Der siebte Sinn der Tiere - Rupert Sheldrake - E-Book

Der siebte Sinn der Tiere E-Book

Rupert Sheldrake

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Beschreibung

Der Querdenker unter den Naturwissenschaftlern mit neuen revolutionären Thesen! Tiere verfügen über Fähigkeiten, die uns immer wieder erstaunen: Viele Hunde und Katzen ahnen, wann ihr Besitzer nach Hause kommt; andere spüren, wenn »ihrem Menschen« etwas zustößt. Manche Tiere legen unglaubliche Distanzen zurück, um nach Hause zu finden. Einige merken intuitiv, dass ihnen ein Tierarztbesuch bevorsteht, andere können Naturkatastrophen im Voraus spüren. Rupert Sheldrake beschäftigt sich mit dem Phänomen, dass Tiere Fähigkeiten besitzen, die wir Menschen verloren haben und die uns unerklärlich scheinen. Tiere, so seine These, können dazu beitragen, unser Verständnis vom Leben zu erweitern. Vollständig überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe

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Rupert Sheldrake

Der siebte Sinn der Tiere

Warum Ihre Katze weiß, wann Sie nach Hause kommen, und andere bisher unerklärte Fähigkeiten

Aus dem Englischen von Michael Schmidt

Fischer e-books

Mein Dank gilt allen Tieren, von denen ich gelernt habe

Vorwort

Dies ist ein Buch der Anerkennung – der Anerkennung, dass Tiere Fähigkeiten besitzen, die wir verloren haben. Teils haben wir diese Tatsache vergessen, teils sind wir uns ihrer bewusst. Als Kind habe ich mich, wie viele andere Kinder auch, für Tiere und Pflanzen interessiert. In meiner Familie gab es alle möglichen Haustiere: unseren Hund Scamp, ein Kaninchen, Hamster, Tauben, eine Dohle, einen Wellensittich, Schildkröten, Goldfische und ganze Populationen von Kaulquappen und Raupen, die ich jedes Frühjahr großzog. Mein Vater Reginald Sheldrake, ein Apotheker mit Leidenschaft fürs Mikroskopieren, förderte meine Interessen und verstärkte die Faszination, die die Welt der Natur auf mich ausübte. Er zeigte mir, dass es in Tropfen von Teichwasser von Myriaden von Lebensformen nur so wimmelt und wie die Schuppen auf Schmetterlingsflügeln aussehen. Besonders fasziniert war ich davon, wie Tauben heimfanden. An Samstagvormittagen nahm mich mein Vater zu Großveranstaltungen von Brieftaubenzüchtern mit. An unserem Bahnhof in Newark-on-Trent in den englischen Midlands warteten Sporttauben aus ganz England in übereinandergestapelten Weidenkörben auf den Start. Zur festgesetzten Zeit öffneten die Züchter die Klappen. Ich durfte ihnen dabei helfen. Unter wildem Geflatter und Flügelschlagen flogen Hunderte von Tauben auf. Sie stiegen zum Himmel empor, kreisten eine Weile und begaben sich dann in alle möglichen Richtungen auf den Weg zu ihren weit entfernten Schlägen. Wie machten sie das bloß? Das wusste anscheinend niemand. Und noch heute gibt es keine Erklärung für diese Fähigkeit heimzufinden. Auf der Schule entschied ich mich natürlich dafür, Biologie und andere Naturwissenschaften zu studieren, und diese naturwissenschaftliche Ausbildung setzte ich dann an der Universität Cambridge fort, wo ich Botanik, Physiologie, Chemie und Biochemie studierte und schließlich in Biochemie promovierte. Aber im Laufe meiner Ausbildung zum Biologen tat sich eine große Kluft zwischen meinen Erfahrungen mit Tieren und Pflanzen und der wissenschaftlichen Methode auf, die mir beigebracht wurde.

Die noch immer vorherrschende orthodoxe mechanistische Theorie des Lebens behauptet, dass lebende Organismen nichts weiter seien als komplexe, genetisch programmierte Maschinen. Sie gelten als unbeseelt und seelenlos. Der erste Schritt beim Studium lebender Organismen bestand generell darin, dass wir sie töteten und aufschnitten. Ich verbrachte viele Stunden im Labor, zunächst mit dem Präparieren und im Laufe meines Studiums auch mit der Vivisektion. So erschöpfte sich beispielsweise ein wesentlicher Teil meines Biologielehrplans darin, Nerven aus abgetrennten Froschbeinen zu sezieren und sie elektrisch zu stimulieren, um die Muskeln zum Zucken zu bringen. Zur Untersuchung von Enzymen in Rattenleber, einem der bevorzugten Gewebe in der Tierbiochemie, mussten wir zuerst die lebende Ratte enthaupten, deren Blut dann ins Spülbecken des Labors spritzte. Wie Tauben zu ihrem Schlag heimfinden, erfuhr ich nicht.

Aus Tierliebe hatte ich Biologie studiert, und so weit hatte mich dieses Studium nun gebracht. Irgendwas war schiefgelaufen. Ich fragte mich, was hier eigentlich passierte. Nach meinem Studium in Cambridge bekam ich ein Frank-Knox-Stipendium für die Harvard University, wo ich Philosophie und Wissenschaftsgeschichte studierte, da ich mich für einen umfassenderen Blickwinkel interessierte. Anschließend kehrte ich nach Cambridge zurück und widmete mich der Erforschung von Pflanzen.

Zehn Jahre lang betrieb ich entwicklungsbiologische Forschungen in Cambridge, während ich fortfuhr, mir Gedanken über die Grundzüge einer mehr ganzheitlichen Wissenschaft zu machen. Ich wurde Fellow am Clare College in Cambridge, an dem ich Studiendirektor für Biochemie und Zellbiologie war. Während meiner Arbeit in Cambridge erhielt ich einen Ruf als Forschungsstipendiat der Royal Society, unter deren Schirmherrschaft ich mich an der University of Malaya der Erforschung von Regenwaldpflanzen widmete. Später wurde ich Chefpflanzenphysiologe am ICRISAT, dem International Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics in Hyderabad in Indien, wo ich mich bemühte, Wachstum und Ertrag von Feldfrüchten zu verbessern, die für die Ernährung von Hunderten Millionen von Menschen eine lebenswichtige Rolle spielen.

Seitdem habe ich mehr als 40 Jahre als Wissenschaftler gearbeitet – ich habe Beiträge in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht, Vorträge auf wissenschaftlichen Kongressen gehalten und bin seit langem Mitglied wissenschaftlicher Gesellschaften wie der Society of Experimental Biology sowie Fellow der Zoological Society. Ich glaube entschieden an den Wert wissenschaftlicher Forschung, aber mehr denn je bin ich überzeugt, dass die mechanistische Theorie der Natur zu schmalspurig ist. Meines Wissens sind immer mehr Wissenschaftskollegen dieser Ansicht, auch wenn die meisten sie nur ungern öffentlich vertreten. Ich habe entdeckt, dass der Zwiespalt, den ich in mir selbst erlebte, innerhalb wie außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft weitverbreitet ist: die Kluft zwischen der persönlichen Lebenserfahrung und der Theorie, dass lebende Organismen, also auch wir selbst, nichts weiter als seelenlose Automaten wären.

Inzwischen bin ich mir darüber im Klaren, dass dieser Zwiespalt nicht unvermeidlich ist. Es gibt nämlich eine umfassendere Art von Wissenschaft. Sie ist zum Glück auch viel billiger. Unvermeidlicherweise aber ist sie umstritten. Für manche Wissenschaftler ist die mechanistische Theorie der Natur nicht bloß eine überprüfbare Hypothese, sondern eher so etwas wie ein religiöses Credo. Für andere ist die aufgeschlossene Forschung wichtiger als die Verteidigung tiefverwurzelter Dogmen. Derartige Wissenschaftler sind für meine Forschungen überaus hilfreich – sie ermutigen mich sehr und unterstützen mich auf praktische Weise.

1994 veröffentlichte ich ein Buch mit dem Titel Seven Experiments That Could Change The World (Sieben Experimente, die die Welt verändern könnten)[1], in dem ich sieben bekannte, aber kaum verstandene Phänomene untersuchte und darlegte, dass eine gar nicht so teure Forschung zu wichtigen Erkenntnissen führen könnte. Bei einem dieser Experimente ging es um die möglichen telepathischen Fähigkeiten von Hunden und Katzen. Insbesondere befasste ich mich mit dem Vermögen einiger Hunde zu wissen, wann ihre Halter nach Hause kamen.

Indem ich herauszufinden suchte, wie sich eine umfassende Anschauung vom Leben wissenschaftlich entwickeln ließe, kam ich also wieder auf die Haustiere zurück. Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen, dass dies die Tiere sind, die wir am besten kennen. Als Kind habe ich es gewusst. Für viele Menschen ist das völlig selbstverständlich, aber für mich barg dies die ganze Kraft einer neuen Entdeckung. Ich erkannte, dass die Tiere, die wir am besten kennen, uns vieles beibringen können. Sie sind nicht bloß süß, knuddelig, beruhigend oder lustig – sie können dazu beitragen, unser Verständnis vom Leben zu erweitern.

Fünf Jahre lang, bevor die erste Ausgabe dieses Buches 1999 erschien, habe ich mit Hilfe von über zweitausend Tierhaltern und -trainern das Wahrnehmungsvermögen von Haustieren erforscht. Ich habe durch Umfragen bei über tausend zufällig ausgewählten Haustierhaltern herauszufinden versucht, wie weit verschiedene unerklärte Verhaltensweisen verbreitet sind. Meine Kollegen und ich haben Hunderte von Menschen befragt, die viele Erfahrungen mit Tieren gesammelt haben: Hundetrainer, Such- und Rettungshundeführer, Polizeihundeführer, blinde Menschen mit Blindenhunden, Tierärzte, Tierheim- und Stallbesitzer, Pferdetrainer, Reiter, Bauern, Schäfer, Tierpfleger, Inhaber von Zoohandlungen, Reptilienzüchter und Haustierhalter. Wenn ich aus all den Berichten und Interviews, die mir gegeben wurden, zitiert hätte, wäre dieses Buch mindestens zehnmal so dick geworden. In manchen Fällen haben Hunderte von Menschen mir von ganz ähnlichen Verhaltensmustern bei ihren Haustieren erzählt, etwa bei Hunden, die wissen, wann ihr Frauchen oder Herrchen nach Hause kommt. Ich musste all diese Informationen zusammenfassen und kann in diesem Buch nur wenige Beispiele von jeder Art von Wahrnehmungsverhalten wiedergeben. Zum Gesamtbild haben zwar viele Menschen beigetragen, doch ich kann nur einer kleinen Minderheit namentlich danken. Ohne die Hilfe all dieser namentlich genannten oder namenlos bleibenden Menschen hätte dieses Buch nie geschrieben werden können. All jenen, die mir geholfen haben – und ihren Tieren –, bin ich zu Dank verpflichtet.

Seit dem Erscheinen der ersten Ausgabe dieses Buches habe ich über 1500 weitere Berichte über das Wahrnehmungsverhalten von Tieren bekommen, und meine Datenbank enthält mittlerweile über 4500 Fallgeschichten. Einige davon habe ich in diese Neuausgabe aufgenommen. Ich habe den Text gründlich überarbeitet und Zusammenfassungen neuerer Forschungsergebnisse im Hinblick auf die Domestikation von Tieren, den Orientierungssinn von Tieren und andere relevante Themen eingefügt, ebenso wie die Ergebnisse neuer experimenteller Studien, die ich mit Hunden und anderen Tieren durchgeführt habe, insbesondere eine Studie mit einem Papagei namens N’kisi, der sich der menschlichen Sprache bediente. Dabei zeigte sich, dass dieser erstaunliche Vogel in einiger Entfernung auf die Gedanken seiner Besitzerin reagierte und wörtlich wiedergab, woran sie gerade dachte. Ferner habe ich eine Zusammenfassung meiner neueren Forschung über menschliche Telepathie eingefügt, insbesondere in Verbindung mit Telefonanrufen. Ausführlicher habe ich meine Forschungen zu unerklärlichen menschlichen Fähigkeiten in meinem Buch The Sense of Being Stared At (Der siebte Sinn des Menschen, 2003) dargestellt.

Obwohl viele Menschen die von mir erforschten Phänomene persönlich erleben, stellt die Erforschung von Telepathie und anderen unerklärlichen Fähigkeiten für die Schulwissenschaft ein Tabu dar, und organisierte Skeptikergruppen betrachten es als ihre Mission, alle Behauptungen, es gebe das Paranormale, als Humbug zu entlarven. Aufgrund meiner Forschungen bin ich wiederholt mit Vertretern dieser Organisationen sowie mit professionellen Skeptikern in den Medien in Konflikt geraten. Im Anhang habe ich die Hauptkontroversen zusammengefasst, in die ich verstrickt wurde. Immer wieder habe ich festgestellt, dass die meisten meiner skeptischen Gegner die Beweise nicht nur nicht kennen, sondern auch gar nichts davon wissen wollen. Sie haben ein geschlossenes Weltbild. Doch nicht nur in diesem Buch halte ich dagegen, dass die Wissenschaft kein dogmatisches Glaubenssystem ist, sondern eine methodische Forschung. Nur wenn wir untersuchen, was wir nicht verstehen, können wir mehr erfahren.

 

Dieses Forschungsobjekt wurde anfangs von dem verstorbenen Ben Webster aus Toronto in Kanada finanziert, später waren Stipendien folgender Institutionen und Personen eine große Hilfe: der Lifebridge Foundation in New York, des Institute of Noetic Sciences in Sausalito, Kalifornien, von Evelyn Hancock aus Old Greenwich in Connecticut, des Ross Institute in New York, der Bial Foundation in Portugal, der Watson Family Foundation, von Addison Fischer in Naples, Florida, der Planet Heritage Foundation und des vom Trinity College der Universität Cambridge verwalteten Perrott-Warrick Fund. Organisatorische Unterstützung erhielt ich in den USA vom Institute of Noetic Sciences, in den deutschsprachigen Ländern von der Schweisfurth-Stiftung in München und in England vom Scientific and Medical Network. Für diese großzügige Förderung und Ermutigung bin ich sehr dankbar.

Viel verdanke ich meinen Forschungsassistentinnen Jane Turney in London, Susanne Seiler in Zürich und David Brown in Santa Cruz, Kalifornien. Sie haben mir auf vielerlei Weise geholfen: indem sie Umfragen veranstalteten, Menschen interviewten, Experimente durchführten und Daten sammelten. Sie alle trugen zur Erstellung einer großen Computerdatenbank bei. Dankbar bin ich auch Anna Rigano und Dr. Amanda Jacks für ihre Mithilfe bei diesen Forschungen, Matthew Clapp für die Einrichtung meiner Internetseite (www.sheldrake.org), als er noch Student an der University of Georgia war, John Caton, meinem Webmaster seit 2002, Helmut Lasarcyk für seine liebevolle Mühe, Hunderte von deutschsprachigen Berichten zu übersetzen und sie in unsere Datenbank zu integrieren sowie meine deutschsprachige Internetseite zu verwalten, und Jan van Bolhuis für seine Hilfe und seinen Rat bei statistischen Analysen. Vor allem danke ich meiner Forschungsassistentin Pam Smart, die mir seit 16 Jahren auf vielerlei Weise hilft und für die Führung und Aktualisierung meiner Datenbank verantwortlich ist.

Viele Diskussionen, Kommentare, Vorschläge und kritische Hinweise ebenso wie eine umfassende praktische Unterstützung haben mir bei meinen Forschungen, beim Schreiben dieses Buches und bei den weiteren Untersuchungen geholfen, die ich in diese Neuausgabe aufgenommen habe. Mein Dank gilt insbesondere Ralph Abraham, Shirley Barry, Patrick Bateson, John Beloff, John Brockman, Bernard Carr, Ted Dace, Sigrid Derschey, Lindy und Ava Dufferin, Sally Rhine Feather, Peter Fenwick, David Fontana, Matthew Fox, Winston Franklin, Robert Freeman, Edward Goldsmith (†), Franz-Theo Gottwald, Willis Harman (†), Myles Hildyard, Rupert Hitzig, Nicholas Humphrey, Tom Hurley, Francis Huxley, Montague Keene (†), Theodor Itten, David Lorimer, Betty Markwick, Katinka Mason, Robert Matthews, Terence McKenna (†), John Michell (†), Michael Morgan, Aimé Morgana, Robert Morris, John O’Donohue, Brendan O’Reagan (†), Charles Overby, Erik Pigani, Guy Lyon Playfair, Anthony Podberscek, meiner Frau Jill Purce, Anthony Ramsay, Jon Roche, Miriam Rothschild (†), Marilyn Schlitz, Merlin und Cosmo Sheldrake, Paul Sieverking, Arnaud de St. Simon, Martin Speich, Dennis Stillings, Harris Stone, James Trifone, Dennis Turner, Barbara Valacore, Verena Walterspiel, Ian und Victoria Watson und Sandra Wright.

Auf meine Bitten um Informationen haben viele Zeitungen und Zeitschriften in Europa und Nordamerika sowie eine Reihe von Fernseh- und Radiosendungen positiv reagiert. Ich danke allen, die dies ermöglicht haben.

Außerdem danke ich all denen, die ihre Kommentare und Vorschläge zu verschiedenen Fassungen dieses Buches beigetragen haben: Letty Beyer, David Brown, Ann Docherty, Karl-Heinz Loske, Anthony Podberscek, Jill Purce, Janis Roze, Merlin Sheldrake, Pam Smart, Mary Stewart, Peggy Taylor und Jane Turney. Glücklicherweise habe ich so verständnisvolle und konstruktive Lektoren gehabt wie Steven Ross und Kristin Kiser in New York sowie Susan Freestone in London, und die endgültige Fassung dieses Buches geht in vieler Hinsicht auf ihre hilfreichen Vorschläge zurück.

Schließlich danke ich Phil Starling für die Erlaubnis, die Fotos in Abb. 2.1, 4.1 und 8.1 abzudrucken, Gary Taylor für Abb. 2.2 sowie Sydney King für die Zeichnungen und Diagramme.

 

London, Mai 2010

Einleitung

Wenn im Haus eines bekannten Professors an der University of California in Berkeley das Telefon läutet, weiß seine Frau, schon bevor sie abnimmt, ob ihr Mann am anderen Ende der Leitung ist. Wieso? Whiskins, der hellgrau getigerte Kater der Familie, springt zum Telefon und greift mit der Pfote nach dem Hörer. »Viele Male gelingt es ihm, ihn von der Gabel zu heben, und dann hört mein Mann am anderen Ende deutlich ein freudiges Miauen«, erzählt sie. »Wenn jemand anders anruft, kümmert sich Whiskins gar nicht darum.«

Kate Laufer, Hebamme und Sozialarbeiterin in der norwegischen Stadt Solbergmoen, arbeitet unregelmäßig und kommt oft unerwartet heim, aber wenn ihr Mann Walter dann schon zu Hause ist, begrüßt er sie immer mit einer Tasse heißem, frischgebrühtem Tee. Wie ist das unheimliche Zeitgefühl ihres Mannes zu erklären? Durch das Verhalten von Terrier Tiki, dem Hund der Familie: »Ganz gleich, wo er ist oder was er gerade macht«, sagt Dr. Laufer, »wenn Tiki zum Fenster rast und aufs Fensterbrett springt, weiß ich, dass meine Frau auf dem Weg nach Hause ist.«

Julia Orr glaubte, ihre Pferde hätten sich an ihre neue Koppel gewöhnt, als sie von Skirmett in Buckinghamshire zu einer 15 Kilometer weit entfernten Farm umgezogen war. Aber Badgar, ein 24-jähriges Welsh-Cob-Pony, und der 22-jährige Tango warteten nur den richtigen Augenblick ab. Eines Nachts sechs Wochen später, als ein Sturm das Gatter zu ihrem Feld aufriss, nutzten sie die Gelegenheit. Im Morgengrauen warteten sie geduldig am Tor zu Mrs Orrs früherem Haus. Sie hatten auf unvertrauten Straßen und Feldwegen zurückgefunden, wobei sie unterwegs verräterische Hufabdrücke hinterließen.

Am 17. Oktober 1989 sah Tirzah Meek aus Santa Cruz in Kalifornien, wie ihre Katze auf den Dachboden hinauflief und sich versteckte, was sie noch nie getan hatte. Sie wirkte verschreckt und weigerte sich, wieder herunterzukommen. Drei Stunden später ereignete sich das Erdbeben von Loma Prieta und verwüstete das Zentrum von Santa Cruz.

Hunde, die wissen, wann ihre Halter heimkommen, Katzen, die ans Telefon gehen, wenn ein Mensch, der ihnen vertraut ist, anruft, Pferde, die über unvertrautes Terrain nach Hause finden, Katzen, die Erdbeben vorhersehen – das sind einige Aspekte tierischen Verhaltens, die auf die Existenz von Formen des Wahrnehmungsvermögens hindeuten, welche über das heutige wissenschaftliche Verständnis hinausgehen.

Nachdem ich die unerklärlichen Kräfte von Tieren fünfzehn Jahre lang ausgiebig erforscht habe, bin ich zu der Schlussfolgerung gelangt, dass viele der Geschichten, die von Haustierhaltern erzählt werden, wohlbegründet sind. Manche Tiere verfügen anscheinend wirklich über Kräfte der Wahrnehmung, die die uns bekannten Sinne übertreffen.

Dabei sind die unheimlichen Fähigkeiten von Tieren den Menschen schon seit Jahrhunderten bekannt, und Millionen von Haustierhaltern erleben sie heutzutage persönlich. Aber gleichzeitig meinen viele Menschen, diese Fähigkeiten leugnen oder als belanglos abtun zu müssen. Von der Schulwissenschaft werden sie ignoriert. Haustiere sind die Tiere, die wir am besten kennen, aber ihr am meisten überraschendes und faszinierendes Verhalten wird so behandelt, als wäre es völlig uninteressant. Warum eigentlich?

Zum einen gilt es als Tabu, Haustiere ernst zu nehmen.[2] Dieses Tabu beschränkt sich nicht auf Wissenschaftler, sondern ist eine Folge der gespaltenen Einstellung gegenüber Tieren, wie sie in unserer Gesellschaft insgesamt zum Ausdruck kommt. Während unserer Arbeitszeit engagieren wir uns für den wirtschaftlichen Fortschritt, der von Wissenschaft und Technik in Gang gehalten wird und auf der mechanistischen Anschauung von Leben basiert. Diese Anschauung, die auf die wissenschaftliche Revolution des 17. Jahrhunderts zurückgeht, leitet sich von René Descartes’ Theorie vom Universum als einer Maschine ab. Zwar haben sich die Metaphern geändert (so wird etwa zu Descartes’ Zeit das Gehirn als hydraulische Maschine, vor einer Generation als Telefonzentrale und heute als Computer verstanden), doch das Denken über das Leben bewegt sich noch immer im begrifflichen Umfeld der Maschinerie.[3] Tiere und Pflanzen werden für genetisch vorprogrammierte Automaten gehalten, und die Ausbeutung von Tieren wird als selbstverständlich erachtet.

Doch gleichzeitig haben die meisten von uns Haustiere. Sie gehören einer unterschiedlichen Kategorie an. Die Haustierhaltung beschränkt sich auf den privaten oder subjektiven Bereich. Erlebnisse mit Haustieren haben in der »realen« oder »objektiven« Welt nichts zu suchen. Eine gewaltige Kluft hat sich aufgetan zwischen tierischen Gefährten, die wie Familienmitglieder behandelt werden, und Tieren in industriellen Viehzuchtbetrieben und Forschungslaboratorien. Unsere Beziehungen zu unseren Haustieren beruhen auf anderen Einstellungen: eher auf Ich-Du-Beziehungen als auf der von der Wissenschaft geförderten Ich-Es-Einstellung. Im Labor oder in der Feldforschung versuchen Wissenschaftler charakteristischerweise, jede emotionale Verbindung zu den Tieren, die sie erforschen, zu vermeiden. Sie bemühen sich um distanzierte Objektivität. Daher ist es eher unwahrscheinlich, dass sie Verhaltensformen begegnen, die auf engen Beziehungen zwischen Tieren und Menschen beruhen. Auf diesem Gebiet verfügen Tiertrainer und Haustierhalter generell über weitaus mehr Wissen und Erfahrung als Menschen, die sich professionell der Erforschung tierischen Verhaltens widmen – es sei denn, diese sind zufällig auch Haustierhalter. Die Tatsache, dass es tabuisiert ist, Haustiere ernst zu nehmen, ist jedoch nur ein Grund, warum die Phänomene, von denen in diesem Buch die Rede ist, von der Schulwissenschaft vernachlässigt werden. Mit einem weiteren Tabu ist das Ernstnehmen übersinnlicher oder »paranormaler« Phänomene belegt. Man nennt diese Phänomene paranormal – was so viel wie »jenseits des Normalen liegend« heißt –, und das keineswegs weil sie selten oder außergewöhnlich sind. Einige sind sogar sehr weit verbreitet. Man nennt sie nur paranormal, weil sie sich nicht mit konventionellen wissenschaftlichen Begriffen erklären lassen – sie passen nicht in die mechanistische Theorie der Natur.

Die Erforschung von Haustieren

Die reichhaltigen Erfahrungen, die Pferde- und Hundetrainer, Tierärzte und Haustierhalter mit Tieren gemacht haben, werden im Allgemeinen als Anekdoten bezeichnet. Das geschieht so oft, dass ich mich nach dem Ursprung des Wortes erkundigte, um herauszufinden, was es eigentlich bedeutet. Es stammt aus dem Griechischen, von an ekdotos, und heißt soviel wie »nicht veröffentlicht«. Eine Anekdote ist also eine unveröffentlichte Geschichte.

Einige Forschungsgebiete, zum Beispiel die Medizin, vertrauen stark auf Anekdoten, aber wenn diese veröffentlicht werden, hören sie buchstäblich auf, Anekdoten zu sein – sie genießen nun den Rang von Fallgeschichten. Bei der in diesem Buch dargestellten Forschungstätigkeit habe ich mich dreier einander ergänzender Methoden bedient. Erstens haben meine Kollegen und ich Hunderte von Menschen befragt, die im Umgang mit Tieren erfahren sind: Hundeabrichter, Tierärzte, blinde Menschen mit Führhunden, Zoowärter, Hundeheimleiter sowie Menschen, die mit Pferden arbeiten. Dann habe ich Haustierhalter auch über Fachzeitschriften und über die allgemeinen Medien um Informationen gebeten und über 4500 Berichte über bestimmte Arten von tierischem Verhalten gesammelt, die auf ein ungewöhnliches Wahrnehmungsvermögen hindeuten. Dabei hat sich gezeigt, dass viele Menschen ganz ähnliche Erfahrungen mit ihren Tieren gemacht haben. Und wenn die Berichte so vieler Menschen auf übereinstimmende und wiederholbare Muster verweisen, werden aus Anekdoten naturkundliche Belege. Zweitens habe ich in England und in den USA formelle Umfragen veranstaltet, bei Zufallssamples von Haushalten, um die Häufigkeit der von den tierischen Gefährten bekundeten verschiedenen Formen des Wahrnehmungsvermögens zu quantifizieren. Drittens bin ich der Frage, ob die Ansichten der Besitzer über ihre Tiere begründet sind oder nicht, mit Hilfe experimenteller Untersuchungen nachgegangen.

Eines meiner Lieblingsbücher in der Biologie ist Charles Darwins Werk The Variation of Animals and Plants Under Domestication (Abänderung von Tieren und Pflanzen bei der Züchtung), das 1868 erschien. Es enthält eine Fülle von Informationen, die Darwin von Naturforschern, Forschungsreisenden, Kolonialverwaltern, Missionaren und anderen Leuten erhielt, mit denen er auf der ganzen Welt korrespondierte. Er studierte Publikationen wie den Poultry Chronicle (Die Geflügelchronik) und The Gooseberry Grower’s Register (Das Register des Stachelbeerzüchters). Er selbst baute 54 Stachelbeersorten an. Er stützte sich auf die Erlebnisse von Katzen- und Kaninchenliebhabern, Pferde- und Hundezüchtern, Imkern, Bauern, Gärtnern und anderen Menschen, die im Umgang mit Tieren und Pflanzen erfahren waren. Er trat zwei Londoner Taubenclubs bei, hielt alle Arten, die er bekommen konnte, und suchte führende Taubenliebhaber auf, um sich ihre Vögel anzusehen.

Die Auswirkungen der Zuchtwahl bei domestizierten Tieren und Pflanzen, die mit solcher Aufmerksamkeit von praxisorientierten Männern und Frauen beobachtet wurden, vermittelten Darwin die nachhaltigsten Beweise für die Kraft der Auslese, eines wesentlichen Elements in seiner Theorie der Evolution durch natürliche Auslese.

Seit Darwin hat sich die Wissenschaft zunehmend von dem reichen Erfahrungsschatz der Menschen entfernt, die keine professionellen Wissenschaftler sind. Noch immer gibt es Millionen von Menschen mit praktischen Erfahrungen im Hinblick auf Tauben, Hunde, Katzen, Pferde, Papageien, Bienen und andere Tiere ebenso wie auf Apfelbäume, Rosen, Orchideen, Bohnen, Spargel und andere Pflanzen. Noch immer gibt es Zehntausende von Amateurforschern in der Natur. Aber die wissenschaftliche Forschung beschränkt sich mittlerweile fast völlig auf Universitäten und Forschungsinstitute und wird von Berufswissenschaftlern mit Doktortiteln betrieben. Diese Exklusivität hat zu einer Verarmung der modernen Biologie geführt.

Warum ist diese Forschung nicht bereits betrieben worden?

Die Untersuchung der unerklärten Kräfte von Tieren, die ich in diesem Buch schildere, wird zwar durch moderne technische Geräte wie Computer und Videokameras erleichtert, aber im Prinzip hätten sich diese Forschungen größtenteils schon vor 100 Jahren oder noch früher betreiben lassen. Die Tatsache, dass sie erst jetzt unternommen werden, ist ein Zeichen für die Kraft der Tabus, die derartigen Untersuchungen entgegenstehen.

Ich glaube, dass sich viel damit gewinnen lässt, wenn man diese Tabus ignoriert. Ich glaube auch, dass sich viel damit gewinnen lässt, wenn man einer wissenschaftlichen Methode folgt. Dieser Methode folge ich selbst, und ich habe sie in diesem Buch zusammengefasst. Aber das Wort »wissenschaftlich« kann ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. Allzu oft wird es mit einem engstirnigen Dogmatismus gleichgesetzt, der all das zu leugnen oder in Frage zu stellen sucht, was nicht im Einklang mit der mechanistischen Weltanschauung steht. Im Gegensatz dazu verstehe ich unter »wissenschaftlich« eine Methode des aufgeschlossenen Forschens, bei dem man sein Augenmerk auf die Beweise richtet und mögliche Erklärungen mit Hilfe des Experimentes überprüft. Der Weg der Untersuchung entspricht eher dem Geist der Wissenschaft als der Weg des Leugnens. Und er bereitet mit Sicherheit mehr Spaß.

Diese unterschiedlichen wissenschaftlichen Einstellungen lassen sich an der Geschichte eines Pferdes namens Schlauer Hans veranschaulichen, die gewöhnlich herangezogen wird, um das Vernachlässigen von scheinbar unerklärlichen tierischen Kräften zu rechtfertigen. Für mich steckt in dieser Geschichte die genau entgegengesetzte Lehre – ich sehe in ihr ein Beispiel dafür, wie notwendig es ist, unerklärte Phänomene zu untersuchen, statt sie zu leugnen. Früher oder später wird jeder, der sich für die unerklärten Kräfte von Tieren interessiert, auf die Geschichte vom Schlauen Hans stoßen. Unter Wissenschaftlern gilt sie als warnendes Beispiel.

Die Geschichte vom Schlauen Hans

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Berlin ein Pferd namens Hans, das in der Lage sein sollte, mathematische Rechenaufgaben zu lösen, Deutsch zu sprechen und deutsche Wörter zu buchstabieren. Die Antworten gab Hans mit Hufeklopfen wieder. Sein Trainer, Herr von Osten, ein ehemaliger Mathematiklehrer, war überzeugt, dass Hans über geistige Fähigkeiten verfügte, von denen man glaubte, sie seien auf Menschen beschränkt. Das Pferd war eine Sensation, und es wurden für Professoren, Offiziere und andere Interessierte viele Vorführungen gegeben.

Die Fähigkeiten des Schlauen Hans wurden von Professor C. Stumpf, dem Direktor des Psychologischen Instituts der Berliner Universität, und seinem Assistenten Otto Pfungst untersucht. Sie fanden heraus, dass das Pferd nur dann die korrekten Antworten geben konnte, wenn der Fragesteller selbst die Antworten kannte und wenn Hans den Fragesteller sah. Daraus schlossen sie, dass Hans keine mathematischen Fähigkeiten besitze und kein Deutsch lesen könne. Vielmehr lese er fast unmerkliche Körperbewegungen des Fragestellers, und diese gäben ihm zu verstehen, wann er mit dem Huf die richtige Zahl geklopft hatte.

Seither zieht man diese Geschichte vom Schlauen Hans heran, um unerklärte Fähigkeiten von Tieren eher »subtilen Hinweisen« als irgendwelchen geheimnisvollen Kräften, die das Tier vielleicht besitzt, zuzuschreiben. Kurz, mit dieser Geschichte sucht man die Forderung zu blockieren, die Untersuchung zu verhindern, statt sie anzuregen. Aber wenn man diese Lehre aus der Geschichte vom Schlauen Hans zieht, wird man den Untersuchungen von Stumpf und Pfungst nicht gerecht. Sie untersuchten ja eine umstrittene Behauptung, statt sie abzutun, und das war mutig von ihnen, denn ihre Schlussfolgerung richtete sich gegen die Glaubensgrundsätze von vielen ihrer Kollegen.

Die Fähigkeiten des Schlauen Hans waren nicht etwa deshalb umstritten, weil sie angeblich mit übernatürlichen Kräften verbunden waren, sondern vielmehr, weil sie angeblich bewiesen, dass Tiere denken können. Viele Wissenschaftler, vornehmlich Darwinisten, glaubten nur zu gern, dass der Schlaue Hans wirklich rechnen konnte und Deutsch verstand. Ihnen gefiel der Gedanke, dass Tiere zu rationalem Denken fähig sind, weil dies die konventionelle Überzeugung in Frage stellte, der menschliche Intellekt sei einzigartig. Sie glaubten lieber an die Vorstellung einer allmählichen Entwicklung, von graduellen Unterschieden zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren als an Unterschiede der Art. Demgegenüber waren die Traditionalisten sehr skeptisch, was den Schlauen Hans betraf, weil höhere geistige Fähigkeiten ihrer Meinung nach auf den Menschen beschränkt wären. Stumpfs und Pfungsts Befunde waren für die Traditionalisten eine Bestätigung und unbeliebt bei den »enttäuschten Darwinisten, die die Befürchtung äußerten, dass kirchliche und reaktionäre Anschauungen aus den Schlussfolgerungen für sie günstige Aussagen ableiten würden«.[4]

Auch wenn Biologen manchmal vom »Schlauen-Hans-Effekt« sprechen, als wäre er ein Grund, alle unerklärten Fähigkeiten bei Tieren abzutun, stellt dieser Effekt etwas ganz Besonderes dar. Er beruht auf der Körpersprache, die für Pferde – wie für viele andere Arten – ein wichtiges Element in ihrer Kommunikation miteinander ist. Wenn ein Tier auf einen Menschen reagieren kann, während dieser Mensch nicht zu sehen ist, dann hat das nichts mit dem Schlauen-Hans-Effekt zu tun, sondern verlangt irgendeine andere Erklärung. Im Laufe der Erforschung der unerklärten Kräfte von Haustieren habe ich herausgefunden, dass die meisten Tiertrainer und Haustierhalter sich der Bedeutung der Körpersprache durchaus bewusst sind. Aber viele Phänomene, die ich hier darstelle, wie die offenkundige Fähigkeit von Tieren, zu wissen, wann ihr Frauchen oder Herrchen heimkommt, lassen sich nicht mit dem Schlauen-Hans-Effekt erklären. Ein Tier kann schließlich nicht die Körpersprache eines anderen Menschen lesen, der viele Kilometer weit weg ist.

Drei Arten von unerklärtem Wahrnehmungsvermögen

In diesem Buch stelle ich drei Hauptkategorien von unerklärtem Wahrnehmungsvermögen bei Tieren dar, nämlich Telepathie, Orientierungssinn und Vorahnungen.

Die Telepathie. Zunächst befasse ich mich mit der Fähigkeit mancher Hunde und anderer Tiere, zu wissen, wann ihre Halter heimkommen. In vielen Fällen lässt sich das Phänomen, dass Tiere die Rückkehr des Menschen erahnen, nicht mit Routine, Hinweisen von Menschen im Haus oder dadurch erklären, dass die Tiere hören, wie sich das vertraute Auto nähert. Mit der Videokamera aufgenommene Experimente zeigen, dass Hunde die Rückkehr ihrer Halter auch zu willkürlich ausgewählten Zeiten vorausahnen, ja selbst wenn diese mit dem Taxi oder anderen unvertrauten Fahrzeugen kommen. Irgendwie übertragen die Menschen ihre Absicht auf telepathische Weise.

Manche tierische Hausgenossen reagieren auch telepathisch auf eine Reihe anderer menschlicher Intentionen sowie auf stumme Rufe und Befehle. Einige wissen, wann ein bestimmter Mensch am Telefon ist. Andere wiederum reagieren, wenn ihr Frauchen oder Herrchen an einem fremden Ort leidet oder stirbt.

Ich möchte darlegen, dass telepathische Kommunikation auf Banden zwischen Menschen und Tieren beruht, die nicht bloß Metaphern, sondern tatsächliche Verbindungen sind. Sie sind miteinander durch Felder, sogenannte morphische Felder, verbunden. Diese Felder werde ich im ersten Kapitel vorstellen, und dort wird auch von der Entwicklung der Bande zwischen Menschen und Tieren die Rede sein.

Der Orientierungssinn. Brieftauben können über Hunderte von Kilometern unbekannten Terrains zu ihrem Schlag zurückfinden. Zugvögel wie europäische Schwalben fliegen über Tausende von Kilometern zu ihren Nahrungsgründen in Afrika und kehren im Frühjahr an ihren angestammten Ort zurück, sogar genau zu ihrem Gebäude, in dem sie zuvor genistet haben. Ihre Fähigkeit, ferne Ziele anzusteuern, ist noch immer nicht erklärt, und sie lässt sich auch nicht auf den Geruchssinn oder irgendeinen anderen der bekannten Sinne, gar auf einen Kompasssinn zurückführen.

Auch manche Hunde, Katzen, Pferde und andere domestizierte Tiere verfügen über einen guten Orientierungssinn und finden von unbekannten, viele Kilometer entfernten Orten wieder nach Hause zurück. Diese Tiere scheinen zu dem gewünschten Ort hingezogen zu werden, als wären sie durch ein unsichtbares Gummiband verbunden. Diese Verbindungen lassen sich vielleicht mit morphischen Feldern erklären.

Manchmal kehren Tiere nicht zu Orten, sondern zu Menschen zurück. Manche Hundehalter, die fortgegangen sind und ihr Haustier zurückgelassen haben, werden von dem Tier an fernen Orten gefunden, an denen es nie zuvor gewesen ist. Dieses Aufspüren lässt sich in manchen Fällen durch den Geruchssinn erklären, wenn die Entfernungen kurz sind, aber in anderen Fällen scheint es nur eine plausible Erklärung zu geben: eine unsichtbare Verbindung zwischen dem Tier und dem Menschen, dem es verbunden ist. Auch dies lässt sich mit einem gespannten Gummiband vergleichen, das für mich mit dem morphischen Feld in Zusammenhang steht, welches Tier und Halter miteinander verbindet.

Vorahnungen. Manche Vorahnungen lassen sich vielleicht durch physikalische Reize erklären: So können beispielsweise Tiere, die vor Erdbeben unruhig werden, auf subtile elektrische Veränderungen reagieren, oder Hunde, die ihre an Epilepsie leidenden Halter vor einem bevorstehenden Anfall warnen, können ein feines Muskelzucken oder ungewöhnliche Gerüche wahrnehmen. Aber andere Vorahnungen resultieren anscheinend aus einer geheimnisvollen Voraussicht, die unsere üblichen Annahmen hinsichtlich der Trennung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Frage stellt.

Telepathie, Orientierungssinn und Vorauswissen sind Beispiele dessen, was manche Menschen außersinnliche Wahrnehmung oder kurz ESP (vom englischen extrasensory perception) nennen. Andere schreiben sie einem sechsten oder siebten Sinn zu. Manche nennen sie »paranormal«, wieder andere »übernatürlich« oder »übersinnlich«. All diese Begriffe weisen über die Grenzen der etablierten Wissenschaft hinaus.

»Außersinnliche Wahrnehmung« bedeutet wörtlich eine Wahrnehmung jenseits oder außerhalb der Sinne. Auf den ersten Blick scheint der Begriff »sechster Sinn« das Gegenteil zu bedeuten, weil er ein Wahrnehmungsvermögen innerhalb der Sinne impliziert, wenn auch durch eine andere Art von Sinn, die von der Wissenschaft noch nicht anerkannt ist. Dieser scheinbare Widerspruch wird aufgelöst, wenn man »außersinnlich« im Sinne von »außerhalb der bekannten Sinne« versteht.

Weder aus dem Begriff »außersinnliche Wahrnehmung« noch aus dem Begriff »sechster Sinn« geht hervor, was diese Phänomene eigentlich sind oder wie sie funktionieren. Sie sagen uns nur, was sie nicht sind – sie lassen sich mit den bekannten Sinnen nicht erklären.

Alle drei Typen des Wahrnehmungsvermögens – die Telepathie, der Orientierungssinn und die Vorahnungen – sind anscheinend bei nichtmenschlichen Arten besser entwickelt als beim Menschen. Gleichwohl treten sie auch beim Menschen auf. Übersinnliche Kräfte oder ein »sechster Sinn« beim Menschen erscheinen natürlicher, biologischer, wenn sie im Lichte tierischen Verhaltens betrachtet werden. Vieles von dem, was gegenwärtig »paranormal« zu sein scheint, wirkt normal, wenn wir unsere Vorstellungen von Normalität erweitern.

Die Wissenschaft kann nur dann Fortschritte machen, wenn sie über ihre derzeitigen Grenzen hinausgeht. Mit diesem Buch hoffe ich zu zeigen, dass es möglich ist, unerklärte Fähigkeiten von Tieren auf eine wissenschaftliche Weise zu untersuchen, die weder invasiv noch grausam ist. Außerdem habe ich eine Vielzahl von Vorschlägen erarbeitet, wie Tierhalter, Schüler und Studenten wichtige Beiträge zu diesem neuen Forschungsgebiet leisten können.

Wir haben noch eine ganze Menge von unseren tierischen Gefährten zu lernen. Sie können uns viel lehren – über das Wesen des Tieres und über unser eigenes Wesen.

Erster Teil

Bande zwischen Mensch und Tier

1 Die Domestikation von Tieren

Bande zu Tieren

Viele Menschen lieben ihre Haustiere und werden von ihnen geliebt. In diesem Kapitel untersuche ich die Entwicklung und die Beschaffenheit emotionaler Bande zwischen Mensch und Tier. Aber zunächst einmal muss festgehalten werden, dass emotionale Bande zwischen Menschen und Tieren nicht die Regel, sondern die Ausnahme sind. Auf jede geliebte Katze, jeden geliebten Hund kommen Hunderte von domestizierten Tieren, die unter trostlosen Bedingungen in Massentierhaltungen und Forschungslaboratorien dahinvegetieren. In vielen Ländern der Dritten Welt werden Lasttiere oft brutal behandelt – hier verhalten sich eher die Menschen wie Tiere. Und traditionelle Gesellschaften hängen normalerweise nicht gerade modernen Idealen von tierischem Wohlergehen an. So neigen beispielsweise die Eskimos dazu, ihre Huskys hart ranzunehmen.

Aber trotz aller Ausbeutung, Misshandlung und Vernachlässigung hängen viele Menschen von Kindheit an an Tieren. Kleine Kinder bekommen gewöhnlich Teddybären oder andere Spieltiere und hören gern Geschichten über Tiere. Vor allem aber möchten die meisten richtige Tiere halten. Die meisten Haustiere leben in Haushalten mit Kindern.[5]

Geschichten über furchterregende Tiere zu erzählen – auch Märchen wie Rotkäppchen – und Beziehungen zu freundlichen Tieren einzugehen, das sind offenbar normale und fundamentale Aspekte der menschlichen Natur. In der Tat wurde und wird unsere Natur während der gesamten Evolutionsgeschichte durch Interaktionen mit Tieren gestaltet, und alle menschlichen Kulturen sind reich an Liedern, Tänzen, Ritualen, Mythen und Geschichten, die von ihnen handeln.

Die Entwicklung der Bande zwischen Mensch und Tier

Die frühesten benannten Hominidenarten, die wir von ihren fossilen Überresten her kennen, sind der Australopithecus ramidus und der Australopithecus anamensis, die vor über vier Millionen Jahren gelebt haben. Die ersten Steinwerkzeuge wurden vor etwa zweieinhalb Millionen Jahren benutzt, und erste Anzeichen für einen Verzehr von Fleisch tauchen etwa eine Million Jahre später auf, etwa um die Zeit, da sich der Homo erectus von Afrika nach Eurasien ausbreitete (Abb. 1.1).

Der Ursprung des heutigen Menschen ist in Afrika vor etwa 150000 Jahren zu datieren. Die erste Kunst, die Höhlenmalerei, die viele Tiere darstellte, entstand vor rund 30000 Jahren. Die Landwirtschaft setzte vor etwa 10000 Jahren ein, und die ersten Zivilisationen und schriftlichen Aufzeichnungen sind etwa 5000 Jahre alt.[6]

Unsere Vorfahren waren Jäger und Sammler, wobei das Sammeln weitaus wichtiger war als das Jagen. Das alte Bild vom Menschen als Jäger, der selbstbewusst in die afrikanische Savanne hinausschreitet, erweist sich als Mythos. Selbst in den heute noch existierenden Jäger-Sammler-Gesellschaften stammt nur ein kleiner Anteil der Nahrung von Tieren, die von den Männern gejagt werden – das meiste wird gesammelt, hauptsächlich von Frauen. (Ausnahmen bilden die Jäger und Sammler in den pflanzenarmen arktischen Regionen.[7]) Die Hominiden und der frühe Homo sapiens beschafften sich das Fleisch, das sie aßen, eher vom Aas der Beute von erfolgreicheren Raubtieren wie Großkatzen als dadurch, dass sie selbst auf die Jagd gingen.[8] Im Gegensatz zur Ernährung durch Aas kam die Großwildjagd erst vor etwa 70000 bis 90000 Jahren auf.

In Jäger-Sammler-Kulturen verstehen sich die Menschen nicht als getrennt vom Reich anderer Lebewesen, sondern fühlen sich mit ihnen aufs engste verbunden.[9] Die Spezialisten für die Kommunikation mit der nichtmenschlichen Welt sind die Schamanen, und durch ihre Wächtergeister oder Energietiere verbinden sich die Schamanen mit den Kräften von Tieren. Es gibt eine geheimnisvolle Solidarität zwischen Menschen und Tieren. Die Schamanen fühlen sich von Tieren geleitet oder in Tiere verwandelt, deren Sprache sie verstehen und an deren Voraussicht und okkulten Kräften sie teilhaben.[10]

Die frühesten domestizierten Hunde

Die ersten Tiere, die domestiziert wurden, waren Hunde. Ihre Ahnen, die Wölfe, jagten in Rudeln, während die Menschen auf die Jagd gingen, und schon früh wurden Hunde bei der Jagd und zur Bewachung menschlicher Siedlungen eingesetzt. Ihre Domestikation ging der Entwicklung des Ackerbaus voraus[11], und Hunde waren die einzigen Tiere, die domestiziert wurden, bevor Menschen sich in Siedlungen niederließen.[12]

Abbildung 1.1 Zeitlicher Ablauf der menschlichen Evolution.

Niemand weiß, wann die erste Domestikation von Wölfen erfolgte. Neuere Untersuchungen der DNA von Hunden und Wölfen beweisen, dass die erste Umwandlung vom Wolf zum Hund vor über 100000 Jahren stattgefunden hat. Aus diesen DNA-Belegen geht auch hervor, dass Wölfe nicht nur einmal, sondern mehrmals domestiziert wurden und dass Hunde sich weiterhin mit wilden Wölfen kreuzten.[13]

Unsere uralte Gemeinschaft mit Hunden hat vielleicht eine wichtige Rolle in der Evolution des Menschen gespielt. So könnten Hunde entscheidend zu Fortschritten bei den menschlichen Jagdtechniken beigetragen haben, die vor etwa 70000 bis 90000 Jahren aufkamen.

Der australische Tierarzt David Paxton geht so weit zu behaupten, dass nicht so sehr der Mensch den Wolf, sondern dass der Wolf den Menschen domestizierte. Wölfe haben zunächst vielleicht an der Peripherie menschlicher Siedlungen als eine Art Heimsuchung gelebt. Einige lernten, mit Menschen auf eine gegenseitig hilfreiche Weise zu leben, und verwandelten sich allmählich in Hunde. Zumindest beschützten sie menschliche Siedlungen und warnten durch Bellen vor allem, was sich diesen näherte.[14]

2009 verkündete ein internationales Wissenschaftlerteam, es hätte den frühesten archäologischen Beleg für einen Hund in der belgischen Goyet-Höhle gefunden, der 31700 Jahre alt sei. Der Hund ähnle einem Siberian Husky, sei aber etwas größer und habe sich von Pferden, Moschusochsen und Rentieren ernährt.[15] Andere paläolithische Überreste von Hunden wurden in Russland und in der Ukraine gefunden, wo sie durchaus beim Aufspüren, bei der Jagd oder für den Transport großer Wildtiere eingesetzt worden sein konnten. Andere frühe archäologische Belege fanden sich im tiefsten Teil der Chauvet-Höhle in Frankreich: Fußabdrücke von einem großen Hund, der neben einem Kind lief. Ruß an der Höhlendecke stammte von der Fackel, die das Kind trug, und wird auf ein Alter von 26000 Jahren datiert.

Die Wölfe, aus denen Hunde wurden, waren in evolutionärer Hinsicht ungeheuer erfolgreich. Überall in der bewohnten Welt sind sie anzutreffen – Abermillionen von ihnen. Die Nachkommen der Wölfe, die Wölfe blieben, sind mittlerweile nur noch spärlich verbreitet und leben oft in gefährdeten Populationen.

Die Domestikation von Hunden ging der Domestikation anderer Tiere lange voraus. Ja, die Hunde haben vielleicht bei der Domestikation anderer Arten eine wesentliche Rolle gespielt, und zwar sowohl aufgrund ihrer Fähigkeit, Tiere wie Schafe zu hüten, als auch indem sie dazu beitrugen, Herden vor Raubtieren zu schützen.

Einige Hunderassen sind sehr alt, und bereits im alten Ägypten gab es mehrere unterschiedliche Rassen: Windhunde oder Saluki, eine Mastiff-Art, eine Basenji-Art, eine Pointer-Art und eine kleine terrierähnliche Malteser-Art (Abb. 1.2).[16]

Hunde wurden im alten Ägypten verehrt. Einige wurden sogar einbalsamiert, und in jeder Stadt war ein Friedhof ausschließlich Hundebestattungen vorbehalten. Der Gott der Toten war der hunde- oder schakalköpfige Anubis.

Abbildung 1.2 Ägyptische Hunderassen; aus den Gräbern von Beni Hassan (2200–2000 v. Chr; nach Ash, 1927).

In der heutigen Welt werden Hunde in den einzelnen Kulturen auf unterschiedlichste Weise behandelt. In der arabischen Welt werden sie im Allgemeinen verabscheut, und das liegt zum Teil an großen Populationen herumstreunender oder wilder Hunde, eine Quelle gefährlicher Krankheiten wie Tollwut. Dennoch werden einzelne Jagdhunde bewundert und verhätschelt. In anderen Teilen der Welt wie in Teilen von China, Birma, Indonesien und Polynesien werden Hunde als Menschennahrung geschlachtet und gewöhnlich nicht sehr geschätzt.[17] Aber in den meisten Kulturen, besonders dort, wo man Hunde zum Jagen oder Hüten verwendet oder sie nicht allein wegen ihrer Nützlichkeit hält, werden sie im Allgemeinen liebevoll behandelt.[18]

Obwohl die Domestikation von Hunden vor so langer Zeit stattfand, dass wir wohl nie die genauen Abläufe kennen werden, hat ein russisches Projekt mit Silberfüchsen im 20. Jahrhundert ergeben, dass es unter den Bedingungen einer gezielten Züchtung zu ziemlich raschen Veränderungen kommen kann. Seit den 1950er Jahren wurden zahme Füchse als Eltern der nächsten Generation ausgewählt, und nach vierzig Generationen gelang es den Russen, eine Rasse von Silberfüchsen zu züchten, die im Umgang mit Menschen genauso zahm, freundlich und geschickt wie Hunde sind.[19] Die zahmen Füchse sahen auch anders aus als ihre wilden Vorfahren – sie hatten breitere Köpfe und jugendliche Merkmale.[20] Einige dieser Tiere werden inzwischen als Haustiere verkauft.

Die Domestikation anderer Arten

Francis Galton, der Vetter von Charles Darwin, war ein Pionier auf dem Gebiet der modernen Domestikation. Er wies darauf hin, dass nur relativ wenige Arten dafür geeignet seien. Solche Arten müssten bestimmte Bedingungen erfüllen:

Sie sollten zäh sein und auch mit wenig Fürsorge und Aufmerksamkeit überleben können. Sie sollten eine angeborene Zuneigung gegenüber dem Menschen aufweisen. Sie sollten eine gewisse Bequemlichkeit lieben. Sie sollten nützlich sein. Sie sollten sich frei vermehren. Sie sollten Herdentiere sein und sich daher leicht in Gruppen kontrollieren lassen.

Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde, Schweine, Hühner, Enten und Gänse erfüllen diese Kriterien. Aber andere Arten wie Reh und Zebra tun dies nicht – sie sind zwar Herdentiere, bleiben aber trotz vieler Domestikationsversuche zu »wild«, als dass sie leicht zu bändigen wären.[21]

Katzen wiederum sind die einzigen domestizierten Tiere, die zwar nicht in Herden leben, aber durch ihr Territorium und ihr Bequemlichkeit liebendes Wesen symbiotische Beziehungen mit Menschen eingehen, während sie sich einen Teil ihrer Unabhängigkeit als einsame Jägerin bewahren. Sie kehren relativ leicht zu einer freien, wilden Lebensweise zurück.[22]

Katzen wurden viel später als Hunde domestiziert, wahrscheinlich erst vor über zehntausend Jahren. Die ältesten archäologischen Belege für Katzen stammen aus Kreta und sind etwa 9500 Jahre alt, und Katzenüberreste aus Jericho wurden auf ein Alter von 8700 Jahren datiert.[23] Die ersten historischen Berichte über Katzen stammen aus dem alten Ägypten, wo sie als heilige Tiere galten, die nicht getötet werden durften. Vor rund 3600 Jahren wurden Hauskatzen auf Bildern in ägyptischen Gräbern dargestellt.

Unmengen von Katzen wurden auch mumifiziert, und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden massenhaft Katzenmumien ausgegraben, zermahlen und als Dünger verkauft.[24]

Auch Pferde wurden relativ spät domestiziert, wahrscheinlich ebenfalls vor etwa fünftausend Jahren im Gebiet von Turkestan. Vielleicht wurden sie zunächst als Zugtiere verwendet. Die erste Darstellung eines Reitpferds stammt aus Ägypten (um 1500 v.Chr.).[25] Schon bald spielten Pferde eine wichtige Rolle im Krieg und bei der Jagd und wurden eher wie Gefährten als wie Sklaven behandelt.

Sosehr in frühen Zivilisationen domestizierte Tiere vom Menschen ausgebeutet wurden, gab es doch noch durchweg das Gefühl eines Verbundenseins zwischen Mensch und Tier. Viele Tierarten galten als heilig, genau wie heute noch Kühe, Elefanten und Affen in Indien als heilig gelten. Viele der Götter und Göttinnen traten in Tierform auf oder hatten tierische Helfer.

Auf den ersten Blick ist in Industriegesellschaften von diesem Solidaritätsgefühl mit dem Tierreich kaum etwas zu spüren. Lasttiere werden durch Maschinen ersetzt; Pferde, Esel, Maultiere und Ochsen sind nicht mehr unsere alltäglichen Gefährten. Die enge Vertrautheit des Bauern mit Tieren ist von der modernen industrialisierten Landwirtschaft abgelöst worden, wo Tiere in Viehzuchtbetrieben und Großmästereien gehalten werden.

Dennoch ist die uralte Verbundenheit mit anderen Tieren in unserem Privatleben erhalten geblieben. Es gibt viele Vogelbeobachter, Naturforscher und Tierfotografen. Naturfilme im Fernsehen sind Dauerrenner, genauso wie Geschichten über Tiere, besonders über Hunde wie Lassie[26] und den österreichischen Polizeihund »Kommissar Rex«. Aber diese Bande werden hauptsächlich und am engsten durch das Halten von Haustieren geknüpft. Auch wenn die meisten Menschen in unseren modernen Städten Katzen nicht mehr für die Mäusejagd oder Hunde zum Hüten oder für die Jagd benötigen, werden diese Tiere noch immer millionenfach gehalten, zusammen mit einer ganzen Reihe anderer Lebewesen, die keinem nützlichen Zweck dienen: Ponys, Papageien, Wellensittiche, Kaninchen, Meerschweinchen, Wüstenspringmäuse, Goldfische, Eidechsen, Stabheuschrecken und viele andere Haustiere.

Die meisten von uns benötigen Tiere offenbar als Teil ihres Lebens – unsere menschliche Natur ist untrennbar mit der Natur der Tiere verbunden. Sind wir von ihr isoliert, fehlt uns etwas. Wir verlieren einen Teil unseres Erbes.

Das Halten von Haustieren

Auf der ganzen Welt halten Menschen Haustiere. 1865 stellte Francis Galton fest: »Es ist eine Tatsache, die allen Reisenden vertraut ist, dass Wilde häufig Jungtiere verschiedener Arten fangen, sie als Schoßtiere aufziehen und als Kuriositäten verkaufen oder verschenken.«[27]

Galton behauptete, dass hauptsächlich durch diese Art der Haustierhaltung viele Arten zum ersten Mal gezähmt worden seien, zusammen mit der Haltung von heiligen Tieren und dem Halten von Menagerien durch Häuptlinge und Könige. In einigen Fällen seien diese Tiere dann domestiziert worden, falls sie die notwendigen Bedingungen erfüllt hätten (siehe oben). Mir gefällt Galtons Erklärung, dass die Haustierhaltung der Domestikation vorausgegangen sei, und ich halte sie für sehr plausibel. Und wenn Wölfe zuerst Mitläufer des Menschen und dann Hunde wurden, dann verweist Galtons Theorie auf eine einfache Möglichkeit, wie sich dieser Prozess beschleunigt haben könnte – nämlich indem Menschen Wolfsjunge oder Hundewelpen als Haustiere annahmen.

Abbildung 1.3 Schoßhündchen im alten Griechenland (nach Keller, 1913).

Im alten Ägypten und in vielen anderen Teilen der Welt gab es neben den zur Jagd, zur Bewachung und zum Hüten eingesetzten größeren Hunden auch kleinere Rassen, die offenbar als Haustiere gehalten wurden. Auch die alten Griechen und Römer hielten sie (Abb. 1.3).

Ja, kleine Hunde gab es überall in der antiken Welt, und sie sind die Ahnen vieler heutiger Schoßhunde. In Tibet und China war es üblich, Wachhunde wie Haushunde zu halten: Wachhunde waren groß und wild und lebten im Freien, während die kleinen Hunde im Innern von Häusern und Klöstern lebten.[28]

Im Gegensatz zur Tierhaltung aus Nützlichkeitserwägungen stellte das Halten von Haustieren im Altertum einen gewissen Luxus dar. Heute sind viel mehr Menschen wohlhabend, und mehr Menschen halten Haustiere. Und Haustiere, die drinnen als Gefährten leben, sind ihrer Menschenfamilie oft inniger verbunden als Tiere, die draußen im Freien auf einem Hof, in einer Scheune oder in einem Zwinger leben. In Industrieländern wie Frankreich, England und den USA befindet sich in der Mehrheit der Haushalte mindestens ein tierischer Gefährte. Und da die Urbanisierung und der Wohlstand in den letzten Jahrzehnten zugenommen haben, halten eher mehr als weniger Haushalte Haustiere. In England beispielsweise stieg zwischen 1965 und 2010 die Zahl der Hunde von 4,7 auf 8 Millionen und die der Katzen von 4,1 auf 8 Millionen.[29] Die Tierhaltungsgewohnheiten in verschiedenen Ländern spielen wahrscheinlich eine große Rolle bei der Bildung eines »Nationalcharakters«. Aber auf diesem Gebiet ist so gut wie gar nicht geforscht worden, es gibt nur nackte Statistiken. Tabelle 1 enthält die Zahlen von Haushalten mit Hunden und Katzen in einer Auswahl von Ländern. Den höchsten Prozentsatz von Haushalten mit Hunden weisen Polen und die USA auf, gefolgt von Frankreich, Belgien und Irland. Deutschland zählt zu den Ländern mit der geringsten Zahl von Hunde- und Katzenhaltern. In den meisten Ländern befinden sich in den Haushalten mehr Hunde als Katzen, aber in manchen Ländern, vor allem in der Schweiz und in Österreich, gibt es als Lieblingshaustier auffälligerweise mehr Katzen als Hunde.

In den letzten Jahren weist das Muster der Haustierhaltung einige erstaunliche Veränderungen auf. In Frankreich ist der Prozentsatz von Haushalten mit Katzen und mit Hunden zurückgegangen. In Deutschland und in der Schweiz ist die Zahl der Hunde mehr oder weniger gleich geblieben, während die Zahl der Katzen gestiegen ist, wobei es dennoch auffällige nationale Unterschiede gab. 2008 betrugen die Prozentsätze von Haushalten mit Hunden in Frankreich 24, in England 22, in Deutschland 14 und in der Schweiz 12. Die Prozentsätze von Haushalten mit Katzen betrugen in England 28, in Frankreich 27, in der Schweiz 25 und in Deutschland 16. In den USA nehmen die Haushalte, in denen es sowohl Hunde wie Katzen gibt, ständig zu (Abb. 1.4), aber konstant mehr Haushalte hatten Hunde als Katzen. 2008 gab es in 39 Prozent der US-Haushalte Hunde, in 33 Prozent Katzen – mehr als in jedem Land in Westeuropa. Und natürlich ist die Zahl der Hunde und Katzen höher als die Zahl der Haushalte, da viele Menschen mehr als eine Katze oder mehr als einen Hund haben. 2008 gab es in US-Haushalten mit Hunden durchschnittlich 1,7 Hunde und in Haushalten mit Katzen 2,2 Tiere.[30]

Abbildung 1.4 Die Anzahl der Haushalte in den USA mit Hunden und Katzen von 1988 bis 2008. (Quelle: American Veterinary Medical Association.)

Obwohl Hunde und Katzen die beliebtesten Haustiere sind, gibt es in vielen Haushalten auch Vögel, Reptilien, Fische und kleine Säugetiere wie Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster und Frettchen. 2008 gab es in 62 Prozent der US-Haushalte mindestens ein Haustier.

Soziale Bande zwischen Tieren

Die meisten domestizierten Tiere waren ursprünglich Gesellschaftstiere – darauf wies schon Francis Galton hin. Im Allgemeinen sind dies auch Tiere mit Dominanzhierarchien, so dass sie sich vom Menschen auch leichter unter Kontrolle bringen ließen. Selbst Katzen, die in ihren Jagdgewohnheiten zwar unabhängig und einsam sind, wachsen mit engen sozialen Beziehungen zwischen Müttern und ihrem Nachwuchs auf.

Prozentsatz von Haushalten mit:

Hunden

Katzen

Polen

50

33

USA

38

30

Frankreich

36

25

Belgien

36

25

Irland

36

20

Kanada

32

24

Portugal

30

14

Tschechische Republik

30

16

England

27

21

Dänemark

23

17

Niederlande

22

24

Italien

20

22

Finnland

20

18

Norwegen

17

18

Schweden

16

19

Spanien

16

8

Österreich

15

26

Japan

12

5

Deutschland

11

9

Schweiz

10

26

Griechenland

10

7

Tabelle 1 Prozentzahlen von Haushalten mit Hunden und Katzen in verschiedenen Ländern (nach Fogle, 1994).

Die ursprünglich soziale Natur domestizierter Tiere offenbart sich, wenn sie verwildern. Charles Darwin hat sich in seinem Werk Variation of Animals and Plants Under Domestication besonders für diese Rückkehr domestizierter Tiere zu den Gewohnheiten ihrer Ahnen interessiert.[31]

Im Allgemeinen leben wilde Tiere in Gruppen, die denen ihrer wilden Vorfahren ähneln. Wildpferde beispielsweise bilden gewöhnlich Gruppen von etwa fünf Tieren – genau wie ihre wilden Verwandten.[32] Wildhunde leben in Rudeln und legen Baue an – genau wie ihre wölfischen Ahnen.[33]

Gesellschaftstiere sind mit anderen Angehörigen der Gruppe durch unsichtbare Bande verknüpft. Das gilt auch für soziale Bande beim Menschen. Unsere domestizierten Tiere sind von Natur aus sozial, genau wie wir. Die Bande zwischen Mensch und Tier sind eine Art von Kreuzung zwischen den Verbindungen, die Tiere untereinander haben, und denen, die sich zwischen Menschen bilden.

Ein Grund, warum es so schwierig ist, das Wesen dieser Bande zwischen Mensch und Tier zu verstehen, liegt darin, dass wir so wenig über die Bande zwischen Menschen und jene zwischen Tieren wissen. Wir wissen, dass es unsichtbare Verbindungen zwischen Familienangehörigen gibt, und wir wissen, dass sie die Zeit überdauern und Menschen weiterhin miteinander verbinden, selbst wenn sie auf verschiedenen Kontinenten leben. Wir wissen, dass Tiere soziale Gruppen bilden und dass die Gruppe als Ganzes irgendwie miteinander verknüpft ist, so dass sie wie ein Superorganismus funktioniert, wie ich im neunten Kapitel erläutern werde. Das ist ganz eindeutig zu beobachten bei Gesellschaftsinsekten wie Ameisen, Termiten, Bienen und Wespen. Deutlich zu erkennen ist es bei einer Vogelschar, wenn praktisch alle Tiere simultan wenden und Kurven fliegen, ohne miteinander zu kollidieren. Und so verhält es sich auch bei einem Schwarm Fische, die in enger Formation schwimmen, aber jederzeit die Richtung ändern und rasch reagieren, wenn sich ein Raubfisch nähert.

Das Wesen sozialer Bande

Innerhalb der einzelnen Tierarten gibt es viele Arten von sozialen Banden, etwa die zwischen einer Katzenmutter und ihren Jungen, einer Biene und den anderen Bewohnern des Stocks, einem Star und seinem Schwarm, einem Wolf und seinem Rudel, und es gibt eine große Vielfalt der sozialen Bande beim Menschen. Und schließlich gibt es noch die sozialen Bande zwischen den Arten, etwa die zwischen Haustieren und ihren Haltern.

Gemeinsam ist diesen Banden, dass sie die Mitglieder einer Gruppe miteinander verbinden und die Art und Weise beeinflussen, wie sie miteinander in Beziehung treten. Ich behaupte nun, dass es sich hierbei nicht bloß um metaphorische, sondern um reale Verbindungen handelt. Sie verknüpfen Individuen auch weiterhin miteinander, selbst wenn sie voneinander getrennt sind, und zwar über den Bereich der sinnlichen Kommunikation hinaus. Diese Fernverbindungen könnten Kanäle für Telepathie sein.

Bande zwischen Tieren existieren innerhalb eines sozialen Feldes. Wie die bekannten Felder in der Physik verknüpfen soziale Felder voneinander entfernte Dinge, aber sie unterscheiden sich von den physikalischen Feldern dadurch, dass sie sich entwickeln und eine Art von Gedächtnis enthalten. In meinem Buch Das Gedächtnis der Natur habe ich dargelegt, dass soziale Felder einer Klasse von Feldern angehören, den sogenannten morphischen Feldern.[34]

Morphische Felder hängen miteinander zusammen und koordinieren die Teile eines Systems in Raum und Zeit, und sie enthalten ein Gedächtnis aus früheren ähnlichen Systemen. Menschliche soziale Gruppen wie Stämme und Familien erben durch ihre morphischen Felder eine Art von kollektivem Gedächtnis. Die Gewohnheiten, Anschauungen und Sitten der Ahnen beeinflussen das Verhalten in der Gegenwart, und zwar bewusst wie unbewusst. Wir alle schalten uns in kollektive Gedächtnisse ein, ähnlich dem »kollektiven Unbewussten«, wie es der Psychologe C. G. Jung dargelegt hat.

Termitenkolonien, Fischschwärme, Vogelscharen, Herden, Rudel und andere Tiergruppen werden ebenfalls von morphischen Feldern zusammengehalten und strukturiert, und diese Felder werden alle durch ihre eigenen Formen von kollektivem Gedächtnis gestaltet.

Einzelne Tiere sind durch die sozialen Felder ihrer Gruppe miteinander verknüpft und folgen Gewohnheitsmustern von Beziehungen, die über die Generationen hinweg wiederholt werden. Instinkte sind wie kollektive Gewohnheiten der Art oder der Rasse, geformt von der Erfahrung durch viele Generationen und den Unbilden der natürlichen Auswahl ausgesetzt. Diese Vorstellung von den Instinkten als den ererbten Auswirkungen von Gewohnheit und Erfahrung steht dem Denken von Charles Darwin nahe, wie es am deutlichsten in seinem Werk The Variation of Animals and Plants Under Domestication zum Ausdruck kommt und in Die Entstehung der Arten von zentraler Bedeutung ist.[35]

Abbildung 1.5 Diese schematische Darstellung des morphischen Feldes einer sozialen Gruppe (A) veranschaulicht, wie sich das Feld ausdehnt und noch immer ein Individuum mit anderen Mitgliedern der Gruppe verbindet, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind (B).

Der Prozess, durch den dieses Gedächtnis von der Vergangenheit auf die Gegenwart übertragen wird, heißt morphische Resonanz, und dabei geht es um einen Einfluss von Gleichem auf Gleiches über Raum und Zeit hinweg.[36] Ausführlicher werde ich die Beschaffenheit von morphischen Feldern und von morphischer Resonanz im neunten Kapitel sowie in Anhang C darstellen. Morphische Felder verknüpfen alle Mitglieder einer sozialen Gruppe miteinander, und das Feld enthält in sich alle Mitglieder der Gruppe (Abb. 1.5 A). Wenn sich ein Mitglied der Gruppe an einen fernen Ort begibt, bleibt es noch immer mit der restlichen Gruppe durch dieses soziale Feld, das elastisch ist, verbunden (Abb. 1.5 B).

Morphische Felder gestatten es, dass eine Reihe telepathischer Einflüsse von Tier zu Tier innerhalb einer sozialen Gruppe oder von Mensch zu Mensch oder vom Menschen zum tierischen Gefährten übertragen werden. Die Fähigkeit dieser Felder, sich wie unsichtbare Gummibänder zu dehnen, ermöglicht es ihnen, als Kanäle für die telepathische Kommunikation zu dienen, und zwar selbst über große Entfernungen hinweg.[37]

Aber selbst wenn man unterstellt, dass Telepathie theoretisch möglich ist – gibt es sie auch tatsächlich? Aufgrund der mir vorliegenden Beweise, von denen in den folgenden Kapiteln die Rede sein wird, gelange ich zu der Schlussfolgerung, dass Telepathie in der Tat ein reales Phänomen ist.

Zweiter Teil

Wenn Tiere wissen, wann ihre Menschen nach Hause kommen

2 Hunde, die wissen, wann ihre Halter nach Hause kommen

Den überzeugendsten Beweis dafür, dass es Telepathie zwischen Mensch und Tier gibt, liefert das Studium von Hunden, die wissen, wann ihre Halter nach Hause kommen. Dieses antizipatorische Verhalten ist weitverbreitet. Für viele Hundehalter ist es einfach selbstverständlich, ohne dass sie sich über die Tragweite dieses Phänomens Gedanken machen.

Wenn Peter Edwards zu seiner Farm in Wickford, Essex, zurückkommt, wird er fast immer am Tor von seinen Irischen Settern begrüßt. Yvette, seine Frau, erzählt, dass sie oft zehn bis 20 Minuten vor seiner Ankunft auf ihn warten, jedenfalls lange bevor er von der Straße in seine Zufahrt abbiegt. Für sie ist dieses Verhalten seit über 20 Jahren schon ganz selbstverständlich – sie sagt sich einfach: Peter kommt heim, die Hunde sind am Tor.

Doch nachdem Yvette im Sunday Telegraph von meinen Forschungen über Hunde, die wissen, wann ihre Halter heimkommen, gelesen hatte, fragte sie sich: Wieso wissen die Setter, dass Peter kommt? Er arbeitet zu unregelmäßigen Zeiten in London und teilt ihr normalerweise nicht mit, wann sie mit seiner Rückkehr rechnen kann. Und die Hunde reagieren unabhängig davon, aus welcher Richtung der Wind weht oder mit welchem Fahrzeug er heimkommt.

Die Fähigkeit der Irischen Setter, Peters Rückkehr im Voraus wahrzunehmen, ist auch für viele andere Hunde typisch. Auf meine Umfragen in Europa, Nordamerika und Australien habe ich über 1000 Berichte über Hunde erhalten, die wissen, wann ihre Halter heimkommen. Einige warten an einer Tür oder an einem Fenster zehn Minuten oder länger, bevor ihr Frauchen oder Herrchen von der Arbeit, aus der Schule, vom Einkaufen oder von anderen Ausflügen heimkehrt. Andere gehen hinaus und warten auf ihre Halter an der Straße oder an einer Bushaltestelle. Manche Hunde tun dies fast jeden Tag, andere nur dann, wenn ihre Halter aus dem Urlaub oder nach sonstiger längerer Abwesenheit heimkommen, wobei sie Anzeichen von Aufgeregtheit schon Stunden oder gar Tage im Voraus aufweisen. Während manche Wissenschaftler dieses Phänomen gern der Routine oder dem scharfen Geruchssinn oder Gehör des Hundes zuschreiben, stellt sich recht bald heraus, dass von Fall zu Fall eine derart simple Erklärung nicht ausreicht.

Der Kontext für dieses antizipatorische Verhalten ist die Art und Weise, wie viele Hunde ihre Halter mit großer Begeisterung willkommen heißen. Wenn sie nicht gerade sehr diszipliniert sind, versuchen sie an ihrem Herrchen oder Frauchen hochzuspringen und ihm oder ihr übers Gesicht zu lecken, genau wie kleine Hunde ihre Eltern begrüßen, wobei ihr Schwanz so heftig wackelt, dass das ganze Hinterteil an der Bewegung teilhat.

Wölfe begrüßen einander auf ähnliche Weise. Wenn die Jungen entwöhnt werden, versuchen sie zunächst, Futter von ihren heimkehrenden Eltern oder anderen Mitgliedern des Rudels zu erbetteln. Nähert sich das erwachsene Tier mit der Nahrung im Maul, scharen sie sich aufgeregt um es herum, wackeln mit dem Schwanz, bekunden Unterwerfungshaltungen und -gesten und springen hoch, um ihm die Ecken seines Mauls zu lecken. Bei erwachsenen Wölfen entwickeln sich aus den gleichen Verhaltensweisen ritualisierte Begrüßungsformen. Die größte Aufmerksamkeit wird dem höchstrangigen Tier erwiesen.[38] Das von Hunden gegenüber ihren Haltern zur Schau gestellte Begrüßungsverhalten verweist also auf eine lange zurückliegende evolutionäre Herkunft, nämlich bis hin zu den Wölfen, von denen unsere Haushunde ja abstammen. Aber viele Hunde gehen noch weiter – sie begrüßen ihre Halter nicht nur bei der Ankunft, sondern ahnen diese bereits voraus: Anscheinend wissen sie, wann sich die Halter auf dem Heimweg befinden, selbst wenn diese noch viele Kilometer entfernt sind.

Könnte es reine Routine sein?

Wenn Menschen jeden Tag zur gleichen Zeit heimkommen, könnte das Verhalten des Hundes schlicht reine Routine sein. Das dachte jedenfalls auch Teresa Preston aus Suffolk in Virginia, als sie feststellte, dass Jackson, der Hund der Familie, jeden Tag darauf wartete, dass ihre Kinder mit dem Schulbus nach Hause kamen. Aber dann wurde sie doch nachdenklich, als sie merkte, dass Jackson auch die Heimkehr ihres Mannes vorausahnte, der meist unerwartet von seinem Job als Kapitän eines dreißig Kilometer vor Portsmouth stationierten Tonnenlegers der US Coast Guard heimkehrte:

»Er kam immer zu unregelmäßigen Zeiten nach Hause. Wenn das Schiff in den Hafen eingelaufen war, wurde Jackson aufgeregt, ging zur Tür und wollte hinaus. Die meiste Zeit ging er ans Ende des Gehsteigs und postierte sich so, dass er in die Richtung schaute, aus der, wie er ›wusste‹, das Auto kommen würde. Er machte das so gut, dass es mir einfach auffiel, und manchmal machte ich mir Jacksons Vorwarnung zunutze, um mein Haar zu kämmen und mein Make-up aufzufrischen, bevor mein Mann heimkam! Falls ich gerade das Abendessen herrichtete und überlegte, wie viele Portionen ich kochen oder wie viele Gedecke ich auflegen sollte, richtete ich mich nach seiner Vorhersage und deckte den Tisch entsprechend.«

Aber vielleicht schnappen die Hunde ja irgendwelche Hinweise von dem Menschen auf, der zu Hause wartet. In manchen Fällen ruft jemand an, um zu sagen, dass er nach Hause kommt, und wenn ein Mensch zu Hause weiß, dass er unterwegs ist, könnte sich sein oder ihr emotionaler Zustand verändern und damit dem Hund durch die Körpersprache oder auf andere Weise Hinweise geben. Aber manche Hunde zeigen ihr Verhalten sogar dann, wenn der Mensch zu Hause keine Ahnung hat, wann der Familienangehörige eintreffen wird. Ich habe zahlreiche Berichte von den Familien von Anwälten, Taxifahrern, Soldaten, Journalisten, Hebammen und anderen Leuten bekommen, die keine feste Arbeitszeit haben, und diese Familien sagen, der Hund würde ihnen zu verstehen geben, wann sich der Familienangehörige auf dem Heimweg befinde. So berichtete beispielsweise Rebecca Kavich, die in Australien lebt: