Der schnellste Weg zum Doktortitel - Bernd Kramer - E-Book

Der schnellste Weg zum Doktortitel E-Book

Bernd Kramer

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  • Herausgeber: Riemann
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Guttenbergs Trickkiste

Wie weit liegt er zurück, der letzte Doktortitelskandal? Ein Tag? Eine Woche? Ein Monat? Bernd Kramer liefert eine Kulturgeschichte des Doktortitelschwindels und zeigt, wie erschreckend leicht der Betrug realisiert werden kann. Er geht der Frage auf den Grund, woher unsere Gier nach dem Doktortitel stammt, ob er sich tatsächlich lohnt und was für ein Status er sonst noch verspricht.

Gut recherchiert, mit Fakten untermauert und mit viel Ironie und Witz schildert Bernd Kramer zu welchen abstrusen Ausmaßen die Dünnbrettdoktorenwürde geführt hat.

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Seitenzahl: 336

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Bernd Kramer

Der schnellste Weg zum Doktortitel

Warum selbst schreiben, wenn’s auch anders geht?

1. Auflage

Originalausgabe

© 2014 Riemann Verlag, München

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Lektorat: Judith Henke

Umschlaggestaltung: Stephan Heering, Berlin

Covermotiv: © Nick Dolding/Getty Images

Satz: Fotosatz Amann, Memmingen

ISBN 978-3-641-14345-9

www.riemann-verlag.de

Inhalt

Einleitung

1. Die begehrten zwei Buchstaben

2. In guter Tradition

3. Medizin studieren

4. Kontaktvermittlung

5. Abschreiben

6. Schreiben lassen

7. Sich ehren lassen

8. Den Doktor spielen

Weg mit dem Titel

Quellen

Einleitung

Jeder sollte ihn haben. Zumindest jeder, der es wert ist. Ohne Wenn. Ohne Aber. Ohne Leistung.

Das hat die Politik erkannt und will handeln. »Abgeordnete von CDU und CSU sowie Vertreter der derzeit außerparlamentarisch agierenden FDP haben heute einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgestellt, der einen bedingungslosen Doktortitel für Politiker vorsieht«, war im Oktober 2012 in den Nachrichten zu lesen. »Damit sollen peinliche und volksvertreterunwürdige Doktortitelentzüge in Zukunft verhindert werden. Das Bildungsministerium signalisierte bereits grünes Licht für den sogenannten Dr. pseud.«

Das Gesetz sehe die Abschaffung unerfüllbarer Bedingungen vor – etwa der, eine Dissertation einzureichen. Der ehemals promovierte FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis, einer der Initiatoren des Gesetzentwurfes, bringt die Idee auf den Punkt: »Gerade in der heutigen Leistungsgesellschaft brauchen wir ein solidarisches Prinzip bei der Verteilung von intellektuellen Graden für Politiker.«

Leider ist dies nur die Meldung einer Satireseite.1 Aber eine, die der Wahrheit in vielem erschreckend nahe kommt. Eines ist klar: Deutschlands Elite hat ein Titelproblem.

Man könnte das fiktive Szenario weiterdenken: Führende Wirtschaftsvertreter, so könnte man bald die Forderung nach einem bedingungslosen Doktor für Politiker in den Zeitungen lesen, bringen eine Promoviertenquote für Vorstände und Aufsichtsräte ins Gespräch – als Alternative zur unerreichbaren, aber von der Politik derzeit favorisierten Frauenquote. »Eine Promoviertenquote in den Vorständen käme unseren Bedürfnissen entgegen und wäre eine sichtbare Förderung der Wissenschaft«, so ein Sprecher des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Sie wäre vor allem nach jetzigem Stand schnell zu erreichen.

Und sogar das Wirtschaftsministerium würde Entgegenkommen signalisieren: Zuwendungen zur Doktorandenausbildung sollten steuerlich absetzbar sein, um das Titelbedürfnis der Spitzenmanager zu fördern. Jede Stütze der Gesellschaft braucht den Doktor zur Stütze des eigenen Ego.

Willkommen in der Welt des Titelwahns und im Land der Doktoren. Im Jahr 2012 schlossen in Deutschland 26807 Menschen die Hochschule mit der Promotion ab.2 Schätzungsweise 200000 Menschen arbeiten derzeit an ihrer Dissertation.3 Beim Promovieren erreicht Deutschland internationale Spitzenwerte. In kaum einem Land wird der Doktorgrad häufiger verliehen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hat ermittelt: Einer von zwanzig Studenten in Deutschland entschließt sich nach seinem Studium zu einer Promotion. Das entspricht 5,2 Prozent eines Altersjahrgangs. Im OECD-Schnitt streben dagegen nur 2,7 Prozent nach dem Doktorgrad.4

Doktor – das ist doch was. Doktor – das klingt nach Gelehrsamkeit, nach Kompetenz und Anstand und nach einer großen bildungsbürgerlichen Tradition. Die Wirklichkeit trifft das nicht unbedingt. Dass für den Titel überhaupt Leistungen verlangt werden, ist eine noch junge Erfindung in der jahrhundertealten Geschichte des Wissenschaftsbetriebs. Die ruhmreiche Tradition der Universitäten ist, wenn man genau hinschaut, gar nicht einmal so ruhmreich. Und ihre Gegenwart ist auch alles andere als perfekt. Auch heute noch vergeben Universitäten Titel für Menschen, die wissenschaftlich nicht unbedingt etwas geleistet, dafür aber Macht und Einfluss haben. Was findet man überhaupt an diesem akademischen Grad?

Deutschland betreibt einen Kult um den Titel, über den sich das Ausland wundert. Niemand könne genau sagen, wann es begann, aber dieses Land habe eine Obsession mit dem Doktortitel, schreibt der Deutschlandkorrespondent der britischen »Times«. Den Adelstitel lasse man eher beschämt beiseite, der Doktor vor dem Namen aber sei so etwas wie das »Sesam, öffne dich!« zur Welt der Erfolgreichen und Mächtigen.5 Dr. Seltsam, der durchgeknallte Wissenschaftler aus dem gleichnamigen Filmklassiker von Stanley Kubrick, ist nicht nur äußerst promoviert, er ist vor allem – ein Deutscher.

Mit dem Doktordiplom in der Hand kann man sogar in die Meldeämter spazieren und sich die zwei Buchstaben in die Dokumente eintragen lassen. Seit der Einführung des laminierten Personalausweises in den 80er Jahren beteiligen sich die Ämter offiziell am Hype um den Titel – damit werde eine langjährige »Verwaltungspraxis« gesetzlich verankert, hieß es damals in der Gesetzesbegründung: »Der Doktorgrad wird im täglichen Leben in der Regel neben dem Namen verwendet.«6

Dieses amtliche Faktum lässt mittlerweile tatsächlich viele glauben, der Doktor sei ein Titel wie Freiherr oder Graf, König oder Kaiser. Und die Meldeämter lässt es mitunter verzweifeln. Sie müssen aufwendig Einzelfälle prüfen, wenn Bürger mit Urkunden aus Costa Rica, der Slowakei oder Zypern kommen.

Oder mit irgendeinem kirchlichen Ehrendoktor, der im Internet angeboten wird.

Bei Passkontrollen soll sich bereits der eine oder andere Grenzbeamte gefragt haben, welchen Vornamen die Buchstaben Dr. abkürzen.

Dracula?

Von Helmut Kohl, den einige für einen großen Kanzler halten, aber wenige für einen großen Geschichtswissenschafter, ist folgender Ausfall überliefert. Auf einer Pressekonferenz pöbelte er einen Journalisten, der freundlich eine Frage stellen wollte, vor laufenden Kameras an, weil der das akademische Gewicht des Kanzlers nicht ausreichend gewürdigt hatte. »Für Sie bin ich nicht der Herr Kohl.«

Der Journalist berichtigte sich umgehend. »Herr Dr. Kohl, …«

»So«, sagte daraufhin der Herr Dr. Bundeskanzler. »Wir wollen ein bisschen Ordnung zwischen uns reinbringen.«7

Das Finanzamt fragt die Bürger nicht nur nach den Verdiensten, sondern auch nach dem Doktortitel, anzugeben in Zeile zehn der Einkommenssteuererklärung. Selbst wer Opernkarten vorbestellt, kann dabei neben seinem Namen auch den Titel hinterlegen. Und auf die Anrede »Doktor« muss man auch dann nicht verzichten, wenn man eine Reise mit der Deutschen Bahn bucht. Das Registrierungsformular auf der Website fragt explizit nach dem »Titel« und hält zur Auswahl bereit: Dr., Prof., Prof. Dr. Wofür ein Schaffner solche Informationen über die Fahrgäste benötigt, bleibt fraglich.

Stellen wir uns einen jungen Unternehmensberater vor – nennen wir ihn Marius Berghold – der für uns das reale Märchen vom mächtigen Doktor ausloten wird und der berufsbedingt viel Zeit im Zug verbringt. Unser fiktiver, aufstrebender Consultant hat zwar Ambitionen, aber bislang keinen Titel, und wundert sich über die Praxis der Deutschen Bahn, die nur ein Beispiel für den Titelwahn hierzulande ist. So viel Aufhebens um den Doktor – aber was tut man, wenn man ihn nicht hat? Der Bahn einen Beschwerdebrief schreiben?

»Im Registrierungsformular kann ich zwar als Titel Dr., Prof. und Prof. Dr. wählen, jedoch nicht meinen Studienabschluss Diplom-Betriebswirt«, schreibt Berghold dem Kundenservice der Bahn. »Ich fände es unschön, wenn Sie weiterhin Fahrgäste ohne Promotion benachteiligen würden.«

Die Sonderbehandlung für den Doktor ist eine Diskriminierung aller anderen Akademiker, die ihren Abschluss nicht auf dem Ticket vermerken lassen können. Eigentlich ist es eine Demütigung aller anderen Fahrgäste, auch der nichtstudierten. Warum macht die Bahn das? Reicht es nicht schon, dass sie ihre Passagiere in zwei Klassen einteilt?

Die Antwort kommt umgehend: »Vielen Dank für Ihre E-Mail und den Verbesserungsvorschlag zum Thema Erweiterung der Auswahlmöglichkeiten bei Titeln im Registrierungsformular auf dem Reiseportal der Bahn, zum Beispiel Diplom-Betriebswirt«, schreibt die Servicemitarbeiterin. »Wir versichern Ihnen: Ihren Vorschlag wertet der zuständige Fachbereich zur Information und für weitere Maßnahmen aus.«

Wollte der zuständige Fachbereich allen potenziellen Begehrlichkeiten nachgehen, hätte er viel zu tun. Aller Wahrscheinlichkeit nach fahren hin und wieder auch Diplom-Trophologen, Diplom-Schauspieler und Diplom-Forstwirte Bahn, ebenso der eine oder andere Bachelor of Education, manch ein Master of Engineering und sogar noch der altmodische Magister Artium mit Byzantinistik im Nebenfach. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Marius Berghold weist die Servicemitarbeiterin darauf hin. »Vielleicht macht es zu viel Aufwand, sämtliche Grade, die es gibt, mit in die Auswahl aufzunehmen. Sie könnten doch auch ganz darauf verzichten«, schreibt er. »Mich würde interessieren, wie Sie auf die Idee gekommen sind, dass ein Doktorgrad für die Reise mit der Bahn überhaupt relevant ist.«

Die Antwort kommt wieder umgehend. »Sehr geehrter Herr Berghold, wie bereits erwähnt, haben wir Ihren Vorschlag weitergegeben«, schreibt die Bahn-Mitarbeiterin. »Generell folgen wir hier allgemeiner Praxis. So ist beispielsweise auch in Ausweisen eine Aufnahme des Doktortitels vorgesehen. Auch folgt die Anrede mit dem Titel den allgemeinen Konventionen der Höflichkeit.«

Die allgemeine Praxis also.

Marius Berghold wird den Titel brauchen, wenn er auf besondere Konventionen der Höflichkeit hoffen möchte. Irgendwie muss doch an den Doktor heranzukommen sein. Ohne zu viel Aufwand. Was ist mit Promotionsberatern? Mit Ghostwritern? Er wird es versuchen.

Man könnte den Fetisch um den Titel als merkwürdigen Spleen abtun – wenn er nicht so vieles offenbaren würde, was über rein akademische Debatten hinausgeht. Der Doktorkult verrät etwas Grundsätzliches über die Elite des Landes, über ihre Mentalität, ihr Abgrenzungsbedürfnis, ihre Eitelkeit, und darüber, nach welchen Mechanismen die Gesellschaft in Oben und Unten gegliedert wird. Im Doktor steckt weit mehr als nur die Frage nach den Eigenheiten des Hochschulbetriebs mit seinen merkwürdigen Ehrbegriffen und Zitiernormen. Im Doktor wird das Bedürfnis einer Elite offenbar, sich als besser, tüchtiger, leistungsfähiger abzugrenzen – und diesen vermeintlichen Attributen ein Denkmal vor dem Namen zu setzen. Der Kult um den Doktor zeigt, wie essenziell für die Mächtigen und Gebildeten der Tritt nach unten ist. Seine Überhöhung entlarvt, wie viel gestörter Narzissmus sich in den Führungspositionen der Gesellschaft ballt.

Und auch der Betrug beim Erwerb des Titels verrät viel: Er offenbart die Schwachstellen eines selbstgerechten Universitätswesens und die falschen Werte einer Gesellschaft, die dem Titel unhinterfragt Respekt zollt. Er zeigt auch, wie profan eigentlich das ist, was einen Doktor ausmacht. Wenn man dem Titelwahn auf den Grund gehen will, lohnt ein Blick durch die Brille des Betrügers. Es ist absurd zu was der Mensch in der Lage ist, nur um an den begehrten Doktorgrad zu kommen. Noch absurder ist die Hochachtung der Gesellschaft für den Titel, die solch dubiose Bemühungen überhaupt als lohnend erscheinen lässt.

Wie überschätzt der Titel ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, was er eigentlich ist: kein Titel. Streng rechtlich betrachtet ist der Doktorgrad ein akademischer Abschluss – wie ein Diplom, ein Bachelor, ein Master. Nicht mehr, nicht weniger. Ihn bekommt, wer die dazugehörige Hochschulprüfung erfolgreich abgelegt hat. Eine Dissertation zu verfassen, kostet Schweiß, Mühe und manchmal einige lange, entbehrungsreiche Lebensjahre, manchmal Verzweiflung. Das Ergebnis kann einen Fachbereich voranbringen oder aber getrost vergessen werden. In seinem Kern ist der Doktor aber nicht anders als ein Abitur, ein Studienabschluss, ein Meisterbrief, eine bestandene Führerscheinprüfung.

Der Doktor ist auch kein Bestandteil des Namens. Das Recht hat das klargestellt: Mit dem Doktor angeredet zu werden, mag in bestimmten Kreisen höflich erscheinen. Einklagbar ist es nicht.8

Dass eine Gesellschaft etwas so Profanes wie den Doktorgrad mit so viel Prunk und Pomp ausstattet, ist erklärungsbedürftig. Woran liegt das?

Vielleicht daran, dass die Universität neben der katholischen Kirche so ziemlich die einzige Institution ist, die sich aus dem finsteren Mittelalter bis in unsere Tage herübergerettet hat. Und der Doktor ist seit Anbeginn ihrer Tage der wichtigste Abschluss, lange sogar der einzige, dem etwas Geadeltes anhaftete.

Vielleicht umweht den Doktor eine magische Aura, die aus dieser Zeit stammt. Wer den Titel hat, der hat, so scheint es, Zugang zu einem Wissen, das anderen verschlossen bleibt.

Selbst wenn das Geheimwissen nur in dem besteht, was da einer vor Jahren einmal in seiner Dissertation aufgeschrieben hat, manchmal sogar in wenig rühmlicher Prosa. Geheim ist dieses Doktorandenwissen jedoch nicht, weil es erklärt, was die Welt im Innersten zusammenhält. Eine Doktorarbeit beschreibt heute bestenfalls einen engen Ausschnitt der Welt mit wissenschaftlichen Methoden. Jeder könnte sie lesen. Aber nur sehr wenige tun es. Geheimnisvoll ist der Doktor, weil seine Arbeit traditionell kein Publikum findet. Die Dissertation gehört in der Regel zur Gruppe der wenigen Texte, die für Nichtleser geschrieben werden. Das macht sie zum gesellschaftlichen Mysterium, und das ist gleichzeitig auch die Voraussetzung für das Tricksen und Täuschen, Schummeln, Kopieren, Plagiieren.

So viel Zeit in ein Werk mit begrenzter Resonanz zu investieren, ist auch deswegen so sinnlos, weil Anstrengungen dieser Art heute für kaum eine Karriere verlangt werden. Der Doktor ist praktisch nur für die Hochschullaufbahn zwingend. Und da steht er lediglich für eine Karriere- und Qualifikationsstufe von mehreren – so ähnlich wie »Lehramtsanwärter« einen Abschnitt der Laufbahn an einer Schule bezeichnet.

Das nährt den Mythos: Wenn eine Aufgabe so sinn- und folgenlos ist, warum nimmt man sie dann auf sich? Entweder ist es offenkundiger Unsinn – oder es steckt tatsächlich ein tieferer Sinn dahinter.

Solche Ambivalenzen sind es wahrscheinlich, die den Doktor für jeden Menschen mit Selbsterhöhungsbedürfnis so attraktiv machen. Deswegen eignet er sich wunderbar für Missbrauch, Schwindel und autoritäres Gehabe. Und deswegen hat er auch stets die Fantasie der Hochstapler, Betrüger und Scharlatane beflügelt. Nicht erst seit Karl-Theodor zu Guttenberg.

Wie groß der Drang nach dem Doktortitel ist, erfuhr sehr eindrücklich vor einigen Jahren ein Münchener Kaufmann, der die Internetseite titel-kaufen.de schaltete. »Unkompliziert, seriös und diskret zum gewünschten Titel« steht dort, im Angebot unter anderem: Abitur, Gesellenbriefe, Adelstitel. »Das Bildungssystem in Deutschland ermöglicht es nicht jedem sein volles Potenzial zu entfalten, da der schulische und akademische Erfolg auch sehr stark von der eigenen sozialen Schicht und den daraus resultierenden Chancen abhängt.«

Die Anfragen, die bei dem Kaufmann eingingen, sind haarsträubend. Ein Bürgermeister aus Österreich hätte gerne einen MBA-Titel. Ein Jurist wünscht sich einen Ehrendoktor, um sich »besser als Rechtsanwalt etablieren zu können«.

Ein Mediziner schreibt: »Ich bin Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und als Oberarzt tätig. Ich könnte in nächster Zeit eine Chefarztstelle besetzen, brauche aber dazu unbedingt den Doktortitel.« Gewünschter Liefertermin: »in den nächsten zwölf Monaten.«

Ein weiterer Mediziner schreibt kurz: »Titel wird für weitere Karriere benötigt.« Berufsbedingt fehle die Zeit, um eine Dissertation zu verfassen. 10000 Euro wäre er zu zahlen bereit.

Ein Interessent mit Realschulabschluss schreibt, er arbeite seit zwanzig Jahren in einem Medizinunternehmen, alle in seiner Abteilung trügen den Doktortitel. »Es ist schwierig für mich anerkannt zu werden, obwohl ich auf meinem Gebiet sehr gut bin.« Nun hätte er gerne eine ganz neue Bildungsbiografie: »Ich brauche einen genauen lückenlosen Ablauf«, trägt er unter »Ergänzungen« im Kontaktformular ein, und in holprigem Deutsch geht es weiter: »Also Abitur (den ich vielleicht im Abendkurs nebenbei gemacht habe). Und danach den Doktortitel möglichst alles chronologisch korrekt.«9

Alle Interessenten gingen leer aus. Ein Link auf der Seite klärt über die wahren Hintergründe des Titelangebots auf. »Einen akademischen Grad wie einen Doktortitel, ein Diplom oder einen Master-Abschluss gibt es nur auf einem Weg zu erwerben. Und dieser Weg besteht vor allen Dingen aus einem: harter Arbeit.« Das Projekt war eine Satire – was die wenigsten verstanden hatten.10

Wer einen Doktor erschwindeln will, muss genauer hinsehen.

1. Die begehrten zwei Buchstaben

Lohnt es sich, eine Doktorarbeit zu fälschen? Schaut man sich die Plagiatsfälle der vergangenen Jahre an, dann scheint das Risiko, später als Betrüger entlarvt zu werden, nicht ohne zu sein: Ein Verteidigungsminister fiel, eine Bildungsministerin, eine Europaabgeordnete. Sie verloren die Titel, die Ämter, das Ansehen. Dass ein Politiker allerdings über die zwei Buchstaben vor seinem Namen stolpert, hat mehr mit den Eigenheiten des politischen Geschäfts, mit dem Hauen und Stechen und der Denunziationsbereitschaft der Gegner zu tun als mit dem eifrigen Aufklärungsbestreben des Wissenschaftsbetriebs. So seltsam es ist: Der Doktorgrad ist diesem Lande heilig wie kaum etwas anderes, er ist der Ritterschlag, der in den Stand der Ehrbarkeit versetzt. Doch der Betrug damit geht überraschend leicht durch.

Der Fall Guttenberg ist eher die Ausnahme als die Regel.

Das liegt zum einen daran, dass Doktorarbeiten Speziallektüre sind, zu der sich nur ein kleiner Kreis Zugang verschafft. Vier oder fünf Leser sind es vielleicht, manchmal mehr, nur selten deutlich mehr: der Verfasser liest die Dissertation, ein befreundeter Lehramtsreferendar, der das Manuskript vor Abgabe noch einmal auf Rechtschreibung und Zeichensetzung prüft, ohne vom verklausulierten Inhalt Notiz zu nehmen, der Professor, der Zweitprüfer und vielleicht in vier, fünf Jahren noch ein oder zwei weitere Doktoranden, die sich die Arbeit per Fernleihe bestellen, um möglicherweise daraus abzukupfern, sie wahrscheinlich aber dann doch im Regal neben dem Schreibtisch verstauben lassen, bis die Bibliothek den fünften Mahnbrief schickt. Freunde, Kollegen, Verwandte lassen sich später zwar mit dem Titel beeindrucken, in die Doktorarbeit selbst wird aber kaum jemand von ihnen auch nur einen Blick werfen. Doktorarbeiten sind also ein typischer Fall verwaister Texte.

Das macht den Schwindel leicht.

Möglicherweise zieht das Elaborat eines Tages aber auch einen Experten an, der den Betrug sofort durchschaut. Vielleicht ist es sogar der, bei dem man abgeschrieben hat. Ein nicht zu unterschätzendes Risiko.

Die Universitäten verhalten sich, sobald etwas ruchbar wird, uneinheitlich. Drakonische Strafen für falsche Zeilen sind nicht unbedingt die Regel. Das liegt daran, dass jede Hochschule bei der Titelentziehung nach ihren eigenen Standards verfährt – und die sind so unterschiedlich wie die Bedingungen, zu denen der Grad verliehen wird.

Vor allem bedeutet ein Titelentzug eine Blamage für die Hochschule selbst. Die Verantwortlichen geben damit zu, die fehlerhaften Arbeiten schlampig gelesen zu haben. Aufgeräumt wird, wenn es geht, eher heimlich: Die Universität Münster etwa erteilte einer Doktorin eine Rüge wegen »grober Verstöße gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Arbeit«, wie es hieß.11 Eine bequeme Lösung. Denn von einer Rüge erfährt für gewöhnlich niemand.

An der Universität Bonn kann nachträglich die Note heruntergesetzt werden. »Hat der Doktorand bei einer Promotionsleistung eine Täuschung begangen und wird dies erst nach Aushändigung der Promotionsurkunde bekannt, so kann die Bewertung der entsprechenden Promotionsleistungen nachträglich geändert oder der Doktorgrad entzogen werden«, hat sich etwa die Philosophische Fakultät der Universität Bonn in die Promotionsordnung geschrieben.12 Das heißt also: Ein Großplagiator wie zu Guttenberg, der seine Promotion in Bayreuth mit der Bestnote »summa cum laude« abschloss, wäre in Bonn mit etwas Glück und ein paar mehr Seiten Eigenanteil nachträglich dann vielleicht noch auf »rite« herabgestuft worden.13 Dem Doktortitel sieht man das nicht an.

Die Technische Universität Berlin ließ dem ehemaligen Doktoranden Jürgen Goldschmidt, FDP-Bürgermeister in der Lausitz, seinen Titel, obwohl er Plagiatsjägern zufolge auf fast jeder dritten Seite aus Zeitungsartikeln, Pressemitteilungen und Wikipedia abgeschrieben hatte.14 Die Universität verlangte von ihm lediglich, die Arbeit nachzubessern. »Die TU Berlin erteilt Herrn Dr. Goldschmidt die Auflage, innerhalb einer bestimmten Frist seine Dissertation unverändert, aber mit korrekter Zitierweise vorzulegen«, heißt es in einer Mitteilung der Hochschule.15

»Die nachträgliche Aberkennung einer Prüfungsleistung oder eines Doktortitels ist zwar momentan noch die seltene Ausnahme, die eher bei rechtskräftiger Verurteilung wegen Völkermordes eingreift als bei Verletzung wissenschaftlicher Regeln«, meint der Rechtsprofessor und Plagiatekenner Roland Schimmel.16 »Aber das mag sich ändern.«

Lohnt es sich, den Doktor zu haben? Diese Frage ist leichter zu beantworten: Ja, in der Regel lohnt es sich.

Die Statistik zeichnet ein rosiges Bild für Doktoren. Studien kommen einhellig zu dem Schluss, dass sich der Titel auf dem Gehaltszettel auszahlt. Ein Studienabschluss ist an sich schon eine Menge wert. Hochschulabsolventen mit Staatsexamen, Diplom, Magister, Bachelor- oder Masterabschluss sind deutlich seltener arbeitslos.17

Und wer einen Studienabschluss in der Tasche hat, verdient gut. Das Bemerkenswerte daran ist, dass es bei den Einkommen von Akademikern eigentlich kaum Einbrüche gab – obwohl ihr Anteil im vergangenen Jahrzehnt deutlich angestiegen ist. Der Arbeitsmarkt giert nach Hochqualifizierten.

Die Einkommen der Akademiker, das zeigen die Auswertungen der Industrieländer-Organisation OECD, eilten den Verdiensten des Rests der Bevölkerung in den vergangenen Jahren davon. Im Jahr 2000 verdienten Akademiker im Schnitt noch 40 Prozent mehr als Absolventen mit einfachem Schul- oder Berufsabschluss. Im Jahr 2011 war ihr Gehaltsvorsprung schon auf zwei Drittel angewachsen. Im OECD-Schnitt verdienten Akademiker zuletzt 74 Prozent mehr als Absolventen anderer Bildungsgänge.18 »Es gibt kaum ein Land, in dem der Einkommensvorteil der Hochschulabsolventen so stark gestiegen ist wie in Deutschland«, sagt OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher.19 Bildung ist keineswegs ein unschuldiges, sich selbst genügendes Erkenntnisstreben nach dem Schönen, Wahren, Guten – sie ist auch ein Grund dafür, dass die Ungleichheit in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren zugenommen hat.

Das gilt für den Doktor ganz besonders. Ein promovierter Akademiker verdient in seinem Job monatlich im Schnitt 624 Euro mehr als ein Hochschulabsolvent, der nach seinem Studium keinen Doktortitel erworben hat, so das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ) aus Berlin.20 Eine Studie des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung kommt zu dem Ergebnis, dass Hochschulabsolventen mit Doktortitel rund acht Prozent mehr Gehalt einstreichen können als ihre Kommilitonen mit einfachem Abschluss.21

Doktoren sind auch glücklicher in ihrem Job als andere Hochschulabsolventen: 81 Prozent der Ingenieure ohne Doktortitel sind sehr zufrieden mit ihrer Stelle, bei den promovierten Kollegen sind es ganze 89 Prozent – so lautet das Ergebnis der bayerischen Hochschulforscher. Doktoren haben in ihrem Job mehr Einfluss und mehr Gestaltungsmöglichkeiten, sie erreichen häufiger Führungspositionen, bekommen mehr Geld – all das erhöht die Zufriedenheit.

Der Einkommensvorsprung der Promovierten fällt je nach Fach und Branche unterschiedlich aus. Die Arbeitsmarktforscher Guido Heineck und Britta Matthes haben eine Stichprobe von Promovierten des Prüfungsjahrs 2005/2006 analysiert und sie mit Absolventen ohne Doktorabschluss verglichen. Interessant ist dabei vor allem eine Erkenntnis: Der Doktor lohnt sich gar nicht so sehr im öffentlichen Dienst, wo feste Besoldungsregeln allzu große Gehaltssprünge ausschließen – richtig Geld bringt er in der Privatwirtschaft. Das ist bemerkenswert, weil die Promotion ihrem Sinn nach auf eine Laufbahn in der Wissenschaft abzielt – also auf einen Dienst an öffentlichen Hochschulen oder Forschungseinrichtungen. Seine ganze Magie entfaltet der Doktor aber offensichtlich erst außerhalb der Universitäten.22

Besonders groß fällt das Plus auf dem Gehaltszettel für Doktoren der Juristerei aus. Satte 27 Prozent mehr Einkommen machen die zwei Buchstaben vor dem Namen aus. In der Medizin, wo nahezu jeder Absolvent promoviert von der Universität geht, sind es immerhin noch zehn Prozent. In den Sprach- und Kulturwissenschaften ist das Bild etwas unschärfer. Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass diese Gruppe ihre akademischen Weihen mit Gehaltseinbußen bezahlt. Sprach- und Kulturwissenschaftler mit Doktortitel verdienen rund 25 Prozent weniger als Absolventen, die auf eine Promotion verzichtet haben23 – möglicherweise auch, weil die Stellen, für die der Titel wirklich eine Voraussetzung ist, bei ihnen eher in Universitäten, Archiven, Museen und anderen öffentlichen Institutionen zu finden sind, Stellen also mit nach oben begrenzten Gehaltsspielräumen. Ihre Kommilitonen, mit denen sie im zweiten Semester noch in den Einführungsveranstaltungen saßen, haben in der Zwischenzeit vielleicht längst Karriere in der PR oder einer Unternehmensberatung gemacht. Die bayerischen Hochschulforscher hingegen kommen mit ihren Daten zu dem Ergebnis, dass auch Sprach- und Kulturwissenschaftler mit Doktortitel etwas mehr verdienen als ohne – zumindest wenn sie in die Privatwirtschaft gehen.24

Wer hoch hinauswill, braucht den Titel. Die Bundeskanzlerin ist promovierte Physikerin, auffällig viele Minister führen ebenfalls den Doktorgrad. Der Titel häuft sich in der Regierung wie sonst fast nirgendwo in der Gesellschaft, und trotzdem haben die früheren Forschungsbemühungen der Ministerinnen und Minister frappierend wenig gemein mit der Fachkenntnis, die es für ihr jeweiliges Fachressort braucht. Wofür braucht ein Außenminister einschlägige Kenntnisse zur Rechtslage in der Obdachlosenhilfe?

Und warum um alles in der Welt hat die amtierende Umweltministerin über die Margarineindustrie in ihrer Heimatregion promoviert? Barbara Hendricks versichert jedenfalls: Sie schmiert ihr Brot mit Butter. Auch sonst scheint ihr Bezug zum Thema eher funktional. Ihr Abschluss sollte damals ja nach etwas aussehen. »Ich hatte auch nie den Anspruch, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen«, erzählte sie einmal in einem Interview.25 »Das war mir klar, als ich mich für das Thema meiner Doktorarbeit entschied. Ich wusste, mit diesem Thema kannst du keine Karriere im Hochschulbetrieb machen. Hätte ich etwas anderes gewollt, hätte ich ein anderes Thema gewählt.«

Dafür half ihr die Promotion beim Berufseinstieg: »Als ich meinen nächsten Schritt machte und als Referatsleiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ins Landesministerium für Finanzen wechselte, war der Doktortitel bestimmt hilfreich«, sagt sie. »Ich war damals mit 29 Jahren immer noch verhältnismäßig jung.«

Es zählt der Titel. Nicht das Thema. Die 215 Seiten liest niemand. Die zwei Buchstaben jeder.

Dabei sind Politiker entgegen dem üblichen Klischee gar nicht einmal die titelsüchtigste Spezies unserer Gesellschaft. Die Bedeutung des Doktors hat in den vergangenen Jahrzehnten in der Politik sogar eher nachgelassen. Das legen die Untersuchungen des Soziologen Heinrich Best nahe. Das erste deutsche Parlament, die Frankfurter Nationalversammlung 1848, war noch voller Doktoren auf der einen Seite – und voller Adeliger auf der anderen. Überschneidungen gab es zwischen beiden Gruppen kaum. 38 Prozent der Abgeordneten hatten den Doktortitel. Die anderen hatten blaues Blut. Wer von adeliger Abkunft war, braucht den Doktor nicht, und wer von bürgerlicher Geburt war, musste das mit akademischen Titeln kompensieren.

Und so ging es weiter: Die ersten gewählten Politiker in Deutschland waren entweder Herr von und zu oder Herr Prof. Doktor.26 Promovierte Freiherren waren eher die Ausnahme in der deutschen Politik des 19. Jahrhunderts.

Mit dem Ende des Kaiserreichs verschwand der Adel aus dem Parlament, im Bundestag waren zuletzt nur noch ein bis drei Prozent Blaublüter vertreten. Aber auch der akademische Adel verlor an politischer Bedeutung. Die Doktoren sind in den Parlamenten heute längst nicht mehr so stark repräsentiert wie in früheren Jahren. Der Anteil der Promovierten im Bundestag hat sich von 1987 bis 2002 halbiert. Jüngere Abgeordnete sind häufiger titellos als ältere.27

Und das, obwohl der Anteil der Akademiker im Parlament mit rund 80 Prozent so hoch ist wie nie: Es gibt immer mehr Studierte in der Politik, aber immer weniger Promovierte. Verkehrte Welt?

Besonders auffällig ist dieses Muster Best zufolge in der Fraktion der Grünen. 85 Prozent der Mandatsträger, die für die Grünen seit 1990 im Bundestag saßen, haben ein Studium abgeschlossen – über alle Fraktionen hinweg waren es im selben Zeitraum 82 Prozent. Doch nur 16 Prozent der grünen Parlamentarier hatten auch den Titel. Im gesamten Bundestag waren es seit 1990 22 Prozent.28 Best glaubt, dass demonstrative Bescheidenheit eine Erklärung dafür sein könnte: Je stärker eine Partei im Akademikermilieu um Stimmen fischt, umso schlechter kommt es an, bei den Wählern mit Titeln zu prahlen und zu protzen. Wer einmal eine Uni von innen gesehen hat, weiß ja, wie relativ so ein Doktor ist.

Dass der Titel bei Wählern gar nicht so sehr zieht, zeigen die Untersuchungen der Politikwissenschaftler Sebastian Schneider und Markus Tepe. 2195 Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2009 haben sie in ihrer Studie untersucht. Der Anteil der Doktoren war unter allen Kandidierenden mit elf Prozent überdurchschnittlich hoch. Unter den Gewinnern waren sogar 21 Prozent promoviert. Auf den ersten Blick also lohnt sich der Titel durchaus für eine politische Laufbahn – er scheint den Erststimmenanteil im Schnitt um zehn Prozentpunkte zu erhöhen. Den Sprung ins Parlament schafft eher ein Doktor als ein Nichtpromovierter, Doktoren haben in der Untersuchung mehr Stimmen erhalten und häufiger ein Direktmandat erringen können.

Allerdings schränkt sich das Bild ein, wenn man einmal genauer hinsieht. Die beiden Politikwissenschaftler haben statistisch geprüft, ob es wirklich der Titel ist, der Wähler ihr Kreuzchchen reihenweise bei den Doktoren machen lässt. Das Ergebnis: eher nicht.

Dass mehr Promovierende es in den Bundestag schaffen, liegt zum Teil daran, dass sie vor allem für die großen Parteien antreten, die die besten Chancen auf ein Direktmandat haben. Berücksichtigt man solche Umstände, stellt man fest, dass der Doktor selbst offenbar viel weniger Eindruck auf die Wähler macht, als man gemeinhin vermuten würde. Nur noch um 0,51 Prozentpunkte kann ein Kandidat im Schnitt durch den Doktortitel seinen Stimmenanteil steigern, wenn man die anderen Einflussfaktoren berücksichtigt. Der Titel juckt die Wähler offenbar gar nicht so sehr.29

Ein Grund für die vergleichsweise geringe Bedeutung des Titels in der Politik ist dem Elitenforscher Michael Hartmann von der TU Darmstadt zufolge, dass die Politelite immer noch auf relativ volkstümliche Art ausgewählt wird: Wer als Kandidat für eine Wahl aufgestellt werden will, muss die Ochsentour durchstehen, der muss auf die Schützenfeste, der muss sich im Bierzelt genauso beweisen wie in elend langen Ortsvereinssitzungen. »Die vergleichsweise demokratischen Auswahlprozesse in den großen Volksparteien sorgen dafür, dass die sozial relativ breit gestreute Parteibasis einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Kandidatenaufstellung gewinnt«, schreibt Hartmann.30 »Außerdem müssen Politiker, wollen sie erfolgreich sein, eine gewisse Affinität zu ihrer Wählerklientel aufweisen. All das begünstigt Bewerber, die in ihrem Habitus nicht zu weit weg von der vielbeschworenen Basis entfernt sind.«

Eine weitere mögliche Erklärung: Die Politik ist ein professionelles Geschäft geworden. Wer dort eine Karriere anstrebt, wer früh die Ochsentour durch die Partei gehen, sich für Ämter in den Nachwuchsorganisationen bewerben, Netzwerke bilden, die richtigen Kontakte knüpfen muss, dem bleibt nach dem Studium kaum Zeit, sich jahrelang in die Denkerstube oder ins Forschungslabor zurückzuziehen. Wenn man als Politiker dennoch die Mühe einer Promotion auf sich nimmt, dann macht man am besten die eigene Karriere zu ihrem Gegenstand.

So wie der Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU), der eine Dissertation über die Junge Union in Bayern einreichte – und gleichzeitig ebendieser Organisation vorstand.

Oder so wie Guido Westerwelle, ehemaliger Außenminister, der 1994 an der Fernuniversität Hagen über »Das Parteienrecht und die politischen Jugendorganisationen« promovierte. Einige Jahre zuvor war er Mitbegründer der Jungen Liberalen, der Nachwuchsorganisation der FDP.

So wie Bundestagspräsident Norbert Lammert, der als Dissertation an der Universität Bochum eine Fallstudie über den eigenen CDU-Kreisverband einreichte.

Oder Kristina Schröder, damals noch Köhler, ehemalige Familienministerin, die 2002 für die CDU in den Bundestag einzog und für ihre Promotion Fragenbögen an ihre Fraktionskollegen schickte.31

Und nicht zu vergessen Helmut Kohl. Der Altkanzler promovierte 1958 an der Universität Heidelberg über »Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiedererstehen der Parteien nach 1945«. Kohl hatte 1947 den Ludwigshafener Stadtverband der Jungen Union mitgegründet, 1953 war er geschäftsführendes Vorstandsmitglied der CDU in Rheinland-Pfalz geworden.

Aber so entscheidend scheint es nicht mehr zu sein, den passenden Doktorvater zu finden, der wissenschaftlich verbrämte Verarbeitungen der eigenen Politkarriere als Dissertation entgegennimmt. Ein europaweiter Vergleich zeigt es ziemlich eindrücklich: Der Anteil der Promovierten unter den politischen Eliten rangiert zwischen 2 Prozent in Dänemark und gut 30 Prozent in der Slowakei und Frankreich. Deutschland, das Land der Doktoren, liegt hier mit 14 Prozent promovierten Politikern unauffällig im Mittelfeld.

Ganz anders sieht es bei den Wirtschaftseliten, den Vorständen der jeweils hundert größten Unternehmen aus: 37 Prozent der wichtigsten Wirtschaftsführer haben den Doktortitel vor dem Namen, der Anteil der akademisch Gekrönten ist hierzulande in den Großkonzernen doppelt so hoch wie in den Regierungen und Parlamenten. Und er überflügelt die anderen europäischen Länder bei Weitem: Deutschland führt mit Abstand. Dann erst kommt die Slowakei, abgeschlagen mit 30 Prozent. In Frankreich sind gerade einmal zwei Prozent der wichtigsten Wirtschaftsführer promoviert, in Italien und Estland fünf Prozent.32

Dass sich die Doktoren in der Wirtschaft so hartnäckig halten, hängt wesentlich mit der Rekrutierungspraxis zusammen, meint der Elitenforscher Michael Hartmann. In den Unternehmen entscheidet – anders als etwa in einer Partei oder bei einer Parlamentswahl – ein kleiner Kreis, wer in den Vorstand aufrückt: Manager bestimmen, wer Manager wird. Und sie wählen häufig Nachrücker, die ihnen ähnlich sind, denen der gleiche Stallgeruch anhaftet. Der Bewerber muss die Dress- und Benimmcodes der Entscheider beherrschen, sich sicher auf dem Parkett der Entscheider bewegen, Souveränität ausstrahlen. Kurz: Man wählt Menschen aus, die ähnlich aufgewachsen sind und ähnliche Biografien haben wie man selbst, die vergleichbare Bildungswege eingeschlagen haben. Das Großbürgertum bleibt unter sich. »Es wird viel weniger nach rationalen Kriterien entschieden, als man gemeinhin vermutet«, schreibt Hartmann.33

Und das Bürgertum schickt seine Kinder verhältnismäßig geradlinig Richtung Titel – die anderen bleiben unterwegs früher oder später auf der Strecke. In Zahlen ausgedrückt: Von hundert Akademikerkindern, die ihre Schulkarriere starten, erreichen 77 später die Hochschule. Von hundert Kindern, deren Eltern nicht studiert haben, sind es nur 23, die die Schwelle zum Studium nehmen.34

In der Hochschule wird weiter gesiebt. Eine schon etwas ältere Untersuchung der Forscher Tino Bargel und Tobias Röhl zeigt, dass unter den Studierenden vor allem diejenigen mit einer Promotion liebäugeln, die aus privilegierten Elternhäusern stammen: 36 Prozent der Studierenden aus Akademikerfamilien, die zwischen 1998 und 2004 befragt wurden, strebten eine Promotion an, aber nur 20 Prozent ihrer Kommilitonen, die aus einer Arbeiterfamilie stammen – und das, obwohl die Arbeiterkinder an den Universitäten ohnehin schon unterrepräsentiert sind.35

Der Elitenforscher Michael Hartmann und sein Kollege Johannes Kopp haben sich die Dissertationen aller Ingenieure, Juristen und Wirtschaftswissenschaftler aus den Jahren 1955, 1965, 1975 und 1985 besorgt und die Lebensläufe, die den Arbeiten anhingen, analysiert: Welche Angaben machten die Doktoranden über ihre Herkunft, über den Beruf ihrer Eltern? Das Resultat: Über die Hälfte der Promovierten stammte aus dem gehobenen oder dem Großbürgertum. »Der Nachwuchs der oberen fünf Promille der Erwerbstätigen stellt jeden zehnten Promovierten, die Kinder der nächsten drei Prozent fast die Hälfte«, schreiben Hartmann und Kopp in ihrer Studie.36

Es promovieren dabei nicht einmal unbedingt die Besten eines Abschlussjahrganges, zu diesem bemerkenswerten Ergebnis kommt der Soziologe Alexander Lenger in einer Befragung von 1876 Doktoranden aus 93 Fächern. Das Ergebnis: Außer in den Rechtswissenschaften liegen die Abschlussnoten der Doktoranden in den meisten Fächern sogar unter dem Durchschnitt, in manchen Fächern, etwa in Mathematik und den Naturwissenschaften, waren die Doktoranden sogar mehr als eine halbe Note schlechter als ihre Kommilitonen, die die Universität ohne den Titel verlassen hatten. Dafür hatten die Doktoranden deutlich häufiger wohlhabende und hochgebildete Eltern und konnten sich ihren Professoren schon im Studium durch Jobs als Hilfskraft am Lehrstuhl oder Institut empfehlen – Jobs, die Studierende aus Arbeiterfamilien oft gar nicht erst in Erwägung ziehen, weil sich das Geld fürs Studium andernorts besser verdienen lässt, vermutet der Soziologe Lenger. Zwei Drittel der Promovierenden kommen demnach aus einer Akademikerfamilie, jeder sechste Doktorand hat selbst promovierte Eltern. Und drei Viertel der Promovenden gaben an, vor der Promotion als Hilfskraft an der Universität gearbeitet zu haben; die Hälfte kannte den Doktorvater schon.37 Was zählt, sind also Kontakte und Herkunft. Die Doktoranden sind Kinder aus privilegierten Verhältnissen, eine reine Auswahl der Leistungsbesten sind sie eher nicht.

In den prestigeträchtigsten und ältesten Universitätsdisziplinen Medizin und Jura fallen die Promotionspläne der unterschiedlichen Sozialschichten der Untersuchung von Tino Bargel und Tobias Röhl zufolge am krassesten auseinander: Im Fach Medizin, das besonders freigiebig mit dem Titel ist, wollen 95 Prozent der Studierenden aus der Akademikerschaft sicher promovieren; unter den wenigen Medizinstudenten aus den Arbeiterschaften wollen nur 80 Prozent den Titel für ihr späteres Praxis-Messingschild erwerben. Bei den Jurastudenten schielen 36 Prozent der Akademikerkinder auf den Doktortitel, aber nur etwa 20 Prozent der Kommilitonen aus bildungsferneren Schichten. In den Ingenieurswissenschaften, einem Fach mit vielen Bildungsaufsteigern, unterscheidet sich die Titelaspiration weniger stark nach der sozialen Herkunft.

»Die Unterschiede in der Promotionsabsicht von Studierenden verschiedener sozialer Herkunft in den Fächergruppen lassen einen aufschlussreichen Zusammenhang erkennen: Bei hohen Arbeiteranteilen erhöht sich deren Promotionsbereitschaft und fällt gegenüber der von Akademikerkindern weniger zurück«, schreiben die Autoren der Studie, »bei geringen Arbeiteranteilen geht deren Promotionsbereitschaft deutlicher zurück bei größerer Differenz zu den Akademikerkindern«.38

An den Dissertationen dieses Landes sitzen ganz überwiegend die besseren Kreise. Der Titel hilft der Elite, unter sich zu bleiben. Status vererbt sich. Früher war es der Adel, der seine Privilegien direkt an die Kinder weiterreichen konnte. Heute ist es der Bildungsadel – nur klingt das gerechter, nach Verdienst und Leistung.

Fast überall auf der Welt ist die Promotion in der Regel dabei nicht viel mehr als eine Karriereetappe im Wissenschaftswesen – und hat außerhalb von Hochschulen und Forschungseinrichtungen wenig Bedeutung.39

Es erscheint kurios, dass der Doktor in Deutschland außerhalb des Wissenschaftsbetriebs so viel gilt – oft ist der Respekt vor dem Titel außerhalb der Universitäten sogar größer. Eine Erklärung dürfte darin liegen, dass die Promotion hierzulande eine Elitenauswahl übernimmt, für die das Ausland eigene Einrichtungen geschaffen hat.

In Frankreich etwa gründete Charles de Gaulle 1945 die École nationale d’aministration, kurz ENA – eine Verwaltungshochschule, die nach dem Krieg eine neue Elite für den französischen Staat herausbilden sollte. Eigentlich war der Plan durch und durch demokratisch: Die Schaltstellen der Macht waren mit Anhängern des Vichy-Regimes besetzt, jener Marionetten-Regierung, die während des Zweiten Weltkrieges mit Nazi-Deutschland zusammengearbeitet hatte. Die ENA sollte nun unverbrauchten Nachwuchs für einen demokratischen Staat heranziehen. Aufgenommen wurde und wird, wer ein strenges Aufnahmeverfahren durchläuft. Tatsächlich hat sich eine Dynastie entwickelt, bei der die Kinder der Elite selbst wieder ihre Ausbildung an der Elite-Hochschule aufnehmen – und die Absolventen sich die Macht im Staate untereinander aufteilen.

Von den rund 3000 Bewerbern, die das strenge Auswahlverfahren auf sich nehmen, schaffen es gerade einmal 110 in eine Ausbildungsklasse40 – und nicht selten sind überproportional viele Kinder von Ehemaligen unter den Erwählten. 2010 zum Beispiel teilt die Hochschule ihren Auswahlgutachtern stolz mit, dass es wieder einmal mehrere Sprösslinge von Alt-Absolventen hineingeschafft haben.41 Ob der Sprung in die Elite des Landes glückt, ist häufig eine Frage der Familie.

In den Kursräumen der Schule bildet sich so eine eingeschworene Gemeinschaft – man kennt sich, man hilft sich. Und man verhilft einander nach dem harten Studium zu den lukrativen Posten. In Frankreich mokiert man sich etwa über die »Schattenarmee« des Präsidenten François Hollande, der die ENA 1980 abschloss. Jean-Jacques Augier war Hollands Wahlkampfschatzmeister, Michel Sapin wurde nach dem Wahlsieg Arbeitsminister, Pierre-René Lemas Generalsekretär des Élysée-Palasts, Sylvie Hubac erwählte der Präsident zu seiner Kabinettsdirektorin.42 Allesamt: ENA-Abgänger.

Die ENA ist eine von mehreren Grandes Écoles, Frankreichs Elitehochschulen mit einem engen Fächerspektrum. Einige von ihnen entstanden schon vor der Französischen Revolution. Die wichtigsten Elitehochschulen sind neben der Verwaltungshochschule ENA die École Polytechnique, die den Ingenieursnachwuchs ausbildet, die École des Hautes Études Commerciales für den Wirtschaftsbereich und die auf die geisteswissenschaftliche Elite spezialisierte École Normales Supérieurs. Die größten Konzerne des Landes werden von einem großen Teil von Absolventen ebendieser Einrichtungen geführt. Daneben gibt es weitere Eliteeinrichtungen in der zweiten und dritten Reihe für die Eliten in der zweiten und dritten Reihe.43

»In Frankreich ist es leicht, Karriere zu machen, wenn man von einer Grande École kommt«, sagt etwa die Literaturprofessorin Hélène Maurel-Indart von der Universität in Tours.44 »Diese Elitehochschulen sind sehr renommiert. Wer zum Beispiel an der ENA studiert hat, der französischen staatlichen Hochschule zur Ausbildung von hohen Verwaltungsbeamten, braucht keinen Doktortitel mehr.« Sehr zu ihrem Missfallen übrigens: Maurel-Indart ist Plagiatsjägerin – doch anders als in Deutschland erschüttert eine verpfuschte Dissertation in Frankreich kaum die Republik.

Auch in den USA ist nicht die Promotion, sondern vor allem der Besuch einer der wichtigen privaten Eliteuniversitäten entscheidend. Großbritannien hält ebenfalls eine Reihe von Universitäten mit Renommee bereit, deren Absolventen überproportional häufig in Politik, Verwaltung und Wirtschaft reüssieren – allen voran sind das die beiden traditionsreichen Hochschulen Oxford und Cambridge. Noch wichtiger sind aber für den Eintritt in die Inselelite die teuren privaten Internate, in die das gehobene Bürgertum seinen Nachwuchs schickt. Zum Beispiel das Eton College, das viele spätere Premierminister besuchten. Auch David Cameron, der aktuelle Premier, hatte hier Unterricht.45

Das deutsche Bildungssystem kann zwar als Unikum das elitäre Gymnasium vorweisen, hat aber jenseits der Schule keine Ausbildungsstätten für Eliten hervorgebracht – möglicherweise eine späte Folge der Kleinstaaterei. Es fehlte die Kapitale, in der sich wie in Paris oder London Verwaltung, Wirtschaft und Kultur an einem Ort ballten und wo man für die Spitzen eigene Ausbildungseinrichtungen aufbauen konnte. Jahrhundertelang war Deutschland ein Flickenteppich kleinerer Fürstentümer – und mancher Regent gründete eine eigene Universität, um mit der Konkurrenz nebenan mithalten zu können. So gab es viele miteinander wettstreitende Einrichtungen akademischer Bildung. Aber nirgends den eindeutigen Durchlauferhitzer für die vermeintliche Crème de la Crème.

Wenn man erst mal die Klippen bis zum Abitur genommen hat, ist es hierzulande traditionell relativ egal, an welcher Hochschule man seinen Abschluss macht. Vielleicht macht oder machte es hier und da noch einen Unterschied, ob man von einer Fachhochschule oder einer Universität kam – aber das sind allenfalls Details.46

Bleibt eigentlich nur der Doktortitel, um die vielen Akademiker von den wenigen zu unterscheiden, die mehr gelten oder gelten wollen. Die mit den zwei Buchstaben nobilierten Namen sind hierzulande das, was andernorts die Abschlüsse von der ENA oder die Zeugnisse der Privatinternate sind.

Dass der Doktor die Zugehörigkeit zur Elite markiert, hat Konsequenzen – auch fürs Schwindeln und Fälschen. Rund 25000 Promotionen im Jahr machen die Riege der Herausragenden breiter und unübersichtlicher: Verglichen mit den paar hunderten, tausenden Absolventen der Eliteeinrichtungen in Frankreich, Großbritannien oder den USA fällt der Kreis der Erwählten in Deutschland deutlich größer aus.47 Er ist wohl auch etwas bunter: Die Promotion ist zwar ein erschreckend geschlossenes Gehege, in das es überdurchschnittlich häufig die Kinder besserer Kreise hineinschaffen – aber sich für ein Promotionsstudium einzuschreiben, ist immer noch leichter, als über die Mauern jahrhundertealter und abgeschotteter Eliteschulen zu klettern. Ein guter Studienabschluss sowie Biss und Wille genügen. Rein theoretisch zumindest.

Die Titel werden außerdem quer durchs Land ausgeteilt, ohne zentrale Kontrolle, an über hundert Universitäten mit wiederum jeweils hunderten promotionsberechtigten Professoren und tausenden Studierenden. Und Doktoranden arbeiten in Einsamkeit und Freiheit, nach dem Humboldt’schen Forscherideal. Die angehende Elite ist verstreut und hält allenfalls losen Kontakt, sie bildet keinen Corpsgeist aus wie die Abschlussjahrgänge der Verwaltungshochschule ENA, die Semester für Semester gemeinsam durch ein straffes Curriculum geschleust wurden und einander unaufhörlich an ihren erwählten Status erinnern. Die Doktoren Deutschlands dürfte kaum ein solches Zusammengehörigkeitsgefühl einen, wie es den wenigen erlesenen Elitestudenten Frankreichs zu eigen ist.