny gleichzeitig auf und eilen ihnen entgegen. »Wie geht es ihr?«, ruft Luigi dem Arzt zu. Denn, dass es sich bei dem großen, kräftigen Mann um einen Arzt handeln muss, steht für ihn außer Frage. Er hat schließlich einen weißen Kittel an und strahlt so eine Arzt-Aura aus. »Haben sie schon etwas rausgefunden?«, ergänzt nun Bonny neben ihm. Der Chefarzt hebt beide Hände und versucht sie zu beruhigen. Die kleine Schwester hat endlich den Arzt eingeholt. »Wir machen uns echt große Sorgen«, sprudelt es weiter aus Luigi heraus, der dem Arzt keine Chance gibt, antworten zu können. »Fürchterlich große.« Bonny schaut den Arzt besorgt an.

»Bitte bleiben sie ruhig. Es besteht derzeit kein Grund besorgt zu sein. Wir konnten sie wiederbeleben und sie befindet sich jetzt in einem künstlichen Koma, um dem Körper etwas Ruhe zu gönnen. In zwei oder drei Tagen holen wir sie aus dem Koma zurück. Dann können wir erst sehen, was der Herzstillstand für Schäden verursacht hat.« Luigi hat das Gefühl, jemand zieht ihm die Beine weg. Er kann sich gerade noch an Bonny festhalten. Auch die schwankt bedrohlich. Lucis Herz ist stehen geblieben, denkt Luigi erschrocken. Zum Glück haben sie den Krankenwagen gerufen. Zuhause hätten sie ihr gar nicht helfen können und Luci wäre gestorben. Bonny muss ähnliche Gedanken haben, denn auch sie ist leichenblass und schaut ihn mit großen angsterfüllten Augen an.

»Na, na, na, ihrer Mutter wird schon nichts Schlimmes passiert sein. Ihr Herz ist nur kurze Zeit stehen geblieben. Daraus folgen oft keine schlimmen Schäden…«, redet der Arzt sachlich weiter. Bonny und Luigi hören ihm gar nicht mehr zu. Unserer Mutter? Was redet er da? Die Schwester bekommt die Verwirrung der beiden mit und fragt sie: »Sie sind nicht Alex und Nancy Engelbauer?« Bonny und Luigi schütteln verwirrt den Kopf. »Oh, sorry. Wer sind sie?«, fragt jetzt verwirrt der Arzt. »Luigi und Bonny Minelli«, sagen beide wie aus einem Mund. Der Arzt kratzt sich am Kopf. Die Miene der Schwester hellt sich auf.

»Doktor Hansen, das sind die Eltern des Mädchens mit den Halluzinationen und den merkwürdigen Blutwerten.« Doktor Hansen schaut seine Schwester begreifend an. »Da ist doch Doktor Mettner für zuständig, oder Schwester Eva?« Diese nickt. »Gut, dann suche ich mal die Engelbauers und sie den Doktor Mettner«, schlägt er nun vor. Schwester Eva nickt eilig und schenkt Luigi und Bonny ein kleines Lächeln. Doktor Hansen verabschiedet sich schnell und schaut sich suchend im Raum um. »Gibt es hier einen Alex und eine Nancy Engelbauer?«, fragt er laut in den Raum hinein. Zwei der vier anderen Wartenden stehen auf und gehen auf den Doktor zu. Schwester Eva spricht nun Bonny und Luigi an: »Bitte haben Sie noch einen Moment Geduld. Ich hole Doktor Mettner.« Eilig hastend verschwindet sie durch die Schwingtür zurück in die Intensivstation.

»Mir ist fast das Herz stehen geblieben«, seufzt erleichtert Luigi und schaut dabei seine Frau an. Diese nickt ihm zu. »Mir auch. Aber was bedeutet das mit den komischen Blutwerten?« Luigi zuckt mit seinen Schultern »Hoffentlich bekommen die nicht raus, dass Luci halb Elfe ist.« Bonnys Augen werden groß: »Luigi, bist du verrückt, so laut darüber zu sprechen!« Sie schaut ihn nun warnend an. »Ach was, die Zwei da drüben haben ganz andere Sorgen.« Er zeigt auf die übrig geblieben zwei Menschen in der rechten Ecke des Warteraums. Der kleine Mann versucht gerade seine aufgelöste Frau zu beruhigen und reicht ihr ein Taschentuch. Erleichtert sieht dies Bonny.

Die Schwingtür zur Intensivstation geht auf und Schwester Eva schreitet mit einem jungen Mann an ihrer Seite hindurch. Bonnys Miene hellt sich auf. Das muss wohl Bonnys Bekannter sein, denkt Luigi. »Hallo Bonny, schön dich mal wieder zu sehen. Obwohl der Grund nicht schön ist…« Er deutet auf die Akte in seiner Hand. Er begrüßt sie mit einem Küsschen auf die Wange. Schwester Eva schaut etwas pikiert und Luigi verlegen. »Ich nehme mal an, du bist Luigi, der Glückspilz, in den sich meine Bonny verknallt hat und der sie heiraten durfte.« Luigi strafft sich: »Ja, der bin ich und sie liebt mich noch heute wie am ersten Tag.« Doktor Mettner lacht schallend auf. Luigi findet ihn sympathisch und schüttelt ihn jetzt auch lachend die Hand. Schwester Eva räuspert sich. Doktor Mettner, oder Sören, wie Luigi gleich erfährt, öffnet die Akte und schaut kurz hinein.

»Eurer Tochter geht es im Moment schlecht. Wir wissen nicht was sie hat. Ihre Blutwerte sind besorgniserregend und nicht deutbar…« Sören liest jetzt still noch etwas weiter. »Was heißt nicht deutbar, Sören?«, will Bonny wissen und blickt kurz ängstlich in Richtung Luigi. Sören hebt den Kopf: »Manche Werte sind zu hoch und manche zu niedrig. Keine Werte passen zusammen, so dass man eine Diagnose stellen kann. Die sind alle nur durcheinander, aber nicht so, dass es eindeutig ist. Da gibt es viel Interpretationsspielraum…« Sören schaut beide Eltern an und wartet, das die verstehen. »Und was heißt das jetzt genau?«, fragt Bonny erneut und ziemlich verwirrt. »Das heißt, wir wissen nichts Genaues. Wir können nur mutmaßen und versuchen, die richtige Medikamentenzusammenstellung zu finden. Wir haben bereits damit begonnen, aber so richtig zufrieden mit dem Ergebnis bin ich noch nicht.« Eine kleine Pause entsteht. »Und was mutmaßen sie, Doktor Mettner?«, fragt Luigi ihn dann. »Für dich gern Sören! Der Körper von eurer Tochter leidet gerade unter mächtigen Stress, so als wenn sie in den letzten Tagen drei verschiedene Zeit- und Klimazonen zugleich durchgemacht hat. Als wenn sie durch große Hitze, Kälte und Trockenheit zugleich gegangen und in einer Sekunde durch die ganze Welt gereist wäre. Ja, das klingt verrückt, was! Aber das ist die beste Erklärung aller Symptome. Solche Blutwerte habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Der Chefarzt auch nicht. Macht das für euch irgendeinen Sinn?« und er schaut beide fragend an. »Verrückt, ja«, nuschelt Luigi verlegen. »Kannst du ihr helfen?«, fragt Bonny mit einem kurzen besorgten Seitenblick zu ihrem Mann an Sören gerichtet. »Wie gesagt, die Therapie, die am wahrscheinlichsten hilft, läuft bereits…«

Auf einmal fängt die rote Lampe über der Schwingtür zur Intensivstation an zu blinken. Auch Sörens und Schwester Evas Piepser fangen energisch an sich zu melden. Besorgt schaut Sören auf sein Gerät und dann Bonny und Luigi an. »Ist das nicht Lucis Zimmer?«, rutscht es Schwester Eva heraus. Bonny und Luigi werden blass. Eva bekommt ihren Fehler mit. »Keine Panik, kann nur Fehlalarm sein…« und sie wird rot. »Schwester, bitte schnell. Wir müssen zu Luci!« Sören läuft bereits zur Schwingtür. »Sie können gern dort hineingehen.« Schwester Eva zeigt auf eine kleine Tür mit der Nummer zwei. Sie wartet nicht ab, bis sich Lucis Eltern zu dieser Tür bewegt haben, sondern ist schon durch die Schwingtür zur Intensivstation verschwunden.

Bonny und Luigi sehen sich entsetzt an. Beide gehen zügig zur Tür mit der Nummer zwei drauf und öffnen diese. Dahinter ist ein kleiner Raum mit einer Bank. Gegenüber der Bank ist in der Wand ein Fenster eingelassen, durch welches man in die Intensivstation blicken kann. Beide gehen zügig da hin und schauen durch das Glas. In der Intensivstation herrscht gerade viel Hektik. Schwestern und Ärzte rennen durcheinander. Lampen blinken über Türen und die schrillen Pieptöne sind sogar durch die Scheibe zu hören. Zwei Schwestern schieben ein großes Gerät über den Flur. Luigi kennt dies aus dem Fernsehen und weiß, dass es sich dabei um ein Wiederbelebungsgerät handelt. Die Schwestern biegen damit in den Raum mit der blauen Tür ein. »Ob das Lucis Zimmer ist?«, fragt Luigi erschrocken. In dem Moment kommt ein besorgt dreinblickender Sören aus dem Zimmer mit der blauen Tür und weist eine Schwester an, etwas Bestimmtes zu holen. Die rennt hastig weg und kommt mit einem Tablett voller Instrumente wieder. Eine andere Schwester kommt aus diesem Raum heraus und schaut sehr bedrückt. Eine kleine Träne kullert ihr über die Wange.

Bonny hört ein Plumpsen hinter sich und dreht sich erschrocken um. Sie sieht, dass ihr Mann ohnmächtig auf der Bank liegt. Sie beugt sich zu ihm und schüttelt ihn ein paar Mal kräftig. Langsam kommt der wieder zu sich. Bonny kann sich nicht weiter um ihn kümmern, denn sie muss sehen, was da gerade im Raum mit der blauen Tür passiert und schaut wieder durchs Fenster. Hinter dem Milchglas bewegen sich die Schatten hektisch hin und her. Sie hat fürchterliche Angst um Luci.

Luigi hat sich etwas erholt. Die zwei kleinen Klatscher von seiner Frau haben geholfen, aber er kann nicht mehr zusehen. Er wundert sich, wie stark Bonny in solch einer Situation ist. »Bonny, was ist, wenn Luci stirbt…« Luigi bekommt diese Worte kaum heraus. Bonny antwortet ihm nicht. Statt dessen hört er nur einen kleinen Schluchzer. Er nimmt seinen Mut zusammen, steht auf und stellt sich neben seine Frau und nimmt sie in die Arme. In dem Moment kommen alle aus dem Zimmer mit der blauen Tür. Sie sehen ruhig und gefasst aus. Aber irgendwie beruhigt das nicht die beiden Eltern im Raum Nummer zwei. Sören blickt auf und schaut direkt in Bonnys und Luigis Gesicht und schüttelt den Kopf. In dem Moment bricht Bonny zusammen und sackt in Luigis Arme. Er kann sie gerade noch auffangen und auf die Bank legen. Auf dem Flur erschallen Schritte und dann wird die Tür zur Nummer zwei aufgerissen. Sören kommt aufgeregt herein und sieht erschrocken auf Bonny. Schnell hockt er sich nieder und untersucht sie. Erleichtert schaut er nach ein paar Sekunden auf. Jetzt versetzt er Bonny ein, zwei kleine Klapse auf ihre Wangen. Langsam kommt sie zu sich und sieht direkt in seine Augen. »Du hast mir einen gewaltigen Schrecken eingejagt!«, sagt er streng und atmet hörbar erleichtert aus. »Und mir auch!«, kommt genauso erleichtert von Luigi.

»Ist Luci tot?«, krächzt Bonny. Sören schaut sie verwirrt an. Dann scheint er eins und eins zusammen zu zählen und lacht. »Nein, du denkst, da liegt Luci in blauen Raum?« Bonny nickt. Langsam erholt sie sich und richtet sich mit Luigis Hilfe auf. »Der Alarm bei Luci war ein Fehlalarm. Sie hat sich wieder sehr stark bewegt und sich dabei ihren Kontrollkontakt am Finger abgerissen. Luci liegt im grünen Raum. Im blauen liegt jemand anderes.«

»Aber du hast doch den Kopf geschüttelt…«

»Ja, um euch damit zu zeigen, dass da nicht Luci drin liegt und alles in Ordnung ist.« Bonny errötet leicht. Luigi setzt sich neben sie und nimmt sie erleichtert in den Arm. Sörens Gesicht bekommt einen freundlichen Ausdruck. »Ich habe gerade gesehen, dass die angesetzte Therapie sich langsam positiv bemerkbar macht. Müssen wohl die richtigen Medikamente sein. Alle schlagen an und Luci geht es ganz langsam besser. Wenn es so weitergeht, muss sie vielleicht noch zwei oder drei Tage auf der Intensivstation bleiben und kann dann auf die Station N3 zurück. Luci hat doch gerade Sommerferien, oder?« Sören schaut in die Runde. Bonny nickt. »Vielleicht solltet ihr wegfahren und Urlaub machen. Sie braucht dringend viel Ruhe und Erholung.« Doktor Mettner steht auf und schaut Bonny und Luigi dabei fragend an. »Das ist eine gute Idee«, bestätigt Bonny und nickt leicht. Sören verabschiedet sich, da jetzt mit Bonny alles wieder in Ordnung ist und verlässt den Raum Nummer zwei. Bonny und Luigi nehmen sich erleichtert gegenseitig in die Arme. Sie sind froh über die letzte Botschaft von Sören. Schwester Eva kommt nach ein paar Minuten zu ihnen in den Raum Nummer zwei. Sie schlägt vor, dass Luigi und Bonny jetzt nach Hause fahren sollen. Sie verspricht sich zu melden, wenn es Luci schlechter gehen solle oder sie auf die Station N3 verlegt wird. Sie lächelt beide noch schnell freundlich an, nickt ihnen zum Abschied zu und verlässt dann wieder mit eiligen Schritten den Raum.

Bonny und Luigi gehen auf den Flur zurück und bleiben dort ratlos stehen. »Luigi, wir können doch überhaupt keinen Urlaub machen. Wir müssen doch arbeiten!«, sagt Bonny resigniert. Ihr Mann kratzt sich am Kopf und überlegt. »Stimmt, letzte Woche sind ja schon zwei der Mitarbeiter ausgefallen und Jürgen ist im Urlaub. Was machen wir denn da?« Beide überlegen angestrengt weiter. »Ich habe eine Idee!«, sagt Bonny nach einer Weile des stillen Grübelns. »Schicken wir sie doch einfach zu deinen Eltern!«

»Oh ja, das klingt gut. Du bist ein Schatz. Das ist genau das, was Luci jetzt braucht. Sie fühlt sich dort immer wohl und Mama kann sie verwöhnen. Luci wird sich riesig freuen!« Luigi gibt seiner Frau ein anerkennendes Küsschen. Er ist stolz auf sie.

Station N3

Ein klapperndes Geräusch weckt Luci. Sie öffnet die Augen. Sie liegt in einem Zimmer, welches durch Jalousien abgedunkelt ist. Angenehm kühl ist es hier drin, denk sie erleichtert. Sie spürt noch immer leicht das innere Feuer der vergangenen Stunden. Schwester Berta sagt, das komme vom Fieber und den Medikamenten, die sie in den letzten Tagen bekommen hat. Luci glaubt eher, das kommt davon, was sie alles in Moonheaven erleben musste. Aber sie hat auf Schwester Bertas Antwort nichts Gegenteiliges gesagt. Schwester Berta ist eine pflichtbewusste und strenge Krankenschwester. Immer weist sie Luci an, dies und jenes zu tun oder auf Hygiene und Regeln zu achten.

Da ist schon wieder das Geräusch, das Luci gerade gehört hat. Sie schaut sich im kleinen Zimmer um. Außer ihrem großen Bett steht noch ein kleines Nachtschränkchen im Raum. An der gegenüberliegenden Seite hängt ein Fernseher von der Decke und links von ihr ist ein Schrank in die Wand eingelassen. Daneben befindet sich die Tür zum Flur. Sie sieht jetzt einen huschenden Schatten, der sich vom Fenster zum Nachtschrank bewegt. Vorsichtig schiebt sie den Nachtschrank beiseite. Eine kleine zerzauste Ratte mit weißem Rücken und Schwanz, steht angewurzelt da und glotzt sie mit runden schwarzen Kulleraugen an. Irgendwas an der kommt Luci bekannt vor. Der Moment verfliegt aber schnell und Ekel macht sich in ihr breit. Eine Ratte im Krankenhaus. Igitt. Sie betätigt vorsichtig den Klingelknopf. Schwester Berta stürmt herein und sieht alarmiert zu ihr. Luci starrt zuerst in Richtung Boden, dann zur Schwester und dann wieder zum Boden. Sie sieht noch einmal die Ratte an. Sie hat den Eindruck, dass die den Kopf leicht schüttelt und sie vorwurfsvoll ansieht. Luci blinzelt kurz und der Eindruck ist verschwunden. Nicht nur der, die Ratte auch.

»Was gibt es, Luci?«, fragt Schwester Berta ungeduldig.

»Da… da… war eine Ratte… «, stottert Luci und zeigt zu der Stelle, wo diese gerade noch gehockt hat. Schwester Berta beugt sich über Luci, um sehen zu können, wohin die mit ihrem Finger zeigt. Aber sie sieht nichts. »Da ist keine«, sagt Schwester Berta mit leichtem vorwurfsvollen Unterton. »Ich sagte auch, da war eine Ratte und nicht ist eine.« Sie wirft der Krankenschwester einen bösen Blick zu. »Vielleicht hat sie sich unter dem Nachttisch versteckt.« Luci überlegt. »Ja, das wäre möglich.« Sie stupst den Nachttischschrank etwas an. Der bewegt sich zur Seite und tatsächlich hockt die Ratte darunter. Berta stößt einen entsetzten Schrei aus. Voller Abscheu nimmt sie die Handtücher, die sie gerade in den Händen hält und wirft sie in Richtung Ratte. Schnell läuft sie ums Bett herum und rafft den Handtuchberg zusammen.

»Die haben wir!«, ruft sie triumphierend. »Hier Luci, halte mal die Handtücher fest. Aber lass nicht locker.« und sie reicht Luci das Handtuchknäul. »Ist da die Ratte drin?«, fragt sie ungläubig. Und wie zur Bestätigung zappelt etwas im Inneren der vielen Handtücher in ihrer Hand. »Warum muss ich die halten?« Lucis Gesicht zeigt deutlich ihre Abscheu. »Ich kann nicht. Ich muss den Hausmeister holen. Der wird sich dann um die Ratte kümmern. Also halte die Falle ja schön fest geschlossen. Ich bin gleich wieder da« und Schwester Berta verlässt mit eiligen Schritten das Zimmer.

Minutenlang sitzt Luci steif auf ihrem Bett und hält das Bündel Handtücher fest verschlossen in ihren Händen. Aber mit der Weile wird das ganz schön anstrengend. Ihr wird es langweilig. Die Ratte im Inneren hat aufgehört zu zappeln. Luci ist neugierig und würde am liebsten nachsehen, ob es sich tatsächlich um eine Ratte oder eine Maus handelt. Lucis Rücken schmerzt. Vorsichtig lässt sie sich aus dem Bett gleiten und stellt mit einer Hand ihr Kopfteil höher, so dass sie im Bett bequemer sitzen kann. Langsam schlüpft sie ins Bett zurück. Sie hält nun die Handtücher mit der Ratte im Inneren über ihren Schoss. Nur einen Blick, einen ganz kurzen. Ich bin auch sehr vorsichtig, denkt sie und beschließt die Falle mit der Ratte etwas zu öffnen und nachzusehen. Gesagt getan. Vor lauter Handtücher kann sie zuerst gar nichts erkennen. Langsam schiebt sie eine Schicht nach der anderen beiseite. In der Mitte wird sie fündig.

Die Ratte sitzt bewegungslos da und glotzt sie nur an. Luci glotzt zurück. Jetzt fletscht die Ratte die Zähne. Schnell macht Luci die Falle wieder zu. Ihr Atem geht schneller. Sie hat sich erschreckt. Luci, seit wann bist du ein Angsthase, ruft sie sich selbst zur Ordnung. Sie öffnet erneut ihre Hände und schaut vorsichtig wieder ins Innere. Plötzlich kommt ein schwarzer Pfeil auf sie zugeschossen und fliegt ganz knapp an ihrer Nase vorbei. Nur, dass es kein Pfeil ist, sondern die Ratte selbst. Sie hat Luci ausgetrickst. So ein Miststück, denkt sie verärgert. Wie soll sie jetzt das Tier wieder einfangen? Schwester Berta kann jeden Augenblick mit dem Hausmeister durch die Tür kommen.

Die Ratte ist galant auf Lucis Bett gelandet. Schüttelt sich und streicht ihr Fell glatt. Sie stellt sich auf die Hinterbeine, dreht sich um und schaut Luci besorgt und zugleich vorwurfsvoll ins Gesicht. Das ist keine normale Ratte, denkt Luci in dem Moment. Normale Ratten tun so etwas nicht. Sie ist irritiert. Solle sie wieder den Klingelknopf drücken? Langsam bewegt sich ihr Arm in Richtung Klingelknopf. Plötzlich fängt die Ratte an zu tanzen. Sie vollführt Pirouetten und hüpft von einem Bein aufs andere. Dabei macht sie die merkwürdigsten Verrenkungen. Was macht die Ratte da, wundert sich Luci. Die Ratte hört auf zu tanzen oder was auch immer es sein sollte, und schaut Luci wieder aufmerksam an. Dann schüttelt sie enttäuscht den Kopf. Luci hat das Gefühl, dass die Ratte etwas von ihr will. Ne, das kann doch nicht sein. Das ist eine verdammte Ratte aus der Kanalisation.

»Du musst mir schon sagen, was du von mir willst«, redet Luci gedankenlos vor sich hin. Ihr tut der Kopf weh. Die Ratte gibt jetzt nervige und unterschiedliche Fiebtöne von sich. Luci schaut sie fragend an: »Ich kann kein rattisch« und schüttelt resigniert den Kopf. Die Ratte überlegt kurz und dann erhellt sich ihr Rattengesicht. Aus einer Bauchtasche holt sie ein Zettel raus, einen klitzekleinen und hält den in ihre Richtung. Luci wundert sich, denn die Bauchtasche hat sie bisher gar nicht bemerkt. Sie nimmt den Zettel und hatte Mühe ihn zu entfalten. Er beinhaltet einen Brief in sehr kleinen, säuberlich geschriebenen Buchstaben. Sie macht die Lampe über ihrem Bett an und liest sich den Zettel durch:

Liebe Luci,

ich mache mir sehr große Sorgen. Ich kann dich gedanklich und in deinen Träumen nicht erreichen. Wo bist du. Ich habe Kobold losgeschickt, dich zu finden und dir den Brief zu übergeben.

Deine Oma Manina

»Kobold? Bist du das?« Luci hebt die Ratte vorsichtig an und begutachtet sie nunmehr von Nahem. Die Ratte hat doch tatsächlich ihre Vorderbeinchen verschränkt und sieht sie vorwurfsvoll an. Ja, den Blick kennt Luci.

Plötzlich wird die Tür zu ihrem Zimmer aufgerissen und eine aufgeregte Schwester Berta und ein Mann in Arbeitskleidung, der einen Eimer in der rechten Hand hält, kommen hereingestürmt. Blitzschnell versteckt Luci die Ratte unter ihrem Nachthemd. Mit der anderen Hand tut sie so, als wenn sie die Falle fest verschlossen hält. »Wo ist das Ungeziefer?«, fragt der Mann mit seiner tiefen Männerstimme. »Es handelt sich hier um eine Ratte« und Schwester Berta nimmt Luci die Falle aus Handtüchern weg und hält diese angewidert dem Mann entgegen. Der Mann präsentiert ihr seinen Eimer und die lässt das Bündel Handtücher schnell hineinfallen. Der Mann hebt zum Gruß die Hand und ist schon wieder verschwunden. »Na, das war heute Aufregung genug! Ab hingelegt und schön ausgeruht.« Schwester Berta macht sich bereit, Luci unter die Decke zu schieben.

»Ich muss mal dringend aufs Klo.«

»In Ordnung, gleich gegenüber ist eine Toilette. Ich warte hier.«

»Brauchen sie nicht. Ich bin schon groß.«

»Groß schon, aber unter meiner Obhut. Und da bestimme ich.«

Was mache ich den jetzt nur, überlegt Luci. Ihr bleibt nichts weiter übrig, als aufs Klo zu verschwinden. Die Ratte im Nachthemd sicher versteckt, macht sie sich auf in Richtung Tür. »Schwester Berta, ich glaube, dass kann etwas länger dauern. Sie haben bestimmt furchtbar viel zu tun, als auf mich zu warten.« Schwester Berta betrachtet das junge Mädchen, welches sich verkrampft den Bauch hält. Sie kennt die Symptome. Das ist der erste Stuhlgang nach einer langen Zeit ohne. Das kann wirklich lange dauern, bis der Darm wieder leer ist. Bestätigend nickt sie und sagt: »In Ordnung, ich komme später nach dir schauen. Lass alles raus. Hast du verstanden. Alles rauslassen.«

»Und ob ich alles rauslasse«, murmelt Luci beim Öffnen der Tür zur Toilette und schlüpft hindurch. Schnell holt sie Kobold, die Ratte, aus ihrem Nachthemd hervor. Der ist ganz benommen und taumelig. Luci legt Kobold ins Waschbecken und lässt etwas Wasser laufen. Er fängt sofort an zu zappeln und versucht panisch an dem glatten Waschbeckenrand emporzuklettern. Schnell macht Luci den Wasserhahn wieder zu. »Ich dachte, du hast Durst«, verteidigt sie sich und setzt Kobold auf ein kleines an der Wand angebrachtes Regal. Dort liegt er einige Sekunden bewegungslos da. Luci stupst ihn leicht mit dem Zeigefinger an. Er bewegt sich schwach. »Was ist mit dir, Kobold? Du bist doch Kobold, oder?« Die Ratte nickt schwach und übergibt sich. Luci denkt erschrocken daran, dass das ganze Geschaukel in ihrem Nachthemd für ihn als Ratte ganz schön heftig gewesen sein muss. Sie streichelt ihn zaghaft ein paar Minuten.

Kobold erholt sich. Währenddessen liest Luci noch einmal den Brief. Auf der Rückseite entdeckt sie noch mehr Geschriebenes. Ihre Oma bittet sie, so schnell wie möglich nach Moonheaven zu kommen. Also hat Vallerie ihr den Tausch der Ketten gebeichtet, denn nur mit der Rosenkette, ihrem Tjardes, kann sie nach Moonheaven. Die funktioniert wie eine Eintrittskarte. Ihre Tante hat wahrscheinlich schon lange geahnt, dass Lora, die machthungrige Mutter von ihrer ehemaligen Freundin und Schulkameradin Mari, sie oder ihre Kette für sich ausnutzen will. Das ist aber mehr als in die Hose gegangen. Vallerie muss vorsorglich eine Kopie anfertigt und die dann mit dem Original vertauscht haben. Lora ist von ihrer eigenen Tochter Mari vernichtet und Mari selbst ist verbannt worden und die falsche Kette ist verschwunden. Luci musste schnell Moonheaven verlassen, denn ohne Eintrittskarte wird sie dort zur Blume. Zuhause hat sie die richtige Kette gefunden. Ihre Tante hat sie in ihrem Lieblingsbuch versteckt. Nur mit diesem Wissen kann ihre Oma Manina sie bitten, wieder nach Moonheaven zu kommen. Eine tiefe Sehnsucht nach ihrer Familie dort überkommt sie. Diese Sehnsucht schmerzt so doll, dass sie sich krümmt. Kobold sieht sie aufmerksam an. Luci spürt seine Blicke und schaut zu ihm hoch.

»Kannst du verstehen, was ich sage?« Er nickt. »Bitte sage Manina oder Vallerie oder Ella, dass es mir gut geht und ich so schnell, wie möglich nach Moonheaven kommen werde. Ich muss erst aus diesem Krankenhaus raus. Das kann noch ein paar Tage dauern. Ich nutze die erste Gelegenheit, versprochen!« Kobold nickt. »Das hier ist kein guter Ort für dich. Gehe am besten gleich zurück.« Wieder nickt Kobold. Diesmal aber wesentlich heftiger. Luci setzt ihn auf den Fenstersims und öffnet das Fenster. Kobold nickt ihr kurz zu und hüpft dann schnell davon. Traurig schließt sie wieder das Fenster und geht in ihr Zimmer zurück. Sie denkt an all die Träume der letzten Tage. Ist das, was sie da geträumt hat, die Wahrheit gewesen? Oder waren das nur Gehirngespinste? Sie hat ihre Mutter Alisa im Traum gesehen und die vielen Dinge, die die zusammen mit ihrer Tante Vallerie und Idalia erlebt hat. Und Lora. Bei diesem Gedanken kommt Wut in ihr hoch. Sie muss dringend nach Moonheaven, aber auch mit ihren Eltern sprechen. Bisher waren die immer nur sehr kurz zu Besuch. Da hat sich bisher keine günstige Gelegenheit ergeben. Aber vielleicht in den nächsten Tagen! Sie wird ja nicht ewig in diesem Krankenhaus bleiben müssen.

Die großartige Idee

Bonny dreht sich besorgt zu Luci um, die auf dem Rücksitz des Familienautos wütend und mit verschränkten Armen dasitzt. Seit der Offenbarung ihres genialen Plans, hat sie noch kein Wort mit ihnen gesprochen. Bonny und Luigi hatten gedacht, dass ihre Tochter sich riesig über ihre Idee freuen wird. Aber stattdessen mault und bock sie rum. Beide können nicht verstehen, was mit Luci los ist. Die schaut mit sehnsüchtigem Blick währenddessen aus dem Fenster. Was wohl Ella, Manina, Vallerie und Idalia so machen, fragt sie sich und dreht mit ihrem Finger eine Haarsträhne ein. Am liebsten möchte sie die restlichen Ferien nur bei ihnen verbringen. Sie hat so viele Fragen an Manina und die anderen. Sie will Moonheaven kennen lernen, ihre zweite Heimat. Sie will ihre Familie kennen lernen. So gern wie sie ihre Großeltern Luisa und Antonio hat, aber im Moment will sie nur nach Moonheaven. Ihre Großeltern hiier kennt sie ja schon. Ihre andere Familie in Moonheaven noch nicht. Schmollend sitzt sie da und starrt aus dem Fenster.

»Bei deinen Großeltern wird es sicher sehr schön. Die freuen sich schon darauf, dich wiederzusehen«, meint ihr Vater versöhnlich, doch Luci antwortet ihm nicht. »Oma und Opa wollen mit dir einiges unternehmen. Alles was dir Spaß macht. Also überleg schon mal, was du alles machen willst«, versucht Bonny sie aus der Reserve zu locken.

Wie können die mir nur so etwas antun, denkt Luci währenddessen immer noch wütend. Ich will nichts unternehmen. Ich will nach Moonheaven und schon ist diese große schmerzvolle Sehnsucht wieder da. Selbst den Stinkstiefel Kobold vermisst sie. »Wieso kann ich nicht einfach zu Hause bleiben?«, fragt sie stattdessen laut. Und hier den Durchgang nach Moonheaven nehmen, denkt sie im Stillen weiter. Ihre Eltern schauen sie entnervt an. »Doktor Mettner hat gesagt, du brauchst Urlaub und Ruhe. Und beides hast du bei Oma und Opa. Wir können nicht Urlaub nehmen, weil unser Personal durch Krankheit nicht vollzählig ist und das Café mitten in der Hochsession zu schließen, geht nun mal nicht. Was ist denn an Oma und Opa so schlimm?« Ihr Vater schaut auffordernd in den Rückspiegel. »Gar nichts. Die sind in Ordnung.« Luci schaut wieder aus dem Fenster. »Was passt dir dann nicht?« Ihr Vater wird langsam immer wütender. Alles an eurem Plan, denkt Luci trotzig. Bonny legt ihrem Mann beschwichtigend ihre Hand auf den Unterarm. Sie dreht sich zu Luci um. »Du hast uns noch gar nicht erzählt, was in Moonheaven los war…«

Keine Reaktion.

»Luci, du musst uns nichts erzählen. Du kannst. Wenn du jetzt keine Lust hast, ist das in Ordnung. Erzähl es uns, wenn du so weit bist«, sagt Bonny entspannt. Luigi verdreht stattdessen die Augen.

Keine Reaktion.

»Fräulein, wir bringen dich jetzt zu Oma und Opa, ob du es willst oder nicht. Pasta.« Hugh, der Häuptling hat gesprochen, denkt sich Luci und würde am liebsten etwas Passendes antworten, aber im Moment hat sie andere Probleme. Warum will Manina, dass sie bald nach Moonheaven kommen soll. Will sie ihr etwas sagen? Ist etwas passiert? Sie hält es fast nicht mehr aus. Sie muss zum Durchgang und nach Moonheaven. Aber wie soll sie es machen? Sie fahren doch jetzt nach Hause, um ein paar Sachen für sie zusammenzupacken und dann geht es gleich weiter zu Oma und Opa nach Blumenstadt. Wie soll sie da Zeit finden unbemerkt aus dem Haus zu schlüpfen und zum Brunnen zu gelangen? Sie kennt doch nur diesen einen Durchgang.

Auf einmal kommt ihr ein Gedanke. Sie kann ihn nicht richtig fassen. Irgendetwas in ihren Träumen… irgendetwas war da, was die Lösung sein könnte. Sie durchforstet ihre Gedanken und versucht den Hinweis ihrer Erinnerungen zu entschlüsseln. Da war doch etwas mit einem Durchgang… Und auf einmal wird die Erinnerung klarer. Der Durchgang, den ihre Mutter Alisa und Vallerie genommen haben! Der ist doch in Omas und Opas Stadt. Das ist es! Juhu! Schlagartig bekommt sie wieder gute Laune. Fröhlich denkt sie sich schon Ausreden aus, die sie Oma Luisa und Opa Antonio präsentieren muss, um sich wegschleichen zu können.

Luigi und Bonny bekommen die Gemüts Veränderung von ihrer Tochter mit, sagen aber nichts dazu. Luigi hält den Wagen direkt vorm Hauseingang an. Schnell steigt Luci aus und rennt zur Haustür. In Windeseile schließt sie die auf und nimmt gleich zwei Stufen auf einmal hoch zu ihrem Zimmer. Verwundert sehen sich ihre Eltern an. »Ich verstehe das Kind immer weniger«, mault Luigi. Bonny zuckt mit ihren Schultern. »Pubertät halt«, und lächelt ihren Mann an. »Wie lange geht das gewöhnlich?«, fragt der resigniert. »Gefühlte Ewigkeit…«, sagt Bonny und Luigi seufzt auf. »Nein, mein Schatz, nur sechs bis acht Jahre. Mehr nicht.« Seine Frau schmunzelt. »Oh, mein lieber Bimbam, das halte ich nicht durch. Wird das noch schlimmer mit den Gemütsschwankungen?« Luigi sieht seine Frau entgeistert an. »Ja. Aber irgendwann auch wieder besser.« Bonny küsst ihn liebevoll auf den Mund. Beide gehen ins Haus, um Luci beim Packen zu helfen. Die kommt bereits mit ihrem kleinen Rucksack auf dem Rücken und ihrem vollgestopften Koffer die Treppe herunter gepoltert.

»Was ist denn jetzt auf einmal mit dir los?«, fragt ihr Vater trotz aller warnenden Blicke seiner Frau. »Ach, ich habe nachgedacht. Du hast recht«, sagt Luci mit einer Unschuldsmiene und sieht ihren Vater treuherzig an. Luigi ist verwirrt. Solch ein Verhalten kennt er nicht von seiner Tochter. Bonny hat recht: Pubertät! »Oma und Opa freuen sich doch so sehr auf mich. Die kann ich doch nicht enttäuschen. Ich werde da bestimmt eine schöne Zeit haben.« Luigis Augen werden noch größer. »Oh Mann, Sören hat recht, unsere Tochter benötigt dringend Urlaub«, flüstert er seiner Frau leise ins Ohr.

Bei Oma und Opa in Blumenstadt

Luci kann es nicht erwarten endlich loszufahren. Sie geht im Kopf noch einmal alles durch. Ja, sie hat an alles gedacht, sogar an das Einmaleins von Moonheaven. Ihre Eltern schauen ihr verwirrt zu, wie sie ihre Sachen selbst in den Kofferraum verstaut und sich dann auf der Rückbank platziert. »Können wir los?« Luigi steckt den Zündschlüssel ins Zündschloss. »Na, endlich. Wird auch Zeit.» Die rechte Augenbraue von ihrem Vater schnellt in die Höhe. Luci sieht das und bekommt mit, dass wohl die letzte Bemerkung von ihr nicht angebracht war und legt ein verschmitztes Grinsen auf. »Ich wollte dich, lieber Papa, doch nur ärgern…« Bonny grinst ihren Mann an. Dieser schüttelt den Kopf und startet das Auto. Eine Weile sagt keiner einen Ton. Luigi konzentriert sich auf den Verkehr. Bonny schaut sich ihren Mail-Postkorb an und beantwortet Anfragen und Bestellungen.

Das ihre Eltern sich beide heute freigenommen haben, ist eine Ausnahme und Luci schätzt es sehr. Es ist nicht einfach, ein Café zu führen und besonders, wenn Personal fehlt. Sie rechnet es ihnen hoch an. Sie denkt darüber nach, wann sie das erste Mal nach Moonheaven kann und wie sie es anstellen solle. Auch beschäftigt sie noch ein anderes Thema: »Können Träume Geschehnisse aus der Vergangenheit sein oder sind es nur Hirngespinste?« Eigentlich wollte sie diese Frage nicht laut aussprechen. Sie hat lange über die seltsamen Träume, die sie nach dem Kampf in Moonheaven und im Krankenhaus hatte, nachgedacht und gegrübelt, ob das echte Ereignisse darstellen oder nur das Ergebnis ihres verwirrten Gehirns. Bonny schaut von ihrem Handy hoch und dreht sich zu ihrer Tochter um. »Wie meinst du das, mein Schatz?«

»Naja, kann das, was man träumt, wahr sein?«

»Ich habe bisher nur davon gehört, dass ein Traum zukünftige Geschehnisse zeigen kann. Aber ob das auch für Vergangenes gilt? Ist mir unbekannt«, antwortet ihr Vater statt Bonny. »Hast du etwas Bestimmtes geträumt? Du hast in der Nacht, als du aus Moonheaven kamst, halluziniert, geschrien und in einer fremden Sprache gesprochen. Du hast bestimmt die vielen Ereignisse verarbeitet. Sag mal, was war das mit Mari, dieser Lora und Vallerie. Und Idalia?«

»Du kennst Idalia?« Luci sieht Bonny erstaunt an. »Ja, sie ist die Cousine deiner Mutter…äh Alisa.« Bonny schaut schnell weg. »Mama?« Luci beugt sich nach vorn und fasst ihr sanft an die Schulter. Bonny dreht sich wieder zu ihr um. Mit Mühe unterdrückt sie eine Träne. Luigi schaut besorgt in Richtung seiner Frau und dann zu Luci. »Mama, einigen wir uns auf Alisa, in Ordnung. Du bist doch schließlich meine Mama.« Über Bonnys Gesicht huscht ein kleines Lächeln und sie nickt. Luci sieht noch einen Moment fest in die Augen ihrer Mutter und fängt dann an zu erzählen… von der Klassenfahrt… von Ella und ihr Zuhause… von Mari… von Ellas Entführung Nummer eins und Nummer zwei… von Moonheaven und Kobold und von Maninas Erlösung und dem Kampf gegen die mächtige Lora und der noch mächtigeren Mari und dem Ende mit all den Tränen und Ängsten.

Ihre Eltern hören ihr still zu. »Warum sind deine Haare golden?« Bonny deutet auf ihren Kopf. »Das ist geschehen, als Maninas Gedanken mit meinen verschmolzen.« Ihre Mutter nickt wissend. »Kannst du auch Sachen machen?« Ihr Vater schaut interessiert in den Rückspiegel. »Was für Sachen?«, fragt Luci verwirrt. »Na, das ganze Zeugs mit dem Tränken und Verwandeln.«

»Papa, du liest zu viel Harry Potter. Ich bin Halbelfe. Elfen beschützen Blumen und Tiere und andere Wesen. Sie heilen und erneuern… solche Dinge halt.« Ihr Vater blickt sie weiterhin über den Rückspiegel an. »Und kannst du etwas davon?« Luigi denkt dabei sehnsüchtig an den vernachlässigten Garten. »Ich weiß es nicht, ob ich es kann. Ich hatte bisher nur eine Gelegenheit. Ich habe den Hund unserer Lehrerin zusammen mit Ella geheilt. Zählt das schon als können? Ansonsten gab es eher versehentliche Unfälle mit Pflanzen.« Ihr Vater nickt. »Du solltest das unbedingt üben. Wie wär`s an Blumen und Pflanzen in unserem Garten!« Bonny stößt ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. »Was denn. Ist doch mal was Vernünftiges. Davon haben auch wir etwas, Schatz.«

»Wie war Alisa eigentlich so?« Luci sieht ihren Vater neugierig über den Rückspiegel an. Luigi wechselt mit Bonny einen kurzen Blick. Auch die blickt ihn auffordernd an. Er druckst herum. »Sie war das schönste Mädchen, was ich je gesehen habe und das Liebste und Freundlichste. Sie war immer fröhlich und eine gute Seele. Sie kannte keinen Neid, Hass oder sagte nie irgendetwas Böses von und über andere. Man musste sie einfach gernhaben», antwortet Bonny statt Luigi. »Sie war an allen technischen Dingen der Menschenwelt interessiert und begeistert«, ergänzt Luigi nun doch. »Und liebte die Pasta von Luisa!« Ihr Vater schaut kurz erschrocken nach vorn, denn er muss ja Autofahren und eigentlich auf den Verkehr achten.

»Wer liebt die nicht«, bestätigt Luci. Bonny lacht kurz schallend auf. »Weißt du noch Luigi, das mit dem Kühlschrank…« Auch Luigi lacht jetzt. »Was war mit dem Kühlschrank?« Luci sieht gespannt von einem zum anderen. Ihr Vater erzählt ihr von der komischen Situation, als Alisa zum ersten Mal einen Kühlschrank sah und das Radio kennenlernte. Bonny erinnert sich noch an viele andere komische Situationen und gibt diese zum Besten. Es ist eine vergnügte Fahrt. Je mehr ihre Eltern von den alten Geschichten und den Erlebnissen mit Alisa erzählen, umso mehr bekommt Luci die Bestätigung, dass ihre Träume doch die vergangenen Geschehnisse darstellen könnten. Denn vieles kommt ihr sehr bekannt vor.

Die Fahrzeit ist für Lucis Geschmack viel zu kurz gewesen. Sie hätte gern noch mehr von ihren Eltern über Alisa erfahren. Gutgelaunt klingelt sie an der Tür ihrer Großeltern. Luisa öffnet freudestrahlend und bemerkt die fröhliche Stimmung sofort. »Was ist denn mit euch los?« Luci umarmt ihre Oma stürmisch. »Wir schwelgen gerade in Erinnerungen an Alisa und ihre Begegnungen in der Menschenwelt«, gesteht sie ihr. Ihre Oma schaut ihre Eltern an. »Habt ihr das von der Cola und Idalia erzählt«, fragt sie an sie gerichtet. »Ne, noch nicht und auch das vom Jahrmarkt nicht…«, gibt Luigi lachend von sich. »Dann kommt mal rein. Kaffee ist fertig und Kuchen steht auf dem Tisch.»

Bei Kaffee und Kuchen erzählen Luisa und Antonio ihre Erlebnisse mit Alisa, Manina, Vallerie und Idalia. Luci ist so glücklich. Sie erfährt so viele Details ihrer Familie und weiß jetzt ganz genau, dass das Geträumte der letzten Tage die wahre Vergangenheit ist.

Der fremde Durchgang

Luci hat lange geschlafen. Ihr Bett ist sehr weich und so richtig gemütlich. In ihrem alten Zimmer hat sich nicht viel verändert. Nur das alte Terrarium ist verschwunden. Sie hat sich immer eine Schildkröte gewünscht, aber nie eine bekommen. Das Terrarium diente ihr dann als Sammelort für alles Mögliche. Die Tapete wirkt auf sie jetzt etwas altertümlich. Als sie klein war, fand sie die sehr hübsch. Es sind Blumen und Ranken drauf zu sehen. Der Geruch, den sie in der Nase hat, ist aber immer noch derselbe. Eine Mischung aus frischer Wäsche, Lavendel und Pasta Soße. Sie liebt diesen Duft. Er versetzt sie sofort in die Zeit zurück, wo sie noch bei Oma und Opa gewohnt haben. Ein Schwall der Traurigkeit überkommt sie. Sie ruft sich zur Ordnung. In ihrem jetzigen Zuhause ist es doch auch schön. Jedenfalls bisher. Aber nach den Ereignissen der letzten Woche wird es nie wieder so sein wie vorher. Mari, ihre eine Freundin, ist nun größenwahnsinnig und verbannt worden und Ella, ihre zweite und beste Freundin, ist in Moonheaven gefangen. Luci fühlt sich plötzlich sehr allein. Sehnsucht nach Ella kommt auf. Sie muss dringend den Durchgang finden und beschließt aufzustehen und schwingt die Beine aus dem Bett.

»Guten Morgen, du Schlafmütze.« Luisa sieht Luci liebevoll an. »Guten Morgen, Oma. Habe ich lange geschlafen?« Luci sieht sich in der Küche um. »Wo ist Opa?« Luisa steht vom Tisch, an dem sie gerade gesessen hat auf und legt ihre Handarbeit weg. »Du hast etwas länger geschlafen als ich gedacht habe. Aber das kenne ich ja schon von deiner Mutter.« Luisa sieht sie mit großen Augen an und ihr wird dabei ganz komisch zumute. »Kind mit deinen goldenen Haaren siehst du genau aus wie sie!« und Luisa schüttelt leicht den Kopf. »Oma, meine Mutter ist Bonny. Bitte sage einfach Alisa, in Ordnung?« Ihre Oma errötet. Ja, in Ordnung«, sagt sie hastig. »Du hast ja recht. Das war von mir ungeschickt. Bonny ist deine Mutter, auch wenn nicht biologisch, doch im Herzen. Wie geht es dir heute, mein Schatz. Hast du gut geschlafen?« Luci nickt. Sie berichtet ihrer Oma, dass ihr Zimmer immer noch das alte ist, nur ohne Terrarium. »Das steht im Laden.« Luci bekommt große Augen. »Was ist jetzt da drin?« Ihre Oma schmunzelt. »Dein Opa hatte die Idee, als besonderen Magneten für unser Geschäft, eine Ecke mit Orchideen zu gestalten. Und da meinte er, dass exotische Zierfische gut reinpassen. Ich habe gedacht, dass das eine Schnapsidee ist, aber Antonio hatte recht. Die Leute schauen durch das Schaufenster und sehen das Aquarium, werden neugierig und kommen so ganz oft ungeplant in den Laden. Wir haben dadurch viele neue Stammkunden gewonnen. «

»Das will ich sehen. Ist Opa im Laden?« Luisa schaut auf ihre Uhr und runzelt die Stirn. »Ich muss los und Antonio helfen. Willst du mitkommen? Ich mache dir dann auch ein paar Brote. Die kannst du im Laden mit uns essen und heute Abend mache ich Pasta a la Luisa.« Luci klatscht vor Begeisterung in die Hände. Ihr fällt nämlich ein, dass der andere Durchgang ganz in der Nähe des Blumenladens ihrer Großeltern ist. Sie sagt nachher einfach, sie will einen kleinen Stadtrundgang machen und sehen, was für Veränderungen es gibt. Da sagen Oma und Opa bestimmt nicht nein. Und so kann sie nach dem Durchgang ungestört suchen.

Luisa freut sich, dass Luci mit ins Geschäft will. Sie geht zum Schrank und holt das Brot heraus und beginnt die Wurstbrote für alle fertig zu machen. Luci dagegen geht sich umziehen. Beide verlassen nach ein paar Minuten gemeinsam das Haus. Draußen ist es bewölkt, aber warm. Sie überqueren die Straße. Luci glaubt den Ort aus ihren Träumen wiederzuerkennen. Und zwar den Ort, wo Alisa ihren Papa zum ersten Mal geküsst hat, um sich vor ihrer Mutter Manina zu verstecken. Ein Schmunzler huscht über ihr Gesicht. Sie erreichen schnell den Blumenladen. Der hat sich auch verändert. Zwischen Schaufenster und Tür befindet sich ein Holzgestell, an dem eine wunderschöne Kletterrose emporwächst. Sie hat dunkelrote volle Blüten und duftet herrlich. Luci schnuppert dran. Luisa sieht das und schaut etwas bestürzt. Luci bekommt ihren Blick mit. »Habe ich etwas Falsches gemacht oder ist der Duft der Rose giftig?«

»Wie kommst du darauf?«

»Ich habe deinen Blick gerade gesehen, Oma.«

»Da täuschst du dich. Alles in Ordnung.« Luci spürt, dass sie ihr etwas verheimlicht, geht aber nicht weiter darauf ein. Irgendwann später, wenn der Zeitpunkt günstig ist, wird sie ihre Oma darauf ansprechen. »Sieht hübsch aus mit der Kletterrose. Gefällt mir außerordentlich. War das auch Opas Idee? Ist nämlich meine Lieblingsblume«, sagt sie stattdessen. »Ich weiß«, kommt von ihrer Oma, die bereits die Tür aufgedrückt hat und Luci eine einladende Geste macht. Was Luci nicht weiß und Luisa ihr auch nicht erzählen wird, ist, dass die Kletterrose aus Moonheaven stammt, und zwar von der Stelle, wo Alisa gestorben ist. Vallerie hat einen kleinen Ableger mitgebracht. Luisa fand die Idee sehr gut, da Alisa diesen Laden über alles geliebt hatte.

Drinnen herrscht Gedränge, besonders am Aquarium. Viele kleine Kinder drücken ihre Nasen am Glas platt. Luisa drängelt sich behutsam durch die Kinderschar. »Oh, Frau Bolle, heute mit ihrer ganzen Kindergruppe?« Luisa sieht belustigt den aufgeregten Kindern zu. Ihre Enkelin hockt sich gerade neben einen kleinen dicken Jungen hin und erklärt ihm, wie ein Fisch atmet. »Entschuldigen sie bitte das Durcheinander. Meine Tochter hat heute Geburtstag und ich habe Spätschicht. Da komme ich gar nicht dazu, ihr einen Blumenstrauß zu besorgen.« Frau Bolle lächelt entschuldigend. »Hätten sie doch angerufen. Ich hätte ihn den dann vorbeigebracht« und Luisa lächelt die Kindergärtnerin freundlich an. »Das geht?« und Frau Bolle sieht Luisa erstaunt an. »Natürlich, Frau Bolle, für sie immer. Luci, schau mal, Frau Bolle ist hier.«

Luci hebt ihren Kopf und sieht zu ihrer Oma rüber und geradewegs Frau Bolle ins Gesicht. Auf deren Gesicht macht sich ein Strahlen breit. Frau Bolle, ihre alte Kindergärtnerin sieht noch aus wie in ihren Erinnerungen. Luci steht auf und geht ihr entgegen und begrüßt sie herzlich. »Mensch Kind, bist du groß geworden. Und du siehst schon aus wie eine junge Dame. Hattest du schon immer so helle Haare?« Frau Bolle mustert Luci streng von oben bis unten. Die tut immer so streng, denkt Luci, dabei ist sie eine herzensgute Frau mit wunderbaren Bastelideen und mit einem großen Herz für Kinder. Sie hat ihre alte Kindergärtnerin noch immer sehr gern. »Komm mich mal besuchen, Luci. Du bist bestimmt noch ein paar Tage hier, oder?« Luci nickt und Frau Bolle lächelt sie kurz an und sammelt dann ihre Kinder ein und bugsiert sie nach draußen. Im Laden ist plötzlich Totenstille. Das ist komisch, nach dem minutenlangen Rumgeplapper der Kinder.

»Das kannst du ruhig machen mit dem Besuch im Kindergarten. Dort hat sich vieles verändert. Vielleicht willst du mal später dort Ferienarbeit machen und dir eigenes Geld verdienen.« Luisa sieht Luci fragend an. »Und was ist mit einem Job hier im Laden?«, fragt sie, ohne auf den Vorschlag ihrer Oma genauer einzugehen. »Nur gegen Unterkunft und Essen«, scherzt Opa, der gerade von hinten, aus dem Nebenzimmer kommt. Obwohl Luci den Laden in und auswendig kennt, sieht sie ihn auf einmal mit anderen Augen. Er ist ihr ein klein wenig fremd. Sie sieht vor ihrem geistigen Auge, wie sie ihn im Traum gesehen hat. Dieser Moment verfliegt aber schnell und das alte Bekannte und Vertraute ist wieder da.

Luisa reicht ihrem Mann und Luci jeweils ein Wurstbrot. Antonio beißt herzhaft hinein. »War höchste Eisenbahn, liebste Frau. Ich dachte ich verhungere.« Und ein kleines Augenzwinkern folgt. Luisa wird leicht rot. »Opa, das ist meine Schuld. Ich habe so lange geschlafen.« Luci beißt auch in ihr Brot. Ihre Oma setzt sich auf einen umgekippten leeren Blumenkübel und verspeist jetzt auch ihres. Kauend sitzen die Drei andächtig zusammen. Irgendwie strahlt diese Situation Glück und Zufriedenheit aus, denkt Luci und beobachtet ihren Opa und ihre Oma. Beide schauen sich noch richtig verliebt an. Das wünscht sie sich später auch mal: Mit ihrem Mann, viele Jahre verheiratet sein und immer noch so glücklich und verliebt anzuschauen.

Die Türglocke unterbricht diesen schönen Moment. Luisa steht hastig auf und legt das Brot beiseite. Sie streicht ihre Schürze glatt, setzt ihr geschäftsmäßiges Lächeln auf und geht der eintretenden Kundin entgegen. Antonio verspeist sein nunmehr drittes Brot seelenruhig weiter. Luci ist schon nach einem satt. »Opa, ich würde gern noch einen kleinen Spaziergang durch die Stadt machen. Hier hat sich bestimmt viel verändert. Ist das in Ordnung?« Sie schaut ihn bittend an und hofft, dass er nichts dagegen hat. »Na klar, meine Kleine. Du bist ja hier im Urlaub. Lass dich nicht von deiner Oma im Laden oder sonst wo einspannen. Der Arzt sagt, du brauchst Ruhe und Erholung. Und Spaziergehen gehört glaube ich zur Erholung.« Er grinst sein breites Grinsen, welches Luci so an ihm liebt. Sie gibt ihm ein Küsschen und geht zur Tür. Ihrer erstaunten Oma wirft sie noch beim Vorbeigehen einen Handkuss zu und ist aus dem Laden verschwunden.

Draußen atmet sie erst einmal tief durch. Die erste Hürde wäre geschafft. Sie überlegt, wo sie langgehen muss. Sie muss sich stark konzentrieren, denn die Häuser in der Straße sehen jetzt etwas anders aus als früher und ganz anders als in der Zeit von Alisa. Sie entscheidet sich nach links zu gehen und läuft die Straße ein paar Minuten entlang. An der Ecke stellt sie erleichtert fest, dass ihre Entscheidung richtig war. Sie sieht den Park gegenüber mit dem altertümlichen Zaun und den großen mächtigen Bäumen darin. Sie wechselt die Straßenseite, so dass sie am Park vorbeigehen kann. Hier kommt Luci vieles bekannter vor als auf der Straßenseite vom Blumenladen. Einige Häuser sind hier neu. Der Großteil ist aber noch so wie früher. Luci ist ganz aufgeregt. Es sind nicht mehr viele Meter bis zum Bauernhof. Ein kleines Schild kündigt ihr auch Karls-Bauernhof an. Sie rennt die letzten Meter und kann es nicht erwarten, den Durchgang zu suchen. Wo war der Brunnen noch mal in ihren Träumen? Luci ruft sich die Bilder erneut in Erinnerung und dann bleibt sie abrupt stehen. Sie ist um die Ecke gebogen und wollte die Hofauffahrt hochschleichen, aber da ist kein Bauernhof mehr. Dort steht jetzt ein neu gebautes flache Gebäude. Das Schild über der Tür zeigt Luci, dass es sich um ein Geschäft für Haushaltswaren und Gärtnerbedarf handelt, das den Namen »Karls-Bauernhof» hat. Luci ist sich so sicher, die richtige Richtung gewählt zu haben. Sie dreht sich im Kreis, um zu sehen, ob sie einen anderen Weg hätte nehmen müssen. Aber alles, was sie sieht, ist auch das aus ihren Träumen. Der Durchgang und das Bauerngehöft hätten genau an dem Ort stehen müssen. In Luci keimt ein schlimmer Verdacht auf. Es ist der richtige Ort, nur dass es keinen Bauernhof mehr gibt und auch keinen Brunnen mehr. Sie sackt entsetzt zusammen. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Das gibt es doch nicht. Warum müssen die hier ausgerechnet den Bauernhof und den Brunnen abreißen.

Luci setzt sich enttäuscht auf den großen Findling, der sich an der Einfahrt zum Geschäft befindet. Einige Autos fahren an ihr vorbei und die Menschen darin gehen im Geschäft einkaufen. Sie ist enttäuscht und traurig. Sie hatte sich so sehr darauf gefreut, den Durchgang hier zu nutzen, um schnell wieder nach Moonheaven zu kommen. Aber daraus wird es erst einmal nichts. Sie könnte heulen. Sie sitzt in dieser Stadt fest. Nach Hause kann sie nicht und nach Moonheaven erst recht nicht. Mutlos lässt sie den Kopf hängen.