Der Soldat des Kaisers - Sebastian Danner - E-Book

Der Soldat des Kaisers E-Book

Sebastian Danner

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Beschreibung

Nach langen Jahren des Bürgerkriegs versucht Theobald, die Schrecken des Kriegs hinter sich zu lassen und in sein altes Leben zurückzukehren. Doch der Neuanfang in seinem Heimatdorf ist nicht einfach, die Einwohnerschaft ist gespalten und Theobald findet sich auf der falschen Seite wieder. Was die Sache noch schlimmer macht: Bald wird Theobald erneut in den Dienst gerufen. Im Auftrag der neuen Regierung soll er an seinem vorherigen Auftrag weiterarbeiten und die Schlüsselsteine finden, um die Stabilität im Land wiederherzustellen. Unter der Aufsicht des Meisterspions Hieronymus Fuchs zieht Theobald zusammen mit dem Mönch Elias, der Ordensritterin und Attentäterin Lilly, dem Nordmann Alva sowie dem Staatsmann Richard durch das zentrale Kaiserreich auf der Jagd nach dem Beraterstein.

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Seitenzahl: 176

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2025 novum publishing gmbh

Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt

[email protected]

ISBN Printausgabe: 978-3-7116-0644-0

ISBN e-book: 978-3-7116-0645-7

Lektorat: Mag. Eva-Maria Peidelstein

Umschlagabbildungen: Tarog8, Lenapix | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Prolog

Als Theobald erwachte, war es in seinem Zimmer stockfinster. Er setzte sich auf den Rand seines Bettes und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Es dauerte etwas, bis er vollkommen wach war. Er streckte sich und ging rüber zu einem Stuhl, wo seine Arbeitskleidung lag, die er sofort anzog. Vorsichtig öffnete er die hölzerne Tür seines Zimmers, um zu verhindern, dass sie zu laut quietschte. Schritt für Schritt schlich er auf den Dielen vorbei am Zimmer seiner Großeltern. Er wollte sie auf keinen Fall wecken. Vor allem nicht zu einer so frühen Stunde. Er öffnete leise die Haustür und verließ das Haus.

Vor dem Haus nahm er einen tiefen Atemzug der morgendlichen Bergluft. Es war sehr kalt an diesem Morgen. Er machte seine Jacke zu und versteckte seine Hände in seiner Hosentasche. Das Dorf, in dem er lebte, lag in einem Tal umgeben von Bergen, die es in Dunkelheit hüllten. Nur ein dunkles Orange an den Spitzen der Berge kündigte den neuen Tag an. Es war noch so früh am Morgen, dass selbst der Hahn auf dem Mist noch schlief. Theobald machte sich auf den Weg zum Marktplatz. Dort würde er sich mit den anderen Bewohnern treffen, um auf die Felder zu gehen und die Ernte einzuholen. Während er auf den Pflastersteinen in Richtung Platz marschierte, betrachtete er die Häuser, die dicht aneinander am Rande der Straße lagen. Der Aufbau war klassisch für diese Region. Ein Haus aus Stein mit einer hölzernen Fassade vom ersten Stock ab. Auf seinem Weg zum Stadtplatz kam Theobald an dem Heim des Dorfschmieds vorbei. Es sah nicht viel anders aus als die anderen Häuser des Dorfes. Von der Schmiede selbst konnte Theobald nicht viel sehen, da sie sich hinter dem Haus des Schmieds befand. Nur der Schornstein spitzte hinter diesem hervor. Vor dem Gebäude sah er den Schmied selbst mit seinem Sohn, wie sie einen Wagen mit Sensen beluden. Mit der Zeit kam der Stadtplatz zum Vorschein. Er erkannte die kleine Statue von Mekus, dem alten Schutzpatron der Händler und Reisenden, der auf dem Brunnen stand. Um diesen herum sah er die Erntehelfer, die mit ihren Laternen den Platz etwas erhellten. Jedoch war eine Sache sehr merkwürdig. Das Plätschern des Brunnens hörte sich ungewöhnlich an. Als würde das Wasser auf matschigen Boden schlagen. Theobald fasste sich an die Jacke. Sie war nass, was sehr ungewöhnlich war, da das Wetter zwar kühl, aber trocken war. Theobald bekam ein ungutes Gefühl. Als er sich den Erntehelfern näherte, starrten diese ihn an. Plötzlich kam eine Hand aus der Menge und packte ihn. Jemand griff ihn an den Schultern und rief: „Theobald, Theobald, Theobald!“

„Hey, Schlafmütze, steh endlich auf!“, rief ihm eine bekannte Stimme zu. Er erwachte und blickte in das nasse, schmutzige Gesicht seines Kameraden Robert. Etwas verwirrt sah sich Theobald um. Der Brunnen des Marktplatzes sowie die Häuser seiner Heimat waren verschwunden. Ersetzt wurden sie durch einen mit fransigen Holzstämmen befestigten Graben, in dem er, angelehnt an die Stämme, saß. Er hörte den Regen, wie er gegen die Wipfel der Tannen schlug, die dicht aneinander gereiht um den Graben standen und das Gröbste abhielten.

„Du hast doch nicht ernsthaft bei diesem Sauwetter geschlafen?“, fragte Robert mit einem etwas verwunderten Gesichtsausdruck.

„Ich würde es eher als Nickerchen bezeichnen“, sagte Theobald lächelnd und streckte seine Hand in Richtung seines Kameraden.

„Pff, Nickerchen“, sagte Robert und verdrehte dabei etwas die Augen. Er griff nach der Hand von Theobald. „Dir ist schon klar, dass du heute Nachtwache hattest“, sagte er, während er seinem Kameraden aufhalf. Theobald nickte und klopfte sich den Dreck von der schwarzen Uniform. Dabei bemerkte er, dass diese komplett durchnässt war.

Er griff nach seiner Kappe, die in einer Pfütze lag und wand sie aus. „Scheiße“, murmelte er und stopfte sie in die Jackentasche seiner Uniform. „Kannst du mir bitte meine Sachen geben?“, fragte er und deutete dabei auf den mitgenommenen Rucksack, der hinter Robert an der Wand des Grabens lehnte. An diesem waren ein Gewehr und ein Säbel befestigt. Sein langjähriger Kamerad nahm ihn und gab ihn Theobald.

Kopfschüttelnd sagte er: „Du hast ganz schön Nerven, während der Nachtwache zu schlafen. Wenn das der Offizier wüsste, der würde dich in Spange schließen oder schlimmer, dich anbinden lassen. Gott, wenn ich bloß daran denke, wie sie dem armen Max die Schulter ausgekugelt haben. Dabei bekomme ich immer noch Gänsehaut.“

„Ist er denn sehr ungeduldig?“, fragte Theobald.

„Ich wäre nicht hier, wenn er mich nicht geschickt hätte“, entgegnete Robert.

„Hör mal“, sagte Theobald, „Wenn der Offizier fragt, warum ich mich nicht rechtzeitig gemeldet habe, dann erzähl ihm nicht, dass ich geschlafen habe. Verstanden?“

Robert verschränkte die Arme und lächelte. „Was springt für mich dabei raus?“, forderte er.

„Du willst echt dafür was haben?“, schnaubte Theobald. Sein Kamerad nickte, während er ein hämisches Grinsen im Gesicht trug. Theobald seufzte und schüttelte leicht den Kopf. Er griff in seine Hosentasche und holte zwei silberne Münzen hervor, die mit dem Gesicht des Kaisers geprägt waren. „Das sind die letzten Münzen, die ich habe. Das sollte reichen, um mir dein Schweigen zu erkaufen.“ Robert schaute auf die Münzen und grübelte etwas nach. Er wollte etwas sagen, ließ es aber und nahm die Münzen und steckte sie ein. „Gut“, sagte Theobald, „Dann lass uns losgehen, bevor der Offizier noch vor Ungeduld platzt.“

Die beiden gingen den matschigen Boden des Grabens entlang bis zu einer kleinen Rampe, die als Einstiegspunkt diente. Theobald schaute den Hang hoch in Richtung eines grauen Blockes. Tagelang waren sie marschiert, um diesen Punkt zu erreichen. Ein kleiner, baufälliger Kommunikationsbunker, der am Hang eines Berges lag und zum Fluchtpunkt der Kompanie wurde, der Theobald zugeteilt wurde. Jedenfalls dem, was von ihr übrig geblieben ist. Geplant war, dass sich die Kompanie mit einer anderen im Norden des Landes trifft, mit Hoffnung darauf, das Kriegsgeschehen zu wenden. Denn seitdem die Truppen der neuen Kaiserin die Hauptstadt eingenommen hatten und ihr Bruder, der Kaiser, und seine Berater geflohen waren, versuchten einige Restverbände der Armee, sich zu sammeln, um die Stadt zurückzuerobern. Leider geriet die Kompanie in einen Hinterhalt, der von den Truppen der Kaiserin gelegt worden war. Dabei wurde die Einheit geteilt und sie floh mit ihrem letzten Offizier in die Berge. Gerade mal 80 Mann schafften es bis hierhin. Der Rest ließ sein Leben auf dem Weg zu ihrer Position.

Theobald und sein Kamerad stapften über die großen Wurzeln in Richtung des Bunkers, wo Offizier Babel sein Quartier bezogen hatte. Sie kamen an einer mit Blättern überdachten Stellung vorbei, in der ein Maschinengewehr platziert war. In ihr saßen zwei Soldaten, die sich unterhielten und Zigaretten rauchten. Sie hielten in ihrem Gespräch kurz inne, um die zwei vorbeiziehenden Kameraden zu grüßen.

„Ist die Lage immer noch angespannt?“, fragte Theobald Robert.

„Was denkst du denn?“, antwortete dieser. „Seitdem Hogna und Rüb dem Späher der Kaiserin im Wald begegnet sind, ist die Stimmung sehr bedrückend und angespannt. Einige der Kameraden wollten sich letzte Nacht schon aus dem Lager davonstehlen, doch der Offizier hat ihnen noch ins Gewissen geredet. Dieser Ort ist zwar das letzte Drecksloch, aber da draußen würden sie nur den feindlichen Truppen in die Hände fallen“, sagte Robert.

„Es überrascht mich nicht, dass uns die Soldaten der Kaiserin gefunden haben. Wir haben auf dem Weg hierher eine Menge Sachen liegen lassen. Stehengebliebene Wagen, zurückgelassener Proviant, wir hatten nicht mal Zeit, unsere Kameraden zu bestatten, die auf dem Weg hierher gestorben sind“, sagte Theobald.

Robert blickte zu ihm. „Wie lange, meinst du, dauert es, bis sie hier sind?“, fragte er.

Theobald hielt kurz inne, dann schüttelte er den Kopf. „Das weiß ich nicht“, sagte er und seufzte.

Robert nickte. „Das hätte ich nie gedacht, dass ich mal in einem gottverlassenen Wald sterben würde“, gab er zu und blickte auf den Bunker.

„Besser hier als auf den Schlachtfeldern, wo schon Tausende liegen. Das sag ich dir, auf den Feldern der Namenlosen wird dich keiner betrauern können. Hier besteht wenigstens die Chance, dass uns die Soldaten der Kaiserin ein anständiges Begräbnis geben“, entgegnete Theobald.

„Du meinst, die machen sich die Mühe?“, fragte Robert.

Theobald sah ihn an. Er wollte seinem langjährigen Freund etwas Hoffnung geben, aber er wusste, dass er ihm nichts vormachen konnte. „Ich hoffe es zumindest“, sagte er.

So setzten beide ihren Marsch über matschigen Waldboden fort, bis sie den Bunker erreichten. Er bestand aus Beton, der an einigen Stellen schon mit Moos bedeckt war. An manchen Ecken und Kanten war der Beton abgebrochen, sodass der der Stahl zu sehen war, der vereinzelt schon verrostete. Obwohl der Krieg erst vor zehn Jahren begonnen hatte, sah das Gebäude so aus, als würde es hier schon seit Hunderten von Jahren stehen. Robert klopfte an die metallische Tür. Sie öffnete sich mit einem lauten Quietschen. In der Tür stand ein bärtiger Mann mit verdreckter Uniform und musterte die beiden Ankömmlinge.

„Ihr habt euch ganz schön viel Zeit gelassen“, brummte er mit rauer Stimme. „Na los, kommt rein. Der Offizier hat schon nach euch gefragt“, schnaubte er und winkte Theobald und Robert herein. Mit einem Knall ging die Tür hinter den beiden zu. „Ihr wisst ja, wo´s langgeht“, sagte der bärtige Mann und verschwand in einer kleinen Kammer.

Die zwei Soldaten standen in einem kleinen Gang, der dürftig beleuchtet war, an dessen Ende das Zimmer des Offiziers lag. An den Seiten des Ganges lagen kleine Kammern, in denen die Verletzten untergebracht waren. Auf ihrem Weg zum Zimmer des Offiziers kam ihnen der Feldarzt entgegen. Er trug eine weiße, blutverschmierte Schürze. Er grüßte die beiden freundlich und verschwand in eine der Kammern. Als Theobald durch den dunkeln Gang ging, überkam ihn ein ungutes Gefühl. Für einen Moment hörte er Artilleriefeuer sowie das dumpfe Pfeifen der Geschosse, wie sie durch die Luft flogen. Er spürte die Erschütterungen, der gesamte Bunker fing für ihn an zu beben. Die Lichter flackerten und bewegten sich, während Staub und Dreck von ihnen fiel. Er hörte die Rufe der Offiziere, die Schreie der Soldaten. Da griff ihm Robert an die Schulter.

„Hey, alles in Ordnung mit dir? Du siehst etwas blass um die Nase aus“, sagte er und schaute Theobald verwundert an. Dieser griff sich an den Kopf.

„Es ist nichts. Es geht schon wieder“, sagte er zu seinem Kameraden. Er schloss die Augen und holte tief Luft. Das unangenehme Gefühl verschwand, der Lärm und die Stimmen ebenso. Er öffnete die Augen und blickte in das Gesicht von Robert.

„Was war denn grad mit dir los? Ist irgendwas passiert?“, fragte er.

„Nein, nein. Alles bestens, bin wohl immer noch etwas müde“, sagte Theobald und versuchte, sich zu beruhigen. Robert schaute ihn verdutzt an. Nach einer Weile ging es Theobald besser und sie gingen zu der Tür, an die Theobald klopfte. Es ertönte ein dumpfes „Herein“.

Beide standen nun im Offiziersraum. Die Beleuchtung des Raumes war heller als im Rest des Bunkers. Die rauen, in Grau gehaltenen Wände strahlten eine gewisse Kälte aus. An einer der Wände hing die Karte des Reiches, in welchem noch die Frontabschnitte von vor fünf Jahren eingezeichnet waren. Hinter dem Tisch, der mittig im Raum platziert war, saß Unteroffizier Babel, der gerade etwas auf ein Papier schrieb. Er schaute die beiden nicht an.

„Bericht“, sagte er in einem harschen Ton.

„Es gab keine Vorkommnisse, Herr Offizier“, sagte Theobald. Babel schloss seinen Füller und legte ihn auf das Papier, lehnte sich zurück in seinen Stuhl und schaute die beiden Soldaten an.

„So. Keine Vorkommnisse, wie?“ Er verschränkte seine Arme. „Wie kommt es dann, dass du mir nicht eher Bericht erstattet hast und ich extra jemand nach dir schicken musste?“, sagte Babel in einem vorwurfsvollen Ton.

„Meine Taschenuhr ist kaputtgegangen und meine Ablösung war noch nicht erschienen, Herr Offizier“, sagte Theobald, während er geradeaus in Richtung der Fahne des Kaiserreichs blickte, die hinter Babel hing.

Der Offizier seufzte und stütze sich auf den Tisch. „Robert, geh und schick Lars an seinen Posten“, befahl er.

„Was!? Wo soll ich den jetzt finden? Der ist mit den anderen in den Wald gegangen, um Feuerholz zu holen“, entgegnete Robert.

Babel schlug auf den Tisch. „Ist mir egal! Such ihn und schick ihn auf seinen verdammten Posten!“, brüllte er.

Robert salutierte. „Zu Befehl“, sagte er und verließ den Raum.

Theobald war nun allein mit dem Offizier. Dieser stand auf und ging durch den Raum. Die Stimmung war angespannt. Theobalds Blick war immer noch nach vorne gerichtet. Er schaute auf Babels Uniform. An seiner linken Brust hing ein bronzener Stern, der zeigte, dass er ein Offizier niedrigen Ranges war. Seine Haltung zeigt Strenge und Disziplin, doch in seinen Augen spiegelte sich das Wesen eines abgekämpften Soldaten. Er stand auf und ging zur Karte.

„Sag mir, Theobald, wie lange wird es dauern, bis die Truppen der Kaiserin hier sind?“, fragte er. Theobald blickte zu ihm hinüber.

„Drei bis vier Tage, schätze ich“, antwortete er.

Der Offizier seufzte. „Bist du sicher?“, fragte er den Soldaten.

„Nicht ganz. Aber die Tatsache, dass sie uns im Wald begegnet sind, deutet drauf hin, dass sie wissen, wo wir sind. Sie können auch schon früher angreifen“, sagte Theobald.

„Viel werden wir ihnen nicht entgegenhalten können. Die Moral ist gebrochen und die Stellungen sind dürftig“, sagte der Offizier und setzte sich wieder hin. „Hast du Robert irgendetwas darüber erzählt?“, fragte er. Theobald schüttelte den Kopf. „Gut, gut. Wir können uns derzeit keine Panik leisten“, sagte Babel und nickte dabei. „Nun, Theobald, das wäre alles für den Moment“, sagte er, griff nach seinem Füller und schrieb weiter. Theobald salutierte und verließ das Büro des Offiziers.

Als er den Bunker verließ, hatte sich der Regen bereits verzogen. Nebelschwaden zogen über die Hänge des Waldes in Richtung des noch mit Wolken bedeckten Himmels. In Gedanken versunken ging Theobald zum Lagerfeuer, das in der Nähe des Bunkers war. An ihm saßen einige Soldaten und wärmten sich. Er setzte sich zu ihnen und versuchte, sich ein wenig zu beruhigen. Er merkte, wie die kommende Schlacht ihre Schatten vorauswarf.

Als die Nacht hereinbrach, fand sich Theobald im Schützengraben wieder. Er hatte wieder Nachtwache und da er alleine war, zündete er sich eine Zigarette am. Der Rauch tanzte in der Luft und der Geruch verschiedener Kräuter nistete sich in seiner Nase ein. Beim Auspusten stieß er den Rauch in die Richtung des Vollmondes, wodurch dieser kurz hinter einer Wand aus Nebel verschwand. Nachdem er fertig war, warf er den glühenden Rest auf den Boden und trat ihn aus. Dann lehnte er sich an die Wand des Grabens und blickte in das vom Mond erhellte Tal. Die Wipfel der Bäume erstrahlten in einem mystischen Licht. Vereinzelt hörte er die Rufe einer Eule, die durch den Wald hallten.

Plötzlich hörte er Schritte, die näherkamen. Jemand lief auf ihn zu. Er nahm sein Gewehr und richtete es in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Sein Finger war am Abzug, bereit zu schießen.

„Wer da?“, rief Theobald.

„Ich bin’s, Jens“, kam als Antwort. Aus der Dunkelheit trat ein Soldat in das helle Licht des Mondes. Es war einer der Verletzten, die im Bunker untergebracht waren. Um seinen Kopf war eine Bandage gebunden, die sein linkes Auge abdeckte. Theobald nahm sein Gewehr runter. „Mensch, Jens, was soll das?! Was läufst du hier mitten in der Finsternis auf mich zu?! Ich hätte dich fast abgeknallt!“, schimpfte Theobald. „Was willst du?“

„Du musst schnell kommen“, sagte Jens.

„Warum?“, fragte Theobald, „Was ist denn passiert?“

„Man hat mir nicht gesagt, was los ist, nur dass du kommen sollst“, antwortete Jens.

Aus seiner Stimmte konnte Theobald heraushören, dass etwas Schlimmes passiert war. Er nickte Jens zu und stieg über das Holz der Grabenwand. Beide gingen zum Bunker.

Dort herrschte große Aufregung. Die Verwundeten standen dicht gedrängt an den Rahmen der Kammern und blickten den Gang runter, in Richtung Babels Büro. Die Sanitätshelfer des Feldarztes liefen durch den Gang und versuchten, die Soldaten zu beruhigen. „Was war das? Was ist passiert?“, fragten die Verwundeten die Helfer, doch diese zeigten mit ihren Gesten, dass sie zurück in ihre Betten gehen sollten. Inmitten des Chaos drückte sich Theobald durch die Menge in Richtung des Offizierszimmers. Vor der Tür standen zwei bewaffnete Soldaten, um zu verhindern, dass irgendeiner der Neugierigen das Zimmer betrat. Als sie Theobald sahen, machten sie eine Handbewegung, dass er eintreten durfte.

Als Theobald das Zimmer betrat, erschrak er. Babel lag zusammengebrochen in seinem Stuhl. Sein Kopf lag auf dem Tisch. Theobald machte ein paar Schritte nach vor und sah die Blutlache, in der der Kopf des Unteroffiziers lag. Der Feldarzt stand neben Babel und inspizierte ihn.

„Was in Malachs Namen ist hier passiert?“, fragte Theobald, als er sich dem Leichnam näherte.

„Keine Ahnung“, antwortete der Koch, der in der Ecke des Raumes auf einem Stuhl saß. „Ich hörte einen lauten Knall. Dachte erst, es wäre der Stromgenerator gewesen, der wieder den Geist aufgegeben hat. Ich bin dann zum Offizier, um mir den Schlüssel für den Generatorraum zu holen, und da sah ich ihn so“, stotterte er.

Theobald wandte sich der Leiche zu. Es war wahrlich kein schöner Anblick. Das Blut tropfte über die Tischkante auf dem Boden, wo es eine kleine Pfütze bildete. Am Hinterkopf erkannte Theobald eine Schusswunde. Er blickte zur Wand hinter ihm, die ein gut erkennbares Loch hatte, in dem die Kugel steckte. Er schaute auf den Boden neben Babels Leiche und erblickte dort einen Revolver, den er aufhob. Er spürte, dass dieser noch warm war. Er öffnete die Trommel. Es befand sich nur eine Patrone in den Kammern, die bereits abgefeuert wurde. Theobald konnte erahnen, was hier passiert war. „Warum hat er das bloß getan?“, fragte er sich. Seine Gedanken wurden von der Stimme des Arztes unterbrochen.

„Was für eine Sauerei“ stöhnte er, „Er hätte sich wenigstens einen sauberen Tod aussuchen können.“

„Einen sauberen Tod?“, rief der Koch entsetzt.

„Erhängen“, entgegnete der Arzt kühl „Macht weniger Flecken.“ Der Koch warf dem Arzt einen Blick voller Abscheu zu.

„Da treten mit der Zeit nur die Augen vor“, mischte sich Theobald in das Gespräch ein und legte dabei den Revolver auf den Tisch. „Das ist auch nicht viel schöner zum Anschauen.“

„Ihr seid doch krank“, sagte der Koch.

„Kommt mit dem Beruf“, sagte der Arzt und schmunzelte ein wenig. Er ging zur Tür und wies die Soldaten, die Wache hielten, an, eine Trage und einTuch zu holen. Danach wandte er sich wieder Theobald und dem Koch zu. „Die Todesursache ist eindeutig. Er hat sich selbst erschossen“, sagte der Arzt.

„Warum sollte er das bloß machen?“, fragte der Koch verwirrt. Der Arzt zuckte mit den Schultern.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Theobald in die Runde.

„Das liegt an dir. Du hast die jetzt die Entscheidungsgewalt“, antwortete der Arzt.

„Was? Warum gerade er?“, fragte der Koch.

„Naja, ganz einfach“, sagte der Arzt, „Er ist jetzt der Ranghöchste in der Einheit. Damit hat er folglich nun die Befehlsgewalt.“ Er warf Theobald einen vorwurfsvollen Blick zu. „Um ehrlich zu sein, hättest du ja das Kommando viel früher innegehabt. Dein Rang ist höher als der von Babel.“

Der Koch wandte sich an Theobald. „Was?! Du hast einen höheren Rang als Babel? Warum hast du dann nicht das Kommando übernommen?“

Theobald blickte auf die Leiche des Offiziers. „Wir haben eine Abmachung getroffen. Er wollte unbedingt die Befehlsgewalt.“ Er drehte sich zu den anderen. „Keine Ahnung, warum er sie haben wollte. Ich war nur froh, dass ich sie abgeben konnte.“

Das Gespräch der Gruppe wurde durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. Die zwei Soldaten, die der Arzt losgeschickt hatte, betraten mit einer Trage den Raum.

„Wie dem auch sei. Du kommst jetzt nicht drumherum, die Verantwortung zu übernehmen. Also, was sollen wir machen?“, fragte der Arzt und gab mit einer Handbewegung den anderen Soldaten die Anweisung, die Leiche auf die Trage zu legen. Theobald dachte nach.

„Ich würde sagen, dass wir fürs Erste abwarten und sehen, wie sich die Situation entwickelt“, sagte er, „Am besten, wir sagen keinem etwas darüber, was hier passiert ist. Das würde die Situation im Lager nur verschlechtern.“ Er blickte zu den anderen im Raum. Sie zögerten etwas, nickten ihm aber zu.

„Gut dann hätten wir das geklärt“, sagte der Arzt, ging zur Tür und spitzte in den Gang, um sicherzustellen, dass kein neugieriges Auge ihre Aktion bemerkte. Danach wies er die Soldaten an, ihm mit der Leiche zu folgen.

„Dann wünsche ich noch eine angenehme Nacht“, sagte er, machte eine kleine Verbeugung und verließ den Raum.

„Ja, dann auch gute Nacht“, sagte der Koch und verließ leicht schockiert und verwirrt den Raum.

Theobald ging zur Tür und machte sie zu. Er ließ sich auf den Stuhl fallen, auf dem der Koch gesessen hatte. Seufzend schaute er auf die Flagge des Kaiserreichs. Was sollte er jetzt bloß machen?